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2010/01/19 18:11:47
rolgeiger
[Regionalforum-Saar] SZ: Freundeskreis Keltischer Ringwall Otzenhausen
Datum 2010/01/21 14:00:43
rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Buchtip "Wer anderen eine G rube gräbt" - archäologischer Roman
2010/01/26 20:47:47
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Fortbildung "Schluss mit mueden Monologen - Fuehrungen interessant gestalten
Betreff 2010/01/04 23:34:40
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[Regionalforum-Saar] Juden in St. Wendel
2010/01/19 18:11:47
rolgeiger
[Regionalforum-Saar] SZ: Freundeskreis Keltischer Ringwall Otzenhausen
Autor 2010/01/21 14:00:43
rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Buchtip "Wer anderen eine G rube gräbt" - archäologischer Roman

[Regionalforum-Saar] Genealogisches Bewusstsein als Legitimation

Date: 2010/01/19 19:46:15
From: rolgeiger <rolgeiger(a)...

From:    Sophie Kleinecke <sophie.kleinecke(a)...   20.01.2010
Subject: Tagber: Genealogisches Bewusstsein als Legitimation. Inter-
         und intragenerationelle Auseinandersetzungen sowie
         die Bedeutung von Verwandtschaft bei Amtswechseln
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DFG-Graduiertenkolleg "Generationenbewusstsein und Generationenkonflikte
in Antike und Mittelalter"
23.09.2009-25.09.2009, Bamberg

Bericht von:
Sophie Kleinecke / Maximilian Schuh, Westfälische Wilhelms-Uniersität,
Münster; Andreas Zerndl, Otto-Friedrich-Universität, Bamberg
E-Mail: <sophie.kleinecke(a)... <andreas.zerndl(a)... 23. bis 25. September 2009 fand in Bamberg die zweite
interdisziplinäre Nachwuchstagung des DFG-Graduiertenkollegs
"Generationenbewusstsein und Generationenkonflikte in Antike und
Mittelalter" statt. Unter dem Titel "Genealogisches Bewusstsein als
Legitimation" beschäftigten sich Nachwuchswissenschaftler/innen mit
einer traditionellen Fragestellung der Generationengeschichte, wobei der
Aspekt der Amts- und Herrschaftsübergabe im Vordergrund stand. Anliegen
der Organisatoren war es, neben den wissenschaftlichen Diskussionen
wieder eine Plattform für Kommunikation und die Möglichkeit zur
Vernetzung zu schaffen.

Eröffnet wurde die Tagung mit dem öffentlichen Abendvortrag von GERHARD
LUBICH (Bochum), der darlegte "Wie die Ehre erblich wurde". Dabei ging
er vor allem auf die beiden Themenkomplexe honor und konsensuale
Herrschaft ein und skizzierte deren Entwicklung von der Spätantike bis
zum Hochmittelalter. Lubich betonte, dass honor  nicht allein als
persönliche Ehre zu verstehen, sondern in einem weiteren Sinne auch auf
das Amt selbst zu beziehen sei. So spiele die Erblichkeit des Amtes im
cursus honorum der Spätantike gegenüber den eigenen Verdiensten eine
untergeordnete Rolle. Diese Bedeutungsvariante von honor habe auch das
Frühmittelalter gekannt, wie die Analyse der Verwendung des Begriffs bei
Gregor von Tours zeige. Lediglich das erblich gewordene Königsamt habe
nach weiteren Legitimationsgrundlagen gestrebt, wie etwa der
genealogischen Abstammung von einem Spitzenahn. Personelle Beziehungen
gewannen nach Lubich in der Folgezeit zunehmend an Bedeutung,
persönliche Ehre und Amtswürde verbanden sich daher. Anders als bei den
fränkischen Herrschern rekrutierten sich die neuen Könige nunmehr aus
dem sich als Stand formierenden Adel. Diese gemeinsame Herkunft habe die
Herausbildung der konsensualen Herrschaft gefördert und das Konzept des
honor erweitert: Ehre wurde erblich.

