Monatsdigest

[Regionalforum-Saar] Juden in St. Wendel

Date: 2010/01/04 23:34:40
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>

Salü,
 
am nächsten Sonntag, 10. Januar 2010, halte ich im Adolf-Bender-Zentrum in St. Wendel (Gymnasialstraße 5) einen Vortrag mit dem Thema "Juden in St. Wendel".
 
Veranstalter ist das Adolf-Bender-Zentrum in Zusammenarbeit mit den St. Wendeler Altstadtfreunden bzw. deren Arbeitskreis für Stadtgeschichte. Damit findet das monatliche Treffen des Arbeitskreises diesmal nicht im Cafe Lerner statt.
 
Beginn ist um 10.30 Uhr, die Veranstaltung wird bis etwa 12 Uhr dauern.
 
Das Thema ist natürlich viel zu komplex, um es in einer knappen Stunde durch zu nehmen, weshalb ich vorhabe, im 14ten Jahrhundert anzufangen, dann mit der Situation in Kurtrierischer Zeit weiterzumachen. Für die letzten achtzig Jahre ab 1860 will ich zwei Texte vorlesen, die ich vor einigen Jahren verfaßt habe: einen über den Zionisten Max Bodenheimer, der sich Ende der 1880er Jahre in St. Wendel aufgehalten hatte, sowie über die Familie Reinheimer, die um 1900 aus dem Raum Pirmasens nach St. Wendel umsiedelte. Gerade ihr Schicksal spiegelt diese Zeit sehr gut wieder. Von ihren elf Kindern fiel ein Sohn im Ersten Weltkrieg, die anderen zehn wurden von ihren eigenen Landsleuten umgebracht.
 
Der Eintritt zur Veranstaltung ist frei.
 
Mit freundlichen Grüßen
 
Roland Geiger, St. Wendel
 
 

[Regionalforum-Saar] Vortrag über Liebenburg in Tholey

Date: 2010/01/05 10:48:34
From: rolgeiger <rolgeiger(a)aol.com>

heute morgen in der Saarbrücker Zeitung, St. Wendeler Teil:
 
 

Spannendes von der Wallburg

Forscher gibt spektakuläre Einblicke in die Geschichte des Schaumberg-Plateaus

Der Mittelalterarchäologe und Burgenforscher Joachim Zeune stellt am kommenden Donnerstag im Tholeyer Rathaus die Ergebnisse der archäologischen Grabungen am Schaumberg-Plateau gemeinsam mit Dr. Ruppert Schreiber vom Landesdenkmalamt vor.

Tholey. Die geplanten Umbauarbeiten am Schaumbergturm erforderten 2009 eine archäologische Vorausschachtung der Baugrube, die von dem „Büro für Burgenforschung Dr. Joachim Zeune“ durchgeführt wurde. Die siebenwöchige Ausgrabung förderte nicht nur eine Menge an interessanten, mitunter wissenschaftlich wichtigen Funden zu Tage, sondern legte auch Massivbauten frei, die von der späten Römerzeit (3./4. Jahrhundert n. Chr.) bis ins frühe 17. Jahrhundert reichen und somit wesentliche Besiedlungs- und Bebauungsphasen erstmals konkret erschließen. Sie belegen die herausragende Bedeutung des Schaumbergs in der Römerzeit und seit dem Hohen Mittelalter. Der Leiter der Ausgrabungen, der Mittelalterarchäologe und Burgenforscher Joachim Zeune stellt am Donnerstag, 7. Januar, um 19.30 Uhr im Sitzungssaal des Tholeyer Rathauses die Ergebnisse dieser Grabung gemeinsam mit Dr. Ruppert Schreiber vom Landesdenkmalamt vor.

Die Grabung erbrachte den Nachweis, dass im Boden des Schaumberg-Plateaus trotz der vielen modernen Störungen noch immer eindrucksvolle und historisch wertvolle Befunde von überregionaler Bedeutung stecken.

Das Schaumberg-Plateau galt als frühmittelalterliche Wallburg, identisch mit dem bereits 634 erwähnten Castrum Theulegium. Lesefunde aus der Spätantike ließen zudem eine spätrömische Besiedlung des Plateaus vermuten, wobei man die zugehörige Bebauung heftigen Spekulationen unterwarf. Noch im 12. Jahrhundert überbauten die Grafen von Blieskastel als Vögte des Bistums Verdun das Gelände mit einer offenbar bedeutenden Burg, die in den nachfolgenden Jahrhunderten mehrfach erneuert und ausgebaut wurde, ohne dass man jedoch über ihre Architektur im Detail Bescheid wusste. Der reich bebilderte Vortrag stellt in einem Vorbericht kurz die spektakulären Funde und Befunde vor und gibt einen Ausblick auf das, was das Schaumberg-Plateau noch verbirgt. red

Zur Person

Dr. phil. Joachim Zeune wurde 1952 in München geboren, studierte zuerst Kunsterziehung an der Akademie der Bildenden Künste in München und danach Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, mittelalterliche Geschichte und mittelalterliche Kunstgeschichte an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Dort promovierte er 1988 über den schottischen Burgenbau. Seit 1994 leitet er das Büro für Burgenforschung, das bundesweit und im angrenzenden Ausland Burgen erforscht, saniert und kulturtouristisch erschließt (bislang über 120 Burgen). Seit 2004 ist Zeune Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Burgenvereinigung und der Kurator des Europäischen Burgeninstituts, seit 1996 deutscher Beisitzer im Scientific Council von Europa Nostra. Er verfasste über 400 Publikationen zum Burgenbau und zu einzelnen Burgen, darunter auch das Standardwerk „Burgen – Symbole der Macht“ (Regensburg 1996). Joachim Zeune war Hauptredakteur, Hauptautor und Mitherausgeber des zweibändigen Werks „Burgen in Mitteleuropa. Ein Handbuch“ (Stuttgart 1999). red

[Regionalforum-Saar] SZ: St. Wendeler Altstadtfreunde mit neuer Spitze

Date: 2010/01/05 10:49:06
From: rolgeiger <rolgeiger(a)aol.com>

heute in der Saarbrücker Zeitung, St. Wendeler Teil:
 
 

Altstadtfreunde mit neuer Spitze

Ernst Wilhelm Kiefer ist neuer Vorsitzender des St. Wendeler Heimatvereins

Zum Nachfolger des im Mai 2009 verstorbenen Vorsitzenden und Gründers der Altstadtfreunde, Gerd Weber, wählten die Mitglieder einstimmig Ernst Wilhelm Kiefer.

St. Wendel. 30 Mitglieder fanden sich in der Mitgliederversammlung zum Jahresschluss ein und entlasteten nicht nur den bisherigen Vorstand, sondern wählten auch für die nächsten drei Jahre einen neuen Vorstand. Anstelle des im Mai 2009 verstorbenen Gründers des Heimatvereins, Gerd Weber, wählten sie einstimmig Ernst Wilhelm Kiefer zum neuen Vorsitzenden. Baldur Bohsung, der in der Übergangszeit neben seinen Aufgaben als Kassenwart kommissarisch die Verwirklichung der von Gerd Weber noch zu Lebzeiten geplanten Aktivitäten und Veranstaltungen sicher stellte, verzichtete auf das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden zugunsten der Weiterführung der so wichtigen und vertrauensvollen Tätigkeit als Kassenwart. So erklärte sich die bisherige Beisitzerin Konny Ellendt bereit, die Aufgaben des Stellvertreters zu übernehmen. Da eine Doppelbesetzung von Aufgaben von Amtswegen nicht gestattet ist, übernimmt der bisherige Beisitzer Herbert Löhr die Aufgaben des Schriftführers. Die drei Beisitzer Karl Heindl, Roswitha Lindemann und Giesela Maurer bleiben auch weiterhin dem Vorstand treu und entsprechen der in der Satzung des Vereins festgelegten Mindestzahl. Erneut zu Kassenprüfern gewählt wurden: Franz Götzinger und Walter Neises.

Der neue Vorstand hat sich zum Ziel gesetzt, die von Gerd Weber eingeführten und über Jahrzehnte praktizierten Traditionen des Vereins fortzuführen, so lange die Kraft dafür reicht. Denn nicht nur die Vereinsmitglieder, sondern auch die im Vorstand Tätigen unterliegen dem demographischen Wandel und werden älter.

Für das Jahr 2010 stehen bereits der Veranstaltungskalender des Heimatvereins Altstadtfreunde und die Themen und Referenten für die Sitzungen des Arbeitskreises für Stadtgeschichte fest, dank der Initiatoren Baldur Bohsung, Ralf Gallinger, Dr. Margarete Stitz und Herbert Löhr. Nur im Zusammenwirken der wenigen noch aktiven Mitglieder lassen sich die Aufgaben und die Realisierung der bereits publizierten Veranstaltungen bewerkstelligen, so der neue Vorsitzende in seinen abschließenden Worten.

Der neue Vorstand auf einen Blick: Vorsitzender: Ernst Wilhelm Kiefer, Stellvertreter: Konny Ellendt, Kassenwart: Baldur Bohsung, Schriftführer: Herbert Löhr, Beisitzer: Karl Heindl, Roswitha Lindemann und Giesela Maurer. red

[Regionalforum-Saar] Tagber: Die biographische Methode in der Regionalgeschichte

Date: 2010/01/08 10:13:47
From: rolgeiger <rolgeiger(a)aol.com>

From:    Christine Witte <christine.witte(a)lwl.org>
Date:    08.01.2010
Subject: Tagber: Die biographische Methode in der Regionalgeschichte
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LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte
25.09.2009, Münster

Bericht von:
Pablo Holwitt / Marina Kramm, Münster
E-Mail: <pholwitt(a)gmx.de>;<marina_kramm(a)web.de>


Am 25. September 2009 fand in Münster der Workshop "Die biographische
Methode in der Regionalgeschichte" statt, der vom LWL-Institut für
westfälische Regionalgeschichte ausgerichtet wurde. Im Fokus des
Workshops standen nicht nur Überlegungen zur biographischen Methode in
der Regionalgeschichte, sondern auch Beziehungen und Wechselwirkungen
zwischen Biographik und Institution, Raum oder Generation. Weiterhin
wurde die biographische Geschichtsschreibung des "kleinen Mannes" und
die Rolle der "gender"-Forschung thematisiert. Hierzu stellten sechs
Referenten ihre Beiträge vor.

Im ersten Beitrag des Workshops referierte THOMAS SPECKMANN (Düsseldorf)
über besondere Möglichkeiten und Probleme einer biographischen Analyse
der sogenannten "kleinen Leute". Anhand seiner biographischen Studie
über den ehemaligen Vorsitzenden der thüringischen CDUD Hugo Dornhofer
erläuterte er, welche Erkenntnisse aus einer
geschichtswissenschaftlichen Untersuchung von historischen
Persönlichkeiten, deren Wirkmächtigkeit auf den ersten Blick gering
erscheint, erwachsen können und wie diese einen Beitrag zu einem
besseren Verständnis historischer Erfahrung liefern können. Speckmann
bezog sich hierbei auf Hagen Schulze, der 1978 auf die Gefahr hinwies,
allein historisch herausragende Figuren zum Gegenstand biographischer
Untersuchungen zu machen.[1] Vielmehr gelte es, die Lebensläufe
durchschnittlicher Persönlichkeiten zu untersuchen, um ein
vollständigeres Bild historischer Prozesse zu erlangen. Bei der
Erläuterung seiner Arbeitsweise unterschied Speckmann zwei methodische
Zugriffe: Zunächst widmete er sich der Frage, wie Dornhofer
zeitgeschichtliche Ereignisse in seinen Tagebüchern darstellte und
verglich diese Befunde mit biographischen Zeugnissen von Zeitgenossen
Dornhofers. Anschließend untersuchte er die Aussagen Dornhofers im
Lichte weiterer Quellen, die eine Relativierung gewisser Aussagen
Dornhofers ermöglichten. Dabei unterstrich Speckmann die Bedeutung
alltäglicher persönlicher Erfahrungen, die zwar in biographischen
Quellen selten reflektiert würden, jedoch oftmals Einfluss auf wichtige
Entscheidungen hätten. Gleichzeitig räumte er ein, dass es problematisch
sei, diese Faktoren mit der gängigen Methodik biographischer
Untersuchungen zu greifen. Am Beispiel von Dornhofer erläuterte er den
prägenden Einfluß von Raum und Milieu auf den Einzelnen und seine
Biographie: Dornhofers Werdegang sei ohne Berücksichtigung seiner
Herkunft aus dem katholisch geprägten Eichsfeld nicht zu verstehen.

In dem Vortrag 'Schauplätze des Lebens' befasste sich EWALD FRIE
(Tübingen) mit dem Zusammenhang der Begriffe Räume - Menschen -
Biographik - Regionalgeschichte. Hierzu gliederte er seine Ausführungen
in drei Abschnitte, die unter den Überschriften ´Menschen prägen Räume´,
´Menschen definieren Räume´, ´Räume definieren Menschen´ und ´Räume
prägen Menschen´ den Zusammenhang zwischen den Teilgebieten aufzeigen
sollten. Im zweiten Teil seines Referats ergänzte Frie diese
Überschriften um den Faktor Biographik und warf die Frage auf, ob die
Biographik die Fragen, die das Verhältnis von Menschen und Räumen
aufwerfe, adäquat abbilde. Er machte hierbei vor allem auf das Problem
der Wandelbarkeit von Räumen aufmerksam, die immer menschlich
produziert, gedeutet und ausgehandelt seien. Auch Räume, so Frie,
könnten demnach eine ´Biographie´ haben. Im dritten und abschließenden
Gliederungspunkt ging Frie darauf ein, welche Konsequenzen das Problem
der Verhältnisbestimmung von Mensch und Raum für die Regionalgeschichte
hat. Der biographische Ansatz schien ihm besonders geeignet zu sein,
einen neuen und frischen Blick auf die Raumkonstruktion insbesondere des
19. Jahrhunderts zu werfen. Dieser Zugriff führte dazu, dass die
dominierenden politisch-administrativen und hochkulturellen
Raumkonstruktionen abgeblendet würden mit dem Ergebnis einer radikalen
Historisierung von Räumen. Diese fließenden Gebilde zwischen politischen
Grenzen und kulturellen Raumkonstruktionen seien von den Menschen über
einen langen Zeitraum als Einheit begriffen und geprägt worden. Auf der
Basis dieser Raumdefinition müsse die Regionalgeschichte neu gefordert
und auf neue Wege geführt werden.

JULIA PAULUS (Münster) stellte in ihrem Referat zum Thema ´Biographie
und Geschlecht´ ihr laufendes Forschungsprojekt zu Parlamentarierinnen
in Westfalen und dem Rheinland vor. Im ersten Teil des Vortrages zeigte
sie auf, dass ´berühmte´ Frauen gegenüber ´berühmten´ Männern in den
traditionellen Lexika bisher vernachlässigt wurden. Mit der Einführung
der Kategorie ´gender´ sei ´Geschlecht´ analog zu den Kategorien Ethnie
und Schicht beziehungsweise Klasse als ein wesentliches Strukturmerkmal
einer Gesellschaft etabliert worden. Hierbei sei Geschlecht nicht mehr
als eine statische Kategorie, sondern als Variable, als ´doing gender´,
welches zwischen gesellschaftlicher Zuweisung und persönlicher Aneignung
steht, betrachtet worden. Somit gerate auch die Biographik aufgrund der
Vernachlässigung von Frauen in die Kritik und müsse neu nach dem Modell
des autonomen Subjektes überarbeitet werden, so Paulus. Hierauf
aufbauend erläuterte sie das Projekt ´Parlamentarierinnen in Westfalen´.
Dieses befasst sich mit der Frage, inwieweit die Zuschreibung "Frau" in
Bezug auf die soziale Praxis von weiblichen Politikerinnen Bedeutung
erlangte sowie mit der Frage nach der Wahrnehmung gesellschaftlich
sanktionierter Rollenmuster und wie sich Frauen dazu verhielten. Das
angestrebte Projekt versucht darzulegen, dass die politische
Partizipation der Frau als umfassendes Engagement zu verstehen ist und
nicht nur als ein eingeschränktes, auf soziale und kulturelle Belange
bezogenes, politisches Interesse. Unter dieser Prämisse soll
insbesondere dem Selbstverständnis, dem Politisierungsprozess, den
politischen Strategien, den (geschlechts-)spezifischen Zugangs- und
Handlungsmöglichkeiten sowie dem Umgang mit Macht von Frauen in einer
von Männern dominierten politischen Struktur nachgegangen werden. Damit
stehen die Fragen nach den Karrieremöglichkeiten von
Parlamentarierinnen, Politikerinnen und Lobbyistinnen im Zentrum des
Forschungsprojektes.

MARCUS WEIDNER (Münster) stellte in seinem Vortrag das neue zukünftige
Modul "Westfälische Biografie Online (WBO) innerhalb des
Internet-Portals "Westfälische Geschichte" [2] vor, welches in
Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern in den nächsten Jahren
realisiert werden soll. Das Ziel des Projektes ist die Erarbeitung eines
umfassenden, thematisch vielseitigen, online verfügbaren biographischen
Lexikons zur Geschichte Westfalen-Lippes. Weidner führte aus, dass
aufgrund der besonderen Bedeutung der Biographik für die historische
Forschung die Integration online verfügbarer Kurzbiographien das
bisherige Angebot des Internet-Portals sinnvoll ergänzen würde. In der
Forschung gehe es nicht mehr nur um die "Großen Männer" der Geschichte,
sondern auch individuelle, sozial- und strukturgeschichtliche
Fragestellungen würden in biographische Überlegungen einfließen. Der
Mensch werde in das Umfeld einer sozialen Gruppe und historischen
Lebenswelt integriert gesehen. Die Einbindung der WBO in das
Internetportal ´Westfälische Geschichte´ garantiere eine einheitliche
Struktur in Bezug auf Inhalt und Ausgestaltung, zum anderen den leichten
und unbeschränkten Zugang jenseits von Anfahrtswegen oder Fernleihen, so
Weidner. Mit der WBO werde ein modernes Personen-Lexikon für
Westfalen-Lippe geschaffen, das durch die Nutzung neuer
internetgestützter Informationstechnologien zukunftsfähig sei.

