Suche | Sortierung nach | Monatsdigest | ||
2009/05/12 11:45:53 Rolgeiger(a)aol.com [Regionalforum-Saar] Fachtagung "Pfälzer in Am erika" am 12. und 13. Juni 2009 |
Datum | 2009/05/14 19:53:10 Rolgeiger(a)aol.com [Regionalforum-Saar] drei Vorträge am nächsten Dienstag und Mittwoch |
||
2009/05/19 09:30:43 Rolgeiger(a)aol.com [Regionalforum-Saar] De mortuis nil nisi bene |
Betreff | 2009/05/14 19:53:10 Rolgeiger(a)aol.com [Regionalforum-Saar] drei Vorträge am nächsten Dienstag und Mittwoch |
||
2009/05/12 11:45:53 Rolgeiger(a)aol.com [Regionalforum-Saar] Fachtagung "Pfälzer in Am erika" am 12. und 13. Juni 2009 |
Autor | 2009/05/14 19:53:10 Rolgeiger(a)aol.com [Regionalforum-Saar] drei Vorträge am nächsten Dienstag und Mittwoch |
Date: 2009/05/12 12:06:23
From: Rolgeiger(a)... <Rolgeiger(a)...
Die doppelte Heilige und andere Kuriositäten Seit etwa vier Jahren führt die Saarland-Gästeführerin Frau W. durch den ehemaligen französischen Standortübungsplatz und begeistert ihre Besucher, die normalerweise fünf Euro pro Tour dafür bezahlen. Umsonst ? wie wir in unserer Umgangssprache sagen und damit "kostenlos" ausdrücken wollen ? gab es letzten Samstagnachmittag eine solche Tour, die der Verein für Landeskunde e.V. angeboten hatte. Es war eine Gemeinschaftsveranstaltung mit einer Gruppe eines benachbarten rheinland-pfälzischen Vereins, wie sie jedes Jahr im Mai stattfindet. Die Veranstaltung war mit etwa 30 Leuten gut besucht. Man traf sich um 14 Uhr an der Wallesweilermühle, einem Restaurant am Rande des Standortübungsplatzes gelegen, von wo aus sich solche Touren sehr gut durchführen lassen. Auch den Abschluß gab es wieder hier. Was dazwischen lag, war eine Mischung auf Historie und Fantasy. Bitte verwechseln Sie jetzt nicht den anglo-amerikansichen Begriff "Fantasy" (sprich: Fäntässie) mit dem deutschen Wort "Phantasie"; Fantasy ist eine Unterart der Science Fiction und vermischt Phantasie mit historischen oder pseudehistorischen Elementen (unter anderem). Ähnliches war in dem breiten Mischmasch enthalten, was Frau W. ihren Gästen bot. Auf relativ sicherem Terrain lag sie, was die unmittelbare Vergangenheit enthielt, sagen wir: die letzten 10 Jahre. Aber davor wurde es schon unbestimmter oder unrichtiger, um nicht zu sagen "unwahrscheinlicher". Ich will nur drei Punkte hervorheben, da ich mich mit diesen durch eigene intensive Recherchen etwas besser auskenne. Nach etwa 20 Minuten auf dem Weg um den heutigen Golfplatz erreichten wir den Standort der heutigen St. Annenkapelle. Frau W. hatte mich schon zuvor gefragt, ob ich diesen Teil dort übernehmen wollte, aber ich hatte abgelehnt. Ich war Besucher, sie die Führerin. Es fing damit an, daß sie plötzlich stehen blieb, zu mir rüberschaute und mich fragte: "Hier oder noch eine Lampe weiter?" Gemeint waren die Straßenlampen, die in regelmäßigen Abständen die Straße säumen. Ich hätte boshaft sein können und sagen "eine weiter", aber ich wußte, daß wir nicht an der richtigen Stelle waren und sagte "eine weiter", worauf sie mit der Gruppe weiterzog und unterhalb der richtigen Stelle ankam. Das mag sich kleinkariert anhören, aber die exakte Position der ehemaligen Kapelle ist bestens bekannt und läßt sich anhand der veröffentlichten Karten exakt nachvollziehen. Was macht sie denn, wenn niemand dabei ist, der die genaue Position kennt und was hat sie in der vergangenen vier Jahren gemacht? Sie zeigte eine Kopie einer amerikanischen Luftaufnahme vom 21. März 1945, die sie auf das Jahr 1939 datierte (als wenn die Amerikaner damals Ambitionen gehabt hätten, Deutschland aus der Luft zu fotografieren) und auf der die Ruinen der Kapelle zu sehen sind (und zwar deshalb, weil sie anfangs der 1930er ausgegraben worden war). Der Bau und die Einweihung der Kapelle sei nicht datierbar. Nun ja, wir haben die Urkunde vom 28. Januar 1508, in der geschrieben steht, daß die Kapelle vor kurzem erbaut, aber noch nicht eingeweiht ist, und wir haben eine Abschrift einer lateinischen Urkunde über die Verwendung des Opferstocksinhalts vom gleichen Tag, worin das Datum auch genannt wird (hier eine deutsche Übersetzung von Dr. Walter Burnikel): "? die