Suche Sortierung nach Monatsdigest
2013/03/07 22:47:47
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] M. Wrede: Ohne Furcht und Tadel
Datum 2013/03/11 08:55:37
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Birkenfeld im 18ten Jahrhundert
2013/03/16 09:49:31
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] alte Balken und die Fantasien der Saarbrücker Zeitung
Betreff 2013/03/11 08:55:37
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Birkenfeld im 18ten Jahrhundert
2013/03/07 22:47:47
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] M. Wrede: Ohne Furcht und Tadel
Autor 2013/03/11 08:55:37
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Birkenfeld im 18ten Jahrhundert

[Regionalforum-Saar] Ausstellung "Otto der Gro ße und das Römische Reich"

Date: 2013/03/08 23:32:32
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Otto der Große und das Römische Reich
------------------------------------------------------------------------

Magdeburg, 27.08.2012-09.12.2012
Kulturhistorisches Museum Magdeburg

Katalog: Puhle, Matthias; Köster, Gabriele (Hrsg.): Otto der Große und
das Römische Reich. Kaisertum von der Antike zum Mittelalter [495
Farbabb., 37 S/W-Abb.]. Regensburg: Schnell & Steiner 2012. ISBN
978-3-7954-2491-6; 744 S.; Museum: EUR 24,90 / Buchhandel: EUR 39,95.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Tobias Hoffmann, Historisches Seminar, Westfälische Wilhelms-Universität
Münster
E-Mail: <thoffman(a)... bestimmen den Rhythmus von Museen in einem nicht unerheblichen
Maße. Gleich zwei Jubiläen der Geschichte Ottos des Großen haben das
Kunsthistorische Museum Magdeburg dazu bewegt, im Jahre 2012 eine
Ausstellung über den berühmtesten Sohn der Stadt auf die Beine zu
stellen. Zum einen jährte sich der Geburtstag Ottos zum 1100. Mal, zum
anderen fand vor 1050 Jahren die Kaiserkrönung Ottos in Rom (2. Februar
962) statt. Nach zwei erfolgreichen Ausstellungen, die im Jahre 2001
("Otto der Große, Magdeburg und Europa") und 2006 ("Heiliges Römisches
Reich Deutscher Nation 962-1806") zahlreiche Besucher in das Museum
lockten, öffnete das Kunsthistorische Museum also die Tore für eine
dritte, die als Abschluss einer Ausstellungstrilogie gedacht ist. Eine
erste Bilanzierung hat bereits deutlich werden lassen, dass auch diese
dritte Ausstellung mit mehr als 100.000 Besuchern als Erfolg gewertet
werden darf.[1]

Hatte man mit der zweiten Ausstellung, die ebenfalls an ein rundes
Jubiläum anknüpfte, noch Otto den Großen als Ausgangspunkt genommen, um
die Geschichte des Römischen Reiches bis zum Ausgang des Mittelalters
darzustellen, richtet die dritte Otto-Ausstellung den Blick zurück auf
die Grundlagen des Kaisertums Ottos, versucht Diskontituitäten und
Kontinuitäten, Adaptionen und Umdeutungen des Kaisertums in einem
Zeitraum von rund 1000 Jahren den Besuchern vor Augen zu führen. Der
Besucher verfolgt die "Ideengeschichte des europäischen Kaisertums" (S.
32) in chronologischer Ordnung, die sich in fünf Abteilungen gliedert.
Der Ausstellung ist ein umfangreicher, sehr übersichtlich gestalteter
und reich bebilderter Katalogband zur Seite gestellt, der mittels
einführender Essays sowie ausführlicher ergänzender Informationen über
die einzelnen Exponate samt einer umfangreichen Bibliographie eine
Vertiefung in die Thematik der Ausstellung ermöglicht.