Zum Thema Autobiographie und Generation referierte VOLKER DEPKAT
(Regensburg). Den scheinbaren Gegensatz der Begriffe Autobiographie und
Generation löste er auf, indem er Autobiographien als "kollektive Texte"
und "Akte sozialer Kommunikation" definierte. Eine Autobiographie sei
demnach nie nur auf den Schreibenden allein ausgerichtet, sondern
enthalte immer auch kollektive Bezüge. Dies trete beispielsweise zutage,
wenn der Autobiograph sein Leben als typisch für eine bestimmte soziale
Gruppe, Region, Berufsgruppe, politische Bewegung oder eben Generation
auffasst und beschreibt. Über die Autobiographie, so Depkat, könnten
auch verschiedene Dimensionen des Begriffs Generation untersucht werden.
Er sprach hier von drei Polen des Begriffs Generation: Erstens
Generation als objektive, nach Alterskohorten geordnete soziale
Formation, die durch eine altersgruppenspezifische Schichtung von
Erfahrungen definierbar ist. Zweitens Generation als Diskursphänomen
interessegeleiteter Selbst- und Fremdthematisierung im sozialen Kontext
und drittens Generation als privates, sich in Abstammung, Genealogie und
Generativität von Familien manifestierendes Phänomen. Als
erfolgversprechendsten Ansatz betrachtet Depkat die Analyse von
"Generation" als Selbst- und Fremdthematisierungsformel im Kontext
sozialer Selbstbeschreibungsprozesse. Die Autobiographie kann ein Medium
dieser generationellen Selbstthematisierung sein, muss aber immer in
ihrem jeweiligen historischen Kontext betrachtet werden. Dies brachte
Depkat auf die Formel, dass das "Was" der autobiographischen
Kommunikation stets durch das "Wie" und "Warum" bestimmt sei. Jedoch
seien generationelle Selbst- und Fremdzuschreibungen stets wandelbar und
könnten durch Zäsurerfahrungen beeinflusst und verändert werden. Depkat
wies darauf hin, dass Generation nur eine von mehreren möglichen
Kategorien der autobiographischen Selbstkollektivierung sei; weitere
Kategorien seien beispielsweise Klasse, Beruf, Schicksal oder Region.

CHRISTINE MÜLLER-BOTSCH (Berlin) bereicherte den Workshop mit einem
Referat zum Thema Biographie und Institution. Sie legte anknüpfend an
ihre Dissertation über untere NS-Funktionäre von 1933 bis 1945 ihren
methodischen Zugriff zur Auswertung biographischer Selbstzeugnisse dar.
Ihre Methode speist sich sowohl aus geschichtswissenschaftlicher
Quellenanalyse als auch aus sozialwissenschaftlicher Biographieanalyse:
Ausgehend von der Rekonstruktion der spezifischen Entstehungskontexte
bestimmter Ego-Dokumente werden diese zunächst getrennt voneinander
analysiert und dann miteinander kontrastiert. Solche biographischen
Fallrekonstruktionen können eine Grundlage für Typenbildungen bei
spezifischen Forschungsfragen bilden, so Müller-Botsch. Das Verhältnis
von Biographie und Institution lasse sich laut Müller-Botsch anhand
dieser biographischen Fallrekonstruktionen und daraus formulierten
theoretischen Verallgemeinerungen herausarbeiten. Hierbei trete ein
Wechselverhältnis zwischen Mensch und Institution zutage: Durch die
Auswertung biographischer Zeugnisse könne der Einfluss von Menschen auf
Entwicklung, Wandel und Praxis von Institutionen mit Rücksicht auf ihre
biographische Handlungsorientierung untersucht werden. Ebenso lasse sich
nachvollziehen, wie institutionelle Vorgaben Selbstsicht und
Handlungsweisen der Akteure beeinflussen. In diesem Zusammenhang machte
Müller-Botsch darauf aufmerksam, dass sich die Biographieforschung auch
als sinnvolle Ergänzung zur Institutionen- und Organisationsforschung
anbiete.

In den Diskussionsrunden wurden vor allem Fragen zum Verhältnis von Raum
und Region zum Individuum, zur Methodik biographischer Studien, zu den
Zielen der genannten Forschungsprojekte und dem speziellen Nutzen
biographischer Studien für die Regionalgeschichte aufgeworfen und
diskutiert. In der Diskussion wurde deutlich, dass die Ergebnisse
regionalgeschichtlicher Forschung eine wichtige Folie für biographische
Studien darstellen: So könnten mit regionalgeschichtlichen Befunden
operierende Kollektivbiografien erarbeitet werden, um auf diese Weise
regionale Vergleiche zu ermöglichen. Die Referate des Workshops werden
in einem Sammelband zusammengefasst, der im nächsten Jahr in der Reihe
"Forum Regionalgeschichte" des LWL-Instituts für westfälische
Regionalgeschichte veröffentlicht wird.

Konferenzübersicht:

Begrüßung und Moderation
Prof. Dr. Bernd Walter (Münster)

Einführung
Martin Dröge (Münster)

Thomas Speckmann (Düsseldorf)
Die Welt als Wille und Vorstellung.
Chancen und Probleme einer biografischen Geschichtsschreibung des
"kleinen Mannes"

Ewald Frie (Tübingen)
Schauplätze des Lebens

Julia Paulus (Münster)
Biographie und Geschlecht

Marcus Weidner (Münster)
Die "Westfälische Biografie Online" (WBO)

Volker Depkat (Regensburg)
Autobiographie und Generation

Christine Müller-Botsch (Berlin)
Biographie und Institution

Anmerkungen:
[1] Vgl. Hagen Schulze: Die Biographie in der "Krise der
Geschichtswissenschaft", in: GWU 29 (1978), H. 8, S. 513f.
[2] <http://www.westfaelische-geschichte.de> (22.12.2009).

URL zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=2942>

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[Regionalforum-Saar] Kriegerwitwen

Date: 2010/01/08 10:16:37
From: rolgeiger <rolgeiger(a)aol.com>

From:    Eva-Maria Silies <eva-maria.silies(a)uni-hamburg.de>
Date:    08.01.2010
Subject: Rez. ZG: A. Schnädelbach: Kriegerwitwen
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Schnädelbach, Anna: Kriegerwitwen. Lebensbewältigung zwischen Arbeit und
Familie in Westdeutschland nach 1945. Frankfurt am Main: Campus Verlag
2009. ISBN 978-3-593-38902-8; 366 S.; EUR 36,90.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Eva-Maria Sillies, Historisches Seminar, Universität Hamburg
E-Mail: <eva-maria.silies(a)uni-hamburg.de>

Die Frauen- und Geschlechtergeschichte hat sich in den letzten Jahren
durch zahlreiche Studien mehr und mehr auch den Nachkriegsjahrzehnten
geöffnet.[1] Eine bisher kaum untersuchte Gruppe nimmt nun die
Dissertation von Anna Schnädelbach in den Blick: die Kriegerwitwen.
Schnädelbach bezeichnet so Frauen, die ihren Mann im Ersten oder Zweiten
Weltkrieg verloren hatten, und fragt nach ihrer Stellung in der
westdeutschen Gesellschaft nach 1945, die sich geschlechterpolitisch vor
allem durch die Herstellung "normaler" Geschlechterverhältnisse (in
Anlehnung an Hanna Schisslers Konzept eines "project of
normalization"[2]) ausgezeichnet habe. Mit den rund 1 Million
Kriegerwitwen (1950, S. 72f.) stellt Schnädelbach eine Gruppe in den
Mittelpunkt, die dieses Normalisierungsprojekt gefährden konnte, denn
die Witwen waren mehr oder weniger öffentlicher Ausdruck der
Kriegsfolgen, der Bedürftigkeit und andersartiger
Familienkonstellationen. Die Autorin fragt, wie die Kriegerwitwen ihren
Status erlebten, welche Strategien sie zur Bewältigung einsetzten und ob
sie sich konform zu den an sie gerichteten Erwartungen verhalten haben.
Sie bedient sich dabei einer Vielzahl analytischer Konzepte der
kulturwissenschaftlich orientierten Geschichtswissenschaft, unter
anderem Bourdieus Konzept des sozialen Raumes, Ansätzen der
Geschlechterforschung, kommunikationswissenschaftlichen
Öffentlichkeitskonzepten, der historischen Diskursanalyse und der
Erfahrungsgeschichte. Das führt nicht nur dazu, dass die Einleitung
relativ lang ausfällt, sondern auch, dass Schnädelbach zur Einordnung
ihrer analytischen Konzepte und Vorgehensweisen bereits hier viele ihrer
Ergebnisse nennt und diese dann teilweise später mit ihren
Quellenanalysen nur noch illustrieren kann.

Die Arbeit gliedert sich entlang verschiedener Felder in der Debatte um
die Kriegerwitwen. Als erstes skizziert Schnädelbach die rechtlichen und
sozialen Rahmenbedingungen und verweist auf zwei wichtige
sozialpolitische Systeme: die Fürsorge und die Kriegsopferversorgung.
Während letztere ab 1950 als status- und einkommensunabhängige
Grundrente gezahlt wurde, war erstere lediglich als Bedarfsversorgung
konzipiert und unterlag dem Individualitäts- und Subsidiaritätsprinzip.
Schon hier verweist Schnädelbach darauf, dass eine Gleichsetzung der
Fürsorge-Mitarbeiter mit einem patriarchalischen Staat - ein Blick, den
Schnädelbach ohne genauere Belege der bisherigen Forschung unterstellt
(S. 100, 318) - den tatsächlich ambivalenten Beziehungen zwischen den
Kriegerwitwen und den für sie zuständigen Behörden nicht gerecht wird.

Für das zweite Feld, den "Schauplatz Behörde", nutzt Schnädelbach Akten
des Sozialamtes Marburg aus den 1950er-Jahren. Am Beispiel von 34 Witwen
kann sie die Interaktion mit der Behörde darstellen. Sie zeigt, dass die
Witwen zwar die Versorgung ihrer Familien in vielen Fällen nicht leisten
konnten und auf Unterstützung angewiesen waren, zugleich aber
versuchten, eine allzu intime Untersuchung durch das Amt abzuwehren.
Überzeugend kann Schnädelbach darstellen, dass die Frauen nicht nur die
Position der hinterbliebenen Ehefrau ausfüllten, sondern zugleich auch
Mutter, Tochter oder Schwiegertochter, oftmals Haushaltsvorstand und
erwerbstätige Hauptverdienerin der Familie waren und damit "verschiedene
Subjektpositionen" (S. 163) einnahmen. Die Kriegerwitwen waren nicht nur
Versorgte, die öffentliche Unterstützung benötigten, sie waren zugleich
auch Versorgende. Ebenso kann Schnädelbach nachweisen, dass im Kontakt
mit den Behörden häufig nicht die geschlechtliche Markierung als "Frau"
ausschlaggebend für die Art der Behandlung war, sondern dass soziale
Merkmale wie Bildung und eventuell vorhandenes soziales oder
ökonomisches Kapital ebenso entscheidend waren.

In einem weiteren Feld analysiert Schnädelbach die so genannten
"Onkelehen", von denen es Mitte der 1950er-Jahre 100.000 bis 150.000
gegeben haben soll. Gemeint waren außereheliche Beziehungen zwischen
einer Kriegerwitwe und einem neuen Partner. Die Witwe hätte durch eine
Heirat ihren Versorgungsanspruch verloren. Die gesellschaftlichen
Debatten um die "Onkelehen" waren moralisch aufgeladen und verwiesen auf
die Bedeutung der "Normalfamilie" in der bundesrepublikanischen
Nachkriegsgesellschaft. Diese "Normalfamilie" auf der Grundlage der
Eheschließung war der normative Maßstab, an dem das Verhalten der Witwen
und ihrer Partner gemessen wurde, so dass diese in zahlreichen Fällen
kritisiert wurden. Dabei kam es nicht zu einer generellen
Solidarisierung unter Frauen, denn einige verheiratete Frauen drückten
ihre Sorge aus, die Kriegerwitwen könnten ihnen die Ehemänner
"ausspannen" und damit bestehende Ehen gefährden. Schnädelbachs
Bezeichnung der Kriegerwitwen als "Vamp" (S. 272) erscheint aber nicht
als angemessene Charakterisierung der zeitgenössischen Vorstellungen.
Überhaupt wird Sexualität von Schnädelbach zwar häufiger erwähnt, aber
wenig auf den Kontext der 1950er-Jahre bezogen. Neuere Studien wie die
von Dagmar Herzog über Sexualität in den 1950er-Jahren[3] finden keine
Berücksichtigung.

Anhand der Briefe von Kriegerwitwen an den Familienminister Wuermeling
kann Schnädelbach zudem zeigen, dass diese sich zwar nicht als Gruppe
mit gemeinsamen Zielen konstituierten, aber durch die Veröffentlichung
ihrer privaten Erfahrungen die Grenzen ihres privaten Lebens selbst
verschoben. Auch wenn sie zu Beginn des Kapitels konstatiert, es habe
eine Ambivalenz zwischen den Moralvorstellungen auf der einen Seite und
der "pragmatischen Sicht der Dinge" (S. 170) auf der anderen Seite
gegeben, kommt sie insgesamt zu dem Ergebnis, dass es für die
Kriegerwitwen keine Möglichkeit zur freien Identitätsbildung gegeben
habe: Sie wurden entweder als Witwen oder als Ehefrauen gesehen, die
sich zur finanziellen Absicherung von einer Identität zur anderen
bewegen konnten, aber nicht als Partnerinnen leben oder die eigene
ökonomische Unabhängigkeit anstreben sollten.

Der ökonomische Faktor wird im letzten analysierten Feld thematisiert:
Wie ging die bundesrepublikanische Gesellschaft mit der außerhäuslichen
Erwerbsarbeit der Kriegerwitwen um? Schnädelbach stellt dieses Thema in
den Kontext der allgemeinen Debatte um weibliche Erwerbsarbeit, die
grundsätzlich umstritten war. Für viele Kriegerwitwen entstand aber das
Dilemma, dass sie häufig aufgrund der unzureichenden materiellen
Versorgung einer Erwerbsarbeit nachgehen mussten, obwohl dadurch
Kinderversorgung und Haushaltsführung erschwert wurden. Dennoch wurde
die Erwerbsarbeit der Kriegerwitwen gesellschaftlich nicht als
eigenständige, selbstbestimmte Form der sozialen Sicherung angesehen,
sondern lediglich als eine geduldete Notwendigkeit, die dem Verlust des
eigentlichen Ernährers der Familie geschuldet war. Bei der Vermittlung
von Arbeitsstellen waren Kriegerwitwen zweifach benachteiligt: Zum einen
waren die Behörden eher bestrebt, (kriegsgeschädigte) Männer in
Erwerbsarbeit zu vermitteln, zum anderen wurden erwerbstätige
Kriegerwitwen überwiegend schlecht bezahlt.

Immer wieder greift Schnädelbach ein Konzept der Genderforschung - das
"doing gender" [4] - auf und wendet es auf die Kriegerwitwen an: "doing
Witwe" bedeutet, dass in der öffentlichen Debatte, aber auch von den
Betroffenen selbst, witwenspezifische Eigenschaften hergestellt und
erwartetes Verhalten formuliert und ausgeführt wurde. Auch wenn der
Begriff in seiner "Denglisch"-Ausformung unglücklich ist, kann
Schnädelbach überzeugend zeigen, dass die Kriegerwitwen keine passiven
Objekte waren, sondern Strategien entwickelten, um ihre persönliche wie
familiäre Lage zu beeinflussen. Letztlich fielen die Kriegerwitwen mit
ihren Lebensformen aus dem gesellschaftlich geforderten Rahmen der
Normalisierung der Familienverhältnisse raus, so dass ein jahrelang
anhaltender öffentlicher Diskurs über die Kriegerwitwen entstand. Anna
Schnädelbach hat mit der Arbeit über diese gesellschaftliche Gruppe, die
keine Randgruppe, sondern eine Lebensrealität vieler Frauen, ihrer
Kinder und weiterer Angehöriger darstellte, nicht nur das Feld der
Frauen- und Geschlechterforschung nach 1945 um einen wichtigen Aspekt
bereichert. Sie hat auch gezeigt, dass über die Gesellschaftsgeschichte
der frühen Bundesrepublik noch sehr viel Neues und Interessantes
erforscht werden kann.

Anmerkungen:
[1] Vgl. Sybille Buske, Fräulein Mutter und ihr Bastard. Eine Geschichte
der Unehelichkeit in Deutschland 1900-1970, Göttingen 2004; Silke Kral,
Brennpunkt Familie: 1945 bis 1965. Sexualität, Abtreibungen und
Vergewaltigungen im Spannungsfeld zwischen Intimität und Öffentlichkeit.
Marburg 2004; Merith Niehuss, Familie, Frau und Gesellschaft. Studien
zur Strukturgeschichte der Familie in Westdeutschland 1945-1960,
Göttingen 2001; Christine von Oertzen, Teilzeitarbeit und die Lust am
Zuverdienen. Geschlechterpolitik und gesellschaftlicher Wandel in
Westdeutschland 1948-1969, Göttingen 1999; Robert G. Moeller, Geschützte
Mütter. Frauen und Familie in der westdeutschen Nachkriegspolitik,
München 1997.
[2] Hanna Schissler, Normalization as Project. Some Thoughts on Gender
Relations in West Germany during the 1950s, in: Dies. (Hrsg.), The
Miracle Years. A Cultural History of West Germany, 1949-1968, Princeton
2001, S. 359-375.
[3] Vgl. Dagmar Herzog, Die Politisierung der Lust. Sexualität in der
deutschen Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts, München 2005.
[4] Vgl. dazu Candace West / Don H. Zimmerman, Doing Gender, in: Gender
& Society 1 (1987), S. 125-151.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Kirsten Heinsohn <kirsten.heinsohn(a)uni-hamburg.de>

URL zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2010-1-015>
 

[Regionalforum-Saar] SZ:

Date: 2010/01/08 10:21:17
From: rolgeiger <rolgeiger(a)aol.com>

heute morgen in der Saarbrücker Zeitung, Regionalausgabe St. Wendel
 
 

Landeskundler haben viel vor

Jeden zweiten Samstag im Monat ist ein Treffen

Der Verein für Landeskunde im Saarland (VLS) hat für das kommende Jahr ein umfangreiches Programm zusammengestellt. Die Mitglieder des VLS treffen sich jeden zweiten Samstag im Monat um 15 Uhr. Nächstes Treffen ist am 9. Januar in Ottweiler.