durch die Andacht frommer Seelen der heute geweihten St. Annen-Kapelle ?" (veröffentlicht in "St. Annenbronn ? die Geschichte der ehemaligen St. Annenkapelle im Bereich des heutigen Golf-Kurzplatzes (Tee 2)", St. Wendel, 2005). Während ihrer Erläuterungen fiel mir immer wieder auf, daß ihr die Bedeutung der Abkürzung "St.", also "Sankt", vor dem Namen "Anna" nicht klar war, denn sie sprach stets von der "heiligen St. Anna". Dann kam's ganz dick, als sie über die Verwendung des Opferstocks sprach. Danach ging ein Teil des Geldes an den "Kardinal Kues". Gemeint war wohl Nikolaus Krebs von Bernkastel-Kues, gemeinhin bekannt als "Nikolaus von Cues" oder "Cusanus", der später Kardinal wurde. Er ist der Hauptstifter des St.-Nikolaus-Hospitals in Bernkastel-Kues, das als sein Rechtsnachfolger bis zur französischen Revolution ein Drittel der Einkünfte der St. Wendeler Pfarrei, also auch der St. Annenkapelle, erhielt. Was ich besonders interessant fand, war die Aussage, daß dieses Geld direkt an den "Kardinal Kues" ging. Dabei ist Nikolaus von Cues bereits 1464 gestorben, während die Kapelle erst 1508 gebaut wurde. Bitte entschuldigen Sie, daß ich mich mit solchen Nebensächlichkeiten aufhalte. Eine gute halbe Stunde später hatten wir den Harschbergerhof erreicht, wo genau das eintrat, was ich die ganze Zeit befürchtet hatte. Bevor Frau W. vor über vier Jahren zum ersten Mal ihren Rundgang durchführte, hatte sie mich diverse Male kontaktiert, um sich von mir die historischen Hintergründe verschiedener Objekte auf diesem Parcours erklären zu lassen. Das umfaßte die St. Annenkapelle mit ihren Details. Hier waren wir 2004 alleine zweimal vor Ort gewesen, bis es mir zu bunt wurde und ich sie darauf hinweisen mußte, daß ich diese Recherchen und Forschungen eigentlich gegen Entlohnung mache und nicht als Privatvergnügen (außer manchmal) und schon gar nicht kostenlos, damit sie damit Geld verdienen kann. Das betraf aber auch den Harschbergerhof. Schon damals war sie mit der Familie von Harsbaum aufgewartet, die angeblich vor über 500 Jahren den Harschbergerhof begründet hatten. Es gab im 15. Jahrhundert tatsächlich eine Familie von Harschbaum (in dieser und anderen überlieferten Schreibweisen), die ihren Sitz auf der Burg "Liebenburg" bei Hofeld hatten. Aber vom Harschbergerhof steht dort nichts drin. Okay, es gibt die Flurnamen "Harschberg" und "vor dem Harschberg", und in einem alten Lageplan von 1707 wird auch "der Hals des Harschbergs" genannt. Aber es gibt keinen Hinweis auf ein Gebäude irgendeiner Art, das hier auf dem Harschberg stand. Jedenfalls nicht bis Ende des 18. Jahrhunderts. In einer alten Karte von 179, gezeichnet unter dem französischen General Jean Hardy, die nicht unbedingt der Genauesten eine ist, findet man an der Position, an der sich der Harschbergerhof vermuten ließe, ein Häuschen eingetragen, das die Bezeichnung "Cence" trägt (was, wie ich grad erfahren habe, "Hof" bedeutet und heute "Cense" geschrieben wird). Die besten Informationen über den Harschbergerhof finden wir in einer Aufstellung und Beschreibung der Höfe "im Bannbezirke der Oberbürgermeisterei St: Wendel" aus dem Jahre 1834. Darin heißt es u.a., daß der Hof aus " Wohnhaus, Scheune, Stall und Schuppen" besteht und vor der französischen Revolution dem Herrn von Hame gehört habe. Auch das muß zumindest angezweifelt werden, da im Güterbuch des Franz von Hame, in dem das von Hame'sche Grundvermögen seine größte Ausdehnung hatte, aus dem Jahre 1738 kein Gelände am Harschberg vorhanden war ? das Lagerbuch ist sehr ausführlich mit Inselkarten und Geländebeschreibungen. Andererseits verkaufen um 1806 Johann Jakob Josef D'Hame und seine Ehefrau verkaufen ihre gesamten Ackerstücker u.a. auf dem Harschberg an Johann Nikolaus Junck und dessen Ehefrau. So steht es in den Notariatsakten. Hoppla, damit fällt auch meine Theorie, daß die Gebrüder Cetto den Hof erbauten. 1807 nimmt besagter Herr Junck in St. Wendel Geld auf, er wird als Ackerer auf dem Harschbergerhof bezeichnet. 