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2024/03/24 20:06:54 Roland Geiger via Regionalforum-Saar Re: [Regionalforum-Saar] Was das Grabtuch von Turin mit Alt -Saarbrücken am Hut hat |
Datum | 2024/03/27 10:32:55 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Gestern abend in Saarbrücken- Scheidt: Das Grabtuch von Turin |
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2024/03/20 11:44:29 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Fwd: Online-Lesung: Die Brandstifter (27.3.); Atlantisches Forum: Krieg zwischen Israel und der Hamas (22.4.); Online-Vortrag: Die politische Macht der Comedy im US-Wahlkampf (23.4.) |
Betreff | 2024/03/31 19:24:42 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] SB71 Alt Saarbrücken 1799-187 1 erschienen |
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2024/03/24 20:06:54 Roland Geiger via Regionalforum-Saar Re: [Regionalforum-Saar] Was das Grabtuch von Turin mit Alt -Saarbrücken am Hut hat |
Autor | 2024/03/27 10:32:55 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Gestern abend in Saarbrücken- Scheidt: Das Grabtuch von Turin |
Date: 2024/03/25 23:02:45
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Autor Marcel Glaser,
Reihe Stadt – Zeit – Geschichte
Erschienen Göttingen 2022: Wallstein
Verlag
Anzahl Seiten 474 S.
Preis € 29,90
ISBN 978-3-8353-5238-4
Rezensiert für H-Soz-Kult von Nils Exner, Berlin
„Er läuft und läuft und läuft“, hieß es 1968 in einem Werbeslogan
für den
VW-Typ 1, um seine technologische Verlässlichkeit auszudrücken und
die klare
Richtung ‚nach vorne‘ anzuzeigen. Wie kein anderes (Export-)Gut
dürfte der als
„Käfer“ bekannte Wagen seit den 1950er-Jahren als Symbol für den
wirtschaftlichen Wiederaufstieg Deutschlands stehen.1 Das in der Werbung klar
angezeigte
Vorwärtsschreiten ging unterdessen mit einem breiten
gesellschaftlichen
Bedürfnis des Vergessens und Verdrängens der
nationalsozialistischen
Vergangenheit einher. Dabei verweist der „Käfer“ selbst darauf,
wie die Anfänge
der bundesdeutschen Nachkriegswirtschaft im „Dritten Reich“ lagen.
Schon ab
1938 als KdF-Wagen produziert, ging er schließlich im Sommer 1945
in
Serienproduktion, da die Produktionsstätten während des Krieges
für
Rüstungsgüter genutzt worden waren. Inzwischen war die „Stadt des
KdF-Wagens
bei Fallersleben“ auf Druck der Besatzungsmacht bereits in den
heutigen Namen
Wolfsburg umbenannt worden.
Wenige Jahre zuvor, Ende 1937, hatte Peter Koller (1907–1996) den
Auftrag für
die Planung und den Bau dieser neu zu gründenden und als
nationalsozialistisches Musterbeispiel vorgesehenen Stadt
erhalten. Von Albert
Speer wurde er zum Chef des Stadtbaubüros der Deutschen
Arbeitsfront (DAF)
ernannt und legte 1938 seinen städtebaulichen Entwurf vor. 1942
kamen die
Bauarbeiten kriegsbedingt zum Stillstand und Koller meldete sich
freiwillig zur
Wehrmacht. Im Dezember 1943 geriet er in sowjetische
Kriegsgefangenschaft und
kehrte Ende 1945 nach Deutschland zurück, wo er zunächst im
Architekturbüro
seines früheren Stellvertreters im Stadtbaubüro, Titus Taeschner,
arbeitete, um
sich anschließend ebenfalls selbstständig zu machen. Nach
zahlreichen Projekten
in Wolfsburg und im Umland wurde Koller 1955 zum Stadtbaurat
ernannt. Unentwegt
betonte er, seine Stadtplanungen seien grundsätzlich unpolitisch,
wobei er die
Nachkriegsentwürfe zweier katholischer Kirchen in Wolfsburg als
Nachweis
verstanden wissen wollte, von seinen nationalsozialistischen
Überzeugungen
geläutert zu sein. Mit Blick auf Kollers noch in den 1960er-Jahren
fortentwickelte stadtplanerische Konzepte konstatiert Marcel
Glaser in der hier
rezensierten Monographie wiederum, dass es sich „im Grunde [um]
ein
Wiederaufgreifen der alten Praxis als NS-Stadtplaner“ handelte.
Wie viele
seiner Planergeneration hatte er den „entscheidenden
Innovationsschub“ in den
1930er-/1940er-Jahren erhalten und war im Zuge der völkischen
Neuordnungsvorhaben in Kontakt mit Sozial- und
Wirtschaftswissenschaftlern
gekommen. So prägten „Konzepte und Methoden von Ludwig Neundörfer,
Gerhard
Isenberg oder Emil Uebler [...] Kollers Arbeitsweise bis in die
späten 1960er
Jahre“ (S. 419).
