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2014/08/07 20:01:03
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Kommenden Mittwoch Radio hö ren
Datum 2014/08/18 14:09:54
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Sebastianustag 1466
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[Regionalforum-Saar] das haus der cueser in st. wendel betreffend
2014/08/07 20:01:03
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Autor 2014/08/18 14:09:54
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
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[Regionalforum-Saar] Buchbesprechung "Points of Passage"

Date: 2014/08/11 23:03:31
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...

Brinkmann, Tobias (Hrsg.): Points of Passage. Jewish Transmigrants from
Eastern Europe in Scandinavia, Germany and Britain 1880-1914. New York:
Berghahn Books 2013. ISBN 978-1-78238-029-0; 186 S.; EUR 66,99.

Inhaltsverzeichnis:
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/media/beitraege/rezbuecher/toc_21766.pdf>

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Elisabeth Janik, Doktoratskolleg Galizien, Universität Wien
E-Mail: <Elisabeth.Sylvia.Janik(a)... massenhafte Auswanderung aus Osteuropa am Ende des 19. Jahrhunderts
zählt sicherlich zu den am besten erforschten Themen in der historischen
Migrationsforschung. In den vergangenen Jahrzehnten konzentrierten sich
zahlreiche Arbeiten insbesondere auf die jüdischen
Wanderungsbewegungen.[1] Während einige Forschungsgegenstände, wie die
Ankunft und Akkulturation in den Zielländern, ausführlich bearbeitet
wurden, blieben andere Aspekte, wie die Transitwanderung oder die
Bedeutung der Grenz- und Hafenstädte und der Reiserouten, jedoch
weitgehend unbeachtet. Der jüngst von Tobias Brinkmann (Penn State
University) herausgegebene Band Points of Passage, der die Beiträge
einer Tagung, die 2008 in Hamburg stattfand, versammelt, verspricht nun,
zumindest einige dieser Lücken zu schließen. Den zeitlichen Rahmen der
Beträge bilden das Einsetzen der osteuropäischen Massenauswanderung um
etwa 1880 und der Beginn des Ersten Weltkriegs. Gegenstand des
Sammelbandes ist die jüdische Amerikaauswanderung aus Osteuropa über die
Transitländer Deutschland, Großbritannien und Skandinavien.

Die insgesamt sieben Aufsätze befassen sich mit verschiedenen Aspekten
der Transmigration: Neben den Gesundheitskontrollen an den östlichen
Grenzstationen, in den Häfen und in den Zielländer werden auch
Reisebedingungen sowie der Einfluss der großen Dampfschiffgesellschaften
auf die Migration untersucht. Darüber hinaus betonen mehrere Beiträge
den Einfluss der stetig wachsenden Einwanderungsrestriktionen in Amerika
auf die Migrationspolitik in den europäischen Transitländern. In der
Einleitung gibt Brinkmann einen weiten Überblick über die gegenwärtige
Forschungslandschaft zur jüdischen Transatlantikwanderung. Dabei wirft
er zunächst die Frage nach der Bedeutung der Immigration und Migration
in den Transitländern auf. Zudem geht er auf die staatlichen
Regulierungen und Kontrollen der Migration ein. In diesem Zusammenhang
thematisiert Brinkmann auch nicht-staatliche Akteure, die wichtige
Bedeutung für die Auswanderung besaßen. Dazu zählt er einerseits die
zahlreichen Hilfsvereine in den Transitstationen und andererseits die
Schifffahrtsgesellschaften mit ihrem in Osteuropa weitgestreuten
Agentennetzwerken. Seine Ausführungen werden durch zahlreiche Beispiele
unterstützt.