St. Wendel/Ottweiler. Am 9. Januar treffen sich die Mitglieder des VLS in Ottweiler, Thema des Tages: Einflussreich- und trotzdem vergessen: Die Familie Coblenz aus Ottweiler. Referent ist Hans-Joachim Hoffmann. Am 13. Februar wird Pfarrer Hartmut Thömmes über „Evangelische Gemeinden an der Saar“ sprechen. Treffpunkt ist Neunkirchen. Am 13. März findet die Tagung in Wadern statt. Hubert Schommer aus Losheim spricht über Burg und Schloss Dagstuhl und über den Bunker der saarländischen Landesregierung.

Zur Mitgliederversammlung des Vereins für Landeskunde wird am 27. März nach Ottweiler eingeladen. Am 10. April wird Albert Grub aus Idar-Oberstein in Birkenfeld über die Kreisstadt Birkenfeld berichten und beim Besuch des Museums die Exponate erläutern. Die traditionelle jährliche Gemeinschaftsveranstaltung mit der Kreisgruppe Kusel im Historischen Verein der Pfalz findet in Otzenhausen statt. Hier werden die Ausgrabungen am Ringwall besichtigt und eingehend erläutert. Ludweiler ist am 12. Juni Treffpunkt der Zusammenkunft. Karl Werner Desgranges referiert über die Geschichte der Glasherstellung – Ausstellung im Warndt – Heimatmuseum und Besuch der katholischen Kirche in Ludweiler sowie des Jagdschlosses Karlsbrunn mit dem neuen Forstgarten. Am 10. Juli trifft man sich in Pirmasens. Reinhard Kessler berichtet aus der Geschichte von Pirmasens mit Stadtrundgang und Abschluss im „Häusle“.

Am 21. August wird VLS-Vorsitzender Robert Dieter Bettinger, ein ausgezeichneter Kenner und Fachmann seines Heimatortes Ottweiler, aus dem Leben des Barockmeisters Friedrich Joachim Stengel berichten. Der Vortrag wird mit Dias unterstützt. Ebenfalls wird Bettinger über Stengel am 21. August in Saarbrücken referieren.

Die Tagung der Westricher Geschichtsvereine in der Region Ottweiler findet am 12. September in Ottweiler und Neunkirchen statt. Der Besuch im Museum für dörfliche Alltagskultur in Rubenheim im Bliesgau ist für den 9. Oktober vorgesehen. Gunter Altenkirch wird die Führung persönlich mit besonderen Erklärungen vornehmen.

Treffen auf Alter Schmelz

Am 13. November ist Treffpunkt „Alte Schmelz“ in St. Ingbert. Thema des Tages: Alte Schmelz und Rischbach-Stollen. Am 11. Dezember trifft man sich in Ottweiler. Guido Jung wird über weihnachtliches Brauchtum referieren. Die Jahresabschlusstagung wird im gemütlichen Teil mit „weihnachtlichen Gedanken“ beendet. An Studienfahrten sind für den 24. April eine Exkursion nach Speyer und am 25. September nach Metz geplant. Ein Fachvortrag: „Die Durchführung von Restaurierungsarbeiten“ ist für den 20. Februar terminiert. Diskussionen gehören ebenso zur Tagesordnung wie die Vorstellung neuer Bücher. hjl

Kontakt: Robert Dieter Bettinger, Tel. (06824) 42 80, E-Mail: Dieter.Bettinger(a)t-0nline.de.

[Regionalforum-Saar] Vortrag über jüdische Kau fmannsfamilie Coblenz

Date: 2010/01/09 10:06:53
From: rolgeiger <rolgeiger(a)aol.com>

Salü,
 
der Vortrag über die Familie Coblenz findet heute in Ottweiler im kleinen Saal des Gasthaus "Zur Sonne" im oberen Stockwerk statt. Das Gasthaus liegt in der Wilhelm-Heinrich-Straße (von St. Wendel kommend an der dritten Kreuzung rechts rein, von Neunkirchen kommend an der zweiten Kreuzung links rein) neben der katholischen Kirche. Der Vortrag beginnt um 15 Uhr.
 
Ich kenne die Familie aus meinen Forschungen an den Notariatsakten aus der Zeit zwischen ca 1817 und 1850. Vor allem bei Versteigerungen sind die Leute zu Jakob Coblenz gegangen, um die Erlöse der Versteigerungen, die meist auf Ziel liefen, zu Bargeld zu machen - gegen ein Disagio von 9 Prozent (absolut legitim, schließlich war Coblenz in erster Linie Kaufmann).
 
Gerade in den 1840ern trug er dazu bei, daß viele Leute gerade auch aus St. Wendel auswandern konnten, denn er sorgte eben für das Bargeld, das sie brauchten und nach den Versteigerungen sonst auf lange Zeit nicht gehabt hätten. Heute wird diese Aufgabe von unseren Banken übernommen.
 
Ich bin sehr gespannt auf den Vortrag und werde mich von dem bißchen Schnee auch nicht davon abhalten lassen, nach Ottweiler zu fahren.
 
Mit freundlichen Grüßen
 
Roland Geiger, St. Wendel

[Regionalforum-Saar] SZ: Sensationelle Funde auf dem Schaumberg

Date: 2010/01/12 08:49:50
From: rolgeiger <rolgeiger(a)aol.com>

heute morgen in der Saarbrücker Zeitung, St. Wendeler Teil:
 
 

Sensationelle Funde auf dem Schaumberg

Mittelalterarchäologe Joachim Zeune präsentierte seine spektakulären Forschungsergebnisse

Zum allerersten Male wurden auf dem Schaumberg archäologische Ausgrabungen durchgeführt, die laut Burgenpapst Dr. Joachim Zeune mit einem sensationellen Ergebnis endeten. Im vollbesetzten Sitzungssaal des Tholeyer Rathauses stellte der Historiker erstmals die historisch wertvollen Befunde der Öffentlichkeit vor, die den gesicherten Nachweis auf eine spätrömische Besiedlung und Bebauung auf dem Schaumberg - Plateau darstellen.

Von SZ-Mitarbeiter Frank Faber

Tholey. Die geplanten Umbauarbeiten am Schaumbergturm erforderten 2009 eine archäologische Vorausschachtung der Baugrube, die von dem „Büro für Burgenforschung Dr. Joachim Zeune“ durchgeführt wurde. Die siebenwöchige Ausgrabung förderte nicht nur eine Menge an interessanten, mitunter wissenschaftlich wichtigen Funden zu Tage, sondern legte auch Massivbauten frei, die von der späten Römerzeit (3./4. Jahrhundert n. Chr.) bis ins frühe 17. Jahrhundert reichen und somit wesentliche Besiedlungs- und Bebauungsphasen erstmals konkret erschließen. „Wir haben auch ins Blaue reingegraben. Zwischenzeitlich hatten wir schon die Hoffnung aufgeben, dass wir noch etwas finden“, gab Zeune zu.

Viele Überraschungen

Als „spektakulär und sensationell“, bezeichnete er jedoch die Funde und Befunde die er später aus der tiefen Baugrube barg. Ein dreiteiliger Mauerzug aus dem 17. Jahrhundert wurde zunächst freigelegt. In der Chronologie der Bauabfolge erlebte das Forschungsteam dann eine Überraschung nach der anderen. „Wir entdeckten ganz dichte aufeinander folgende Bauphasen“, so Zeune. Ein gepflasterter Stichweg, wurde ebenso wie die Überreste eines Backofens entdeckt. Bei einem freigeputzten Stein handelte sich um einen Mahlstein einer Ölpresse (15. Jahrhundert).

Archäologisch überaus selten sei der Fund des 7,2 Kilogramm schweren Fragments einer Hakenbüchse (Handgewehr 14./15. Jahrhundert). „Wann sie genau hier verblieben ist wissen wir nicht“, teilte Zeune mit.

Die entdeckte gusseiserne Ofenzwischenplatte (Gewicht: 13 Kilogramm) aus dem Jahre 1551 repräsentiere die Wohnkultur und die anspruchsvolle Lebenshaltung zur damaligen Zeit in der Region. Die Zwiebelknopffibel (Gewandnadel) aus der 1. Hälfte des 4. Jahrhundert belege, dass sich seinerzeit hochrangige Offiziere auf der Schaumburg aufgehalten haben. „Die diese drei Fundstücke sind für uns ein Glücksfall“, meinte Dr. Ruppert Schreiber vom Landesdenkmalamt.

Wichtiges Bodenarchiv

Weiterhin kamen noch nicht ausgewertete Keramik- und Metallteile zum Vorschein. Alle Befunde seien einmalige Zeugnisse und ein Dokument dafür, wie wichtig das Bodenarchiv auf dem Schaumberg doch sei. Mit einem winzigen Einblick habe man viel Reichtum entdeckt.

Zwischen drei bis fünf Prozent des kompletten Areals wurde bei den Ausgrabungen nur offen gelegt. „Dementsprechend können wir das Alter der drei Ringwälle der Burg noch nicht bestimmen“, sagte Zeune. Auf manche Frage habe man halt nicht die erhoffte Antwort erhalten.. „Auf dem Schaumberg können wir aber mehr als nur zufällig eine römische Anwesenheit nachweisen“, unterstrich Schreiber.

Zeune verdeutlichte in seinem Ausblick, dass die Mauerreste sehr viel historische Substanz besäßen. „In Verbindung mit der Wiederbelebung der Schaumburg besteht ein enormes kulturtouristisches Potential“, resümierte der Grabungsleiter.

Laut Bürgermeister Hermann Josef Schmidt werde man zukünftig ganz behutsam an das Plateau herangehen. Die Kosten der Ausgrabungen bezifferte er auf 65000 Euro. Angedacht ist, dass die Fundstücke in naher Zukunft im Museum Theulegium ausgestellt werden.

[Regionalforum-Saar] Fwd: Konf: Sexual Violence in World War II - Bonn 02/10

Date: 2010/01/17 22:25:01
From: rolgeiger <rolgeiger(a)aol.com>

In einer eMail vom 17.01.2010 18:25:53 Westeuropäische Normalzeit schreibt hsk.mail(a)GESCHICHTE.HU-BERLIN.DE:
From:    Reinhard Zöllner <japankunde(a)googlemail.com>
Date:    13.01.2010
Subject: Konf: Sexual Violence in World War II - Bonn 02/10
------------------------------------------------------------------------

Prof. Dr. Claudia Kraft, Professur für Geschichte Ostmitteleuropas,
Universität Erfurt; Prof. Dr. Reinhard Zöllner, Abteilung für
Japanologie und Koreanistik, Universität Bonn, Bonn
19.02.2010-21.02.2010, Universitätsklub, Konviktstr. 9, 53113 Bonn
Deadline: 05.02.2010

From February 19 to 21, an international workshop on "Sexual Violence in
World War II" will be held at the University of Bonn. Specialists from
Europe, East Asia and the U.S.A. will compare manifestations, results
and reconciliation of sexual violence on both theatres of World War II.

While international political, academic and media debates since the
1980s have extensively addressed sexual violence in East and South East
Asian under the topic of the "comfort women" of the Japanese military,
analogous events and issues of the European war theatre have so far
received much less attention.

A comparative perspective is however necessary to fully analyze the
interplay of modern warfare, gender politics, and nationalism. The
"comfort women" issue can be seen as one of the hithero rare cases where
East Asian history may serve as a methodological blueprint for a
neglected chapter of European history. On the other hand, the ways in
which analogous problems of reconciliation related to World War II have
been solved in Europe may be tested as models for overcoming the
apparent deadlock in the "comfort women" issue.

Pre-registration by February 5 is required as space is limited. Please
use the link to the online registration page.
Attendance is free; travel, accomodation, and meals on your own
expenses.

------------------------------------------------------------------------
International Workshop:
Sexual Violence in World War II
Feb 19-21, 2010, University of Bonn
supported by the Northeast Asian History Foundation

Program

Friday, February 19

14:30 Opening Ceremony
Representative of the University of Bonn

15:00 Introduction
Claudia Kraft (Erfurt), Reinhard Zöllner (Bonn):
Sexual Violence in World War II in Comparative Perspective -
Observations from East Asia and
Eastern Europe

16:00 Coffee Break


State of the Art: Sexual Violence in Wartimes

16:30 Hyeon-Ju Seo (Seoul):
Current Status and Future Prospects of Issues concerning Japanese
Military Sexual Slavery in Korea

17:15 Regina Mühlhäuser (Hamburg):
Methodological Remarks Concerning the Comparison between the Comfort
Women System of the Japanese army and sexual violence carried out by
Wehrmacht and SS in the Soviet Union

18:00 Reinhard Zöllner (Bonn):
A Media History of the "Comfort Women"

19:30 Conference Dinner



Saturday, February 20

Gender Relations and Gendered Violence during War

09:30 Kerstin Bischl (Berlin/Moskau):
Gender and Violence in the "Great Patriotic War" in the Soviet Union

10:15 Dobrochna Kalwa (Kraków):
Gender Politics and Sexual Violence in Occupied Poland

11:00 Coffee Break


Sexual Violence in Concentration Camps

11:30 Elissa Mailänder-Koslov (Paris):
Sexual Violence in Concentration Camps - Outside the Brothels

12:15 Robert Sommer (Berlin):
Forced Prostitution in National Socialist Concentration Camps

13:00 Lunch Break


Politics of Memory

15:00 Joanna Ostrowska (Warszawa):
Tabooing War-Time "Prostitution" in Post-War Poland

16:15 Hyun-Baek Chung (Seoul):
Memory and Commemoration of Japanese Military Sexual Slavery in Korea

17:00 Sarah Soh (San Francisco):
Truth, Justice, Reconciliation

17:45 Chizuko Ueno (Tokyo):
Troubled Reconciliation: "Comfort Women" issue in Japan 1991-2007

18:15 Coffee Break

18:30 Keynote
John Lie (Berkeley):
Gender, Nationalism, and War

20:00 Conference Dinner



Sunday, February 21

Identifying Research Topics and Tasks for Joint Comparative Research

09:30 Summary and Comment

Alf Lüdtke (Erfurt)
10:30 Roundtable

12:00 Closing

------------------------------------------------------------------------
Reinhard Zöllner

Abteilung für Japanologie und Koreanistik, Universität Bonn

0228-73 48 48
0228-73 72 23
zoellner(a)asianhistory.org

Online registration form
<http://www.asianhistory.org/sexualviolence/registration.html>

URL zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=13012>


_________________________________________________
    HUMANITIES - SOZIAL- UND KULTURGESCHICHTE
           H-SOZ-U-KULT(a)H-NET.MSU.EDU
Redaktion:
E-Mail: hsk.redaktion(a)geschichte.hu-berlin.de
WWW:    http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de
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From:    Reinhard Zöllner <japankunde(a)googlemail.com>
Date:    13.01.2010
Subject: Konf: Sexual Violence in World War II - Bonn 02/10
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Prof. Dr. Claudia Kraft, Professur für Geschichte Ostmitteleuropas,
Universität Erfurt; Prof. Dr. Reinhard Zöllner, Abteilung für
Japanologie und Koreanistik, Universität Bonn, Bonn
19.02.2010-21.02.2010, Universitätsklub, Konviktstr. 9, 53113 Bonn
Deadline: 05.02.2010

From February 19 to 21, an international workshop on "Sexual Violence in
World War II" will be held at the University of Bonn. Specialists from
Europe, East Asia and the U.S.A. will compare manifestations, results
and reconciliation of sexual violence on both theatres of World War II.

While international political, academic and media debates since the
1980s have extensively addressed sexual violence in East and South East
Asian under the topic of the "comfort women" of the Japanese military,
analogous events and issues of the European war theatre have so far
received much less attention.

A comparative perspective is however necessary to fully analyze the
interplay of modern warfare, gender politics, and nationalism. The
"comfort women" issue can be seen as one of the hithero rare cases where
East Asian history may serve as a methodological blueprint for a
neglected chapter of European history. On the other hand, the ways in
which analogous problems of reconciliation related to World War II have
been solved in Europe may be tested as models for overcoming the
apparent deadlock in the "comfort women" issue.

Pre-registration by February 5 is required as space is limited. Please
use the link to the online registration page.
Attendance is free; travel, accomodation, and meals on your own
expenses.