Die Ausstellung breitet vor dem Betrachter ein vielfältiges Spektrum an
Objekten aus, die aus ganz Europa und Übersee ihren Weg nach Magdeburg
gefunden haben. Es umfasst etwa 300 Exponate und reicht von zahlreichen
Münzen und Medaillons, Urkunden und Fibeln bis zu überlebensgroßen
Plastiken. Bereits im Foyer des Museums sieht sich der Besucher mit
einer kolossalen Plastik konfrontiert, der Statue eines sitzenden
Mannes, der, im nackten Oberkörper nur von einer Toga um Hüfte und
Unterkörper umhüllt und einen Kranz im Haar, die Linke zum Gruß erhebt.
Es ist die Darstellung eines römischen Kaisers julisch-claudischer Zeit
- bei dem Kopf der Statue handelt es sich um eine moderne Ergänzung - im
Typus des Jupiter Capitolinus aus dem 1. Jahrhundert nach Christus, die,
noch bevor man die Ausstellungsräume betritt, offenbart, dass man sehr
unterschiedlichen Konzepten von Kaisertümern begegnen wird. Ein
mittelalterlicher Kaiser hätte sich auf diese Weise gewiss nicht
präsentieren können.

Als der Sachse Otto am 2. Februar 962 in Rom die Kaiserkrone aufs Haupt
gesetzt bekam, sich auf Urkunden fortan als imperator augustus
bezeichnete, knüpfte er an eine Tradition antiker und mittelalterlicher
Kaiser an, die verbunden mit einer Idee vom Kaisertum, auf eine bewegte
Geschichte zurückblickte. Der lange, anfangs überaus holprige Weg, an
dessen Ende sich das Kaisertum Ottos befand, begann in der späten
Republik des antiken Rom. In einen kleinen Raum ist diese äußerst
spannende Zeit verbannt, sie hätte vielleicht etwas mehr Aufmerksamkeit
verdient gehabt. Die Geburtsstunde des Kaisertums, die Etablierung einer
neuen Herrschaftsform, einer machtvollen repräsentativen und
gleichzeitig sensiblen Bildsprache, der für den Erfolg des Kaisertums,
wie Ulrich Gotter (Monarchen und Monarchie: Augustus und die Geburt des
,Prinzipats', S. 57-61) hervorhebt, eine fundamentale Bedeutung zukam,
wird als ein allmählicher Prozess sichtbar gemacht. Den auftrumpfenden
Bildern des jungen Generals weichen Bilder, die eine zeitlose
Wohlordnung zu dokumentieren scheinen, deren Garant der Kaiser selbst zu
sein vorgibt. Kaiser und Kaiserinnen treten als Verkörperung von
Tugenden auf, es entstand "eine positiv konnotierte dynastische
Bildsprache" (S. 74), die sich als traditionsstiftend erwies. Auf einer
ausgestellten Marmorkopie des berühmten clipeus virtutis, den Augustus
zum Dank für die formelle Wiederherstellung der res publica verliehen
bekam, werden virtus, clementia, iustitia und pietas des Prinzeps
gefeiert, Tugenden, die auch im Mittelalter mit einem idealen Kaiser in
Verbindung gebracht und deren Fehlen scharf kritisiert und betrauert
wurden. Man trifft sie in Schrift und Bild fixiert auf zahlreichen
Exponaten mittelalterlicher Zeit wieder.

Das Kaisertum machte in der Folgezeit zahlreiche Veränderungen durch.
Als bedeutendste Entwicklungen werden die Christianisierung des
Kaisertums unter Konstantin dem Großen, die Verlegung des
Reichsmittelpunktes an den Bosporus, damit verbunden die Gräzisierung
des Kaisertums anhand einer Vielzahl an Objekten sichtbar gemacht. Hier
lohnt sich insbesondere ein Blick auf die kleineren Exponate, in erster
Linie auf die Münzen, da diese in prägnanter, verdichteter Weise
unmittelbar Auskunft über das Selbstverständnis des Kaisertums zu geben
vermögen. Als ein besonderes Highlight aus spätantiker Zeit werden im
Jahre 2005 auf dem Palatin entdeckte Kaiserinsignien zur Schau gestellt,
die einzigartig sind, da sich ihnen materaliter keine Vergleichsstücke
zur Seite stellen lassen. Sie werden Kaiser Maxentius zugeschrieben,
also genau jenem Kaiser, der der Überlieferung des Siegers zufolge im
Kampf gegen Konstantin und den Christengott unterlag.

