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2021/01/07 11:55:39
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Feldpost für Elsbeth. Eine Familie im Ersten Weltkrieg
Datum 2021/01/09 10:58:28
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] "Wer helfen kann, der helfe! ". Deutsche SklavereigegnerInnen und die atlantische Abolit ionsbewegung, 1780–1860
2021/01/06 21:30:31
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Ein Corona-Pandemie-Bekämpfun gs-Abfallprodukt
Betreff 2021/01/07 11:55:39
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Feldpost für Elsbeth. Eine Familie im Ersten Weltkrieg
2021/01/07 11:55:39
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Feldpost für Elsbeth. Eine Familie im Ersten Weltkrieg
Autor 2021/01/09 10:58:28
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] "Wer helfen kann, der helfe! ". Deutsche SklavereigegnerInnen und die atlantische Abolit ionsbewegung, 1780–1860

[Regionalforum-Saar] Einen Artikel in der SZ "Zum 200 . Todestag von „Lenchen“ Demuth" betref fend.

Date: 2021/01/08 14:08:40
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...

Am 4. Januar 2021 erschien in der Saarbrücker Zeitung (vermutlich Regionalausgabe Saarbrücken) dieser Artikel:

Zum 200. Todestag von „Lenchen“ Demuth

Saarbrücken Karl Marx’ Haushälterin half Verletzten in Saarbrücken.

Von Marco Reuther

Eine berühmte Saarländerin wäre am 31. Dezember 200 Jahre alt geworden: Helena „Lenchen“ Demuth, die tatkräftige Haushälterin der Familie von Karl Marx. „Lenchen“ war als junges Mädchen in den Haushalt der Eltern von Jenny von Westphalen eingetreten, der späteren Ehefrau von Karl Marx. 1845 wechselte Helena Demuth in den Dienst der Familie Marx, die gerade von Paris nach Brüssel gezogen war. Sie organisierte den Haushalt, kümmerte sich um die Kinder und um die Finanzen. Dass die auch politisch aufgeschlossene Frau wohl eher als Familienmitglied betrachtet wurde, zeigt sich daran, dass sie nach ihrem Tod 1890 im Grab an der Seite von Jenny und Karl Marx auf dem Highgate Friedhof in London bestattet wurde.

Heimatforscher Bernd Hartmann machte die SZ darauf aufmerksam, dass Helena Demuth offenbar auch beherzt helfend in Saarbrücken tätig war: Sie soll 1870 gemeinsam mit der Dudweiler Gastwirtin Freudenberger und anderen Frauen im Pflegedienst für Verwundete in der Schlacht bei Spichern tätig gewesen sein. Hartmann beruft sich dabei auf die Schrift „Karl Marx, Lenchen Demuth und die Saar“ von Heinz Monz, ehemals Leiter des Karl-Marx-Hauses in Trier. Helena Demuth wäre somit eigens für diesen Einsatz von Brüssel an die Saar gereist. Mit ihrem Leben beschäftigt sich auch die neuere Biografie „Helena Demuth“ von Marlene Ambrosi (Verlag Michael Weyand, Trier, 17,95 Euro).

=> https://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/saarbruecken/200-todestag-von-lenchen-demuth-sie-wirkte-auch-in-saarbruecken_aid-55498557

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Dazu habe ich Herrn Reuther eben eine Email geschrieben:

"Hallo, Herr Reuther,

ich nehme Bezug auf Ihren Artikel in der SZ vom 4. oder 5. Januar 2021 über den 200. Todestag von Helena Demuth.

Leider sind in dem Artikel einige gravierende Fehler, was schon mit der Überschrift anfängt. Denn gemeint ist wohl der Geburtstag, wie es aus dem ersten Satz des Artikels hervorgeht. Aber ob der 31. Dezember 1820 der Geburtstag war ist auch nicht sicher: lt. Geburtseintrag im Standesamt geschah die Geburt um 1 Uhr morgens am 31. - übrigens in St. Wendel, was im Artikel völlig unterschlagen wird -, lt. Taufeintrag der Pfarrei St. Wendelin in St. Wendel war die Geburt am 30. Dezember, die Taufe am 31.

Natürlich war Helena Demuth keine Saarländerin, weil es das Saarland noch nicht gab. Es gab nicht einmal ein Deutschland. Sie wurde geboren im Fürstentum Lichtenberg, das dem Herzog von Sachsen-Coburg gehörte. Nach 1834 war sie Preußin, was sie bis zu ihrem Tod blieb. Denn in England ließ sie sich nicht einbürgern.

Dafür, daß Helene in Trier im Haushalt der von Westphalen als Hausmädchen diente, gibt es nur einen einzigen hiebfesten Beleg, das Einwohnerregister Triers von 1840. Davor und danach wird sie nicht genannt. 1842 zog die Witwe von Westphalen nach (Bad) Kreuznach und kehrt im Herbst 1843 nach Trier zurück - ohne Helena, aber mit einer Dienstmagd namens Maria Ensch. Am 18.12.1843 wohnte Helena  in ihrem Elternhaus in St. Wendel (Stadtarchiv St. Wendel, C2-18, Seite 30ff). In den Haushalt von Karl Marx kam sie vermutlich durch Vermittlung von dessen Schwiegermutter, bei der sie zu dem Zeitpunkt aber nicht mehr arbeitete.

