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2011/04/17 21:08:30
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Deutsches Militär auf kolon ialen Kriegsschauplätzen.
Datum 2011/04/21 13:04:50
anneliese.schumacher(a)t-online.de
[Regionalforum-Saar] "Tholix"
2011/04/12 13:21:11
anneliese.schumacher(a)t-online.de
Re: [Regionalforum-Saar] Die Frauen des 20. Juli
Betreff 2011/04/16 18:58:33
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Dokumentarfilm über Oberlin xweiler für die USA
2011/04/17 21:08:30
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Deutsches Militär auf kolon ialen Kriegsschauplätzen.
Autor 2011/04/21 18:56:32
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] San Francisco 1906

[Regionalforum-Saar] Die Stadtpräfektur im Prinz ipat

Date: 2011/04/17 21:10:11
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Wojciech, Katharina: Die Stadtpräfektur im Prinzipat (= Antiquitas 1,
57). Bonn: Rudolf Habelt Verlag 2010. ISBN 978-3-7749-3690-4; X, 402 S.;
EUR 79,00.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Olli Salomies, Institutum Classicum, Universität Helsinki
E-Mail: <olli.salomies(a)... ist in dem hier zu rezensierenden Buch von Katharina
Wojciech, die gekürzte Fassung einer Kölner Dissertation aus dem Jahr
2008, "eine erschöpfende, systematische Darstellung der praefectura
urbis der ersten 3 Jahrhunderte n. Chr." (S. 4).[1] Dies ist der
Verfasserin ganz sicher auch gelungen; es handelt sich in der Tat um ein
magnum opus, in dem alle Aspekte der Stadtpräfektur eingehend besprochen
werden. Es versteht sich von selbst, dass bei einer Behandlung eines
solchen Themas ganz "neue" Erkenntnisse nicht überall geboten werden
können; es ist aber dennoch in jedem Fall sehr gut, dass der Forschung
jetzt eine moderne und auch die neueste Literatur berücksichtigende
Darstellung der Stadtpräfektur zur Verfügung steht. Das
Literaturverzeichnis (S. 361-373) mit Titeln auch in "exotischen"
Sprachen wie Polnisch verzeichnet nur die abgekürzt zitierte Literatur
und gibt somit nur ein blasses Bild vom Reichtum der verwendeten
Forschung; für den Nicht-Juristen ist besonders die Heranziehung und
Besprechung der juristischen (oft in italienischer Sprache verfassten)
Literatur nützlich.

Die Einrichtung der Stadtpräfektur wird im ersten Kapitel (S. 7ff.)
behandelt. Unter Augustus sind sicher nur zwei Präfekten bezeugt:
Messalla Corvinus ganz kurz wohl im Januar 25 v.Chr. und Statilius
Taurus etwa 16-13 v.Chr. Schon Messalla Corvinus trug wohl den später
üblichen Titel praefectus urbi (S. 15). Erst mit L. Piso wurde das Amt
permanent; von Piso sagt Tacitus zum Jahr 32, er habe das Amt 20 Jahre
bekleidet. Mit anderen nimmt die Autorin an, diese Angabe sei ungenau,
Piso sei erst unter Tiberius mit dem Amt betraut worden. Die Einrichtung
einer permanenten Stadtpräfektur wird begründeterweise als Konsequenz
aus der Aufstellung der später dem Stadtpräfekten unterstellten cohortes
urbanae schon unter Augustus (s.u.) verstanden. In diesem Kapitel ist
mir im Übrigen aufgefallen, dass die Argumentation gelegentlich auf
etwas unsicheren und ungenau formulierten Annahmen beruht; so heißt es
etwa zu den rechtlichen Grundlagen des Amtes, dass diese Fundierung
notwendig gewesen sei, "damit ein entsprechendes Handeln von der
Führungsschicht akzeptiert wurde" (S. 14).