JOHANNES BREHM (Bamberg) analysierte die Darstellung der
Herrschaftsfolge des persischen Königshauses in den Historien des
Herodot. Um eine bestmögliche Nachfolge zu sichern und ein Maximum an
Akzeptanz bei der Bevölkerung zu erlangen, wurde die Genealogie bei den
Achämenidenkönigen häufig konstruiert. Bemerkenswert sei dabei, dass die
Legitimation häufig durch Frauen gesichert wurde: Dies sei entweder
durch eine Gattin angesehener Abstammung oder durch eine konstruierte
Verbindung zu einer "geeigneten" Mutter geschehen. Der Herrscher
Kambyses sei beispielsweise in Ägypten als Sohn des Kyros und einer
Ägypterin eingeführt worden. Die väterliche Linie sei dabei jedoch stets
beibehalten worden.

Genealogie und Legitimation in den hellenistischen Reichen untersuchte
SABINE MÜLLER (Hannover). Die Diadochen versuchten etwa, eine ideelle
Anbindung an Alexander den Großen zu schaffen, um sich in die Tradition
seines militärischen Genies zu stellten. Ptolemaios I. habe seine
Regierung mit der Bestattung Alexanders angetreten - einer Aufgabe, die
dem Erben zukam - und sich so als sein legitimer Nachfolger inszeniert.
Eine weitere Strategie sei das Schaffen familiärer Verbindungen zu
Göttern und Heroen gewesen. Jedes der drei Herrscherhäuser sei mit
bestimmten Göttern assoziiert worden: Der erste Ptolemäer-König habe
sich als Ziehsohn des Göttervaters Zeus präsentiert und sich auf Münzen
mit dem Tier des Zeus - einem Adler - abbilden lassen. Die Bevölkerung
habe die Herrschaft so als von göttlicher Seite legitimiert verstanden.

SVEN GÜNTHER (Mainz) stellte Überlegungen zu Domitians
Herrschaftsübernahme und Kaiserkonzeption an. Er arbeitete anhand
schriftlicher Quellen heraus, wie sich Domitian - Angehöriger der gens
Flavia - zunächst durch die Bezeichnung "Augustus" in die gens Iulia
einreihte. Dies sei nötig gewesen, um sich als neues Herrschergeschlecht
in Rom zu etablieren und zu legitimieren. Numismatische und
architektonische Zeugnisse hingegen betonten später seine Zugehörigkeit
zum flavischen Geschlecht: Die Neubauten auf dem Nerva-Forum seien
allein mit seinem Namen versehen worden und rückten dadurch seine eigene
Familie in den Mittelpunkt. Dies sei unabdingbare Voraussetzung gewesen,
um die Herrschaft innerhalb der eigenen gens zu sichern und
fortzuführen.

Am Beispiel Lübecks erläuterte STEFANIE RÜTHER (Münster) den städtische
Ratsgremien prägenden Widerspruch zwischen der Beschränkung der
innerfamiliären Weitergabe von Ämtern und  dynastisch ausgerichteten
Oligarchisierungstendenzen. Letzteren sei in spätmittelalterlichen
Städten durch Aufstände und anschließende Neuordnung der Verfassung
immer wieder entgegengewirkt worden. Dennoch habe die enge soziale
Vernetzung und Abgrenzung der ratsfähigen Familien genealogisch
legitimierte Ämternachfolgen ermöglicht. Gerade kirchliche Stiftungen
seien intensiv dazu genutzt worden, auf Altartafeln den Familienverband
als Zukunftsprojekt für Rat und Stadt im öffentlichen Kirchenraum zu
inszenieren und zu legitimieren. Dies veranschaulichte Rüther mit der
genealogischen Inbildsetzung der Lübecker Ratsfamilie Crispin und der
Ulmer Hauptleute Besserer.

