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2015/07/10 09:13:45
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Panorama-Freiheit bleibt erhalten
Datum 2015/07/10 09:20:09
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] ein historischer Grenzstein in Eitzweiler
2015/07/07 23:39:02
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[Regionalforum-Saar] Konf: Familiengeschichten, Schatztruhen und andere Archive
Betreff 2015/07/10 09:13:45
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[Regionalforum-Saar] Panorama-Freiheit bleibt erhalten
2015/07/10 09:13:45
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Autor 2015/07/10 09:20:09
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[Regionalforum-Saar] ein historischer Grenzstein in Eitzweiler

[Regionalforum-Saar] nicht unsere Region, aber unsere Geschichte - leider

Date: 2015/07/10 09:18:14
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heute in der SZ: 

„Der Film ist erschreckend aktuell“

Interview zur Kinoproduktion „Wir sind jung. Wir sind stark“ – Montag in Saarbrücken

Am Montag beginnen in Saarbrücken die Filmtage der Arbeitskammer des Saarlandes. Eröffnet werden sie mit dem preisgekrönten Film „Wir sind jung. Wir sind stark“, der die Ausschreitungen gegen Asylbewerber 1992 in Rostock-Lichtenhagen behandelt. Der Drehbuchautor Martin Behnke, 1978 in Ostberlin geboren, stellt den Film im Kino Achteinhalb vor. SZ-Redakteur Tobias Kessler hat mit ihm gesprochen.

Ihr Film zeichnet die tagelangen Ausschreitungen gegen Asylbewerber nach. Zurzeit brennen wieder Unterkünfte. Handelt der Film, so gesehen, auch von unserer Gegenwart?

Behnke: Darum ging es uns nicht. 2010 kam der Regisseur Burhan Qurbani mit der Idee zu mir, einen Film über Lichtenhagen zu drehen – mit dem Ziel, dass das nicht vergessen wird, was manche ja gerne täten. Es gibt ja einige Dokumentationen, aber ein Spielfilm kann einem das nochmal emotionaler nahe bringen.

Der Film kann dann zur Hoch-Zeit der Pegida-Bewegung ins Kino.

Behnke: Das war reiner Zufall. Aber plötzlich war der Film erschreckend aktuell. Denn das, was in diesen Demonstrationen skandiert wurde, ist nichts anderes als eine Vorbereitung für Gewalt – und jetzt brennen ja wieder Asylbewerberheime.

Hat das Aufkommen von Pegida Sie überrascht?

Behnke: Dass man Leute mit einfachen Parolen gewinnt, ist nichts Neues. Aber in der großen Masse hat mich Pegida schon überrascht. Es gibt einen Unmut in der Bevölkerung, den man nachvollziehen kann – Angst vor der Zukunft, das Gefühl, sich in der Gesellschaft nicht wiederzufinden. Das mag verständlich sein. Unverständlich ist aber, hinter einer menschenverachtenden Fahne hinterzulaufen. Wer das tut, begeht einen Fehler. Eigene Frustration ist keine Entschuldigung.

Wie nahe an Ihrer eigenen Biografie liegen die Ereignisse von Lichtenhagen?

Behnke: Ich komme aus Ostberlin und habe diese Umbruchzeit erlebt, ich war damals so alt wie die Figuren im Film. Mich hat die Frage interessiert, wieso diese Gewalt und diese rechten Strömungen in der Wendezeit so schnell hochkamen, auch in meinem Freundeskreis. In gewisser Weise war das Drehbuch auch eine Art persönliche Suche.

Wie sind Sie bei der Arbeit am Drehbuch vorgegangen?

Behnke: Wir haben ein Jahr lang recherchiert, mit vielen Zeitzeugen gesprochen, sind in die Archive gegangen und haben daraus die Figuren gestaltet. Es war uns klar, dass wir nie alle Aspekte abbilden können – alleine um das Versagen der Polizei darzustellen, hätten wir einen eigenen Film gebraucht. Wir wollten zeigen, wie ein Pogrom entsteht – unter welchen Umständen Menschen wie wir zu Tätern werden können.

