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Autor 2013/04/06 21:08:59
Rolgeiger
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[Regionalforum-Saar] Die Schlacht auf dem Lechfeld

Date: 2013/04/03 00:28:51
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Bowlus, Charles R.: Die Schlacht auf dem Lechfeld [8 Karten]. Stuttgart:
Jan Thorbecke Verlag 2012. ISBN 978-3-7995-0765-3; 280 S.; EUR 26,99.

Inhaltsverzeichnis:
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/media/beitraege/rezbuecher/toc_19586.pdf>

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Orsolya Heinrich-Tamáska, Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte
und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO) Leipzig
E-Mail: <heintama(a)... vorliegende Studie stellt die deutsche Übersetzung des
amerikanischen Originals "The Battle of Lechfeld and its Aftermath,
August 955. The End of the Age of Migration in the Latin West" aus dem
Jahre 2006 dar.[1] Die vorliegende Fassung - mit einem Vorwort von
Stefan Weinfrurter - verfolgt das Ziel (S. 17), einen breiteren Kreis
der deutschen Mediävistik zu erreichen.

Das Thema sollte jedenfalls auch auf Englisch für Aufmerksamkeit sorgen,
werden doch die Ereignisse auf dem Lechfeld am heiligen Laurentius-Tag
des Jahres 955 und die Folgen des Sieges Ottos I. über die heidnischen
Ungarn in der deutschen Geschichtswissenschaft schon seit Langem als ein
besonderer historischer Wendepunkt eingestuft. Auch im vergangenen
Jahrzehnt wurde ein breites wissenschaftliches und öffentliches
Interesse für dieses Ereignis und seine Akteure bekundet, ob in
Verbindung mit der Ausstellung "Otto der Große" in Magdeburg im
vergangenen Jahr[2], im Rahmen des Forschungsprojektes "Reiterkrieger,
Burgenbauer - Die frühen Ungarn und das 'Deutsche Reich' vom 9. bis zum
11. Jahrhundert" am Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz[3] oder
durch ein Zinnsoldaten-Diorama über die Lechfeld-Schlacht in
Königsbrunn.[4]

Das Buch ist in sieben Kapitel unterteilt. Nach einem
forschungsgeschichtlichen Überblick (S. 19 ff.) behandeln die folgenden
drei Kapitel die Vorgeschichte und die Umstände, die zu der Schlacht
führten: aus der Sicht der ungarischen Kriegsführung (S. 41 ff.), der
Reichsgeschichte (S. 75 ff.) und des Verhältnisses der Ungarn zum
Abendland (S. 114 ff.). In den zwei abschließenden Abschnitten werden
dann die Ereignisse des Jahres 955 selbst analysiert (S. 144 ff.).

Charles R. Bowlus' Argumentationskette für die Vorgänge bei Augsburg
baut auf den ersten drei Abschnitten des Buches auf. Im zweiten Kapitel
wird die Kriegsführung der Ungarn unter dem Aspekt ihrer Logistik und
Technik untersucht. Die ungarischen Militär-Erfolge basierten demnach
auf einem Überraschungseffekt, auf einen schnellen Angriff zu Pferd und
mit Reflexbogen, wie es zuvor bereits bei anderen Steppenkriegern der
Fall gewesen war.[5] Um die Mobilität und Schnelligkeit zu sichern, war
das Mitführen mehrerer Pferde notwendig, und ihre dauerhafte Versorgung
- die Suche nach Weideflächen - soll einen der Schwachpunkte der
ungarischen Militärstrategie gebildet haben. Den zweiten Punkt liefert
das Bogenschießen selbst, dessen Einsatz mit einer
Entfernungskampf-Strategie einherging und bei feuchten
Witterungsverhältnissen stark eingeschränkt gewesen sein soll.

Im Kapitel drei unter dem Titel "Militärreformen Heinrichs I." wird die
These der so genannten Verteidigung in der Tiefe als erfolgreich
angewendeter Abwehrmechanismus formuliert, der bereits seit dem Beginn
des zehnten Jahrhunderts in Bayern und später durch Heinrich I. auch in
Sachsen angewendet wurde. Ihr strategisches Prinzip soll darin bestanden
haben, die mit Beute beladenen Truppen auf ihrem Rückweg ins
Karpatenbecken zu überfallen. Den Kern dieser Verteidigung sollen
agrarii milites gebildet haben, die sich um Wehranlagen (urbes)
organisierten. Die militärische Funktion dieser Gruppen ist allerdings
in der Forschung stark umstritten, zudem werden aktuell auch Debatten
über die Datierung und Funktion von Wehranlagen im süddeutschen Raum
geführt, die deren die bisher gültige Einschätzung als ungarnzeitliche
Fluchtburgen anfechten.[6]

Im vierten Kapitel, bei der Analyse des Verhältnisses der Ungarn zum
Abendland, stehen eindeutig die Beziehung zu Bayern selbst im Fokus der
Ausführungen. Die Kernthese allerdings, dass die ungarischen Streifzüge
oder ihre militärische Einmischung mit den inneren Konflikten des
Ottonenreiches einhergingen, da die Rebellen die Ungarn als Söldner für
ihre Vorhaben anwarben, wird schon seit längerem diskutiert.[7]