Der Fokus der Ausstellung richtet sich des Weiteren auch auf das
"Barbaricum", also auf die Gebiete jenseits der faktischen Grenzen des
Kaiserreiches, wo man sich auf verschiedenen Ebenen an einer imitatio
imperii versuchte. Sie umfasste sowohl den "Gebrauch der
Herrschaftszeichen, der Titulatur und des herrscherlich-höfischen
Zeremoniells" (S. 283) als auch die Nachahmung politisch-administrativer
Strukturen. Grundsätzlich war man dort, im "Barbaricum", "unersättlich
und ungemein begierig nach Dingen, die bei ihnen selten sind" (S. 318),
wie eine byzantinische Quelle des 10. Jahrhunderts feststellte (De
Administrando imperii). Als ein schönes Beispiel für die Fortführung
römischer Bildungstraditionen wird ein auf Marmor gefasstes Grabgedicht
für einen "germanischen" Adeligen namens Hlodericus aus dem Trier des 6.
oder 7. Jahrhunderts präsentiert. Zahlreiche Exponate illustrieren des
Weiteren einen nachhaltigen Einfluss römischer Kunstfertigkeit,
insbesondere Medaillons, Siegelsteine und Münzen.

Ein breiter Raum ist dem karolingischen Kaisertum unter dem Motto
"Aneignung des römischen Kaisertums" gewidmet, mit dem einerseits die
Wiederanknüpfung an antike römische Kultur, andererseits die
"Etablierung der Karolinger im Mittelmeerraum" zum Ausdruck gebracht
werden soll (S. 35f.). Beispiele dieser Aneignung römisch-antiker Kultur
werden dem Betrachter in Fülle vorgelegt, Abschriften römischen
Kulturschaffens eines Gaius Plinius Secundus, eines Seneca oder Livius,
aber auch einige Werke, die byzantinische Einflüsse verraten. Zu
letzteren gehört eine eindrucksvolle nach byzantinischer Vorlage in Form
eines Gittergedichtes gefasste Schrift des Hrabanus Maurus. Als
charakteristisch und für die Zukunft folgenschwer erwies sich die
Verbindung des Kaisertums mit dem Papsttum, hebt Rudolf Schieffer
(Kaisertum aus der Hand des Papstes, S. 401-405) hervor: "Ein Kaisertum,
das nicht aus der Hand des Papstes gestammt hätte, war nach der
Entwicklung der Karolingerzeit nicht mehr denkbar" (S. 405).

Das von Otto dem Großen begründete Kaisertum knüpfte an karolingische
und byzantinisch-römische Traditionen an und entwickelte sie weiter.
Unter den Exponaten der ottonischen Abteilung ragt insbesondere die
berühmte Dotalurkunde für die Gattin Ottos II. Theophanu als "schönste
Urkunde des Mittelalters" heraus (S. 627), die zudem als lehrreiches
Beispiel für die Beeinflussung des ottonischen Kaisertums durch Byzanz
gelten kann. Auch die Ikonographie des dritten Kaisersiegels Ottos des
Großen, welches das Cover des Katalogs ziert, zeigt den Herrscher in
Anlehnung an die byzantinische Formensprache. Der letzte Blick ist den
grandiosen Plänen Ottos III. gewidmet, dessen Kaisertum, beeinflusst von
Familie, Gelehrten und vielleicht auch der Endzeiterwartung unter dem
Stichwort der renovatio imperii Romanorum eine neuartige Qualität
erhielt. Selbstbewusste Zeugnisse des jungen Otto und seines Umfeldes
lassen die unerhörten Pläne des Kaisers erahnen, Rom in den Mittelpunkt
seines Kaisertums zu stellen: Metallbullen nach byzantinisch-römischem
Vorbild, Auszüge programmatischer Schriften des den Kaiser umgebenen
Gelehrtenkreises sowie eine antikisierende Ikonographie, die an eine
augusteische Programmatik erinnert. Das ambitionierte Projekt Ottos
sollte eine Episode bleiben. Rom blieb zwar mit dem Kaisergedanken
verbunden. Zum Zentrum des Kaiserreiches wurde die ewige Stadt nicht
mehr.