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International Workshop:
Sexual Violence in World War II
Feb 19-21, 2010, University of Bonn
supported by the Northeast Asian History Foundation

Program

Friday, February 19

14:30 Opening Ceremony
Representative of the University of Bonn

15:00 Introduction
Claudia Kraft (Erfurt), Reinhard Zöllner (Bonn):
Sexual Violence in World War II in Comparative Perspective -
Observations from East Asia and
Eastern Europe

16:00 Coffee Break


State of the Art: Sexual Violence in Wartimes

16:30 Hyeon-Ju Seo (Seoul):
Current Status and Future Prospects of Issues concerning Japanese
Military Sexual Slavery in Korea

17:15 Regina Mühlhäuser (Hamburg):
Methodological Remarks Concerning the Comparison between the Comfort
Women System of the Japanese army and sexual violence carried out by
Wehrmacht and SS in the Soviet Union

18:00 Reinhard Zöllner (Bonn):
A Media History of the "Comfort Women"

19:30 Conference Dinner



Saturday, February 20

Gender Relations and Gendered Violence during War

09:30 Kerstin Bischl (Berlin/Moskau):
Gender and Violence in the "Great Patriotic War" in the Soviet Union

10:15 Dobrochna Kalwa (Kraków):
Gender Politics and Sexual Violence in Occupied Poland

11:00 Coffee Break


Sexual Violence in Concentration Camps

11:30 Elissa Mailänder-Koslov (Paris):
Sexual Violence in Concentration Camps - Outside the Brothels

12:15 Robert Sommer (Berlin):
Forced Prostitution in National Socialist Concentration Camps

13:00 Lunch Break


Politics of Memory

15:00 Joanna Ostrowska (Warszawa):
Tabooing War-Time "Prostitution" in Post-War Poland

16:15 Hyun-Baek Chung (Seoul):
Memory and Commemoration of Japanese Military Sexual Slavery in Korea

17:00 Sarah Soh (San Francisco):
Truth, Justice, Reconciliation

17:45 Chizuko Ueno (Tokyo):
Troubled Reconciliation: "Comfort Women" issue in Japan 1991-2007

18:15 Coffee Break

18:30 Keynote
John Lie (Berkeley):
Gender, Nationalism, and War

20:00 Conference Dinner



Sunday, February 21

Identifying Research Topics and Tasks for Joint Comparative Research

09:30 Summary and Comment

Alf Lüdtke (Erfurt)
10:30 Roundtable

12:00 Closing

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Reinhard Zöllner

Abteilung für Japanologie und Koreanistik, Universität Bonn

0228-73 48 48
0228-73 72 23
zoellner(a)asianhistory.org

Online registration form
<http://www.asianhistory.org/sexualviolence/registration.html>

URL zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=13012>


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    HUMANITIES - SOZIAL- UND KULTURGESCHICHTE
           H-SOZ-U-KULT(a)H-NET.MSU.EDU
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 E-Mail: hsk.redaktion(a)geschichte.hu-berlin.de
 WWW:    http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de
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[Regionalforum-Saar] SZ: Sebastianusbruderschaft am 20. Januar (morgen!)

Date: 2010/01/19 18:00:45
From: rolgeiger <rolgeiger(a)aol.com>

heute in der Saarbrücker Zeitung:
 
 

Heimliche Helfer treffen sich morgen zum Bruderschaftstag

St. Wendel. Die St. Wendeler St.-Sebastianus-Bruderschaft begeht morgen, dem Tag ihrer beiden Patrone Sebastian und Fabian, ihren Jahrestag. Soweit feststellbar ist noch in keinem der 569 Jahre seit ihrer Gründung im Jahre 1441 die jährliche Zusammenkunft ausgefallen. Die lebendige Pflege der Tradition zeigt, wie sich Bürger um Not leidende St. Wendeler kümmern.

Spenden für die Armenkasse

Der Patronatstag beginnt um 9.30 Uhr in der Basilika St. Wendelin mit einem feierlichen Amt. Nach dem Gottesdienst ist bis zum frühen Abend im „Vaterhaus“ – Café Lerner, Balduinstraße – Gelegenheit zum „Gesellschaft halten“ gemäß der uralten Regel und der Möglichkeit, für die Armenkasse zu spenden.

Als Höhepunkt des geselligen Teils steht um 18 Uhr die Feierstunde an. Brudermeister Anton Stier hält die Ansprache und gedenkt der verstorbenen Mitglieder des vergangenen Jahres. Bruderschreiber Gerd Schmitt hält einen Vortrag über das Thema „Der mysteriöse Kirchendiebstahl im Januar 1716“. Damals wurden bedeutende Teile des St. Wendeler Kirchenschatzes gestohlen.

Seit fast 570 Jahren

Morgen tritt die Bruderschaft ins 570. Jahr ihres Bestehens ein. In allen diesen Jahren hat die nach Art einer mittelalterlichen Zunft organisierte, alle Stände umfassende Solidargemeinschaft bedürftige Bürger unterstützt. Immer, wenn große Not auf der Stadt lastete, wenn schreckliche Pestzeiten die Häuser leerten, wenn rohe Kriegsleute die Felder verwüsteten, die Ernte verdarben und das Saatgut raubten, wenn Teuerung hereinbrach, leistete die Bruderschaft ihren Dienst, so gut sie konnte und ihre Mittel es zuließen, und leistet ihn noch heute an Bedürftige – verschwiegen und ganz im Stillen. Dieser Gemeinschaftsgeist ist bis heute nicht erlahmt.

Wer sich dieser einmaligen Solidargemeinschaft anschließen möchte – wozu keine besonderen Aufnahmebedingungen erfüllt werden müssen – kann sich am Patronatstag beim Bruderrat im „Vaterhaus“ anmelden. red

[Regionalforum-Saar] SZ: War der Hunnenring die Burg eines keltischen Fürsten?

Date: 2010/01/19 18:02:44
From: rolgeiger <rolgeiger(a)aol.com>

heute in der Saarbrücker Zeitung, Regionalausgabe St. Wendel
 
 

War der Hunnenring die Burg eines keltischen Fürsten? (Teil 1)

Die Wallmauern der Festung sind nicht alle zur gleichen Zeit entstanden – Neue Erkenntnisse aus der Forschungsarbeit der Uni Mainz

Die Wallanlagen auf dem Hunnenring sind nicht zur gleichen Zeit entstanden. Damit war die Siedlungsfläche innerhalb der Festung kleiner als bisher gedacht. Die Schlussfolgerung: Der Hunnenring war wohl ein Fürstensitz und keine stadtähnliche Siedlung. Das sind die spektakulärsten Ergebnisse der Forschungsarbeit der Universität Mainz im vergangenen Jahr. Die Leiterin des Uni-Projektes Sabine Hornung berichtet im Interview mit Volker Fuchs über die Forschung am und um den Ringwall.

Wo lagen die Schwerpunkte Ihrer Forschung im vergangenen Jahr?

Sabine Hornung: Im vergangenen Jahr haben wir uns intensiv mit der Frage nach der Entwicklung des Hunnenrings auseinandergesetzt. Uns ging es darum, zu verstehen, wann die Befestigungsmauern errichtet wurden, wie sie aufgebaut waren und wie sich die Siedlung auf dem Dollberg entwickelt hat. Das ist eine wichtige Grundlage, wenn man darüber nachdenken möchte, welche Funktion der Hunnenring einst hatte und ob er sich mit historischen Vorgängen in Verbindung bringen lässt, die uns durch schriftliche Quellen überliefert werden.

Wir waren aber auch im Umfeld des römischen Tempels auf dem Spätzrech bei Schwarzenbach unterwegs. Dort gab es in der Römerzeit um den Tempel herum eine dorfartige Siedlung, deren Größe und Funktion wir mit unseren Begehungen untersuchen wollten. Wir haben auch geomagnetische Untersuchungen durchgeführt, um Hinweise auf mögliche Siedlungsstrukturen zu finden.

Ein dritter Forschungsschwerpunkt im vergangenen Jahr beschäftigte sich mit den Steinbrüchen zwischen Sitzerath und Oberlöstern. Dort hat man Buntsandsteinkonglomerat gewonnen. Uns interessierte die Frage, wann man dort Stein abgebaut hat und wofür.

Was haben Sie herausgefunden?

Hornung: Am Hunnenring selbst haben wir die größten Fortschritte gemacht. Wir hatten das große Glück, bei einer Ausgrabung im Bereich des Vorwalles noch die gut erhaltenen Reste der Wehrmauer vorzufinden, so dass wir jetzt genau sagen können, wie diese etwa sechs Meter breite Mauer ursprünglich aufgebaut war. Zwischen den Steinen waren immer wieder Hohlräume zu erkennen, in denen einst die gitterförmig angeordneten Balken der Wehrmauer lagen. Mit diesen Erkenntnissen wären wir theoretisch in der Lage, die Mauer exakt nachzubauen. In den kommenden Monaten werden wir die Funde bearbeiten, so dass wir dann recht genau sagen können, wann die Mauer des Vorwalles gebaut wurde.

Sie haben neue Erkenntnisse über das Alter der Wehrmauern gefunden?

Hornung: Bisher hat man immer angenommen, dass alle Wehrmauern des Hunnenrings, die man heute noch sehen kann, gleichzeitig erbaut wurden. Dem war aber ganz sicher nicht so. Alles deutet darauf hin, dass der Vorwall in Wirklichkeit als erstes gebaut wurde und dann erst der obere Wall. Wir haben nämlich in der Mitte der Siedlungsfläche, etwa gegenüber der Schutzhütte, einen Graben entdeckt, der zu einem älteren Nordwall gehörte. Und an diesen älteren Nordwall wiederum schließen die Mauern des Vorwalles an. Wir gehen also davon aus, dass man die dreieckige Befestigung des Hunnenrings um 100 vor Christus einfach ein Stück nach Norden verschoben hat. Der alte Nordwall war dann natürlich im Weg und ist abgerissen worden. Den zugehörigen Graben hat man mit Erde verfüllt. Warum das alles geschah, wissen wir nicht genau. Es ist möglich, dass sich aus den Hängen zwischen Vor- und Hauptwall Steinblöcke gelöst und die Mauern zerschlagen haben. Vielleicht brauchte man aber auch einfach mehr Siedlungsfläche. Die ältere Wallführung schloss ja auch sehr steile Hänge ein, wo eine Bebauung nicht möglich war. Diese neuen Erkenntnisse zur Entwicklung des Hunnenrings sind sicher die spektakulärsten Ergebnisse unser Arbeiten in 2009.

Was gibt es neues vom Spätzrech?

Hornung: Für die römische Siedlung auf dem Spätzrech können wir aufgrund der neuen Forschungen sagen, dass sie eine Größe von rund 22 Hektar besaß. Das ist größer, als wir zunächst gedacht hatten und bedeutet, dass dort nicht nur Handwerksbetriebe wie Schmiede und Bronzegießerei ansässig waren, sondern dass dort auch eine größere Zahl von Zivilisten gelebt haben wird. Möglicherweise ist dieses Dorf, man spricht von einem vicus, sogar die Nachfolgesiedlung des Hunnenrings, da dort auch noch eine größere Zahl von keltischen Funden gemacht wurde, die zeitlich direkt an die jüngsten Funde vom Hunnenring anschließen.

Und was haben Sie im Löstertal entdeckt?

Hornung: Ein ganz bemerkenswertes Ergebnis unserer Arbeiten war auch, dass man zwischen Oberlöstern und Sitzerath schon im 4. und 2. Jahrhundert vor Christus, also in keltischer Zeit, Stein abgebaut hat, aus dem Reib- und Mühlsteine zum Mahlen von Getreide hergestellt wurden. Dort gab es wohl eine Werkstatt, welche die keltischen Siedlungen in der Umgebung mit solchen Produkten versorgt hat. Aus dem gleichen Stein, der dort im Umfeld des Schlittchen gewonnen wurde, hat man auch die Umfassungsmauer der beiden Oberlösterner Monumentalgrabhügel erbaut.

Muss die Geschichte des Hunnenringes neu geschrieben werden?

Hornung: Das muss sie definitiv! Die oben geschilderten Ergebnisse haben einige weitreichende Konsequenzen, zum Beispiel, dass die Siedlung auf dem Dollberg zu keiner Zeit mehr als zehn Hektar groß gewesen sein kann. Man ging bisher immer davon aus, dass es sich beim Hunnenring um ein Oppidum, also eine stadtartige Siedlung handelte. Nun sind aber die kleinsten anderen Oppida mindestens doppelt so groß, nämlich 20 Hektar und mehr. Auf dem Dollberg haben also deutlich weniger Menschen gelebt, als bisher angenommen und als in den stadtartigen Siedlungen spätkeltischer Zeit üblich. Man muss sich also die Frage stellen, ob der Hunnenring nicht vielleicht eine ganz andere Funktion hatte.

Welche?

Hornung: In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass wir schon 2008 nachweisen konnten, dass es dort oben schon 200 Jahre vor Errichtung der Steinmauern, also im 4. Jahrhundert vor Christus, eine befestigte Siedlung gegeben hat. Im Kern des heutigen Nordwalles steckt eine ältere Wehrmauer, die an der Ostflanke des Dollberges sogar noch ein Stück zu sehen ist. Diese Befestigung gehört in die Zeit der Schwarzenbacher Fürstengräber und bringt neuen Schwung in die Diskussion, ob der Hunnenring vielleicht schon in der Frühlatènezeit, konkret im 4. Jahrhundert vor Christus, eine Bedeutung als Fürstensitz innehatte.

Welche Bedeutung hat die Siedlung Spätzrech?

Hornung: Der vicus auf dem Spätzrech ist eine dorfartige Siedlung aus römischer Zeit, die neuesten Erkenntnissen zufolge rund 22 Hektar groß war und im Vorfeld eines Tempels entstanden ist. Mit einiger Wahrscheinlichkeit ist sie die Nachfolgesiedlung des Hunnenrings. Möglicherweise musste die einheimische Bevölkerung um 50 vor Christus den Hunnenring verlassen, vielleicht als Folge des Gallischen Krieges unter Caesar, da ja ein Teil der Treverer gegen die römische Besetzung rebellierte, und zog ins Tal, wo man eine bessere Anbindung an die für den Handel wichtige Römerstraße hatte. In jedem Falle liegt hier ebenfalls ein bedeutender Schlüssel für unser Verständnis der historischen Entwicklung der gesamten Region.

Sie forschen ja nicht nur am Hunnenring direkt, sondern auch in der Umgebung. Im vergangenen Jahr auch im Löstertal. Warum?

Hornung: Der Hunnenring wird ja schon seit einiger Zeit erforscht – vor allem, weil seine Mauern nicht zu übersehen sind und ein Denkmal von großer historischer Bedeutung versprechen. Aber schon hier zeigt sich ja durch die neuesten Forschungsergebnisse, dass es oft die unscheinbareren Dinge sind, die uns wirklich neue Erkenntnisse bringen. Und genauso verhält es sich auch mit unseren Forschungen im Umfeld des Hunnenrings. Ein solch bedeutender Ort konnte auch in keltischer Zeit nicht existieren ohne eine Vielzahl von Gehöften im Umland, die Ackerbau und Viehzucht betrieben. Deshalb ist es wichtig, diese Gehöfte zu finden, auch wenn von ihnen heute nichts mehr zu sehen ist. Gräberfelder wiederum können uns wichtige Hinweise auf die ehemalige Bevölkerung geben. Sie verraten uns, wie die Gesellschaft in der Region in keltisch-römischer Zeit aufgebaut war, wie reich man war, über welche Luxusgüter man verfügte. Dass es sich lohnt, auch das Umfeld einer Siedlung wie des Hunnenrings zu betrachten, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass wir bis heute nicht wissen, wo dessen ehemalige Bewohner bestattet waren. Auch das werden wir noch herausfinden müssen. Und dann ist es natürlich wichtig zu verstehen, wie sich die Menschen mit lebenswichtigen Gütern versorgt haben. Damit meine ich nicht nur Nahrungsmittel, sondern auch Eisen für Werkzeuge, Kupfer, beziehungsweise Bronze für Schmuck und Luxusgegenstände, Glas, ebenfalls primär für Schmuck, Ton für die Herstellung von Gefäßen, aber auch zum Hausbau und natürlich Stein, zum Bau der Mauern oder von Gebäuden in römischer Zeit und auch zur Reibsteinherstellung. Wir möchten herausfinden, welche Dinge man importiert hat, und was man selbst herstellen konnte, um mehr über das Leben der Menschen sagen zu können. Dazu darf man nicht ein einzelnes Denkmal betrachten, sondern muss eine ganze Landschaft unter die Lupe nehmen und verstehen. Das ist natürlich nur mit Hilfe zahlreicher naturwissenschaftlicher Methoden möglich.

> wird fortgesetzt

Zur Person

Sabine Hornung arbeitet am Institut für Vor- und Frühgeschichte der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. Sie forscht seit 2006 am Hunnenring und leitet das gesamte Forschungsprojekt der Universität über die Festungsanlage. Hornung hat vor, über das Projekt zu habilitieren. In dieser Arbeit wird es darum gehen, alle Einzelforschungen zu einem historischen Gesamtbild zu verknüpfen. Promoviert hat sie ebenfalls über die Region. Ihre Doktorarbeit beschäftigte sich mit der Hunsrück-Eifel-Kultur, also der Zeit zwischen dem 7. und 3. Jahrhundert vor Christus im Gebiet von Hunsrück und Eifel. vf

[Regionalforum-Saar] SZ: Vortrag im Hiwel-Haus in Alsweiler

Date: 2010/01/19 18:05:08
From: rolgeiger <rolgeiger(a)aol.com>

gestern in der Saarbrücker Zeitung, St. Wendeler Teil:
 
 

Zeugen aus der Gründungszeit

Die wichtigsten Ergebnisse zu den Forschungen über Hiwwel- und Speiersch Haus

Hiwwelhaus und Speiersch Haus sind Zeugen aus der Gründerzeit des heutigen Dorfes Alsweiler. Die siedlungsgeschichtlichen Forschungen dazu erläuterte Bernd Brill bei einem historischen Abend.