Für die Rekonstruktion der Schlacht bei Augsburg selbst und die
vernichtende Niederlage des ungarischen Heeres in den nachfolgenden
Tagen greift Charles R. Bowlus auf diese Kapitel als Erklärung zurück.
Die Vorkommnisse an den Augusttagen 955 bei Augsburg sind aus den
Quellen - vor allem durch Widukind - gut bekannt: Am 8. August begann
der ungarische Angriff auf Augsburg, das von Bischof Ulrich verteidigt
wurde. Einen Tag später rückte Ottos Heer an, konnte den ersten Angriff
der Ungarn abwehren, und am 10. August fand die eigentliche Schlacht
statt. Charles R. Bowlus' Rekonstruktion zufolge fand diese aber nicht
auf dem Lechfeld, sondern am Rand des Rauhen Forstes westlich von
Augsburg statt (S. 243). Seine zentrale These bezieht sich jedoch nicht
auf die Bestimmung des Ortes, an dem die Schlacht ablief, sondern auf
die Annahme, dass die Vernichtung der ungarischen Kriegerverbände und
der durchgreifende Sieg nicht am 10. August erreicht wurden, sondern
erst in den darauffolgenden Tagen. Dieser zweite Abschnitt des Kampfes
soll durch zwei Aspekte bestimmt worden sein: erstens durch
unwetterartige, über Tage andauernde Regenfälle, die sowohl die
Reflexbögen der Ungarn außer Kraft gesetzt als auch ihren Rückzug
behindert hätten, da sie eine starke Überflutung der Flüsse
verursachten. Zweitens sollen die zersplitterten ungarischen Truppen mit
ständigen Attacken ottonischer Einheiten konfrontiert gewesen sein, ganz
nach dem Prinzip der vorher geschilderten Methode der "Verteidigung in
der Tiefe": Sie sollen von befestigten, an den Flussübergängen gelegenen
Anlagen aus überfallen und vernichtet worden sein.

Das von Charles R. Bowlus konstruierte komplexe Szenario einer
vollständigen Niederlage der Ungarn bringt insgesamt eine neue
militärhistorische Sicht auf die Ereignisse, auch wenn es in seiner
Grundaussage die etablierte Forschungsmeinung über die Bedeutung dieses
Sieges für Otto I. unterstützt. Ebenso übernimmt er die feststehende
Ansicht über die Auswirkung dieser Schlacht auf die spätere Entwicklung
der Ungarn: Die Beendigung der Streifzüge nach Westen soll den ersten
Schritt auf dem Weg zur Integration der Ungarn in das christliche
Abendland gebildet haben. Ob diese Niederlage tatsächlich diese
Reichweite für die ungarische Geschichte besaß, bleibt allerdings
umstritten. Die komplexen innenpolitischen Prozesse während der zweiten
Hälfte des zehnten Jahrhunderts im Karpatenbecken sind mit Sicherheit
nicht mit diesem Ereignis allein erklärbar.

Es wäre wünschenswert, dass Charles R. Bowlus' Werk in der Zukunft auch
durch die ungarische Forschung rezipiert wird. Bei der Durchsicht des
Literaturverzeichnisses wird nämlich umgekehrt sogleich offenkundig,
dass aus Ungarn nur wenige deutsch- und englischsprachige Beiträge für
die Arbeit berücksichtigt worden sind. Auch wenn ungarische
Sprachkenntnisse keine Voraussetzung für eine quellennahe und -kritische
Studie sein müssen, geht der Arbeit damit ein wichtiger
forschungsgeschichtlicher Aspekt verloren. Dies zeigt sich unter anderem
darin, dass die ungarische und die deutsche Forschung die Rolle der
Ungarn während des zehnten Jahrhunderts teils bis heute unterschiedlich
bewerten, was jedoch bisher kaum Berücksichtigung in den einschlägigen
Arbeiten fand.


Anmerkungen:
[1] Deutsche Rezension durch Joachim Ehlers, in: Deutsches Archiv 63,
2007, S. 735. - Ausführlicher und kritischer: Jonathan R. Lyon, in:
H-German(a)... Hartmut Leppin / Bernd Schneidmüller / Stefan Weinfurter, Kaisertum
im ersten Jahrtausend. Wissenschaftlicher Begleitband zur
Landesausstellung "Otto der Große und das Römische Reich. Kaisertum von
der Antike zum Mittelalter", Mainz 2012; Matthias Puhle / Gabriele
Köster (Hrsg.), Otto der Große und das Römische Reich. Kaisertum von der
Antike zum Mittelalter. Ausstellungskatalog, Mainz 2001.
[3] <http://web.rgzm.de/759.html>, [04.02.2013].
[4] <http://www.koenigsbrunn.de/index.php?id=10265,356>, [04.02.2013].
[5] Johannes Gießauf, Barbaren - Monster - Gottesgeißeln. Steppennomaden
im europäischen Spiegel der Spätantike und des Mittelalters, Graz 2006,
bes. S. 101-134.
[6]Tagungsbericht "Das lange 10. Jahrhundert - struktureller Wandel
zwischen Zentralisierung und Fragmentierung, äußerem Druck und innerer
Krise. 14.03.2011-16.03.2011, Mainz", in: H-Soz-u-Kult, 28.05.2011,
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=3650>,
[15.03.2013].
[7] Zuletzt detailliert zusammengefasst bei Gyöngyvér Bíró / Péter
Langó, "Deo odibilis gens Hungarorum" oder "auxilium Domini" - Die
Ungarn und die christliche Welt im 10. Jahrhundert, in: Orsolya
Heinrich-Tamaska (Hrsg.), Rauben - Plündern - Morden. Nachweis von
Zerstörung und kriegerischer Gewalt im archäologischen Befund, Hamburg
2013, S. 275-336.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Wolfgang Eric Wagner <wolfgang-eric.wagner(a)...