Mit dem Programm einer renovatio imperii Romanorum ging Otto III. auf
Konfrontationskurs mit dem byzantinischen Kaiserreich, das seinen
römischen Charakter gegen etwaige Ansprüche aus dem Westen stets
vehement verteidigte. Dieses Konkurrenzverhältnis, das sogenannte
"Zwei-Kaiser-Problem", das seit der (Wieder-)Begründung eines westlichen
Kaisertums durch Karl den Großen aufgeworfen war, findet in den
Ausstellungsräumen eher akzidentiell Erwähnung - im Katalogband wird
dagegen sehr ausführlich darauf eingegangen (vor allem durch Beiträge
von Bernd Schneidmüller, Das Mittelalter erlernt das römische Kaisertum,
S. 42-51; Stefan Weinfurter, Renovatio imperii: Die Romidee Ottos III.
und die Folgen, S. 539-545; Wolfgang Huschner, Kaiser der Franken oder
Kaiser der Römer? Die neue imperiale Würde Ottos I. im euromediterranen
Raum, S. 519-527). Die großen, den Exponaten zur Seite gestellten
Zitatbanner spiegeln lediglich die Bewunderung westlicher
Berichterstatter vor dem schrill glänzenden Reichtum des byzantinischen
Kaiserhofes wider. Es gab aber ebenso überaus kritische bis polemische
Stimmen wie die des Cremoneser Bischofs Liudprand oder Notkers von St.
Gallen, die ursächlich nicht zuletzt mit dem "Zwei-Kaiser-Problem"
zusammenhängen.

Es wäre sicher lohnenswert gewesen, die Peripherie Europas stärker
auszuleuchten, als dies geschehen ist. In der ersten Hälfte des 10.
Jahrhunderts sind in England, auf der Iberischen Halbinsel und in
Bulgarien kaiserliche Ansprüche erhoben worden. Eine Berücksichtigung
dieser Kaisertümer hätte die Ausstellung gewiss um einige Akzente
bereichern können. Spannend wäre überdies eine vergleichende Darstellung
zwischen christlichem Kaisertum und islamischem Kalifat, die allerdings
eine eigene Ausstellung verdiente.

Den Versuch, die Ideengeschichte des römischen Kaisertums bis in
ottonische Zeit in einer europäischen Perspektive zu erzählen, darf man
resümierend als durchaus gelungen bezeichnen. Ob sich durch die
Zusammenschau antiker und mittelalterlicher Kaisertümer neue
Perspektiven und Akzentsetzungen eröffnen, wie es die Ausstellungsmacher
erhoffen, wird die Zukunft zeigen. Das Kunsthistorische Museum Magdeburg
hat der Ausstellungstrilogie zur Geschichte und Vorgeschichte Ottos des
Großen einen würdigen Abschluss gegeben.


Anmerkung:
[1] Siehe
<http://www.otto2012.de/artikel/magdeburger-oberbürgermeister-und-ausstellungsmacher-ziehen-erste-bilanz>
(25.02.2013).

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Wolfgang Eric Wagner <wolfgang-eric.wagner(a)...