Alsweiler. Das Hiwwelhaus und das Speiersch Haus als älteste erhaltene Gebäude von Alsweiler sind steinerne Zeugen aus einer Zeit, die den Ursprung des heutigen Dorfes darstellt. Diesen Schluss zog der Architekt Bernd Brill bei einem Historischen Abend aus seinen Untersuchungen über die Bau- und Siedlungsgeschichte des Ortes. Bernd Brill, der im Verein für Heimatkunde Alsweiler die Arbeitsgruppe Speiersch Haus leitet, präsentierte das bisherige Ergebnis der Forschungsarbeiten am Speiersch Haus.

Der Referent stellte die Untersuchung des Speiersch Hauses, das bis zur Französischen Revolution als Zehnthaus für die Abgaben der Dorfbewohner an die Abtei Tholey gedient hat, in den historischen Zusammenhang der Besiedlung des Dorfes, angefangen bei der Steinzeit sowie den Kelten und Römern im Wareswald.

Mit Unterstützung von Karten und Zeichnungen arbeitete er heraus, dass die Entwicklung durch die Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges (1618-48) jäh beendet wurde. Starke Verwüstungen seien im Schaumberger und St. Wendeler Land vor allem ab 1635 zu verzeichnen, hauptsächlich von schwedischen Truppen verursacht. Damals gab es in allen Dörfern nur wenige Überlebende, die in Ruinenlandschaften einen Neuanfang versuchten. Um etwa 1700 wurden aus den Trümmern Häuser vom Typus des südwestdeutschen Einhauses aufgebaut, so 1712 das Hiwwelhaus und 1734 das Speiersch Haus in Alsweiler.

Bei ihren Untersuchungen fand die Arbeitsgruppe, der auch die Vereinsmitglieder Joachim Pees, Arnold Ohlmann und Armin Neis angehören, im Erdgeschoss des Speiersch Hauses einen Haaschd (Rauchfang) nebst Küche, Kammer und Stube. Außerdem entdeckte man Torbögen und einen Bogenteil eines Fensters, die auf einen Vorgängerbau aus der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg hindeuten. Das Obergeschoss ist nach Angaben von Bernd Brill stark durchsetzt mit Fachwerkwänden, hier gibt es auch sehr interessante Türen mit alten Schlösssern und starke Bodendielen.

Zum Schluss bezog Bernd Brill das neben der Kirche gelegene „Rore Haus“ mit ein. Es zählt als südwestdeutsches Einhaus ebenfalls zu den ältesten Gebäuden des Dorfes. Anhand architektonischer Zeichnungen machte der Referent deutlich, wie sehr die drei historischen Gebäude einander gleichen. Beispielsweise haben alle drei einen Eingangsbereich in Form eines T. Stets liegt auch in der Nähe der Stiege zum Obergeschoss die so genannte Stiegenkammer, vermutlich das Schlafgemach des Hausherrn und seiner Frau, die von diesem Platz aus das gesamte Gebäude einschließlich des nahe gelegenen Kuhstalls überwachen konnten.

„Wer hätte im Vorhinein gedacht, dass diese Gebäude so viel aussagen, so viel bedeuten können“, sagte Wolfgang Simon, der Organisationsleiter des Vereins für Heimatkunde. Es gehe dem Verein mit seiner Forschungsarbeit darum, zu erkennen, wie unsere Vorfahren gelebt haben.

Wolfgang Simon hatte zuvor eine Reihe von Karten zur Dorfentwicklung präsentiert, die Franz und Arnold Ohlmann aus amtlichen und privaten Unterlagen verarbeitet hatten. red

[Regionalforum-Saar] SZ: Freundeskreis Keltischer Ringwall Otzenhausen

Date: 2010/01/19 18:11:47
From: rolgeiger <rolgeiger(a)aol.com>

gestern in der Saarbrücker Zeitung, St. Wendeler Teil:
 
 

Leben der Vorfahren auf der Spur

Freundeskreis Keltischer Ringwall Otzenhausen blickt auf arbeitsreiches Jahr zurück

Der Freundeskreis Keltischer Ringwall Otzenhausen hat sich 2009 viel in der Öffentlichkeit gezeigt. Seine fünf Arbeitskreise waren sehr aktiv und die Präsenz bei zahlreichen Veranstaltungen rückte den Verein weiter ins Rampenlicht.

Nonnweiler. Eine positive Bilanz für das Jahr 2009 zog der Freundeskreis Keltischer Ringwall Otzenhausen. Dem Verein gelang es, fünf sehr aktive Arbeitskreise aufzubauen, die interessante Ergebnisse und archäologische Experimente vorweisen konnten. Die Schmelzversuche unter dem Motto „Vom Stein zum Stahl“, die neu gewirkten historischen Gewänder, das Herstellen von Dachschindeln und die bemerkenswerten Keramikrepliken aus den Eiweiler Gräbern sind dabei nur einige Beispiele. Wichtiges archäologisches Wissen konnten die Vereinsmitglieder durch das reichhaltige Vortragsprogramm der Gemeinde Nonnweiler erwerben. Der Verein hatte auch Dozenten für die Fort- und Weiterbildung für die Arbeitskreise Textilien, Kräuterkunde, Keramik und Eisenschmelzen eingeladen. Unter den Exkursionen waren Besuche auf der Wehranlage „Hinter der Birg“ in Limbach, im Neipeler Heimatmuseum und in der Kelten-Römer-Ausstellung in Birkenfeld. Ebenso wirkte der Freundeskreis bei verschiedenen Veranstaltungen mit, zum Beispiel beim Grabungsfest im römischen Vicus Wareswald in Tholey, bei der Umweltministerkonferenz in der Europäischen Akademie Otzenhausen, beim Keltenfest Celtoi, bei der Kinderferienfreizeit in Kastel und am Tag der offenen Grabung am Ringwall.

Zahlreiche Aktivitäten stehen auch für 2010 im Terminkalender. Am 13. und 14. März ist ein Workshop zum Thema „Schuhe und Sattlerarbeiten zur Keltenzeit“. Für 3. und 4. Juli ist der Workshop „Im Bann des Feuers“ angesetzt, in dem es um Feuermachen und Bronzeguss gehen wird. Vorgesehen sind die Teilnahme am Grabungsfest in Tholey am 27. Juni, am Handwerkermarkt in Thalfang am 18. Juli, an den gallo-römischen Festtagen „Brot und Spiele“ in Trier und an der Sonderausstellung „Die Kelten“ ab dem 1. November im Weltkulturerbe Völklinger Hütte. Seine Generalversammlung hält der Verein am Freitag, 26. März, 18 Uhr, in der Europäischen Akademie. gtr

[Regionalforum-Saar] Genealogisches Bewusstsein als Legitimation

Date: 2010/01/19 19:46:15
From: rolgeiger <rolgeiger(a)aol.com>

From:    Sophie Kleinecke <sophie.kleinecke(a)uni-wuerzburg.de>
Date:    20.01.2010
Subject: Tagber: Genealogisches Bewusstsein als Legitimation. Inter-
         und intragenerationelle Auseinandersetzungen sowie
         die Bedeutung von Verwandtschaft bei Amtswechseln
------------------------------------------------------------------------

DFG-Graduiertenkolleg "Generationenbewusstsein und Generationenkonflikte
in Antike und Mittelalter"
23.09.2009-25.09.2009, Bamberg

Bericht von:
Sophie Kleinecke / Maximilian Schuh, Westfälische Wilhelms-Uniersität,
Münster; Andreas Zerndl, Otto-Friedrich-Universität, Bamberg
E-Mail: <sophie.kleinecke(a)uni-wuerzburg.de>;
<maximilian.schuh(a)uni-muenster.de>; <andreas.zerndl(a)uni-bamberg.de>

Vom 23. bis 25. September 2009 fand in Bamberg die zweite
interdisziplinäre Nachwuchstagung des DFG-Graduiertenkollegs
"Generationenbewusstsein und Generationenkonflikte in Antike und
Mittelalter" statt. Unter dem Titel "Genealogisches Bewusstsein als
Legitimation" beschäftigten sich Nachwuchswissenschaftler/innen mit
einer traditionellen Fragestellung der Generationengeschichte, wobei der
Aspekt der Amts- und Herrschaftsübergabe im Vordergrund stand. Anliegen
der Organisatoren war es, neben den wissenschaftlichen Diskussionen
wieder eine Plattform für Kommunikation und die Möglichkeit zur
Vernetzung zu schaffen.

Eröffnet wurde die Tagung mit dem öffentlichen Abendvortrag von GERHARD
LUBICH (Bochum), der darlegte "Wie die Ehre erblich wurde". Dabei ging
er vor allem auf die beiden Themenkomplexe honor und konsensuale
Herrschaft ein und skizzierte deren Entwicklung von der Spätantike bis
zum Hochmittelalter. Lubich betonte, dass honor  nicht allein als
persönliche Ehre zu verstehen, sondern in einem weiteren Sinne auch auf
das Amt selbst zu beziehen sei. So spiele die Erblichkeit des Amtes im
cursus honorum der Spätantike gegenüber den eigenen Verdiensten eine
untergeordnete Rolle. Diese Bedeutungsvariante von honor habe auch das
Frühmittelalter gekannt, wie die Analyse der Verwendung des Begriffs bei
Gregor von Tours zeige. Lediglich das erblich gewordene Königsamt habe
nach weiteren Legitimationsgrundlagen gestrebt, wie etwa der
genealogischen Abstammung von einem Spitzenahn. Personelle Beziehungen
gewannen nach Lubich in der Folgezeit zunehmend an Bedeutung,
persönliche Ehre und Amtswürde verbanden sich daher. Anders als bei den
fränkischen Herrschern rekrutierten sich die neuen Könige nunmehr aus
dem sich als Stand formierenden Adel. Diese gemeinsame Herkunft habe die
Herausbildung der konsensualen Herrschaft gefördert und das Konzept des
honor erweitert: Ehre wurde erblich.

JOHANNES BREHM (Bamberg) analysierte die Darstellung der
Herrschaftsfolge des persischen Königshauses in den Historien des
Herodot. Um eine bestmögliche Nachfolge zu sichern und ein Maximum an
Akzeptanz bei der Bevölkerung zu erlangen, wurde die Genealogie bei den
Achämenidenkönigen häufig konstruiert. Bemerkenswert sei dabei, dass die
Legitimation häufig durch Frauen gesichert wurde: Dies sei entweder
durch eine Gattin angesehener Abstammung oder durch eine konstruierte
Verbindung zu einer "geeigneten" Mutter geschehen. Der Herrscher
Kambyses sei beispielsweise in Ägypten als Sohn des Kyros und einer
Ägypterin eingeführt worden. Die väterliche Linie sei dabei jedoch stets
beibehalten worden.

Genealogie und Legitimation in den hellenistischen Reichen untersuchte
SABINE MÜLLER (Hannover). Die Diadochen versuchten etwa, eine ideelle
Anbindung an Alexander den Großen zu schaffen, um sich in die Tradition
seines militärischen Genies zu stellten. Ptolemaios I. habe seine
Regierung mit der Bestattung Alexanders angetreten - einer Aufgabe, die
dem Erben zukam - und sich so als sein legitimer Nachfolger inszeniert.
Eine weitere Strategie sei das Schaffen familiärer Verbindungen zu
Göttern und Heroen gewesen. Jedes der drei Herrscherhäuser sei mit
bestimmten Göttern assoziiert worden: Der erste Ptolemäer-König habe
sich als Ziehsohn des Göttervaters Zeus präsentiert und sich auf Münzen
mit dem Tier des Zeus - einem Adler - abbilden lassen. Die Bevölkerung
habe die Herrschaft so als von göttlicher Seite legitimiert verstanden.

SVEN GÜNTHER (Mainz) stellte Überlegungen zu Domitians
Herrschaftsübernahme und Kaiserkonzeption an. Er arbeitete anhand
schriftlicher Quellen heraus, wie sich Domitian - Angehöriger der gens
Flavia - zunächst durch die Bezeichnung "Augustus" in die gens Iulia
einreihte. Dies sei nötig gewesen, um sich als neues Herrschergeschlecht
in Rom zu etablieren und zu legitimieren. Numismatische und
architektonische Zeugnisse hingegen betonten später seine Zugehörigkeit
zum flavischen Geschlecht: Die Neubauten auf dem Nerva-Forum seien
allein mit seinem Namen versehen worden und rückten dadurch seine eigene
Familie in den Mittelpunkt. Dies sei unabdingbare Voraussetzung gewesen,
um die Herrschaft innerhalb der eigenen gens zu sichern und
fortzuführen.

Am Beispiel Lübecks erläuterte STEFANIE RÜTHER (Münster) den städtische
Ratsgremien prägenden Widerspruch zwischen der Beschränkung der
innerfamiliären Weitergabe von Ämtern und  dynastisch ausgerichteten
Oligarchisierungstendenzen. Letzteren sei in spätmittelalterlichen
Städten durch Aufstände und anschließende Neuordnung der Verfassung
immer wieder entgegengewirkt worden. Dennoch habe die enge soziale
Vernetzung und Abgrenzung der ratsfähigen Familien genealogisch
legitimierte Ämternachfolgen ermöglicht. Gerade kirchliche Stiftungen
seien intensiv dazu genutzt worden, auf Altartafeln den Familienverband
als Zukunftsprojekt für Rat und Stadt im öffentlichen Kirchenraum zu
inszenieren und zu legitimieren. Dies veranschaulichte Rüther mit der
genealogischen Inbildsetzung der Lübecker Ratsfamilie Crispin und der
Ulmer Hauptleute Besserer.

NADIR WEBER (Bern) befasste sich mit der frühneuzeitlichen
Ratsverfassung Berns, in der nur ein Teil der Bürger politisch
vollberechtigt war. Ab dem 17. Jahrhundert teilten sich etwa 80 Familien
die Herrschaft, was die Angst vor einer Oligarchie steigerte. Im 18.
Jahrhundert sei es deshalb wiederholt zu Unruhen gekommen. Weber hob
besonders auf den Jugendverband ab, den so genannten Äußeren Stand, der
sich den Rat als Vorbild nahm. Innerhalb dieses Verbandes, den man als
regelrechten Schattenstaat bezeichnete, seien zukünftige Ratsmitglieder
etwa über Schauprozesse geschult worden. Auch innerhalb des Rates habe
es Abgrenzungsversuche von der Bürgerschicht und Anknüpfungsbemühungen
an den Adel gegeben. Opposition sei in erster Linie aus den Reihen der
Gemeinde gekommen, die eine Usurpation durch den Adel fürchtete. Beinahe
topisch habe man das Ende der Republik prognostiziert, gerade aufgrund
der angeblichen Ohnmacht angesichts der Größe des Ererbten. Wegen der
anhaltenden negativen Stimmung sei 1787 das Politische Institut als neue
Ausbildungsanstalt eröffnet worden. Dennoch ging die Berner Republik
letztlich unter und der Schweizer Einheitsstaat wurde gegründet.

JULIAN FÜHRER (Zürich) analysierte unterschiedliche genealogische
Argumentationsmuster der Herrschaftslegitimation in kapetingischen
Königurkunden, die er als Ego-Dokumente interpretierte. Die fehlende
familiäre Verbindung zu den Karolingern habe genealogische Argumente
zunächst in die Zukunft weisen lassen, indem Söhne als Mitkönige
aufgeführt wurden und damit als potentielle Fortsetzer der Dynastie
auftraten. Nachfolgende kapetingische Könige beriefen sich dann auf
dynastische Vorgänger, was von ihrem genealogischen Bewusstsein zeuge.
Dabei stellte Führer allerdings unterschiedliche Akzentuierungen und
Traditionsbildungen fest, die den jeweiligen Wahrnehmungen der
Vorfahren, aber auch den konkreten Zeitumständen geschuldet waren. Nach
der endgültigen Überwindung der Zweifel an der genealogischen
Legitimität sei im 13. Jahrhundert die kapetingische Linie mit der
karolingischen verschmolzen worden, wie neben verschiedenen
Stammbaumdarstellungen die Anordnung der Königsgräber in St. Denis
belege.

Die Betonung genealogischer Kontinuität in der dynastischen
Umbruchsphase zu Beginn des 11. Jahrhunderts thematisierten ULRIKE
SIEWERT (Dresden/Bamberg) und KATRIN KÖHLER (Bamberg). Die
liudolfingische Abstammung Heinrichs II. sei in den Quellen ein
wiederkehrendes Legitimationsargument, das durch die Darstellung der
Sorge um den Leichnam und das Seelenheil Ottos III. unterstrichen werde.
Daneben seien aber auch die direkte Abstammung von König Heinrich I. und
der verstärkte Bezug auf Karl den Großen etwa beim Romzug zu beobachten.
Das Königtum Heinrichs II. wurde nach Siewert nicht allein als
ottonisches Erbe, sondern als allumfassendes Christusgeschenk
interpretiert. Auch wenn Konrad II. sich zunächst durchaus in ottonische
Traditionen gestellt hätte, konstatierte Köhler eine genealogische
Neuorientierung. Die Pflege um die memoria des Vorgängers lasse sich in
Konrads Urkunden nicht nachweisen, wie auch die Erwähnungen Heinrichs
II. auf der wiederholten Ausstellung von Privilegien beruhten. Die
salische Hofgeschichtsschreibung des Kaplan Wipo betone zudem die
Erfolge des neuen Königs und stelle ihn als wahren Erben Karls des
Großen dar. Die Grundlegung der in die Zukunft weisenden salischen
Dynastie werde zudem durch die Erhebung Heinrichs III. zum Mitkönig und
die neue Grablege in Speyer inszeniert.

