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Datum 2019/02/11 22:10:48
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Leise Anfrage
2019/02/27 20:47:39
Stefan Reuter via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Ausstellung Dillingen im Ersten Weltkrieg
Betreff 2019/02/11 22:10:48
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Leise Anfrage


Autor 2019/02/11 22:10:48
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Leise Anfrage

[Regionalforum-Saar] Gott spielt Tuba

Date: 2019/02/02 09:40:45
From: Roland Geiger <alsfassen(a)...

Musikkabarett „Duo Camillo“ gestern abend in der St. Wendeler Stadtkirche.

„Ob sich das rentiert, daß wir hoit abend herkamen?“ frage ich Steffi Krüger, die Küsterin der evangelischen Pfarrei, als meine Frau und ich gestern abend um kurz vor sieben in die nicht schlecht besuchte Stadtkirche in St. Wendel eintraten. „Weiß ich nicht“ gibt sie zur Antwort, „ich hab die beiden auch noch nie gehört.“

Die beiden, das sind Martin Schultheiß und Fabian Vogt, die seit gut vielen, vielen Jahren als „Duo Camillio“ auftreten. Schultheiß ist Physiker, spielt die Orgel und singt, während Vogt Gitarre und Saxophon spielt und die meisten Lieder zum besten gibt.

Eine Viertelstunde später wissen wir, daß sich das Herkommen auf jeden Fall gelohnt hat. Pfarrerin Christine Unrath hat die beiden begrüßt, und da haben wir schon eine Kostprobe bekommen, als Christines Handmikro nicht funktioniert und Vogt von hinten ruft, vorn am Altar stünden auch richtige Mikrophone. Dann rennen die beiden nach vorne und nehmen ihre Plätze ein. Mich irritieren die Kappen, die sie auf dem Kopf tragen, schließlich und endlich sind wir in einer Kirche. Doch die Kappen gehören zum Programm. Vogt legt gleich los - und wie. Er freut sich, daß er nach St. Wendel kommen durfte, und hat sich schon vorher über die Stadt informiert. Über deren Website. Dort steht das richtig Wichtige, daß man als Außenstehender über St. Wendel wissen muß, nämlich daß die Kompostieranlage bis auf weiteres geschlossen ist. Da kommen die ersten Lacher aus dem Publikum. Vogt läßt sich nicht beirren und macht so weiter. Dem ist es wurschd, ob seine Zuhörer ihn mögen, und ich schaue mich um, ob nicht die ersten schon gehen oder gegangen sind. Aber wir lassen uns ja gern beleidigen, und so bleiben wir sitzen. Vogt läßt nichts aus, und mancher Kalauer gibt sein Stelldichein, selbst wenns nur die Rathauskläranlage ist. Dann zieht er noch über seinen Partner her, der am Klavier sitzend eine mehr oder minder gleichgültige Miene zeigt, eher ein Erdulder, der weiß, was kommt. Irgendwann zieht ihm Vogt die Kappe vom Kopf und präsentiert seine Halbglatze, und wir kommen mit dem Lachen nicht nach.

Schultheiß revanchiert sich, es folgt ein fast ebenso langer Monolog, auch der mit feinen und derben Spitzen, aber immer den Punkt treffend. Vogt ist Sonderpfarrer, erzählt er uns, seine Frau Sonderpfarrerin, seine Kinder … da läßt er uns vermuten. Aber den Sondermüll läßt er auch nicht aus. Herrlich. Irgendwann ist er bei Elton John angelangt und zieht Vogt die Kappe vom Kopp, und, verflixt, die Ähnlichkeit ist da. Obwohl Vogt ne ganze Ecke jünger ist als Sir Elton.

Dann folgt ein Lied, wie die meisten an diesem Abend selbstgemacht, wie ich das sehe, meistens von Fabian Vogt, der nebenbei auch Mitverfasser zahlreicher Bücher ist.

