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2016/02/09 08:46:31 Roland Geiger [Regionalforum-Saar] Der Narr soll's Maul halten! |
Datum | 2016/02/11 13:45:10 Roland Geiger [Regionalforum-Saar] (kein Betreff) |
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2016/02/16 10:43:54 Roland Geiger [Regionalforum-Saar] Herzogin Luise |
Betreff | 2016/02/20 16:40:35 Roland Geiger [Regionalforum-Saar] Jüdisches Leben in der Stadt und im Landkreises Saarlouis |
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2016/02/09 08:46:31 Roland Geiger [Regionalforum-Saar] Der Narr soll's Maul halten! |
Autor | 2016/02/11 13:45:10 Roland Geiger [Regionalforum-Saar] (kein Betreff) |
Date: 2016/02/09 20:37:19
From: Roland Geiger <alsfassen(a)...
Rez.
MA: J.
Zeune: Ritterburgen (=
C.H. Beck Wissen
2831). München: C.H. Beck Verlag 2015. ISBN 978-3-406-66091-7; Burgeninteressierte
werden
im Kapitel "1. Hogwarts und Camelot: Unser Leben mit dem
Mittelalter" (S. 6-11) mit den gängigsten Bildern moderner
Mittelalterrezeption
konfrontiert. Ausgehend von der fiktiven Burg "Hogwarts" aus den
Harry Potter-Romanen über weitere Romane, Comicserien und die
Möglichkeiten des
"Erlebens" von Burgen werden die mannigfaltigen Irrtümer der
traditionellen Burgenforschung herausgestellt, um über die
Aufzählung der
allgemeinen Innovationen des Mittelalters zum Kapitel "2.
Graben, Mauern,
Türme und Zinnen" (S. 11-18) hinüberzuleiten. Dass Burgen
heutzutage von
Jüngeren oft über die Darstellung in Computerspielen rezipiert
werden, fehlt
allerdings. Der folgende "Versuch einer Definition" (S. 11-13)
kann
letztlich nur wenig über Johann Nepumuk Cori[1] und Otto
Pieper[2] hinausgehen.
Die definitorischen Schwierigkeiten (bereits der Zeitgenossen),
was genau unter
einer Burg zu verstehen ist, hätten noch stärker chronologisch
sortiert werden
können. Das
Kapitel
"3. Bereit ze turneie und ze strite: Der Adel als Träger des
Burgenbaus"
(S. 18-33) enthält eine Darstellung zu mit dem Burgenthema
verwandten Bereichen
wie "Lehnswesen", "(Raub-)Rittertum", "Ministerialen",
"Reichsburgmannen", "höfische Kultur", "höfische Ritterromane
zum Gral", "Turniere" und "Jagd", allesamt Felder, die
in den letzten Jahren viele Forschungsumbrüche erlebt haben. Das
Kapitel endet
mit der Einstufung des 14. Jahrhunderts als
"Katastrophenjahrhundert des
Mittelalters" (S. 29) aufgrund eines Bestsellers von Barbara
Tuchmann.[3]
Die dabei gezeigten Erklärungsmodelle - so zum in den letzten
Jahren verstärkt
diskutierten Lehnswesen - entsprechen nicht immer dem derzeit
aktuellen Forschungsstand
der Geschichtswissenschaft.[4] Zeune
betont im
folgenden Kapitel "4. Die Burg als Machtsymbol und
Herrschaftsinstrument"
(S. 33-45) zu Recht die psychologischen Faktoren "Motivation"
und
"Moral" bei der Deutung von Burgen. Ob aber "[in] einer
unaufgeklärten
Welt [...] die Symbolhaftigkeit über die Funktionalität
dominier[te]" (S.
36), scheint doch fraglich. Nach
diesem
ersten Teil, in dem der Autor kaum seine fachlichen Stärken
ausspielen kann,
weil er sich teilweise zu sehr auf populäre Darstellungen
verlässt, wird der
Band stärker. Die Dynamik der sich beständig an die sich
wandelnden
Erfordernisse anpassenden Burgen wird im Kapitel "5. Die ewige
Baustelle" (S. 45-80) deutlich herausgestellt. Besonders die
Innovationen
der Waffen- und Kriegstechnik, aber auch die allgemeinen
technischen
Entwicklungen der Bau- und Gerätetechnik führen zu immer neuen
baulichen
Veränderungen. Hinzu treten die Notwendigkeiten, nach
Naturereignissen (S. 75-80)
(der "Katastrophen"-Begriff wird völlig unreflektiert
verwendet), wie
bspw. Erdbeben oder Überschwemmungen, die Burgen wieder instand
zu setzen und den
Erfordernissen anzupassen. So zeigt etwa die Erneuerung der
Brücke der Burg
Hohenfreyberg, die alle drei Jahre erforderlich war (S. 74),
eine dynamische
Bauanpassung. Im
Kapitel
"6. Stets im Wandel: Von der Burg über das Burgschloss zum
Schloss"
(S. 80-118) wird diese Adaption der Burgen anhand der
chronologischen
Darstellung von Burgelementen, ihrem Auftreten und ihren
Blütezeiten noch
weiter deutlich gemacht. Bemerkenswert sind die langsame
Entwicklung und
Verbreitung der Mörteltechnik im 10. und 11. Jahrhundert (S. 82)
sowie die
lange Zeit des parallelen Auftretens von hölzernen und
steinernen Burganlagen.