Konkurrierende Strategien bei dem Versuch, Karl von Valois als möglichen
byzantinischen Kaiser zu legitimieren, nahm GEORG JOSTKLEIGREWE
(Münster) in den Blick. Bereits in den griechischen Briefen, die um
Karls Auftreten in Byzanz warben - seit 1301 führte er den Titel des
Kaisers von Konstantinopel -, würden unter anderem auch genealogische
Argumente vorgebracht. Denn neben der Idoneität Karls würden seine
dynastischen Thronrechte und seine familiäre Stellung als Bruder des
französischen Königs Philipps IV. herangezogen. Die französischen
Antworten maßen nach Jostkleigrewe im Rahmen der genealogischen
Argumentation vor allem der dynastischen Kontinuität des lateinischen
Kaisertums sowie der daher unberechtigten Usurpation des griechischen
Amtsinhabers Bedeutung zu und nahmen mit letzterem von der
byzantinischen Opposition geäußerte Argumente auf. Hierin sei eine
Neuorientierung französischer Thronpolitik zu erkennen, da die
politische und militärische Vormachtstellung nun auch zur Erlangung
symbolisch aufgeladener Herrschaftstitel eingesetzt wurde.

Den Kampf der Kirchenreform gegen Simonie und Nikolaitismus sowie andere
Missstände der Amtskirche betrachtete ARIANE LORKE (Jena) aus einer
generationalen Perspektive. Mit Hilfe eines an Karl Mannheim
orientierten Generationenmodells identifizierte sie im lothringischen
Raum eine wichtige monastische Trägergruppe, die durch ähnliches Alter
sowie eine gleichzeitige und gleichartige Ausbildung geprägt wurde.
Diese Reformgeneration habe die Ideen der Kirchenreform maßgeblich
mitbestimmt und als kirchliche Amtsträger durchzusetzen versucht. Eine
erhöhte Zahl von Todesfällen dieser Kohorte zwischen 1043 und 1058
bringe zudem die Frage der Fortsetzung der Reform mit sich. Während im
monastischen Bereich erheblicher Einfluss auf die Wahl des Nachfolgers
möglich gewesen sei, hätten Bischöfe darauf nur unter bestimmten
Umständen und eher indirekt einwirken können.

HEIKO JADATZ (Leipzig) verfolgte einen kirchen- und
herrschaftspolitischen Konflikt im albertinisch-sächsischen Herzogtum im
Zeitalter der Reformation. Ausgehend von der Kindheit Herzog Georgs von
Sachsen erklärte er dessen anti-lutherische Haltung und untersuchte vor
allem sein letztes Regierungsjahrzehnt genauer. Eine zunehmende Bewegung
innerhalb der eigenen Familie zum Luthertum sowie der Tod von Georgs
Nachkommen habe dabei in Verbindung mit dem Ringen um die potentiellen
Regierungsnachfolger Herzog Heinrich und Moritz gestanden. Nach dem Tod
Georgs 1539 sei die Reformation trotz des Widerstandes der Landstände
nicht mehr zu stoppen gewesen.

Die Entwicklung der Reichsstifte Herford und Quedlinburg während des 18.
Jahrhunderts wurde von TERESA SCHRÖDER (Münster) unter dem Aspekt der
dynastischen Politik Brandenburg-Preußens analysiert. Nach Schröder sei
die Besetzung der Äbtissinnen-  und Koadjutorinnenstellen in den
kaiserlich frei-weltlichen Stiften durch den preußischen König seine
Möglichkeit gewesen, die standesgemäße Versorgung weiblicher Verwandter
zu sichern und gleichzeitig Einfluss als Schutzherr zu nehmen. Schröder
machte dies am Beispiel von Johanna Charlotte von Brandenburg-Schwedt
deutlich, deren über mehrere Jahre vorbereitete Wahl zur Äbtissin von
Herford Unterordnung unter das dynastische Interesse erkennen lasse.
Anhand weiterer Beispiele konnte Schröder unter Berücksichtigung der
jeweiligen Auseinandersetzungen zwischen Stiftskapitel, Stadt und
Landesherr zeigen, dass Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. die
Rechte ihrer weiblichen Familienmitglieder in Herrschaftspositionen
beschnitten. Insgesamt habe die Stellung als Äbtissin den hochadligen
Familienmitgliedern die Möglichkeit der eigenen Herrschaftsausübung und
des Dienstes für die Dynastie geboten.

ANDREAS SCHMIDT (Heidelberg) verfolgte die Probstwahlen im
frühneuzeitlichen Augustiner-Chorherrenstift Berchtesgaden. Anfangs
seien die Pröpste aus den Reihen der Wittelsbacher gewählt worden. Die
persönliche Eignung der Kandidaten habe dabei hinter die Verdienste der
Dynastie zurücktreten müssen. Demgegenüber habe das Kapitel gestanden,
das seine Wahlansprüche kirchenrechtlich und mit der institutionellen
Tradition begründete. Am Beispiel der Propstwahl von 1724 zeigte
Schmidt, dass die Wittelsbacher - in diesem Fall der Kölner Kurfürst
Joseph Clemens - über die Bestellung der Koadjutoren genealogische
Kontinuität zu etablieren versuchten. Der Konflikt habe sich schließlich
zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen dem Stift Berchtesgaden
und dem Haus Bayern ausgeweitet.

LORENZ BAIBL (Münster) behandelte den Familienkonflikt im
Reichsgrafengeschlecht Nassau-Siegen. Auslöser für den Konflikt sei die
Konversion des zweiten Sohnes Johann vom Calvinismus zum Katholizismus
und dessen Heirat mit einer katholischen Prinzessin gewesen. Alle
Versuche der Familie, ihn wieder zur Rückkehr zum reformierten Glauben
zu bewegen, seien gescheitert, was zu ersten Nachträgen im Testament
bzw. zu Neusetzungen des Testamentes führte. In einer dritten Version
sei die Primogenitur schließlich aufgehoben und alle männlichen
Nachkommen seien als Erben eingesetzt worden. Unter Einschaltung des
Kaisers ließ der um einen großen Teil des Erbes gebrachte Sohn das
dritte Testament des Vaters für ungültig erklären. Nach seinem
Herrschaftsantritt 1624 habe Johann VIII. die Religionsfreiheit in der
Grafschaft Siegen gesichert und damit die Ansprüche der jüngeren Brüder
sowie der Stiefmutter delegitimiert. Der Streit mit den Reformierten
habe aber fortbestanden. Das Vorgehen bei frühneuzeitlichen
Herrschaftswechseln könne nach Baibl demnach nicht immer als
konsensualer Akt der gesamten Dynastie interpretiert werden.

STEFAN DORNHEIM (Dresden) nahm abschließend als Beispiel für
Amtsnachfolgen in lutherischen Pfarrhäusern das 100-jährige Jubiläum des
Pfarramtes in Rochau genauer in den Blick, welches innerhalb einer
Familie vererbt wurde. In lutherischen Pfarrhäusern sei es üblich
gewesen, dass das Pfarramt vom Sohn weitergeführt wurde, während die
Töchter vorrangig andere Pfarrer heirateten. Sei der Vater allerdings
den Erwartungen der Pfarrei nicht gerecht geworden, konnte die Vererbung
des Amtes an den Sohn durchaus an der mangelnden Akzeptanz der Gemeinde
scheitern. Auch andere Gründe, wie etwa der Zuzug eines auswärtigen
Pfarrers und die damit fehlende Verwurzelung in örtlichen Traditionen
sowie Sprachbarrieren konnten nach Dornheim zu einer Distanzierung der
Gemeinde von der Pfarrersfamilie führen. Theologisch sei die Vererbung
des Pfarramtes als Anknüpfung an das biblische Vorbild der
Priesterfamilie Arons und der Familiengrablege Abrahams legitimiert
gewesen. So sei die Entstehung eng vernetzter Pfarrersdynastien auf
mehreren Ebenen begünstigt worden.

Die Beiträge der Tagung zeigten erneut die enge Verbindung von
genealogischem Denken und Herrschaftslegitimation in den politischen und
religiösen Kontexten der Vormoderne. Gerade im Moment des
Herrschaftswechsel und der Amtsübergabe wird diese diskursive Verbindung
intensiviert, da offensichtlich ein gesteigerter Legitimationsbedarf
besteht. Die zahlreichen Beispiele aus Antike, Mittelalter und Früher
Neuzeit belegen die unterschiedlichen Formen des Umgangs mit dieser
Problematik, die von der konsensualen Übertragung bis zur
konfliktreichen Usurpation reichen konnten. Die systematische
Betrachtung genealogischer Legitimationsstrategien leistet daher einen
wichtigen Beitrag zu aktuellen Diskussionen generationeller
Fragestellungen. Die Tagungsbeiträge werden in Kürze in der Reihe
"Bamberger Historische Studien der University of Bamberg Press"
veröffentlicht.

Konferenzübersicht:

Gerhard Lubich (Bochum): Wie die Ehre erblich wurde. Amt und Person.
Erbe und Generation

Sektion I: Dynastisches Bewusstsein bei antiken Herrschern

Johannes Brehm (Bamberg): Die Herrschaftsnachfolge des persischen
Königshauses in den Historien des Herodot im Spannungsfeld von
Kontinuität und Wandel

Sabine Müller (Hannover): Inventing traditions. Genealogie und
Legitimation in den hellenistischen Reichen

Sven Günther (Mainz): Zwischen 'gens Flavia'und 'gens Iulia'. Domitians
Herrschaftsübernahme und Kaiserkonzeption

Sektion II: Die Bedeutung von Genealogien bei politischen Ämtern

Stefanie Rüther (Münster): It runs in the family. Möglichkeiten und
Grenzen genealogischen Bewusstseins im Kontext mittelalterlicher
Ratsherrschaft

Nadir Weber (Bern): Im Schatten der Väter. Genealogisches Bewusstsein,
politische Erziehung und Generationenkonflikte in der frühneuzeitlichen
Republik Bern

Sektion III: Herkunftskonzepte als Legitimation von Königsherrschaft im
Mittelalter

Julian Führer (Zürich): Gegenwart der Vorgänger und genealogisches
Bewusstsein bei den Kapetingern (987-1223)

Ulrike Siewert (Bamberg/ Dresden) und Katrin Köhler (Bamberg): Die
Betonung von Kontinuität bei den Königsnachfolgen Heinrichs II. und
Konrads II.

Georg Jostkleigrewe (Münster): 'heres imperii Constantinopolitani -
frater regis Franciae - defensor populi christiani'. Zur Deutung
konkurrierender Legitimitätskonstruktionen im Umfeld der französischen
Mittelmeerpolitik des frühen 14. Jahrhunderts

Sektion IV: Die Nachfolgeproblematik in Zeiten von Kirchenreformen

Ariane Lorke (Friedrichshafen/ Jena): Wenn die Nachfolge an den
Nachfolgern scheitert - Die Kirchenreform um 1050

Heiko Jadatz (Leipzig): Herrschaftswechsel als kirchenpolitische Zäsur:
das albertinisch-sächsische Herzogtum und die Wittenberger Reformation

Sektion V: Die Ämternachfolge in Reichsstiften der Frühen Neuzeit in
genealogischer Perspektive

Teresa Schröder (Münster): '... man mus sie versauffen oder Nonnen
daraus machen Menner kriegen sie nit alle ...' Die Reichsstifte Herford
und Quedlinburg im Kontext dynastischer Politik

Andreas Schmitt (Heidelberg): Von der Wittelsbachischen Nebenpfründe zur
Selbstverwaltung. Die Propstwahlen der Frühneuzeit im gefürsteten Stift
Berchtesgaden

Sektion VI: Familiäres Bewusstsein und interfamiliäre
Auseinandersetzungen bei weltlichen und geistlichen Amtsübernahmen in
der Frühen Neuzeit

Lorenz Baibl (Münster): Konversion und Sukzession. Die Grafen von
Nassau-Siegen zwischen dynastischer Einheit und konfessioneller
Spaltung

Stefan Dornheim (Dresden): Amtsjubiläum und Familiennachfolge im
lutherischen Pfarrhaus der Frühen Neuzeit

URL zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=2936>

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[Regionalforum-Saar] Buchtip "Wer anderen eine G rube gräbt" - archäologischer Roman

Date: 2010/01/21 14:00:43
From: rolgeiger <rolgeiger(a)aol.com>

Salü,

hab gerade diesen Buchtip erhalten. Der Roman soll sich besonders der saarländischen Archäologie zuwenden.

Morgen bin ich in Trier - da werde ich mir wohl ein Exemplar zulegen.

Roland Geiger

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Dori Jones Willi von Bellden - Wer anderen eine Grube gräbt...

In einem verschlafenen Örtchen im Hunsrück, dort wo sich Hund und Katz gute Nacht sagen, und wenig Aufregendes passiert, wird eine verstümmelte Leiche gefunden. Das Gesicht des Toten wurde entfernt und durch eine römische Offiziersmaske ersetzt. Willi, ein pfiffiger Terrier, und sein Herrchen, ein Archäologe mit Liebeskummer, stolpern bei einem Spaziergang in die Sache hinein und werden von der Kripo an den Ermittlungen beteiligt. Das antike Artefakt und die Fährte eines fremden Rüden bringen sie auf die Spur des Mörders. Als weitere Menschen sterben, allesamt Kollegen seines Herrn und Meisters, wittert Willi eine niederträchtige Verschwörung in der sonst so beschaulichen Welt der saarländischen Archäologie. Willi beschließt nun, auf eigene Faust zu handeln, da er das Leben seiner Familie als gefährdet sieht. Dabei muss er sich nicht nur gegen niederträchtige Schurken zur Wehr setzen, sondern auch gegen die erstaunliche Begriffsstutzigkeit seines Herrchens. Ein tierisch spannender Krimi der Extraklasse!

216 Seiten 12 cm x 21 cm ISBN 978-3-940760-08-1
 
Doris Jones, Willi von Bellden. Wer anderen eine Grube gräbt ...,
Verlag S.Mo Mühlenstr 106, 54296 Trier 2008,
ISBN 978-3-940760-08-1.
Euro 10,90¤
 

[Regionalforum-Saar] Fortbildung "Schluss mit mueden Monologen - Fuehrungen interessant gestalten

Date: 2010/01/26 20:47:47
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>

In einer eMail vom 26.01.2010 18:20:45 Westeuropäische Normalzeit schreibt hsk.mail(a)GESCHICHTE.HU-BERLIN.DE:
From:    Doris Hefner <Hefner(a)culturalive.de>
Date:    19.01.2010
Subject: Ank: Fortbildung "Schluss mit müden Monologen - Führungen interessant gestalten" - Fürstenfeldbruck 04/10
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Doris Hefner M.A.; Ina Paulus M.A., Fürstenfeldbruck
16.04.2010-17.04.2010, Stadtmuseum Fürstenfeldbruck
Deadline: 09.04.2010

Professionelle Vermittlungsarbeit in Museen und Ausstellungen wird immer
wichtiger. Damit steigen auch die Anforderungen an das
Vermittlungspersonal. Es muss verschiedene und zielgruppenspezifische
Methoden für die Vermittlungsarbeit kennen und anwenden können.

Für alle, die diese Fertigkeiten entwickeln oder verbessern möchten,
findet vom 16. bis 17. April 2010 im Stadtmuseum Fürstenfeldbruck (nahe
München) die Fortbildung "Schluss mit müden Monologen - Führungen
interessant gestalten" statt. Sie richtet sich sowohl an Neueinsteiger
als auch an erfahrene Vermittler, die ihren Führungsstil optimieren
wollen und neue Anregungen suchen.

Folgende Themen werden behandelt:
- Das Schema F - der gute Aufbau einer Führung
- Immer bei der Stange halten - der rote Faden einer Führung
- Kein Monolog - was dann? - kommunikative Führungen
- Geh' nie ohne etwas los - das richtige Begleitmaterial
- Störenfriede & Co. - der Umgang mit den Teilnehmern
- Reden, aber wie? - Stimme, Stimmung, Sprache
- Reden ohne Worte - die Körpersprache

Die Teilnehmer setzen die gelernte Theorie sofort bei Workshops in die
Praxis um. Sie erhalten Schulungsunterlagen und ein Zertifikat.

Die Fortbildung wird von Ina Paulus (Leiterin des museumspädagogischen
Dienstes der Stadt Aschaffenburg) und Doris Hefner (freie
Museumspädagogin für verschiedene Museen) durchgeführt.

Die Kosten betragen einschließlich Schulungsunterlagen 185 EUR (ohne
Unterkunft und Verpflegung). Die Teilnehmerzahl ist auf 15 Personen
beschränkt.

Anmeldeformulare, Flyer und Anfahrtsbeschreibung finden Sie unter
www.culturalive.de ("Aktuelles").


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Doris Hefner

culturalive

08105/278647
08105/278637
hefner(a)culturalive.de

Homepage <www.culturalive.de>

URL zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=13059>


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From:    Doris Hefner <Hefner(a)culturalive.de>
Date:    19.01.2010
Subject: Ank: Fortbildung "Schluss mit müden Monologen - Führungen
         interessant gestalten" - Fürstenfeldbruck 04/10
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Doris Hefner M.A.; Ina Paulus M.A., Fürstenfeldbruck
16.04.2010-17.04.2010, Stadtmuseum Fürstenfeldbruck
Deadline: 09.04.2010

Professionelle Vermittlungsarbeit in Museen und Ausstellungen wird immer
wichtiger. Damit steigen auch die Anforderungen an das
Vermittlungspersonal. Es muss verschiedene und zielgruppenspezifische
Methoden für die Vermittlungsarbeit kennen und anwenden können. 

Für alle, die diese Fertigkeiten entwickeln oder verbessern möchten,
findet vom 16. bis 17. April 2010 im Stadtmuseum Fürstenfeldbruck (nahe
München) die Fortbildung "Schluss mit müden Monologen - Führungen
interessant gestalten" statt. Sie richtet sich sowohl an Neueinsteiger
als auch an erfahrene Vermittler, die ihren Führungsstil optimieren
wollen und neue Anregungen suchen.

Folgende Themen werden behandelt:
- Das Schema F - der gute Aufbau einer Führung
- Immer bei der Stange halten - der rote Faden einer Führung
- Kein Monolog - was dann? - kommunikative Führungen
- Geh' nie ohne etwas los - das richtige Begleitmaterial
- Störenfriede & Co. - der Umgang mit den Teilnehmern
- Reden, aber wie? - Stimme, Stimmung, Sprache
- Reden ohne Worte - die Körpersprache

Die Teilnehmer setzen die gelernte Theorie sofort bei Workshops in die
Praxis um. Sie erhalten Schulungsunterlagen und ein Zertifikat.

