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2013/03/24 23:38:29
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[Regionalforum-Saar] 1763 die Kirche gibt das alte Rathaus in St. Wendel an Kurtrier zurück
Datum 2013/03/28 08:01:55
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[Regionalforum-Saar] Schönheitsoperationen rüc kgängig gemacht
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[Regionalforum-Saar] ein Brief nach Amerika von 1947
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[Regionalforum-Saar] Konf: Wassermühlen und Wa ssernutzung im mittelalterlichen Ostmitteleuropa
2013/03/24 23:38:29
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[Regionalforum-Saar] 1763 die Kirche gibt das alte Rathaus in St. Wendel an Kurtrier zurück
Autor 2013/03/28 08:01:55
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Schönheitsoperationen rüc kgängig gemacht

[Regionalforum-Saar] Kirche als Baustelle

Date: 2013/03/27 10:33:53
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

From:    Britta Kägler <kaegler(a)...   27.03.2013
Subject: Rez. MA: B. Klein u.a. (Hrsg.): Kirche als Baustelle
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Klein, Bruno; Schröck, Katja; Bürger, Stefan (Hrsg.): Kirche als
Baustelle. Große Sakralbauten des Mittelalters. Köln: Böhlau Verlag Köln
2013. ISBN 978-3-412-20976-6; geb.; 428 S.; EUR 54,90.

Inhaltsverzeichnis:
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/media/beitraege/rezbuecher/toc_19893.pdf>

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Britta Kägler, Deutsches Historisches Institut in Rom
E-Mail: <kaegler(a)... Schritt und Tritt begegnen sie uns als steinerne Zeugnisse der
Vergangenheit. Die Rede ist von den großen Sakralbauten des
Mittelalters, die bis heute zahlreiche europäische Stadtansichten
prägen. Die Kirche als Baustelle - so der Titel des vorliegenden
Sammelbandes - rückt nun erstmals den Prozess des Bauens in den
Mittelpunkt und wirft damit verschiedene Fragen auf, die sich jeweils
aus der Grundannahme ergeben, dass es sich lohne, den Blick auf die
"Geschichtlichkeit von Bauverläufen" (S. 8) zu lenken. Verdeutlicht doch
gerade der Prozesscharakter des oft jahrzehnte-, wenn nicht
jahrhundertelangen Bauvorhabens, inwiefern das Endergebnis aus einer
Folge verworfener alternativer Bauprojekte hervorgegangen ist, was sich
während eines so langwierigen Bauprozesses alles ereignen konnte und
welche Strategien entwickelt wurden, um möglichst viele Störfaktoren
bereits im Vorfeld ausschließen zu können. Ausgehend von diesen
praxisbezogenen Fragestellungen verfolgt der Sammelband, der auf eine
Tagung im November 2011 und auf Ergebnisse des Sonderforschungsbereichs
804 "Transzendenz und Gemeinsinn" (TU Dresden) zurückgeht, das Problem,
welche Bedeutung Planungs- und Bauprozesse mittelalterlicher Kirche als
Katalysatoren für die Dynamisierung und Stabilisierung sozialer
Ordnungen besaßen.

Bruno Klein hebt in seinem einleitenden Beitrag "Bauen bildet - Aspekte
der gesellschaftlichen Rolle von Bauprozessen mittelalterlicher
Großbaustellen" hervor, dass seit dem 12. Jahrhundert eine Wandlung
eingesetzt habe, die vom sapiens architectus, der Leitfigur des
mittelalterlichen Bauwesens, wegführte, hin zu einer zunehmenden
Ausdifferenzierung einzelner Tätigkeiten. Er verweist hierbei zu Recht
auf die Weiterentwicklung technischer Möglichkeiten, die allerdings
"nicht losgelöst von den kulturellen, speziell sozialen Entwicklungen
betrachtet" (S. 12) werden können. In der Mehrzahl der 24 Beiträge wird
ausdrücklich betont, dass die generelle Steigerung des Aufwandes einer
Großbaustelle im späten Mittelalter verstärkt dazu führte, dass die
Bauherren nicht mehr allein für die Finanzierung der Sakralbauten
aufkommen konnten. Eingefordert wurde daher Partizipation in den Städten
vor allem durch die Gläubigen und deren Spenden. Der Beitrag von Klaus
Tragbar "Wie man eine Kathedrale baut. Anmerkungen zum Baumanagement des
Doms in Siena" stellt exemplarisch das Baumanagement des Doms in Siena
vor, indem er die Rechnungsbücher analysiert und zeigt, dass ein
Erstarken der Kommune das gesamte Finanzierungskonzept der Dombauhütte,
deren Organisation und Aufgabengebiete veränderte. Es bildete sich eine
Art kommunale Baugesellschaft heraus, deren Kontrolle nicht dem Bischof
oder den Kanonikern, sondern der Kommune allein oblag.

Klein postuliert in Übereinstimmung mit Martin Warnke, dass durch die
stärkere kommunale Beteiligung bei Großbauprojekten (Klein analysiert
den Bau der Kathedralen von Modena und Piacenza im 11./12. Jahrhundert)
eine Art öffentliche Zurücknahme von Machtautonomie zu verzeichnen
sei.[1] Es gelingt ihm, zu zeigen, wie hoch der öffentliche Druck war,
sich an der Baustelle zu beteiligen, um die eigene 'Gemeinsinnigkeit' zu
inszenieren.