Und dann geht das den ganzen Abend so weiter. Ein Lied, dann kommt eine Ansprache, mal von dem einen, mal von dem anderen, oder auch mal von beiden hintereinander. Über die Kirche, über die Welt, über uns selbst als Christen und Menschen, immer pointiert, oft etwas übertrieben, fast immer respektlos. Warum der Islam der größte Feind der Christen ist? Nun, der Pfarrer is’ lahm, die Kirche is’ lahm. Ob die Heilige Familie wirklich so arm war? Christus hatte doch gleich bei der Geburt schon einen Krippenplatz. Auch die Politik kriegt ihr Fett ab: Stellen Sie sich vor, AKK hieße mit Familiennamen „Friederike“. Gut, bei dem dauert es etwas, bis die Leute reagieren. Eine Frau ganz vorn fängt plötzlich an zu lachen und kriegt sich nicht mehr ein, und der Kommentar kommt trocken „oh, auch kapiert“.

Dann machen es die beiden wie Reinhard May auf seinen Schallplatten. Erst kommen die lustigen Lieder, denen im späteren Programm die ernsteren folgen. Der Übergang ist fließend, aber der Ton wird ruhiger, die Späße etwas weniger. Da erzählt Vogt von einem Projekt mit Konfirmanten, die ein Jahr lang alle zwei Monate sich mit alten Leuten zusammensetzten und Erfahrungen und Erlebnisse austauschten. Da berichtet ein Opa vom ersten Kuss und seiner Entscheidung, auf einem Schiff anzuheuern, um die weite Welt zu sehen. Im Hafen trifft er dann die Frau seines Lebens. So, sagt er zu seinem jugendlichen Zuhörer, das war mein Leben, jetzt erzähl mir, was Deines ausmacht. Und als die Konfirmanten nach dem Jahr gefragt wurden, was ihnen am besten gefallen hat, sagten 45 von 45, das es nicht die Abschlußfahrt war, nicht der Winterurlaub, sondern die vier Treffen mit der älteren Generation.

Das zweitletzte Lied ist ein Projektlied. Schultheiß will wissen, was das Leben in St. Wendel ausmacht. Weshalb wohnen Sie gern in St. Wendel? Wie stellen Sie sich das Zusammenleben hier vor? Es dauert ein paar Minuten, bis das Eis gebrochen ist, dann kommen ein paar Begriffe nach vorne geflogen, irgendwas über den heiligen Geist, Marathon, Autorennen, Wendelin, Dibbelabbes, ich rufe die Urgroßmutter der englischen Königin nach vorne (Kommentar: ja, die habe ich gesehen, als wir in die Stadt reinkamen), und mein Nachbar weist auf die „Straße des Friedens“ hin. Schultheiß versteht das meiste, manches nicht, was durch die Akustik im Raum nicht besser wird. Vogt macht Notizen, weil er diese Stichwörter nachher in einem Lied verwursteln will/wird. Dieses Lied wird interessant, weil es uns zeigt, was die Leute, die mit St. Wendel nix am Hut haben, mit unserem Altbekannten anfangen können. „Straße des Friedens“, das assoziiert bei mir sofort die Höhe vor Baltersweiler, die stehenden und liegenden Steine, der Fuß, der Atompilz, „sitze recht und scheue niemand“, Leo Kornbrust und Fee Frischmuth. Und Otto Freundlich. Vogt und Schultheiß hören den Begriff zum ersten Mal in ihrem Leben, ihnen sagt er überhaupt nichts. Und so wird in ihrem Lied, das Vogt aus diesen Bruchstücken zusammenbaut, mit der „Skulpturenstraße des Friedens“ das Schlußwort seines Refrains, während er sein Lied singt und auf seinem kleinen Zettel die Begriffe abhakt.

Ein wirklich starker Abend, was nicht nur der Applaus zeigt, sondern auch das Spendenkörbchen, das beim Ausgang gut gefüllt wird. Wir haben uns köstlich amüsiert und sind prächtig unterhalten worden, da weiß ich, was ich als Eintrittsgeld gern gezahlt hätte.