Der erste Beitrag thematisiert die Medikalisierung der Grenz- und
Hafenstädte: Barbara Lüthi (Basel) befasst sich mit der Thematisierung
der jüdischen Migration in politischen Debatten sowie mit ihrer
Darstellung in den zeitgenössischen Medien. Im Vordergrund des Beitrags
stehen die hygienischen Kontrollen, die sie sowohl aus einer
transnationalen als auch vergleichenden Perspektive analysiert. Den
Hintergrund bilden die schärfer werdenden Restriktionen in den
Transitländern gegen die Ein- bzw. Durchwanderung aus Osteuropa um 1900.
Lüthi betont, dass die Medikalisierung der Migrant/innen zu einer
Klassifizierung von Menschen in die Kategorien "erwünscht" und
"unerwünscht" geführt habe, in denen sich wiederum die individuelle
Gesundheit der Migrant/innen mit der kollektiven Gesundheit des
"Volkskörpers" verband. Carl Henrik Clarsson (Uppsala) schildert anhand
treffend gewählter Bespiele und reich angeführtem statistischen
Materials die Auswirkungen jüdischer Einwanderung aus Osteuropa nach
Schweden zwischen 1860 und 1914. Im Zentrum steht die Frage, inwieweit
es sich bei der jüdischen Osteuropawanderung nach Schweden um eine
Einwanderung oder eine Transitwanderung gehandelt habe. Im Ergebnis sei
die jüdische Einwanderung sehr bedeutend für die Herausbildung der
jüdischen Gemeinde in Schweden gewesen, auch wenn viele von ihnen
Schweden lediglich als eine Übergangsstation im Prozess der Wanderung
gesehen haben.

Nicole Kvale Eilers (University of Wisconsin, Madison) untersucht die
Bedeutung der Eisenbahn im Laufe der osteuropäischen Auswanderung über
die preußischen Grenzstationen nach Amerika. Der Aufsatz verdeutlicht
die enge Zusammenarbeit zwischen den preußischen Behörden und den
privaten Dampfschifffahrtsgesellschaften Hamburger Aktien und
Paketgesellschaft (HAPAG) und Norddeutscher Lloyd (NDL) in Hinblick auf
die Regulierung der Transitmigrant/innen aus Osteuropa. Die
Zusammenarbeit sei keineswegs reibungslos gewesen. Ähnlich wie Barbara
Lüthi misst Eilers den Grenzstationen eine große Bedeutung als jene Orte
zu, an denen die zahlreichen Migrant/innen vor ihrer Einreise nach
Preußen durch das mehrstufige hygienische Kontrollsystem gefiltert
wurden. Eilers zeigt auf, dass sowohl die HAPAG als auch der NDL sich
stärker an den Einwanderungsbestimmungen der US-Behörden orientiert
haben als an den preußischen. Klaus Weber (Europa-Universität Viadrina)
untersucht die Aktivität und Strategien eines der wichtigsten jüdischen
Hilfsvereine in England, des Jews' Temporary Shelter (JTS) zwischen 1885
und 1930. Dabei geht er auch auf die wesentliche Bedeutung dieser
Organisation für die jüdische Einwanderung und Transitmigration. Wie er
anhand zahlreicher Beispiele zeigt, bestand eine der größten
Herausforderung für die Organisation darin, sowohl staatliche Interesse
als auch die der Auswanderer/innen zu berücksichtigen und durchzusetzen.
Ferner diskutiert er die Rolle des JTS im Ersten Weltkrieg und nach 1933
und geht auf einzelne Aktivitäten ein.

Drew Keeling (Zürich) befasst sich mit den transatlantischen
Reisebedingungen. Im Zentrum seiner mit sehr anschaulichem Material
unterlegten Darstellung stehen neben den technischen Entwicklungen vor
allem die Veränderungen bzw. Verbesserungen im Bereich der
Passagierunterkunft auf den Schiffen. Keeling zeigt nicht nur auf,
welche Gruppen von Migrant/innen von den Verbesserungen betroffen waren,
sondern geht auch auf Ursachen und Bedingungen des Wandels ein. Zudem
betont er, dass dabei marktwirtschaftliche Überlegungen wichtiger
gewesen seien als der Druck oder Einfluss von staatlichen oder
öffentlichen Institutionen. Auch Per Kristian Sebak (Bergen Maritim
Museum Norwegen) geht auf die transatlantischen
Schifffahrtsgesellschaften ein. Im Vordergrund seiner Analyse steht die
skandinavische Schifffahrtsgesellschaft Det Forenede Dampskibs-Selskab.
Sebak fragt nach den Beweggründen der russisch-jüdischen
Transitmigrant/innen, die Auswanderungsroute über Skandinavien zu
wählen. In diesem Zusammenhang diskutiert er die Auswirkungen der
jüdischen Transitwanderung für die skandinavische
Schifffahrtsgesellschaft und verortet diese vor dem Hintergrund des so
genannten Atlantic Rate War 1904-1905. Sebak stellt deutlich heraus, das
die Beförderung russischer Jüd/innen von großer Nützlichkeit für die
DFDS war, insbesondere nach dem Untergang des dänischen
Passagierschiffes Norge.