NADIR WEBER (Bern) befasste sich mit der frühneuzeitlichen
Ratsverfassung Berns, in der nur ein Teil der Bürger politisch
vollberechtigt war. Ab dem 17. Jahrhundert teilten sich etwa 80 Familien
die Herrschaft, was die Angst vor einer Oligarchie steigerte. Im 18.
Jahrhundert sei es deshalb wiederholt zu Unruhen gekommen. Weber hob
besonders auf den Jugendverband ab, den so genannten Äußeren Stand, der
sich den Rat als Vorbild nahm. Innerhalb dieses Verbandes, den man als
regelrechten Schattenstaat bezeichnete, seien zukünftige Ratsmitglieder
etwa über Schauprozesse geschult worden. Auch innerhalb des Rates habe
es Abgrenzungsversuche von der Bürgerschicht und Anknüpfungsbemühungen
an den Adel gegeben. Opposition sei in erster Linie aus den Reihen der
Gemeinde gekommen, die eine Usurpation durch den Adel fürchtete. Beinahe
topisch habe man das Ende der Republik prognostiziert, gerade aufgrund
der angeblichen Ohnmacht angesichts der Größe des Ererbten. Wegen der
anhaltenden negativen Stimmung sei 1787 das Politische Institut als neue
Ausbildungsanstalt eröffnet worden. Dennoch ging die Berner Republik
letztlich unter und der Schweizer Einheitsstaat wurde gegründet.

JULIAN FÜHRER (Zürich) analysierte unterschiedliche genealogische
Argumentationsmuster der Herrschaftslegitimation in kapetingischen
Königurkunden, die er als Ego-Dokumente interpretierte. Die fehlende
familiäre Verbindung zu den Karolingern habe genealogische Argumente
zunächst in die Zukunft weisen lassen, indem Söhne als Mitkönige
aufgeführt wurden und damit als potentielle Fortsetzer der Dynastie
auftraten. Nachfolgende kapetingische Könige beriefen sich dann auf
dynastische Vorgänger, was von ihrem genealogischen Bewusstsein zeuge.
Dabei stellte Führer allerdings unterschiedliche Akzentuierungen und
Traditionsbildungen fest, die den jeweiligen Wahrnehmungen der
Vorfahren, aber auch den konkreten Zeitumständen geschuldet waren. Nach
der endgültigen Überwindung der Zweifel an der genealogischen
Legitimität sei im 13. Jahrhundert die kapetingische Linie mit der
karolingischen verschmolzen worden, wie neben verschiedenen
Stammbaumdarstellungen die Anordnung der Königsgräber in St. Denis
belege.

Die Betonung genealogischer Kontinuität in der dynastischen
Umbruchsphase zu Beginn des 11. Jahrhunderts thematisierten ULRIKE
SIEWERT (Dresden/Bamberg) und KATRIN KÖHLER (Bamberg). Die
liudolfingische Abstammung Heinrichs II. sei in den Quellen ein
wiederkehrendes Legitimationsargument, das durch die Darstellung der
Sorge um den Leichnam und das Seelenheil Ottos III. unterstrichen werde.
Daneben seien aber auch die direkte Abstammung von König Heinrich I. und
der verstärkte Bezug auf Karl den Großen etwa beim Romzug zu beobachten.
Das Königtum Heinrichs II. wurde nach Siewert nicht allein als
ottonisches Erbe, sondern als allumfassendes Christusgeschenk
interpretiert. Auch wenn Konrad II. sich zunächst durchaus in ottonische
Traditionen gestellt hätte, konstatierte Köhler eine genealogische
Neuorientierung. Die Pflege um die memoria des Vorgängers lasse sich in
Konrads Urkunden nicht nachweisen, wie auch die Erwähnungen Heinrichs
II. auf der wiederholten Ausstellung von Privilegien beruhten. Die
salische Hofgeschichtsschreibung des Kaplan Wipo betone zudem die
Erfolge des neuen Königs und stelle ihn als wahren Erben Karls des
Großen dar. Die Grundlegung der in die Zukunft weisenden salischen
Dynastie werde zudem durch die Erhebung Heinrichs III. zum Mitkönig und
die neue Grablege in Speyer inszeniert.