Die Fortbildung wird von Ina Paulus (Leiterin des museumspädagogischen
Dienstes der Stadt Aschaffenburg) und Doris Hefner (freie
Museumspädagogin für verschiedene Museen) durchgeführt.

Die Kosten betragen einschließlich Schulungsunterlagen 185 EUR (ohne
Unterkunft und Verpflegung). Die Teilnehmerzahl ist auf 15 Personen
beschränkt.

Anmeldeformulare, Flyer und Anfahrtsbeschreibung finden Sie unter
www.culturalive.de ("Aktuelles").


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Doris Hefner

culturalive

08105/278647
08105/278637
hefner(a)culturalive.de

Homepage <www.culturalive.de>

URL zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=13059>


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    HUMANITIES - SOZIAL- UND KULTURGESCHICHTE
           H-SOZ-U-KULT(a)H-NET.MSU.EDU
 Redaktion:
 E-Mail: hsk.redaktion(a)geschichte.hu-berlin.de
 WWW:    http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de
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--- End Message ---

[Regionalforum-Saar] L. Schmugge: Ehen vor Gericht

Date: 2010/01/26 20:50:00
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>

In einer eMail vom 26.01.2010 18:12:48 Westeuropäische Normalzeit schreibt hsk.mail(a)GESCHICHTE.HU-BERLIN.DE:
From:    Julia Ilgner <julia.ilgner(a)geschichte.uni-freiburg.de>
Date:    27.01.2010
Subject: Rez. MA: L. Schmugge: Ehen vor Gericht
------------------------------------------------------------------------

Schmugge, Ludwig: Ehen vor Gericht. Paare der Renaissance vor dem Papst.
Berlin: Berlin University Press 2008. ISBN 978-3-940432-23-0; geb.; 289
S.; EUR 44,90.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Julia Ilgner, Historisches Seminar, Universität Freiburg
E-Mail: <julia.ilgner(a)geschichte.uni-freiburg.de>

"In der Ehe muss man sich manchmal streiten, nur so erfährt man etwas
voneinander", wusste bereits Goethe zu verkünden, "um die Ehe"
allerdings auch, möchte man nach der Lektüre Ludwig Schmugges
hinzufügen. Während der Dichterfürst hier den Liebesbund jedoch wohl
eher mit Martin Luther als "ein eusserlich, weltlich Ding"
apostrophiert, nimmt der Schweizer Historiker die Ehe aus
kirchenrechtlicher Perspektive in den Blick.

Ludwig Schmugge, emeritierter Ordinarius für Geschichte des Mittelalters
an der Universität Zürich und langjährig mit der Herausgabe des
'Repertorium Poenitentiariae Germanicum' befasst,[1] unternimmt in der
vorliegenden Monografie eine Betrachtung des spätmittelalterlichen
Ehewesens ex negativo, in der Widerspiegelung der geistlichen
Gerichtsbarkeit, an die sich die Petenten immer dann wandten, wenn etwas
an ihrer Ehe nicht kanonischen Regeln entsprach. Als Grundlagen dienen
ihm dafür exakt 6387 Bittschriften (Suppliken), die in der vatikanischen
Pönitentiarie (Paenitentiaria Apostolicae), einer noch heute bestehenden
kirchlichen Behörde, zwischen 1455 und 1492/1500 eingereicht wurden.[2]

In insgesamt fünf Kapiteln leuchtet Ludwig Schmugge in einem akribischen
wie quellengetreuen Parlando alle erdenklichen Schattierungen des
mittelalterlichen Ehewesens aus. Kanonische Voraussetzungen der
Eheschließung gelangen ebenso zur Darstellung wie Ehehindernisse
(impedimenta), etwa die Blutsverwandtschaft (consanguinitas), die
Schwägerschaft (affinitas), die geistliche Verwandtschaft (cognatio
spiritualis) durch Tauf- oder Firmpatenschaft sowie die Bindung durch
das Gelübde (votum) oder Verstöße gegen das Eherecht, seien sie
vorsätzlich geschehen oder nicht. Auf den einleitenden Teil, der
propädeutisch zunächst den Untersuchungsgegenstand konturiert (Kapitel
1) und die kanonischen Bestimmungen des Eherechts darlegt (Kapitel 2),
folgt eine differenzierte Zusammenstellung der Begebenheiten, mit denen
der diözesane Eheprozess befasst sein konnte (Kapitel 3). Unter dem
Titel "Geschichten aus den römischen Suppliken" entfaltet Ludwig
Schmugge ein Panorama matrimonialer Eventualitäten, die er anhand
zahlreicher Fallbeispiele illustriert. Über unter Eheversprechen (per
verba de futura) vorgenommene Verführungen liest man ebenso wie über
außerehelichen Geschlechtsverkehr - beides galt, da die Ehe ohne
feierliche Einsegnung (solemnatio) nicht legitim war, als Sünde. Die
Auflösung kirchlich nicht sanktionierter, sogenannter Klandestinehen
(matrimonium clandestinum) oder zu Unrecht geschlossener Ehen
(matrimonium praesumptum), die aufgrund paternalistischer Tradition
"unter Zwang und Furcht" (vi et metu) geschlossen wurden, bildeten
ebenfalls einen wiederholten Verhandlungsgegenstand. Selbst wenn man
sich in einer legitimen Verbindung befand, konnte die Nichterfüllung der
ehelichen Pflichten oder mangelnde Übereinstimmung der Partner zur
Auflösung führen. So liest man in einem nicht zufällig an Shakespeare,
zutreffender jedoch an Keller gemahnenden Unterkapitel ("Romeo und Julia
in Deutschland", S. 166-169) von der "mutigen Anna" (S. 167), die sich
einer in minderjährigem Alter (unter zwölf Jahren) oktroyierten Ehe
widersetzte. Dem Mann übergeben, entfloh sie nach nur sechs Wochen, ohne
die Ehe vollzogen zu haben.

Die Bandbreite der juristischen Streitfälle bildet die Grundlage des
vierten Kapitels, das mit dem "Eheprozess" die geistliche
Gerichtsbarkeit im Reich eingehender betrachtet, wobei den Bistümern
Konstanz und Chur besondere Aufmerksamkeit zuteil wird. Auch die
weiteren Beispiele dürften insofern nicht nur für den
landesgeschichtlich ambitionierten Leser von Interesse sein, als die
Auswahl paradigmatisch unterschiedlichen topografischen Faktoren
Rechnung trägt. Während mit Passau eine vergleichsweise große Diözese
betrachtet wird, handelt es sich bei Regensburg und Augsburg um
mittelgroße, bei Eichstätt und Worms um kleine bzw. kleinste Bistümer.
Mit Köln erfährt hingegen nicht nur das Erzbistum, sondern zugleich die
Reichsstadt Würdigung.

Das als knappes Resümee konzipierte fünfte Kapitel leitet den Blick
zurück auf die übergreifende Ebene des Reiches und den Konnex zwischen
den hiesigen Ordinarien und der Pönitentiarie in Rom. Wesentliche
Ergebnisse werden summiert und mit einem Ausblick auf künftige
Forschung, etwa die Auswertung von Notariatsregistern und
-imbreviaturen, einer vorläufigen Wertung unterzogen. Ein knapp
gehaltenes Nachwort, Anmerkungsapparat und Bibliografie beschließen die
Studie.

Die inhaltliche Konzeption des Bandes ist zweifellos gelungen. Dass sich
die Makrostruktur der Argumentation im Einzelnen als zweckdienlich
erweist, zeigt sich etwa darin, dass sich der Text nicht einer
sequentiellen Lektüre versperrt, sondern verschiedene Zugriffe
ermöglicht. Zwar verhindert das Fehlen eines Namen-, Orts- oder
Sachregisters einen lexikalischen Zugang. Jedoch gleicht die
zugrundeliegende Edition der Suppliken im Rahmen des RPG dies mehr als
aus.[3]

Durchgängig beeindruckt auch, wie es Ludwig Schmugge angesichts der
Vielzahl und des Variantenreichtums der Einzelfälle gelingt, immer
wieder auf die jeweilige historische Gemengelage zu rekurrieren. Die für
das Spätmittelalter charakteristische Omnipräsenz von Fehden und
Häresie, demografische Veränderungen durch die regelmäßig
wiederkehrenden Pestepidemien, klimatische Instabilität und Missernten
werden ebenso berücksichtigt wie politische Großereignisse, seien es der
Hundertjährige Krieg oder die Bedrohung durch Hussitenkrieg und
Türkeneinfälle.

Obschon die eingangs herausgestellte differenzierte Darstellung
vornehmlich den zahlreichen (über hundert) Fallbeispielen zu verdanken
ist, die Ludwig Schmugge zumeist paraphrasierend oder unter Zitation
(Übersetzung) besonders aussagekräftiger Formulierungen supplementär in
den Text integriert, wäre stellenweise eine stärkere Ausdeutung (und
Ausdünnung) des Materials wünschenswert gewesen. Das Intendierte ließe
sich zumeist auch an zwei bis drei Beispielen zeigen, als dass
stellenweise fünf bis sechs - zweifellos allesamt lohnende Einzelfälle -
angeführt würden, was bisweilen an ein onomastisches Kompendium
gemahnt.

Zwar ist es Ludwig Schmugge zugutezuhalten, dass ein solches
Darstellungsverfahren sich der heuristischen Methode des Historikers
selbst annähert, der Leser mithin - ganz Quellenkritiker - die
Gelegenheit erhält, Wissenschaft in statu nascendi nachzuerleben. Die
wiederholt aufgeworfenen Fragen des Autors bezüglich möglicher Lesarten
der präsentierten Geschehnisse ("Wie ging es weiter?", S. 114) schüren
eine solche Rezeption. Narrative Strategien und eine Spannung wie
Unmittelbarkeit suggerierende Wortwahl (Temporaladverbien, verkürzte
Syntax) stehen in selbiger Funktion, sodass, wie bereits an anderer
Stelle bemerkt,[4] sich die Paraphrase der Suppliken wie eine Lektüre
novellistischer Renaissanceliteratur im Stile Bandellos, Grazzinis oder
Boccaccios ausnimmt. So faszinierend die schillernde Welt des
Cinquecento mit seiner hochartifiziellen Liebeskasuistik auch sein mag,
bedarf es am Ende doch der Rückführung in das Untersuchungsfeld des
Historikers. Dies ist immer dann gelungen, wenn der Verfasser als
solcher transparent bleibt und sich nicht hinter dem Kompilator (selten)
oder dem Erzähler (gelegentlich) verbirgt: Eine knapp gehaltene Synopsis
am Ende der Einzelkapitel, sei sie auch aufgrund der Quellenlage
präsumtiv, tut der Plastizität der Sache keinen Abbruch, leider fehlt
sie mitunter.

Diese angesichts Anlage, Umfang und Durchführung des Projekts
unbeträchtlichen Monita sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Ludwig
Schmugge die Ehe als bestimmende Lebensgemeinschaft neu positioniert und
damit einen entscheidenden Beitrag zur Sozial- und Mentalitäts-, aber
auch zur Kirchen- und Rechtsgeschichte des Spätmittelalters geleistet
hat. Mit den eruierten Aussagen gelingt es zum einen, in der Frage um
die Verbreitung des Kanonischen Rechts im "gemeinen Volk", an die
Forschung anzuknüpfen und bestehende Urteile zu verifizieren.[5] Auch im
Bereich der Rechtspraxis, meines Erachtens eine der wesentlichen
Leistungen des Bandes, erweisen sich die Resultate als anschlussfähig:
So war die Konsultierung geistlicher Gerichte durch die Laien bereits
Gegenstand der Arbeiten Christina Deutschs.[6] Hinsichtlich der
Kooperation geistlicher und weltlicher Gerichtsbarkeit wäre künftig
(zumindest im Falle Churs und Konstanz') eine Lektüre Ludwig Schmugges
vergleichend mit Thomas Albert lohnend.[7] Zum anderen gelingt eine die
Arbeiten Filippo Tamburinis[8] fortführende Ausdifferenzierung der
Ehepraxis, die Annahmen über die Klandestinehe als causa essendi
gravierender Sozialprobleme (Beatrice Gottlieb[9]) relativieren.

Schließlich ermöglicht Ludwig Schmugges Betrachtung der Suppliken in
einem breiteren, die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts umfassenden
zeitlichen Rahmen, eine Neubewertung seiner eigenen Forschungen. Die
Vernetzung mit Phänomenen wie der Sozialdisziplinierung oder der
Verbreitung einer Rechtskultur mag dabei nicht nur als Brückenschlag hin
zur Frühen Neuzeit, sondern auch zu einer erweiterten Leserschaft
fungieren, die nach beschlossener Lektüre wahrhaftig "so manches
erfahren hat".

Anmerkungen:
[1] Seit 1992 sind bislang sieben Bände erschienen, die den Zeitraum von
1431-1492 abdecken: Deutsches Historisches Institut in Rom, Repertorium
Poenitentiariae Germanicum (RPG): Verzeichnis der in den
Supplikenregistern der Pönitentiarie vorkommenden Personen, Kirchen und
Orte des Deutschen Reiches, <http://www.dhi-roma.it/rep_poen_germ.html>
(15.11.2009).
[2] Zur Geschichte der Pönitentiarie, die 1913 wiederentdeckt und seit
1986 als Archiv der Wissenschaft zugänglich ist vgl. die Ausführungen
Ludwig Schmugges an anderer Stelle: Ludwig Schmugge, Kirche, Kinder,
Karrieren. Päpstliche Dispense von der unehelichen Geburt im
Spätmittelalter, Zürich 1995.
[3] Vgl. Anm. 1. Für den vorliegenden Zeitraum sind die Bände II
(Nikolaus V., 1447-1455) bis VII. (Innozenz VIII., 1484-1492) von
Relevanz.
[4] Michael Borgolte, Meine Ehe ist ungültig. Ludwig Schmugge über eine
Alternative zur Scheidung, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5.9.2009,
S. 41.
[5] Frederik Pederson, The Legal Sophistication of Litigants in Marriage
Cases from Medieval York, in: Kenneth Pennington / Keith H. Kendall
(Hrsg.), Proceedings of the 10th International Congress of Medieval
Canon Law, Vatikanstadt 2001, S. 965-984.
[6] Christina Deutsch, Ehegerichtsbarkeit im Bistum Regensburg
(1480-1538), Köln 2005.
[7] Thomas D. Albert, Der gemeine Mann vor dem geistlichen Richter.
Kirchliche Rechtsprechung in den Diözesen Basel, Chur und Konstanz vor
der Reformation, Stuttgart 1998.
[8] Filippo Tamburini, Le dispense matrimoniali come fonte storica nei
documenti della Penitentieria Apostolica (sec. XIII-XVI), in: Le modèle
familial européen. Normes, deviances, contrôles du pouvoir, Actes des
séminaires, org. par l'Ecole Française de Rome et l'Università di Roma,
Rom 1986, S. 9-30.
[9] Beatrice Gottlieb, The Meaning of Clandestine Marriage, in: Robert
Wheaton / Tamara K. Hareven (Hrsg.), Family and Sexuality in French
History, Philadelphia 1980, S. 49-83.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Harald Müller <mueller(a)histinst.rwth-aachen.de>

URL zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2010-1-062>

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From:    Julia Ilgner <julia.ilgner(a)geschichte.uni-freiburg.de>
Date:    27.01.2010
Subject: Rez. MA: L. Schmugge: Ehen vor Gericht
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Schmugge, Ludwig: Ehen vor Gericht. Paare der Renaissance vor dem Papst.
Berlin: Berlin University Press 2008. ISBN 978-3-940432-23-0; geb.; 289
S.; EUR 44,90.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Julia Ilgner, Historisches Seminar, Universität Freiburg
E-Mail: <julia.ilgner(a)geschichte.uni-freiburg.de>

"In der Ehe muss man sich manchmal streiten, nur so erfährt man etwas
voneinander", wusste bereits Goethe zu verkünden, "um die Ehe"
allerdings auch, möchte man nach der Lektüre Ludwig Schmugges
hinzufügen. Während der Dichterfürst hier den Liebesbund jedoch wohl
eher mit Martin Luther als "ein eusserlich, weltlich Ding"
apostrophiert, nimmt der Schweizer Historiker die Ehe aus
kirchenrechtlicher Perspektive in den Blick.