Während die vorherigen Beiträge den Fokus auf die
Nordamerikaauswanderung gelegt haben, nimmt der letzte Beitrag in dieser
Hinsicht eine andere Perspektive ein. Tony Kusher (University of
Southampton) lenkt nicht nur den Blick auf eine weitere
Auswanderergruppe aus Russland, den so genannten Wolgadeutschen, sondern
wendet sich auch der Auswanderung nach Brasilien zu. Seine Schilderungen
zeigen die Verzweiflung und Ohnmacht der Rückwanderer/innen gegenüber
dem Verhalten örtlichen Behörden in Southampton und Hamburg. Gründe
dafür sieht Kusher in den Generalsierungen und Pauschalisierung von
Auswanderungsgründen, die nicht für alle Auswanderungsgruppen zutreffen.
Dem Prozess der Transitmigration schreibt er einen wesentlichen Einfluss
auf für die komplexen zeitgenössischen Debatten über ethnische und
nationale "Zugehörigkeit" und "Nicht-Zugehörigkeit" zu.

Die Beiträge zeichnen ein vielschichtiges Bild der osteuropäischen
Transitwanderung nach Nordamerika zwischen 1880-1914. Der von Brinkmann
aufgestellte Anspruch neue unbeachtete Perspektiven auf den
Forschungsgegenstand zu öffnen, wird sicherlich eingelöst. Hervorzuheben
ist die Darstellung jener Wanderungsrouten über Schweden und
Skandinavien, die bisher in der Forschung kaum thematisiert wurden. Ihre
Analyse wirft jedoch die Frage nach der Bedeutung der Wahl der Route im
gesamten Wanderungsprozess des 19. Jahrhunderts auf. Leider bleibt eine
Antwort diesbezüglich aus. In diesem Zusammenhang wäre eine intensivere
Darstellung der Transitstationen als komplexe soziale Gefechte
wünschenswert. Besonders detailreich ist die Beschreibung der
verschiedenen Akteure. Hier finden auch zeitgenössische Debatten über
die Gesundheit des "Volkskörper", Antisemitismus und Xenophobie
Erwähnung.

In vereinzelten Beiträgen kommt es zu Wiederholungen, insbesondere dann,
wenn es um die preußischen Grenzstationen und die Gesundheitskontrollen
geht. Jedoch ist dies ein leicht zu verschmerzendes Manko. Es ist nicht
von der Hand zu weisen, dass sich die Restriktionen in Amerika und
Deutschland nach dem Ausbruch der Choleraepidemie in Hamburg in erster
Linie gegen jüdische Migrant/innen aus Russland richteten. Sie bildeten
die größte Auswanderergruppe im ausgehenden 19. Jahrhundert, jedoch wäre
ein Blick auf weitere ethnische Auswanderergruppen wünschenswert
gewesen. Zusammenfassend ist zu betonen, dass der Sammelband einen
wesentlich Beitrag zur osteuropäischen Auswanderung zwischen 1880 und
1914 leistet.

Anmerkung:
[1] Vgl. hier unter anderem Klaus Hödel, Vom Shtetl an die Lower East
Side Galizische Juden in New York, Wien 1991; Jeffrey Lesser, The
Immgration and Integration of Polish Jews in Brazil, 1924-1934, in: The
Americas 51 (1994), S. 173-191; Eli Lederhendler, Jewish Immigrants and
American Capitalism 1880-1930, Cambridge 2009; Ewa Morawska,
Polish-Jewish Relations in North America, 1880-1914: Old Elements, New
Configurations, in: Mieczyslaw B. Biskupski / Antony Polonsky (Hrsg.),
Polish-Jewish Relations in North Amerca, Oxford 2007, S. 71-86.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
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