Konkurrierende Strategien bei dem Versuch, Karl von Valois als möglichen
byzantinischen Kaiser zu legitimieren, nahm GEORG JOSTKLEIGREWE
(Münster) in den Blick. Bereits in den griechischen Briefen, die um
Karls Auftreten in Byzanz warben - seit 1301 führte er den Titel des
Kaisers von Konstantinopel -, würden unter anderem auch genealogische
Argumente vorgebracht. Denn neben der Idoneität Karls würden seine
dynastischen Thronrechte und seine familiäre Stellung als Bruder des
französischen Königs Philipps IV. herangezogen. Die französischen
Antworten maßen nach Jostkleigrewe im Rahmen der genealogischen
Argumentation vor allem der dynastischen Kontinuität des lateinischen
Kaisertums sowie der daher unberechtigten Usurpation des griechischen
Amtsinhabers Bedeutung zu und nahmen mit letzterem von der
byzantinischen Opposition geäußerte Argumente auf. Hierin sei eine
Neuorientierung französischer Thronpolitik zu erkennen, da die
politische und militärische Vormachtstellung nun auch zur Erlangung
symbolisch aufgeladener Herrschaftstitel eingesetzt wurde.

Den Kampf der Kirchenreform gegen Simonie und Nikolaitismus sowie andere
Missstände der Amtskirche betrachtete ARIANE LORKE (Jena) aus einer
generationalen Perspektive. Mit Hilfe eines an Karl Mannheim
orientierten Generationenmodells identifizierte sie im lothringischen
Raum eine wichtige monastische Trägergruppe, die durch ähnliches Alter
sowie eine gleichzeitige und gleichartige Ausbildung geprägt wurde.
Diese Reformgeneration habe die Ideen der Kirchenreform maßgeblich
mitbestimmt und als kirchliche Amtsträger durchzusetzen versucht. Eine
erhöhte Zahl von Todesfällen dieser Kohorte zwischen 1043 und 1058
bringe zudem die Frage der Fortsetzung der Reform mit sich. Während im
monastischen Bereich erheblicher Einfluss auf die Wahl des Nachfolgers
möglich gewesen sei, hätten Bischöfe darauf nur unter bestimmten
Umständen und eher indirekt einwirken können.

HEIKO JADATZ (Leipzig) verfolgte einen kirchen- und
herrschaftspolitischen Konflikt im albertinisch-sächsischen Herzogtum im
Zeitalter der Reformation. Ausgehend von der Kindheit Herzog Georgs von
Sachsen erklärte er dessen anti-lutherische Haltung und untersuchte vor
allem sein letztes Regierungsjahrzehnt genauer. Eine zunehmende Bewegung
innerhalb der eigenen Familie zum Luthertum sowie der Tod von Georgs
Nachkommen habe dabei in Verbindung mit dem Ringen um die potentiellen
Regierungsnachfolger Herzog Heinrich und Moritz gestanden. Nach dem Tod
Georgs 1539 sei die Reformation trotz des Widerstandes der Landstände
nicht mehr zu stoppen gewesen.

Die Entwicklung der Reichsstifte Herford und Quedlinburg während des 18.
Jahrhunderts wurde von TERESA SCHRÖDER (Münster) unter dem Aspekt der
dynastischen Politik Brandenburg-Preußens analysiert. Nach Schröder sei
die Besetzung der Äbtissinnen-  und Koadjutorinnenstellen in den
kaiserlich frei-weltlichen Stiften durch den preußischen König seine
Möglichkeit gewesen, die standesgemäße Versorgung weiblicher Verwandter
zu sichern und gleichzeitig Einfluss als Schutzherr zu nehmen. Schröder
machte dies am Beispiel von Johanna Charlotte von Brandenburg-Schwedt
deutlich, deren über mehrere Jahre vorbereitete Wahl zur Äbtissin von
Herford Unterordnung unter das dynastische Interesse erkennen lasse.
Anhand weiterer Beispiele konnte Schröder unter Berücksichtigung der
jeweiligen Auseinandersetzungen zwischen Stiftskapitel, Stadt und
Landesherr zeigen, dass Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. die
Rechte ihrer weiblichen Familienmitglieder in Herrschaftspositionen
beschnitten. Insgesamt habe die Stellung als Äbtissin den hochadligen
Familienmitgliedern die Möglichkeit der eigenen Herrschaftsausübung und
des Dienstes für die Dynastie geboten.