Ihr Gewährsmann Heinrich Hartmann hat sich leider auf die Schrift von Heinz Monz verlassen - wie das auch Frau Ambrosi tat -, ohne die Sachlage kritisch zu untersuchen. Dann hätte er festgestellt (im Stadtarchiv Trier im Nachlaß von Dr. Monz) -, daß diese Vermutung auf Hörensagen-Vermuten beruht. Monz hat 1970 den 81-jährigen Jakob Demuth (1889-1973) interviewt. Jakob war ein Sohn von Jakob Demuth (1847-1892) und Elisabeth Riotte (1855-1932) und ein Enkel von Helenas älterer Schwester Katharina (1815-1873).

Jakob Demuth jr erzählt Dr. Monz, er wisse von seiner Mutter, daß Helena „oft“ nach Dudweiler kam und die Familie besuchte. Leider konnte sie nicht bei ihren Verwandten wohnen, sondern kam bei einer Witwe namens Freudenberger unter. Diese war als Marketenderin und im Pflegedienst tätig. Dr. Monz stellte sofort Recherchen an und kam über die Stadtverwaltung Dudweiler in Kontakt mit einem Herrn Baum aus Wahlschied, der erklärte, ein Verwandter von Frau Freudenberger zu sein. Er wußte zu berichten, daß die Witwe 1870 an der Front unterwegs gewesen sei.

Wenn Helena nun 1870 in Dudweiler war und des Krieges wegen nicht mehr nach England zurückkonnte, weil - ja, warum eigentlich? Wenn sie nicht durch Frankreich reisen konnte, stand ihr der Weg über Belgien oder Holland offen. Wenn sie also 1870 bei Frau Freudenberger in Dudweiler war, dann kann es gewesen sein, daß sie mit dieser an der Front oben auf den Spicherer Höhen geholfen hat, Verwundete zu pflegen. Das hätte sicher ihrer Natur entsprochen.

Im Trierer Stadtarchiv finden sich im Nachlaß Heinz Monz zwei Briefe des deutschen Historikers Herbert Friedrich Andréas (1914-1984) an den Trierer Marx-Forscher Heinz Monz. Seit 1968 war er am „Institut Universitaire de Hautes Études Internationales“ in Genf in der Schweiz angestellt, wo sich mit anderen Historikern der Erforschung des Lebens von Marx und Engels von 1844 bis 1848 widmete.

Am 5. Juni 1970 schreibt Andréas an Heinz Monz:
„Lenchen als Pflegerin im dtsch-frz Kriege kommt mir etwas unwahrscheinlich vor, oder beseser gesagt, sehr unerwartet. Es gibt allerdings ähnliche Fälle, so zog die Mehrzahl der Sektion der Internationale in Zürich ebenfalls als freiwillige Samariter los. Aber Lenchen hätte das doch nur mit Zustimmung der Marxens getan, und ich habe niemals eine Spur von dieser „aufsehenerregenden“ (im Familienkreise) Abenteuertour gesehen - und es ist doch beinahe unvorstellbar, dasz ein solches einschneidendes Ereignis im Familienkreise in den Briefen an Freunde unerwähnt geblieben wäre. Kann da keine Verwechslung oder Namensähnlichkeit vorliegen? Es könnte ja z.B. eine gleichnamige Base gewesen sein.“

Außerdem stellt sich die Frage, wo sich Helena im August 1870 überhaupt aufhielt -am 30. August 1870 war sie jedenfalls mit Karl Marx und Familie im englischen Ramsgate in Ferien. An diesem Tag schreibt Karl Marx in einem Brief an Friedrich Engels: „Morgen früh mit steamer nach London zurück. Erstens ist der Aufenthalt hier per 5 Mann sehr teuer, da die Engländer infolge des Kriegs alle Badeplätze überströmt haben.“ Die „5 Mann“ waren Karl Marx, seine Frau Jenny und ihre Töchter Jenny und Eleanor und Dienstmädchen Helena, denn Tochter Laura weilte zu diesem Zeitpunkt in Paris. Um den 10. September ist Helene auf jeden Fall wieder in London: sie besucht mit Jenny Marx sr. zusammen das neue Haus von Friedrich Engels, in das er mit Lizzy Burns einziehen will. Die beiden inspizieren u.a. die vorhandenen Tapeten.

„Brüssel“ ist in dem Zusammenhang natürlich unsinnig, Marxens wohnten schon seit 20 Jahren in London.

Oben habe ich „oft“ in Anführungszeichen gesetzt, denn nur nach ihrer Ankunft in London sind nur drei Reisen Helenas ins Saargebiet nachweisbar - 1863, 1873 und 1888.

Das Foto aus dem Stadtarchiv St. Wendel, das Sie abgedruckt haben, zeigt nicht Helena Demuth, sondern Mary Ellen Burns, eine Nichte von Friedrich Engels.

Diese Daten habe ich meinem eigenen Buch „Lenchen Demuth“ entnommen, das 2018 im Zuge von Recherchen während und nach den Dreharbeiten zum Film von Klaus Gietinger entstand.

Mit freundlichen Grüßen
 
Roland Geiger"