heute in der SZ:
Eine Ausstellung wie ein Historien-Krimi
Von
Cathrin
Elss-Seringhaus
Saarbrücken. In der neuen Schau des
Historischen Museums
Saar gibt es viel Staunenswertes zu entdecken, was aber nicht
immer
zufriedenstellend vermittelt wird.
„Die Ruinen ruinieren mich“, sprach Friedrich
Wilhelm IV.
(1795-1861). Und so steht es an der Wand im Historischen Museum
Saar. Aber wann
und aus welchem Anlass? Dass der preußische Monarch und seine
Zeitgenossen
einer romantischen Mittelalter-Nostalgie frönten, dass er 1842 die
Überreste
der Burg Stolzenfels (Nähe Koblenz) in märchenhafter Weise wieder
auferstehen
ließ, man weiß es – vielleicht. In der aktuellen Sonderausstellung
erfährt man
es jedenfalls nicht. Auch der Besucher, der sich dort ob der
historischen
Baupläne einer NS-Ordensburg an der Saarschleife die Augen reibt,
reibt sie
sich noch lange. Weil er wenig mehr erfährt, als dass es unter den
Nationalsozialisten (1933-1945), die ihre Elite in kloster- und
festungsartigen
Kasernen erziehen lassen wollten, zu einer Pervertierung der
Ritterorden-Idee
kam. Der Wissensdurst bleibt nicht nur an diesen Punkten
ungestillt. Und es
verwundert kaum, dass noch Tage nach der Eröffnung
Museumsmitarbeiter damit
beschäftigt waren, ergänzende Beschriftungs-Schilder anzubringen.
Mit dem
bisher nur in Teilaspekten erforschten Thema „Steinerne Macht.
Burgen,
Festungen, Schlösser in Lothringen, Luxemburg und im Saarland“,
einem
großregionalen Projekt also, hat sich das Team um Museumschef
Simon Matzerath
offensichtlich eine Goliath-Aufgabe gestellt, die mit den
beschränkten
Ressourcen eines David, der das Haus am Saarbrücker Schlossplatz
im
bundesweiten Vergleich der historischen Landesmuseum nun mal ist,
kaum
bewältigt werden kann. Und würde die Gesamtpräsentation nicht so
hell,
freundlich, frisch und luftig wirken, wären neue Medien nicht so
abwechslungsreich integriert, mancher Besucher wäre wohl
frustriert.
Es geht um über 1000 Jahre Geschichte, um eine
riesige
Denkmallandschaft von etwa 200 – meist verlorenen – Bauwerken, 30
davon lassen
sich auf einem Touch-Screen besichtigen. Dabei sind touristisch
noch kaum
genutzte Orte wie die Püttlinger Burgruine Bucherbach oder auch
Topziele, etwa
der Prachtbau Vianden in Luxemburg. Vier davon wurden am Computer
detailgenau
rekonstruiert und erscheinen in großen Panorama-Fotografien, als
stünden sie
heute noch, etwa Alt-Montclair (12. Jhd.) in Mettlach oder Schloss
Karlsberg,
das „versunkene Versailles“ Herzog Karl II. August von
Pfalz-Zweibrücken.
Französische Revolutionssoldaten brannten 1793, rund 25 Jahre nach
der
Erbauung, die angeblich größte und modernste Residenz ihrer Zeit
nieder.
Freiherr von Knigge schwärmte über das „Feenschloss“ und dessen
Gemälde-Schätze. Die finden sich heute in der Münchner Pinakothek.
Ein
Historien-Krimi, der hier zweifellos zu kurz kommt und eine eigene
Ausstellung
wert wäre.
Ferner geht es um Architekten wie Sébastien Le
Prestre de
Vauban (1633-1707), die Festungen in Bitche oder Saarlouis
schufen, um höfische
Feste im Saarbrücker Barockschloss oder um die baugeschichtliche
Entwicklung
auf dem Saarbrücker Saarfelsen, die man unter dem Historischen
Museum ergraben
hat. Als authentische Erlebniswelt wartet sie am Ende des
Rundgangs. Man sieht
eigens für das Museum gedrehte Filme zur Bedienung von Armbrust
und
Hakenbüchse, verfolgt die verschlungenen Linien der Dynastien der
Region, die
zum Schluss führen, dass die heutige großherzogliche Familie in
Luxemburg der
Rechtsnachfolger der Saarbrücker Fürsten-Linie ist. Man stößt auf
ein erstmals
öffentlich gezeigtes Gemälde aus Privatbesitz („Venus in der
Schmiede von
Vulcanus“), dem vermeintlich einzigen und letzten aus dem 1793
vernichteten
Saarbrücker Schloss. Angeblich wurde es einem Mann zum Dank für
seinen
Löscheinsatz beim Brand des Schlosses geschenkt und überlebte im
Familienbesitz
bis heute. Im Vorbeigehen lernt man womöglich auch noch was über
das Symbol des
Herzens, das auf Efeu- und Weinblätter zurückgeht, und woher der
Kosenamen
„mein Herzblatt“ stammt – durch Spielmarken aus der Saarbrücker
Burg, die
bereits im 16. Jhd. Herz, Pik, Karo und Ass trugen.
Staunen darf man über eine Baurechnung der Burg
Nohfelden
von 1480, die dokumentiert, dass die Bautrupps einst 61 500 Brote
verspeisten.
Oder man gerät in ästhetische Wallung ob eines großartig
gearbeiteten
Ritterkopfes aus Stein (Region Metz, Ende 16. Jhd.) oder weil die
Panzerritter
auf der kleinen Saarbrücker Glasscherbe (1510) derart transparent
schimmern.
Kurz, es öffnet sich auf drei Etagen und mit
100
Original-Exponaten, unter anderem aus dem Germanischen
Nationalmuseum in
Nürnberg, ein Riesen-Kosmos, in den man abtauchen kann. „Ein
Königreich für
Ritter und Entdecker“, so nennt das Museum seine Schau. Ein
Kaiserreich ist sie
für diejenigen, die keine Rundum-Sorglos-Infos erwarten, sondern
die sich hier
Lust und Laune abholen, um daheim weiter zu lesen.