Der selbstbewussten Bürgerschaft von Reims geht Peter Kurmann in seinem
Beitrag "Baustellen und Barrikaden" nach. Im Gegensatz zu Siena lösten
sich hier die Spannungen zwischen Erzbischof, Domkapitel und Kommune
jedoch nicht ohne Weiteres auf. Von kriegsähnlichen Zuständen, in deren
Folge selbst das Baumaterial für Notre-Dame zu Reims für Barrikaden
herhalten musste, gingen jedoch kaum nachweisbare Änderungen am
Baukonzept aus. Die Forschung betont im Gegenteil die formale
Einheitlichkeit wie sie sich in kaum einem anderen Bauwerk der
französischen Gotik finden lässt, obwohl die Kirche nur nach
langwierigen Baustopps vorangebracht werden konnte.

Ebenfalls in Etappen vollendet wurde die Franziskanerkirche Santa Croce
in Florenz, deren Finanzierungsmodell sich Eva Maria Waldmann vornimmt.
Ihr Beitrag schließt zusammen mit dem Beitrag von Claudia Jentzsch zur
Teilhabe am Bau der Augustinerkirche Santo Spirito eine Lücke im Bereich
der Finanzierungsstrategien, die sich dadurch ergab, dass auch die
Bettelorden große Sakralbauten zu errichten begannen. Deren Finanzierung
konnten sie als 'non-profit-Organisationen' jedoch nicht aus eigenen
Mitteln bestreiten. Waldmann zeigt, wie mit der Vergabe von
Bestattungsplätzen im Innenraum der Kirche Laien als Spender gewonnen
werden konnten. Dieses Modell machte in Florenz Schule, indem auch die
Mendikantenkirche Santo Spirito Kapellenräume für private Stifter
vorsah. Inwiefern die Monumentalität der Kirchenräume zum bloßen Anreiz
für wohlhabende Stifter verkommen konnte, hätte noch weiter ausgeführt
werden können; gespannt sein kann man jedoch bereits auf die Monografie
zur Franziskanerkirche Santa Croce, die Waldmann derzeit für den Druck
vorbereitet.[2]

Die Beiträge von Stefan Bürger, Katja Schröck, Gerhard Weilandt,
Jean-Sébastien Sauvé, Maren Lüpnitz, Franz Bischof, Helga Steiger und
Andrea Sander wenden sich Bauprojekten im deutschsprachigen Raum zu.
Hierzu gehören die St. Annenkirche in Annaberg, der Veitsdom in Prag,
die Frauenkirche in Nürnberg, das Straßburger Münster, der Domchor in
Köln, St. Ulrich und Afra in Augsburg, St. Michael in Schwäbisch-Hall
und St. Marien in Wurzen. Weilandt und Sauvé betrachten speziell die
Bildprogramme. Sauvé konzentriert sich insbesondere auf die Darstellung
der Beziehung der Reichsstadt Straßburg zum Kaiser, die in zahlreichen
architektonischen und figurativen Elementen am und im Münster
dargestellt ist. Er bleibt damit einer kunsthistorischen
Betrachtungsweise besonders verbunden.

Die Mehrzahl der Beiträge bewegt sich jedoch zwischen kunsthistorischen
und historischen Fragestellungen, wenn für die einzelnen Baustellen
Effizienzsteigerungen und eine generelle Rationalisierung des
Bauprozesses festgestellt werden.[3] In Einzelfällen kann der
spätmittelalterliche Dombaumeister sogar als 'Generalunternehmer'
betrachtet werden, der für den Abschluss des Gesamtbauwerks allein
verantwortlich war. Warum die Gruppe von Bauherren alles andere als
einheitlich war, zeichnet Lüpnitz anhand des Kölner Domkapitels nach[4];
die soziale Herkunft der Stifter aus bürgerlichen Familien mit
vorwiegend kleineren und mittleren Vermögen analysiert Bischoff am
Beispiel des Neubaus von St. Ulrich und Afra, der angeblich aufgrund der
baufällig gewordenen romanischen Vorgängeranlage notwendig geworden
war.[5] Eine Begründung, die letztlich auch als Topos der Baugeschichte
gilt.

Der Sammelband überzeugt besonders dadurch, dass leitende Fragen die
einzelnen Beiträge miteinander verbinden. Allerdings sind nur selten so
direkte Verzahnungen wie bei den Beiträgen von Waldmann und Jentzsch zu
finden. Die inhaltliche Verknüpfung der einzelnen Beiträge bleibt
insofern hinter den hohen, durch die Einleitung geweckten Erwartungen
zurück. Die einzelnen Beiträge sind in sich jeweils schlüssig, gründlich
und lesenswert, eine zusammenfassende, wenigstens vorläufige Quintessenz
bleibt aus. Die sozialen Ordnungen auf ihre Bedeutung für hoch- und
spätmittelalterliche Großbaustellen zu untersuchen, öffnet jedoch den
Blick für übergreifende Strukturen und eine notwendige Verbindung von
Kultur- und Wirtschaftsgeschichte.

Anmerkungen:
[1] Vgl. Martin Warnke, Bau und Überbau. Soziologie der
mittelalterlichen Architektur nach den Schriftquellen, Frankfurt am Main
1976, S. 67f.
[2] Eva Maria Waldmann, Vor Vasari. Die Franziskanerkirche Santa Croce
in Florenz (ca. 1280-1565), in Vorbereitung.
[3] Hierzu besonders eindrücklich Katja Schröck, Der Prager Veitsdom -
Aspekte des Bauens, S. 210-223, hier S. 219f.
[4] Maren Lüpnitz, Dombaumeister und Domkapitel beim Bau des Kölner
Domchores. Eine bauarchäologische Spurensuche, S. 285-298, hier S.
296f.
[5] Franz Bischoff, St. Ulrich und Afra in Augsburg. Ein
benediktinisches Großbauprojekt im städtischen Kontext, S. 299-312, hier
S. 301.


Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Harald Müller <mueller(a)... zur Zitation dieses Beitrages
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2013-1-207