Ludwig Schmugge, emeritierter Ordinarius für Geschichte des Mittelalters
an der Universität Zürich und langjährig mit der Herausgabe des
'Repertorium Poenitentiariae Germanicum' befasst,[1] unternimmt in der
vorliegenden Monografie eine Betrachtung des spätmittelalterlichen
Ehewesens ex negativo, in der Widerspiegelung der geistlichen
Gerichtsbarkeit, an die sich die Petenten immer dann wandten, wenn etwas
an ihrer Ehe nicht kanonischen Regeln entsprach. Als Grundlagen dienen
ihm dafür exakt 6387 Bittschriften (Suppliken), die in der vatikanischen
Pönitentiarie (Paenitentiaria Apostolicae), einer noch heute bestehenden
kirchlichen Behörde, zwischen 1455 und 1492/1500 eingereicht wurden.[2]

In insgesamt fünf Kapiteln leuchtet Ludwig Schmugge in einem akribischen
wie quellengetreuen Parlando alle erdenklichen Schattierungen des
mittelalterlichen Ehewesens aus. Kanonische Voraussetzungen der
Eheschließung gelangen ebenso zur Darstellung wie Ehehindernisse
(impedimenta), etwa die Blutsverwandtschaft (consanguinitas), die
Schwägerschaft (affinitas), die geistliche Verwandtschaft (cognatio
spiritualis) durch Tauf- oder Firmpatenschaft sowie die Bindung durch
das Gelübde (votum) oder Verstöße gegen das Eherecht, seien sie
vorsätzlich geschehen oder nicht. Auf den einleitenden Teil, der
propädeutisch zunächst den Untersuchungsgegenstand konturiert (Kapitel
1) und die kanonischen Bestimmungen des Eherechts darlegt (Kapitel 2),
folgt eine differenzierte Zusammenstellung der Begebenheiten, mit denen
der diözesane Eheprozess befasst sein konnte (Kapitel 3). Unter dem
Titel "Geschichten aus den römischen Suppliken" entfaltet Ludwig
Schmugge ein Panorama matrimonialer Eventualitäten, die er anhand
zahlreicher Fallbeispiele illustriert. Über unter Eheversprechen (per
verba de futura) vorgenommene Verführungen liest man ebenso wie über
außerehelichen Geschlechtsverkehr - beides galt, da die Ehe ohne
feierliche Einsegnung (solemnatio) nicht legitim war, als Sünde. Die
Auflösung kirchlich nicht sanktionierter, sogenannter Klandestinehen
(matrimonium clandestinum) oder zu Unrecht geschlossener Ehen
(matrimonium praesumptum), die aufgrund paternalistischer Tradition
"unter Zwang und Furcht" (vi et metu) geschlossen wurden, bildeten
ebenfalls einen wiederholten Verhandlungsgegenstand. Selbst wenn man
sich in einer legitimen Verbindung befand, konnte die Nichterfüllung der
ehelichen Pflichten oder mangelnde Übereinstimmung der Partner zur
Auflösung führen. So liest man in einem nicht zufällig an Shakespeare,
zutreffender jedoch an Keller gemahnenden Unterkapitel ("Romeo und Julia
in Deutschland", S. 166-169) von der "mutigen Anna" (S. 167), die sich
einer in minderjährigem Alter (unter zwölf Jahren) oktroyierten Ehe
widersetzte. Dem Mann übergeben, entfloh sie nach nur sechs Wochen, ohne
die Ehe vollzogen zu haben.

Die Bandbreite der juristischen Streitfälle bildet die Grundlage des
vierten Kapitels, das mit dem "Eheprozess" die geistliche
Gerichtsbarkeit im Reich eingehender betrachtet, wobei den Bistümern
Konstanz und Chur besondere Aufmerksamkeit zuteil wird. Auch die
weiteren Beispiele dürften insofern nicht nur für den
landesgeschichtlich ambitionierten Leser von Interesse sein, als die
Auswahl paradigmatisch unterschiedlichen topografischen Faktoren
Rechnung trägt. Während mit Passau eine vergleichsweise große Diözese
betrachtet wird, handelt es sich bei Regensburg und Augsburg um
mittelgroße, bei Eichstätt und Worms um kleine bzw. kleinste Bistümer.
Mit Köln erfährt hingegen nicht nur das Erzbistum, sondern zugleich die
Reichsstadt Würdigung.

Das als knappes Resümee konzipierte fünfte Kapitel leitet den Blick
zurück auf die übergreifende Ebene des Reiches und den Konnex zwischen
den hiesigen Ordinarien und der Pönitentiarie in Rom. Wesentliche
Ergebnisse werden summiert und mit einem Ausblick auf künftige
Forschung, etwa die Auswertung von Notariatsregistern und
-imbreviaturen, einer vorläufigen Wertung unterzogen. Ein knapp
gehaltenes Nachwort, Anmerkungsapparat und Bibliografie beschließen die
Studie.

Die inhaltliche Konzeption des Bandes ist zweifellos gelungen. Dass sich
die Makrostruktur der Argumentation im Einzelnen als zweckdienlich
erweist, zeigt sich etwa darin, dass sich der Text nicht einer
sequentiellen Lektüre versperrt, sondern verschiedene Zugriffe
ermöglicht. Zwar verhindert das Fehlen eines Namen-, Orts- oder
Sachregisters einen lexikalischen Zugang. Jedoch gleicht die
zugrundeliegende Edition der Suppliken im Rahmen des RPG dies mehr als
aus.[3]

Durchgängig beeindruckt auch, wie es Ludwig Schmugge angesichts der
Vielzahl und des Variantenreichtums der Einzelfälle gelingt, immer
wieder auf die jeweilige historische Gemengelage zu rekurrieren. Die für
das Spätmittelalter charakteristische Omnipräsenz von Fehden und
Häresie, demografische Veränderungen durch die regelmäßig
wiederkehrenden Pestepidemien, klimatische Instabilität und Missernten
werden ebenso berücksichtigt wie politische Großereignisse, seien es der
Hundertjährige Krieg oder die Bedrohung durch Hussitenkrieg und
Türkeneinfälle.

Obschon die eingangs herausgestellte differenzierte Darstellung
vornehmlich den zahlreichen (über hundert) Fallbeispielen zu verdanken
ist, die Ludwig Schmugge zumeist paraphrasierend oder unter Zitation
(Übersetzung) besonders aussagekräftiger Formulierungen supplementär in
den Text integriert, wäre stellenweise eine stärkere Ausdeutung (und
Ausdünnung) des Materials wünschenswert gewesen. Das Intendierte ließe
sich zumeist auch an zwei bis drei Beispielen zeigen, als dass
stellenweise fünf bis sechs - zweifellos allesamt lohnende Einzelfälle -
angeführt würden, was bisweilen an ein onomastisches Kompendium
gemahnt.

Zwar ist es Ludwig Schmugge zugutezuhalten, dass ein solches
Darstellungsverfahren sich der heuristischen Methode des Historikers
selbst annähert, der Leser mithin - ganz Quellenkritiker - die
Gelegenheit erhält, Wissenschaft in statu nascendi nachzuerleben. Die
wiederholt aufgeworfenen Fragen des Autors bezüglich möglicher Lesarten
der präsentierten Geschehnisse ("Wie ging es weiter?", S. 114) schüren
eine solche Rezeption. Narrative Strategien und eine Spannung wie
Unmittelbarkeit suggerierende Wortwahl (Temporaladverbien, verkürzte
Syntax) stehen in selbiger Funktion, sodass, wie bereits an anderer
Stelle bemerkt,[4] sich die Paraphrase der Suppliken wie eine Lektüre
novellistischer Renaissanceliteratur im Stile Bandellos, Grazzinis oder
Boccaccios ausnimmt. So faszinierend die schillernde Welt des
Cinquecento mit seiner hochartifiziellen Liebeskasuistik auch sein mag,
bedarf es am Ende doch der Rückführung in das Untersuchungsfeld des
Historikers. Dies ist immer dann gelungen, wenn der Verfasser als
solcher transparent bleibt und sich nicht hinter dem Kompilator (selten)
oder dem Erzähler (gelegentlich) verbirgt: Eine knapp gehaltene Synopsis
am Ende der Einzelkapitel, sei sie auch aufgrund der Quellenlage
präsumtiv, tut der Plastizität der Sache keinen Abbruch, leider fehlt
sie mitunter.

Diese angesichts Anlage, Umfang und Durchführung des Projekts
unbeträchtlichen Monita sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Ludwig
Schmugge die Ehe als bestimmende Lebensgemeinschaft neu positioniert und
damit einen entscheidenden Beitrag zur Sozial- und Mentalitäts-, aber
auch zur Kirchen- und Rechtsgeschichte des Spätmittelalters geleistet
hat. Mit den eruierten Aussagen gelingt es zum einen, in der Frage um
die Verbreitung des Kanonischen Rechts im "gemeinen Volk", an die
Forschung anzuknüpfen und bestehende Urteile zu verifizieren.[5] Auch im
Bereich der Rechtspraxis, meines Erachtens eine der wesentlichen
Leistungen des Bandes, erweisen sich die Resultate als anschlussfähig:
So war die Konsultierung geistlicher Gerichte durch die Laien bereits
Gegenstand der Arbeiten Christina Deutschs.[6] Hinsichtlich der
Kooperation geistlicher und weltlicher Gerichtsbarkeit wäre künftig
(zumindest im Falle Churs und Konstanz') eine Lektüre Ludwig Schmugges
vergleichend mit Thomas Albert lohnend.[7] Zum anderen gelingt eine die
Arbeiten Filippo Tamburinis[8] fortführende Ausdifferenzierung der
Ehepraxis, die Annahmen über die Klandestinehe als causa essendi
gravierender Sozialprobleme (Beatrice Gottlieb[9]) relativieren. 

Schließlich ermöglicht Ludwig Schmugges Betrachtung der Suppliken in
einem breiteren, die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts umfassenden
zeitlichen Rahmen, eine Neubewertung seiner eigenen Forschungen. Die
Vernetzung mit Phänomenen wie der Sozialdisziplinierung oder der
Verbreitung einer Rechtskultur mag dabei nicht nur als Brückenschlag hin
zur Frühen Neuzeit, sondern auch zu einer erweiterten Leserschaft
fungieren, die nach beschlossener Lektüre wahrhaftig "so manches
erfahren hat".

Anmerkungen:
[1] Seit 1992 sind bislang sieben Bände erschienen, die den Zeitraum von
1431-1492 abdecken: Deutsches Historisches Institut in Rom, Repertorium
Poenitentiariae Germanicum (RPG): Verzeichnis der in den
Supplikenregistern der Pönitentiarie vorkommenden Personen, Kirchen und
Orte des Deutschen Reiches, <http://www.dhi-roma.it/rep_poen_germ.html>
(15.11.2009).
[2] Zur Geschichte der Pönitentiarie, die 1913 wiederentdeckt und seit
1986 als Archiv der Wissenschaft zugänglich ist vgl. die Ausführungen
Ludwig Schmugges an anderer Stelle: Ludwig Schmugge, Kirche, Kinder,
Karrieren. Päpstliche Dispense von der unehelichen Geburt im
Spätmittelalter, Zürich 1995.
[3] Vgl. Anm. 1. Für den vorliegenden Zeitraum sind die Bände II
(Nikolaus V., 1447-1455) bis VII. (Innozenz VIII., 1484-1492) von
Relevanz.
[4] Michael Borgolte, Meine Ehe ist ungültig. Ludwig Schmugge über eine
Alternative zur Scheidung, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5.9.2009,
S. 41.
[5] Frederik Pederson, The Legal Sophistication of Litigants in Marriage
Cases from Medieval York, in: Kenneth Pennington / Keith H. Kendall
(Hrsg.), Proceedings of the 10th International Congress of Medieval
Canon Law, Vatikanstadt 2001, S. 965-984.
[6] Christina Deutsch, Ehegerichtsbarkeit im Bistum Regensburg
(1480-1538), Köln 2005.
[7] Thomas D. Albert, Der gemeine Mann vor dem geistlichen Richter.
Kirchliche Rechtsprechung in den Diözesen Basel, Chur und Konstanz vor
der Reformation, Stuttgart 1998.
[8] Filippo Tamburini, Le dispense matrimoniali come fonte storica nei
documenti della Penitentieria Apostolica (sec. XIII-XVI), in: Le modèle
familial européen. Normes, deviances, contrôles du pouvoir, Actes des
séminaires, org. par l'Ecole Française de Rome et l'Università di Roma,
Rom 1986, S. 9-30.
[9] Beatrice Gottlieb, The Meaning of Clandestine Marriage, in: Robert
Wheaton / Tamara K. Hareven (Hrsg.), Family and Sexuality in French
History, Philadelphia 1980, S. 49-83.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Harald Müller <mueller(a)histinst.rwth-aachen.de>

URL zur Zitation dieses Beitrages
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Sie bitte an die Redaktion von H-Soz-u-Kult:
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[Regionalforum-Saar] ohne Worte - da hab ich einfach keine mehr

Date: 2010/01/30 17:14:16
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>

heute in der Saarbrücker Zeitung, Blick in die Welt:
 
 

Anne Franks Tagebuch zu pornographisch für Schulen in den USA

Washington. Das Tagebuch der Anne Frank wird aus den öffentlichen Schulen im US-Bezirk Culpeper County verschwinden. Das melden örtliche Medien. Der Grund: Die Originalversion des Buches beinhalte Themen aus dem Sexualbereich. Darüber habe sich ein Elternteil beschwert. Den Schülern werde nun eine „entschärfte“ Version zur Verfügung gestellt. Es ist nicht das erste Mal, dass US-Schulen sich gegen das Tagebuch wenden, in dem unter anderem der Begriff „Vagina“ steht. kna

[Regionalforum-Saar] St. Wendeler Bürgerwehr

Date: 2010/01/30 17:19:54
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>

Salü,
 
den nachstehenden Aufruf fand ich jüngst im St. Wendeler Volksblatt von 1918. Weiß jemand, was des damit auf sich hat resp. kennt jemand die Hintergründe? Ich vermute, das war in St. Wendel nicht ein Einzelfall.
 
mfg
 
Roland Geiger
 
-------------------------------
 

Mitbürger!

 

Der Arbeiter=, Bauern= und Soldatenrat hat die Obrigkeit im

Kreise St. Wendel übernommen und an die Bevölkerung die dringende

Aufforderung ergehen lassen, unbedingt Ruhe und Ordnung zu halten.

Wir wollen dieser Aufforderung in unserem eigenen und im Interesse

unserer ganzen Stadt gern und willig nachkommen. Notwendig ist aber

auch, daß wir der Obrigkeit helfen, gegen jede Gefährdung der Sicher-

heit und des Eigentums auftreten zu können. Zu diesem Zwecke soll

eine Wehr ins Leben treten, welche mit Machtmitteln ausgestattet wird,

gegen jeden, der die Sicherheit, Ruhe und Ordnung stört oder sich an

fremdem Eigentum vergreift, rücksichtslos vorzugehen. Wir bitten daher

im Einverständnis mit dem Arbeiter=, Bauern= und Soldatenrat unsere

Mitbürger recht dringend, sich innerhalb 24 Stunden sich zahlreich zum

Beitritt in die   Bürgerwehr   auf dem Bürgermeistereiamt zu melden.

 

Von der Hilfs- und Opferbereitschaft unserer Bürgerschaft erwar-

ten wir zuversichtlich Unterstützung. Etwa geforderte Vergütung wird von

der Stadt getragen.

 

St. Wendel, den 15. Nov. 1918

 

Die Stadtverordneten=Versammlung

I.A.

Der Stadtbürgermeister.

 

Re: [Regionalforum-Saar] St. Wendeler Bürgerwehr

Date: 2010/01/30 18:56:29
From: anneliese.schumacher(a)t-online.de <anneliese.schumacher(a)t-online.de>


-----Original Message-----
Date: Sat, 30 Jan 2010 17:19:30 +0100
Subject: [Regionalforum-Saar] St. Wendeler Bürgerwehr
From: Rolgeiger(a)aol.com
To: regionalforum-saar(a)genealogy.net

Salü,
den nachstehenden Aufruf fand ich jüngst im St. Wendeler Volksblatt von 1918. Weiß jemand, was des damit auf sich hat resp. kennt jemand die Hintergründe? Ich vermute, das war in St. Wendel nicht ein Einzelfall.
mfg
Roland Geiger
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Mitbürger!

Der Arbeiter=, Bauern= und Soldatenrat hat die Obrigkeit im ....


Ein Einzelfall war das wirklich nicht. In und um die sogenannte Novemberrevolution und den damit verbundenen Aufständen z. B. in Kiel, Bremen, Hamburg, Lübeck bildeten sich in ganz Deutschland Arbeiter- und Soldatenräte. Deren Delegierte beschlossen auf dem Deutschen Rätekongress in Berlin (Dezember 1918) die Durchführung von Wahlen zur Nationalversammlung. Nach den Wahlen am 19. Januar 1919 tagte die Nationalversammlung in Weimar, weil in Berlin noch Belagerungszustand herrschte (bewaffneter Aufstand des "Spartakusbunds", gegen Ende des Aufstands Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht). Diese "Auslagerung führte zu dem Namen "Weimarer Republik".

[Regionalforum-Saar] von den Römern zu den Frank en

Date: 2010/01/31 18:46:27
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>

From:    Jochen Hermel <jochen.hermel(a)uni-bonn.de>
Date:    25.01.2010
Subject: CFP: Römer und Franken am Rhein - Bonn 09/10
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Institut für Geschichtswissenschaft, Abteilung für Rheinische Landesgeschichte, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Herbsttagung der Abteilung für Rheinische Landesgeschichte
20. – 21. September 2010

Seit langem beschäftigen sich Historiker und Archäologen mit der Frage, in welchen Formen sich im Rheinland der Übergang von der römischen Spätantike zum fränkischen Frühmittelalter vollzogen hat. Waren die Veränderungen in Politik und Gesellschaft, Wirtschaft, Religion und Kultur von Kontinuitäten geprägt oder waren sie von Kontinuitätsbrüchen bestimmt? Gemeingut der älteren Forschung ist in jüngster Zeit zunehmend in Frage gestellt worden. Selbst vermeintlich eindeutige ethnische Zuschreibungen wie Römer oder Franken scheinen ihre klaren Konturen zu verlieren. Die stetigen Fortschritte der Archäologie und die Entwicklung neuer Fragestellungen in den Geistes- und Kulturwissenschaften regen dazu an, die Kontinuitätsdebatte unter Einbeziehung von Ansätzen der Erforschung etwa von Migration, Integration und Identität, Kulturtransfer und Akkulturation wieder aufzugreifen.

Die Tagung soll eine Bestandsaufnahme des Forschungstandes aus der Perspektive verschiedener Disziplinen - Geschichte, Archäologie und Kunstgeschichte, Sprachforschung - präsentieren und Perspektiven für die weitere Forschung aufzeigen.


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Prof. Dr. Manfred Groten
Institut für Geschichtswissenschaft
Abteilung für Rheinische Landesgeschichte
Am Hofgarten 22, 53113 Bonn