Daneben wird deutlich, wie sehr staufische Anlagen die heutigen
Bilder von
Befestigungen im Früh- und Hochmittelalter anachronistisch
verstellen.
Eindrucksvolle Beispiele, wie vor der Stauferzeit Befestigungen
errichtet
wurden, finden sich beispielsweise in den beschriebenen
archäologischen
Befunden der slawischen Burgwälle, die aus gewaltigen Holzkästen
baukastenartig
zusammengesetzt worden waren (S. 84 f.). Mit
vielen
Klischees und romantisierenden Vorstellungen der früheren
Burgenforschung muss
Zeune aufräumen, wie dem Bergfried als letztem Zufluchtsort. Er
betont dessen
stark symbolische Funktion in der Fernsicht, überzeugender
scheint aber die
ebenfalls genannte Funktion als feuerfestes Depot für
Wertgegenstände und
rechtsrelevante Dokumente (S. 96-98). Zwei
Herrscher
werden immer wieder genannt: Heinrich I. und seine so genannte
Burgenordnung,
die etwas überbetont erscheint, und Friedrich I. Barbarossa als
wichtigster
Burgenbauer (S. 94 f.), dessen aus Buckelquader errichtete
Burgen zwar über steinerne
Ringmauern, Torbauten und Mauertürme (S. 106) verfügten, dessen
Tortürme aber
kaum wehrhaft gewesen seien (S. 106 f.). Aus den vielen
Beispielen Zeunes zur Entwicklung
von Wehrelementen im Burgenbau seien nur zwei genannt: So wird
auf die
Verbreitung von Bliden in unterschiedlichen Größen ab 1200 (S.
112) mit der
Schildmauer reagiert, deren Blütezeit von 1250 bis 1350
angegeben wird. Im 15.
Jahrhundert lässt sich eine große Vielfalt an Schießscharten
beobachten, bevor
sich dann zwei Arten von Scharten durchsetzten. Die Reaktion auf
die
Innovationen in der Militärtechnik, wie Batterietürme und
Rondelle, die sich ab
1500 verbreiteten (S. 116), musste auch finanziert werden, was
sich viele
Städte in der Frühen Neuzeit aber nicht immer leisten konnten. Im
Kapitel
"7. Das Nachleben der Burg" (S. 118-122) zeigt Zeune anhand der
im
Jahr 1410 erbauten Burgen Hohenfreyberg und Ludwigstein, wie in
dieser Zeit der
frühen Artilleriebefestigungen anachronistisch auf staufische
Bauformen
zurückgegriffen wurde (S. 119). In Kapitel "8. Die Burg als
lebendiges
Denkmal" (S. 122-126) hätten einige Redundanzen zu Kapitel 1
eingespart
werden können. Dann wäre auch mehr Platz für eine etwas größere
Schrift in
Kapitel "9. Statt eines Nachworts: Die zwölf schlimmsten
Irrtümer über
Burgen" (S. 126f.) gewesen, das die Quintessenz des kleinen
Bändchens
darstellt, das leider etwas abrupt mit dem Bildnachweis (S. 128)
abbricht. Ein
Literaturverzeichnis ist zwar derzeit im Internet zu finden[5],
die
Nachhaltigkeit solcher Web-Link-Angebote ist aber
erfahrungsgemäß oft nur kurz,
sodass eine gedruckte Auswahl wichtiger Titel langfristig
sinnvoller gewesen
wäre. Zudem wäre statt der online angegebenen zwölfseitigen
"Bibliographie
Joachim Zeune (Auswahl)" die Angabe der benutzten und teilweise
zitierten
Literatur, als Beispiele seien genannt Ehlers (S. 32)[6], Meyer
(S. 48)[7],
Schmaedecke (S. 49)[8], hilfreicher gewesen. Fazit:
Unter dem
irreführenden historisierenden Titel "Ritterburgen" werden hier
viele
Anachronismen und romantische Vorstellungen früherer
Burgenforscher
dekonstruiert und durch moderne, überwiegend
archäologisch-bauforscherische
Erkenntnisse ersetzt. Für die akademische Lehre setzt das erste
Drittel des
Bändchens zu viel Vorwissen über die Fallstricke der behandelten
geschichtswissenschaftlichen
Themenfelder voraus, während die beiden folgenden Drittel einen
kompakten und schnellen
Einstieg in die moderne Burgenkunde ermöglichen. Anmerkungen: |