Was ist für Sie das besonders Erschreckende am Fall Lichtenhagen? Gewalt von einigen – oder der Beifall von Tausenden, die zusehen wie beim Volksfest?

Behnke: Erschreckend ist natürlich beides. Diese Art von Gewalt wird es immer geben – aber wenn Eltern am Straßenrand stehen und die Gewalt ihrer Kinder beklatschen, erschreckt das besonders. Genau wie die zynische Reaktion der Politik. Viele Politiker hatten danach erklärt, Lichtenhagen zeige, dass die Deutschen mit dem Zustrom von Einwanderern überfordert seien. So wurde den Einwanderern eigentlich die Schuld zugeschoben, was ekelhaft ist.

Man konnte damals vom Osten Deutschlands das Bild gewinnen, dass sich kein Ausländer nachts auf die Straße wagen kann, ohne Gesundheit oder sein Leben zu riskieren. Ist das eine verzerrte Wessi-Sicht auf den Osten?

Behnke: Leider nicht. Das Problem hat man in Ostdeutschland ja heute noch in manchen Teilen. Nicht dass es in Westdeutschland keine Nazis gäbe, aber das verbreitete Ressentiment, dieses Gefühl von Ablehnung anderer, das ist hier im Osten stärker. Das hat ja paradoxerweise auch damit zu tun, dass im Osten wenige Ausländer leben. Je weniger die Leute mit ihnen zu tun haben, umso stärker basteln sie sich eine bizarre Vorstellung zusammen, wie Muslime so sind oder afrikanische Einwanderer. Es gibt Dörfer in Brandenburg, die mehr oder weniger komplett braun sind. Da machen die Rechten die Jugendarbeit, die Sozialarbeit, die Hartz-IV-Beratung. Kein anderer macht das, und so haben die Rechten da die Macht.

Was unterscheidet die Rechtsradikalen im Osten und Westen?

Behnke: Ich glaube, dass der ostdeutsche Rechtsradikalismus vor allem in der Wendezeit weniger durchdacht, weniger durchpolitisiert war, sondern eher eine Form von Aufbegehren gegen die Zustände und auch gegen die Eltern, was im Film ja auch kurz zur Sprache kommt: Wenn die Eltern Kommunisten sind, kann man sie mit nichts stärker schockieren als mit dem Hitlergruß.

Haben Lichtenhagen oder auch Hoyerswerda das Fundament für den NSU gelegt?

Behnke: Hoyerswerda und Rostock haben gezeigt, dass Gewalt ein Mittel zur politischen Einflussnahme ist. Es war ein politischer Erfolg für die Rechte: Danach wurde das Asylgesetz verschärft, alle Täter sind gewaltfrei ausgegangen. Die Leute des NSU waren damals so 16, 17, die haben das mitbekommen. Es gab damals in der rechten Szene sogar den Glauben, dass Lichtenhagen zu einer Art „Völkischen Revolution“ wird – dass man im Osten eine ausländerfreie Zone errichtet und sich dann nach Westen vorarbeitet. Diesen Glauben gab es.

Gibt es ihn noch?

Behnke: Ich bin kein Experte für die rechte Szene. Aber die jüngsten Verfassungsberichte über die drastische Zunahme von rechter und fremdenfeindlicher Gewalt und die Islamfeindlichkeit der Pegida-Spaziergänger zeigt auf jeden Fall, dass es doch einen beachtlichen Anteil von Menschen in diesem Land gibt, die die Vision eines „Deutschlands der Deutschen“ leider als etwas Erstrebenswertes ansehen.

Termin: Montag, 19 Uhr,

Kino Achteinhalb (Sb). Nach dem Film kann mit Martin Behnke und dem Darsteller Joel Basman diskutiert werden. Die weiteren Filme: „Kriegerin“ (Di), „Im Labyrinth des Schweigens“ (Mi), „Lauf, Junge lauf“ (Do) und „Freistatt“ (Fr), jeweils 20 Uhr. Programm unter www.arbeitskammer.de