ANDREAS SCHMIDT (Heidelberg) verfolgte die Probstwahlen im
frühneuzeitlichen Augustiner-Chorherrenstift Berchtesgaden. Anfangs
seien die Pröpste aus den Reihen der Wittelsbacher gewählt worden. Die
persönliche Eignung der Kandidaten habe dabei hinter die Verdienste der
Dynastie zurücktreten müssen. Demgegenüber habe das Kapitel gestanden,
das seine Wahlansprüche kirchenrechtlich und mit der institutionellen
Tradition begründete. Am Beispiel der Propstwahl von 1724 zeigte
Schmidt, dass die Wittelsbacher - in diesem Fall der Kölner Kurfürst
Joseph Clemens - über die Bestellung der Koadjutoren genealogische
Kontinuität zu etablieren versuchten. Der Konflikt habe sich schließlich
zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen dem Stift Berchtesgaden
und dem Haus Bayern ausgeweitet.

LORENZ BAIBL (Münster) behandelte den Familienkonflikt im
Reichsgrafengeschlecht Nassau-Siegen. Auslöser für den Konflikt sei die
Konversion des zweiten Sohnes Johann vom Calvinismus zum Katholizismus
und dessen Heirat mit einer katholischen Prinzessin gewesen. Alle
Versuche der Familie, ihn wieder zur Rückkehr zum reformierten Glauben
zu bewegen, seien gescheitert, was zu ersten Nachträgen im Testament
bzw. zu Neusetzungen des Testamentes führte. In einer dritten Version
sei die Primogenitur schließlich aufgehoben und alle männlichen
Nachkommen seien als Erben eingesetzt worden. Unter Einschaltung des
Kaisers ließ der um einen großen Teil des Erbes gebrachte Sohn das
dritte Testament des Vaters für ungültig erklären. Nach seinem
Herrschaftsantritt 1624 habe Johann VIII. die Religionsfreiheit in der
Grafschaft Siegen gesichert und damit die Ansprüche der jüngeren Brüder
sowie der Stiefmutter delegitimiert. Der Streit mit den Reformierten
habe aber fortbestanden. Das Vorgehen bei frühneuzeitlichen
Herrschaftswechseln könne nach Baibl demnach nicht immer als
konsensualer Akt der gesamten Dynastie interpretiert werden.

STEFAN DORNHEIM (Dresden) nahm abschließend als Beispiel für
Amtsnachfolgen in lutherischen Pfarrhäusern das 100-jährige Jubiläum des
Pfarramtes in Rochau genauer in den Blick, welches innerhalb einer
Familie vererbt wurde. In lutherischen Pfarrhäusern sei es üblich
gewesen, dass das Pfarramt vom Sohn weitergeführt wurde, während die
Töchter vorrangig andere Pfarrer heirateten. Sei der Vater allerdings
den Erwartungen der Pfarrei nicht gerecht geworden, konnte die Vererbung
des Amtes an den Sohn durchaus an der mangelnden Akzeptanz der Gemeinde
scheitern. Auch andere Gründe, wie etwa der Zuzug eines auswärtigen
Pfarrers und die damit fehlende Verwurzelung in örtlichen Traditionen
sowie Sprachbarrieren konnten nach Dornheim zu einer Distanzierung der
Gemeinde von der Pfarrersfamilie führen. Theologisch sei die Vererbung
des Pfarramtes als Anknüpfung an das biblische Vorbild der
Priesterfamilie Arons und der Familiengrablege Abrahams legitimiert
gewesen. So sei die Entstehung eng vernetzter Pfarrersdynastien auf
mehreren Ebenen begünstigt worden.