1813 ist er "Hofmann auf dem Harschbergerhof". Als Frau W. die Harsbaum in Zusammenhang mit dem Hof brachte und dann schließlich noch ein überliefertes Haus hier oben nannte, schlug ich alle guten Vorsätze in den Wind, mich hier nicht aufzuregen und sie ihr Ding machen zu lassen, und fiel ihr energisch ins Wort. Das war sicher nicht höflich, aber irgendwann muß es auch mal gut sein. Was nützt es den Zuhörern und dem Referenten, wenn er falsch liegt und niemand ihn aus Höflichkeit und Rücksichtnahme korrigiert? Dann wird der Fehler, den er munter immer weiter erzählt, weitergetragen und irgendwann tradiert und noch ein bißchen später historische Wahrheit. Aber falsch ist er trotzdem. Eine Dame aus dem Besucherkreis machte mir deshalb später Vorhaltungen: so etwas macht man nicht. Aber wenn sie doch augenscheinlich Unsinn verzapft und dies trotzdem sie es besser weiß und zwar schon seit Jahren? Daraufhin wußte sie auch keine Antwort. Letzte Station an diesem langen Nachmittag war wieder der Wallesweilerhof, und Frau W. lief wieder zur Hochform auf. Sie verlegte die Wüstung Wüstwallesweiler vier Kilometer in östliche Richtung ? ich hab das grad mal auf der Karte nachgeschaut. Wüstwallesweiler wäre damit identisch mit dem heutigen Ortskern von Urweiler ? interessante Hypothese. Vielleicht hat sie 400 Meter gemeint und sich nur vertan. Dann holte sie eine Kopie der Karte von 1707 hervor (ein Plan aus dem Landeshauptarchiv Koblenz, auf dem die damaligen Grenzstreitigkeiten zwischen St. Wendel und Bliesen resp. Kurtrier und Lothringen vermerkt sind) und zeigte uns, daß das dort eingetragene feste Haus Wallesweiler mit umgebendem Wassergraben das Haus unmittelbar gegenüber der Hofkapelle ist. Dafür gibt es natürlich keinen Beleg, außer vielleicht, daß der heutige Eigentümer des Hauses ihr das so gesagt hat. Mir erscheint viel plausibler, daß der kleine Bach, der etwa 50 Meter unterhalb der Kapelle diesen Wassergraben gespeist hatte und deshalb das befestigte Haus ein ganzes Stück weiter unterhalb zu suchen wäre. Aber ich mag damit so falsch liegen wie Frau W. Sie führte uns in die Kapelle, die nach ihren Aussagen schon auf den Katasterkarten von 1834 vorhanden ist. Sie meinte damit vermutlich den Urhandriß von 1843. Dort gibt es an dieser Stelle 1843 tatsächlich noch gar nichts. Erst sechs Jahre später werden drei Ställe gebaut. Aus zweien dieser Ställe wird 1877 das Wohnhaus rechts neben der Kapelle. Die Kapelle selbst bleibt Stall. Das kann man alles herausfinden, man muß sich nur die Mühe machen und die entsprechenden Dokumente suchen und nachschauen. Das ist nicht einfach; aber so einfach, wie es sich Frau W. macht, also nur Veröffentlichtes ablesen und in etwa wiedergeben und mit den Leuten vor Ort reden, die von ihrer eigenen Geschichte resp. der ihrer Familie und ihrer Liegenschaften auch nur das wissen, was sie selbst erlebt haben und was ihnen ihre Altvorderen so oder so ähnlich erzählt haben, das reicht nicht. Dafür sind die Themen viel zu komplex. Die wahre Wahrheit wird man sowieso nicht finden; ich bin sicher, daß einiges, was ich auf der Stadtführung in St. Wendel zum Besten gebe, so nicht stimmt. Aber solange ich nichts anderes dazu finden kann resp. meine Geschichten niemand in Zweifel stellt, solange weiß ich, daß ich mein Möglichstes getan habe, um die "Wahrheit" zu finden. Die kann ich dann getrost so weitergeben. Aber wenn sie bezweifelt werden, dann muß ich nachschauen, wie es sich damit verhält. Das bin ich mir und meinen Zuhörern und Lesern schuldig. Ob sie etwas für die Führung bezahlen oder nicht. Immer. Das dicke Ende kam, als wir wieder in der Wallesweilermühle waren und die Schlußsequenzen gesprochen wurde. Da meinte ein Teilnehmer zur Referentin, der St. Wendeler Truppenübungsplatz ? wie sie ihn bezeichnete ? sei gar kein solcher, sondern nur ein Standortübungsplatz. Ein kleiner, aber feiner Unterschied. Darauf die Antwort: "Wir sagen hier aber so, also behalte ich das bei!" So sagen wir, und das sagt eigentlich schon alles. Roland Geiger, St. Wendel -------------- nächster Teil -------------- Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt... URL: <http://list.genealogy.net/pipermail/regionalforum-saar/attachments/20090512/2faef718/attachment-0001.htm>