Im zweiten Kapitel (S. 29ff.) untersucht Wojciech die "territorialen
Grenzen der Zuständigkeit des Stadtpräfekten". Die Verfasserin schließt
sich der Meinung an, dass der Stadtpräfekt bis in die severische Zeit
für ganz Italien zuständig war; die 100-Meilen-Grenze für dessen Handeln
wurde erst von Septimius Severus eingeführt. Allerdings sei der Präfekt
in der vorseverischen Zeit nicht "grundsätzlich für die Sicherheit der
Halbinsel (d.h. auch außerhalb von Rom) verantwortlich" gewesen; eine an
sich plausible Annahme, die aber in erster Linie dadurch begründet wird,
dass es in Italien seit Augustus "eigens damit (d.h. mit der Sicherheit)
betraute Militärposten" gab (S. 40). Diese Posten sind aber sehr
schlecht bezeugt (die republikanische S. 40, Anm. 158 zitierte Inschrift
CIL IX 3907 = I² 1815 gehört jedenfalls nicht in diesen Zusammenhang);
und selbst wenn es sie überall in Italien tatsächlich gegeben haben
sollte, kann man sich fragen, ob sich die Existenz dieser Posten und die
Annahme, der Stadtpräfekt sei für die Sicherheit der ganzen Halbinsel
zuständig gewesen, gegenseitig unbedingt ausschließen müssen.

Im dritten Kapitel (S. 45ff.) erörtert Wojciech den Stadtpräfekten als
Ordnungshüter. Wie sie feststellt, sind die Quellen hier nicht sehr
ergiebig und berichten normalerweise bloß von untypischen
Ausnahmesituationen, beispielsweise über das Chaos nach Caligulas
Ermordung. Dazu kommt noch, dass in den Quellen zumeist nicht zwischen
Prätorianern und urbaniciani unterschieden wird. Der Schlussteil des
Kapitels ist "besonderen Gefährdungsfaktoren" gewidmet, die einzeln mehr
oder wenig kurz besprochen werden; Wojciech erörtert Probleme mit
Schauspielern, Vereinen, Wahrsagern, Magiern, Astrologen, Philosophen
und Christen. Bei der zuletzt genannten Gruppe bieten die Märtyrerakten
und andere christliche Quellen interessante Informationen zu den
Tätigkeiten der Präfekten.

Die Rechtsprechungskompetenzen des Stadtpräfekten untersucht Wojciech im
vierten Kapitel (75ff.), dem längsten des Buches. Einzeln behandelt
werden Themen wie der "Eingriff in das Herr-Sklave-Verhältnis", der
"Eingriff in das Freilasser-Freigelassener-Verhältnis", die tutela oder
auch die cura. Hier und da hat man den Eindruck, dass Wojciech dabei
recht weit vom Thema abkommt; so wird beispielsweise im Kapitel 4.1.2
("Der Stadtpräfekt als Schutzinstanz"), in dem es vor allem um
"Beschwerden von schlecht behandelten Sklaven" (S. 81) geht, die
Stellung der Sklaven gegenüber ihren Domini in der Kaiserzeit auch im
allgemeinen behandelt; Wojciech erörtert hier etwa auch die Prostitution
der Sklaven (S. 91ff.) oder die ingrati liberti (S. 105ff.). Doch ist
dies sicher so zu erklären, dass die Kompetenzen des Präfekten in einer
bestimmten Angelegenheit nicht beschrieben werden können, ohne dass man
gleichzeitig auf die Problemlage generell - etwa die Institution der
tutela (S. 115ff.) - genauer eingeht, eventuell auch unter
Berücksichtigung der Verpflichtungen anderer beteiligter Amtsträger.
Dass im Übrigen hier nicht alle Fragen geklärt werden können, versteht
sich von selbst; dies wird etwa in der Liste von Vergehen, bei denen man
eine Kompetenz des Präfekten nur annehmen kann, recht deutlich (S.
139).[2]