Die Beiträge der Tagung zeigten erneut die enge Verbindung von
genealogischem Denken und Herrschaftslegitimation in den politischen und
religiösen Kontexten der Vormoderne. Gerade im Moment des
Herrschaftswechsel und der Amtsübergabe wird diese diskursive Verbindung
intensiviert, da offensichtlich ein gesteigerter Legitimationsbedarf
besteht. Die zahlreichen Beispiele aus Antike, Mittelalter und Früher
Neuzeit belegen die unterschiedlichen Formen des Umgangs mit dieser
Problematik, die von der konsensualen Übertragung bis zur
konfliktreichen Usurpation reichen konnten. Die systematische
Betrachtung genealogischer Legitimationsstrategien leistet daher einen
wichtigen Beitrag zu aktuellen Diskussionen generationeller
Fragestellungen. Die Tagungsbeiträge werden in Kürze in der Reihe
"Bamberger Historische Studien der University of Bamberg Press"
veröffentlicht.

Konferenzübersicht:

Gerhard Lubich (Bochum): Wie die Ehre erblich wurde. Amt und Person.
Erbe und Generation

Sektion I: Dynastisches Bewusstsein bei antiken Herrschern

Johannes Brehm (Bamberg): Die Herrschaftsnachfolge des persischen
Königshauses in den Historien des Herodot im Spannungsfeld von
Kontinuität und Wandel

Sabine Müller (Hannover): Inventing traditions. Genealogie und
Legitimation in den hellenistischen Reichen

Sven Günther (Mainz): Zwischen 'gens Flavia'und 'gens Iulia'. Domitians
Herrschaftsübernahme und Kaiserkonzeption

Sektion II: Die Bedeutung von Genealogien bei politischen Ämtern

Stefanie Rüther (Münster): It runs in the family. Möglichkeiten und
Grenzen genealogischen Bewusstseins im Kontext mittelalterlicher
Ratsherrschaft

Nadir Weber (Bern): Im Schatten der Väter. Genealogisches Bewusstsein,
politische Erziehung und Generationenkonflikte in der frühneuzeitlichen
Republik Bern

Sektion III: Herkunftskonzepte als Legitimation von Königsherrschaft im
Mittelalter

Julian Führer (Zürich): Gegenwart der Vorgänger und genealogisches
Bewusstsein bei den Kapetingern (987-1223)

Ulrike Siewert (Bamberg/ Dresden) und Katrin Köhler (Bamberg): Die
Betonung von Kontinuität bei den Königsnachfolgen Heinrichs II. und
Konrads II.

Georg Jostkleigrewe (Münster): 'heres imperii Constantinopolitani -
frater regis Franciae - defensor populi christiani'. Zur Deutung
konkurrierender Legitimitätskonstruktionen im Umfeld der französischen
Mittelmeerpolitik des frühen 14. Jahrhunderts

Sektion IV: Die Nachfolgeproblematik in Zeiten von Kirchenreformen

Ariane Lorke (Friedrichshafen/ Jena): Wenn die Nachfolge an den
Nachfolgern scheitert - Die Kirchenreform um 1050

Heiko Jadatz (Leipzig): Herrschaftswechsel als kirchenpolitische Zäsur:
das albertinisch-sächsische Herzogtum und die Wittenberger Reformation

Sektion V: Die Ämternachfolge in Reichsstiften der Frühen Neuzeit in
genealogischer Perspektive

Teresa Schröder (Münster): '... man mus sie versauffen oder Nonnen
daraus machen Menner kriegen sie nit alle ...' Die Reichsstifte Herford
und Quedlinburg im Kontext dynastischer Politik

Andreas Schmitt (Heidelberg): Von der Wittelsbachischen Nebenpfründe zur
Selbstverwaltung. Die Propstwahlen der Frühneuzeit im gefürsteten Stift
Berchtesgaden

Sektion VI: Familiäres Bewusstsein und interfamiliäre
Auseinandersetzungen bei weltlichen und geistlichen Amtsübernahmen in
der Frühen Neuzeit

Lorenz Baibl (Münster): Konversion und Sukzession. Die Grafen von
Nassau-Siegen zwischen dynastischer Einheit und konfessioneller
Spaltung

Stefan Dornheim (Dresden): Amtsjubiläum und Familiennachfolge im
lutherischen Pfarrhaus der Frühen Neuzeit

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