Das fünfte Kapitel (S. 163ff.) behandelt die Marktaufsicht, wobei
einzeln auf die Aufsicht über Geldgeschäfte, die Sorge für Gewichts- und
Maßnormen und die Überwachung des Fleischmarktes eingegangen wird. Hier
handelt sich also zumeist um Aktivitäten, für die früher die Ädilen
zuständig waren. Wann genau auch diese Aufgaben dem Stadtpräfekten
zugeschrieben wurden, ist nicht auszumachen; die frühesten Zeugnisse für
seine Verantwortlichkeit stammen jedenfalls erst aus dem 2. Jahrhundert.
Dem Personal der Stadtpräfektur widmet sich Wojciech im sechste und
letzten Kapitel (S. 205ff.). Zunächst geht die Verfasserin auf die
cohortes urbanae ein, wobei die außerhalb Roms - etwa in Ostia -
stationierten Einheiten unberücksichtigt bleiben. Nach einer eingehenden
Besprechung der Quellen und der Ansichten moderner Forscher stellt
Wojciech fest, dass die Stadtkohorten schon unter Augustus aufgestellt
wurden, wann genau, sei aber nicht auszumachen (S. 210).[3] Die Anzahl
der Kohorten, ihre Stärke, ihr Oberbefehl und ihre Stationierung werden
ebenfalls besprochen. Auch hier müssen Details noch offen bleiben, so
etwa die genaue Anzahl der Kohorten unter Augustus (S. 211). Wojciech
wendet sich (S. 213) jedenfalls dezidiert gegen die These, dass man aus
der Inschrift CIL VI 1009 = ILS 2012 folgern könne, die Stadtkohorten
hätten stets oder zumindest zeitweise unter dem Oberkommando des
Prätorianerpräfekten gestanden. Ein eigenes Lager bekamen die
urbaniciani nach der Autorin am ehesten unter Septimius Severus (S.
216). Die Zusammensetzung des officium des Präfekten (S. 217ff.) lässt
sich weitgehend rekonstruieren. Die einzelnen Chargen sind allerdings
eher spärlich bezeugt; so ist beispielsweise nur ein einziger
cornicularius bekannt (S. 217). Auch Mitglieder des consilium und
adsessores (S. 233ff.) erscheinen in unseren Quellen nur äußerst
selten.

Die Untersuchung wird durch eine über 100 Seiten lange sehr nützliche
Prosopographie der Stadtpräfekten zwischen Augustus und 289
abgeschlossen. Die Nummerierung der namentlich bekannten Präfekten endet
mit Nr. 75, es gibt aber auch einige unsichere Fälle (S. 355-357); die
meines Erachtens in keinem Fall akzeptable Angabe der Historia Augusta
(Did. 1,1), Salvius Iulianus sei zweimal Konsul und Stadtpräfekt
gewesen, wird zwar als wenig glaubhaft bezeichnet, aber nicht
entschieden abgewiesen (S. 358f.). In der Prosopographie zitiert
Wojciech wörtlich alle Zeugnisse, die sich auf die Präfektur beziehen,
die griechischen Quellen mit einer deutschen Übersetzung. Über einige
Details ließe sich zweifellos diskutieren, es handelt sich dabei aber
nur um Kleinigkeiten.[4]

Der Stil des Buches schien mir - wenn es einem Rezensenten, dessen
Muttersprache nicht Deutsch ist, erlaubt ist, sich dazu zu äußern - hier
und da etwas lässig (etwa: "widersprach massiv dem mos maiorum", S. 24);
auffallender erschien mir jedoch der Gewohnheit der Verfasserin, auf
andere Forscher oft mit dem bloßen ersten Buchstaben des Nachnamens zu
verweisen (z.B. "M." S. 127, "E.", S. 131, "S. M." S. 168 u. 171, "Ch.
und P." S. 171, "D." S. 226 usw.). Dies sind aber Kleinigkeiten; im
Ganzen gesehen handelt es sich um ein willkommenes Buch, das der
Forschung von großem Nutzen sein wird.

Anmerkungen:
[1] Etwa gleichzeitig ist auch eine andere Arbeit zur Stadtpräfektur
erschienen: Sebastian Rucinski, Praefectus urbi. Le gardien de l'ordre
public à Rome sous le Haut-Empire Romain, Poznan 2009 (ursprünglich eine
Dissertation an der Universität Poznan), die von der Autorin auf S. 3
(nicht aber im Literaturverzeichnis) erwähnt wird. Nach der kurzen
Charakterisierung Wojciechs (S. 3f.) soll es in Rucinskis Arbeit manche
Lücken und auch einiges andere zu bemängeln geben.
[2] Ähnliches gibt es auch sonst: vgl. z.B. S. 202 zur eventuellen
Zuständigkeit des Präfekten für die ausreichende Weinversorgung in der
Hauptstadt.
[3] Vgl. S. 209f. zur Inschrift aus tiberischer Zeit AE 1978, 286 mit
der auffallenden Erwähnung einer cohors XI praetoria.
[4] So glaube ich z.B., dass Gal[er.] in CIL VI 41184 (Nr. 40) und
Claud. in ILS 8979 Tribus-, nicht Gentilnamen sind.