Vor allem seit Anfang der 2000er-Jahre werden Fragen nach
personell-institutionellen Kontinuitäten über die politische Zäsur
des Jahres
1945 hinweg in der historischen Forschung breiter untersucht. Auch
die
Bauforschung hat sich inzwischen verstärkt dem Thema Kontinuität
zugewandt.
Nachdem hinsichtlich der untersuchten Akteure die Publikationen in
den ersten
Nachkriegsjahrzehnten weitestgehend durch das Verdrängen der
NS-Verstrickungen
gekennzeichnet waren, verfolgten die Architektenbiografien der
1980er-/1990er-Jahre
oftmals eine scharfe Trennung von Architektur und
Stadtplanungskonzepten auf
der einen sowie der nationalsozialistischen „Gesinnung“ auf der
anderen. Der
Umstand, dass die „Geschichte der Architektur [...] vor allem von
Architekten
geschrieben“ wurde2, trug wiederum nur selten
dazu bei, die
Ästhetik überschreitende Fragen, etwa nach dem Verhältnis von
Wissenschaft und
Politik, zu beantworten. Stattdessen hatte schon 1986 Werner Durth
in seiner
richtungsweisenden Schrift Deutsche Architekten. Biographische
Verflechtungen
1900–1970 auf die Selbststilisierung der Architekt:innen
hingewiesen.3 Nicht zuletzt beteiligten
sich an dieser
Mythenbildung Wissenschaftler:innen und Publizist:innen, indem sie
Selbstdarstellungen reproduzierten, anstatt diese quellenkritisch
zu
hinterfragen. Auch im Falle Peter Kollers entstanden somit seit
den späten
1970er-Jahren auf Grundlage seiner eigenen Aussagen mehrere,
zumeist
unkritische Arbeiten. Erfolgreich hatte Koller durch zahlreiche
Interviews und
autobiografische Schriften die Deutung manifestiert, dass sowohl
sein
städtebauliches Programm als auch seine politischen Überzeugungen
nichts mit
dem Nationalsozialismus zu tun hätten. Noch 2007 zeichnete die
Stadt Wolfsburg
Student:innen mit einem „Koller-Preis“ aus.
Die „Aura des umfassend Auskunft gebenden Zeitzeugen“ (S. 15)
teilte Peter
Koller dabei mit seinem Förderer Albert Speer, mit dem er schon
seit 1929
verbunden war und als dessen städtebaulichen Konterpart er sich
retrospektiv
inszenieren sollte. Was die Dekonstruktion von Legenden durch
akribische
Quellenarbeit betrifft, hob schließlich Magnus Brechtken die
Architektenbiografie mit seiner 2017 erschienenen
Speer-Untersuchung auf ein
neues Level. Tatsächlich weisen Marcel Glasers Koller- und
Brechtkens breit
rezipierte Speer-Biografie Parallelen im Zugriff auf die beiden
Akteure auf.
Dies gilt vor allem im Hinblick darauf, wie die Dekonstruktion der
apologetischen Narrative mit der (überwiegend) chronologischen
Darstellung der
Lebenswege miteinander verwoben werden und gerade in der
Nüchternheit der
Engführung mit den Quellen überaus anschaulich geschrieben sind.
Obwohl er
reichlich Grund dazu hätte, teilt Glaser jedoch nicht so hart aus
wie Brechtken
in seinem Prolog im Hinblick auf das „Nicht-selbst-Nachforschen“4 in älteren Arbeiten. Was
Kim Christian
Priemel vor dem Hintergrund etlicher Speer-Biografien als Klang
„der
Enttäuschung der späten Geburt“ bezeichnete5, kann man Marcel Glaser
indes nicht
nachsagen. Zwar wurde zu Peter Koller in den letzten Jahrzehnten
Einiges
publiziert, aber Glasers Biografie ist die erste des Wolfsburger
Stadtplaners.
Dass sich Marcel Glaser dieser Aufgabe in seinem
Dissertationsprojekt
angenommen hat, ist angesichts seiner in zahlreichen Fachartikeln
zu Wolfsburg
und Peter Koller bereits unterstrichenen Expertise nur konsequent.
Zwar wird in der neueren Forschungsdebatte die Analyse von
Narrativen
inzwischen als ein zentrales Anliegen identifiziert, ist bisher
aber weit davon
entfernt, als ausreichend eingelöst zu gelten. Dabei prägen sie
bis heute
nachhaltig das Bild vom Planen und Bauen im Nationalsozialismus,
sind dringend
aber auch in ihrer Bedeutung für das Geschichtsbild der
Bundesrepublik zu
untersuchen. In unzähligen Leserbriefen kritisierte Peter Koller
Journalist:innen, wenn ihm ihre Urteile über seine Wolfsburger
Planungen
missfielen. Gleichzeitig stellte er bereitwillig seine vielen
autobiografischen
Manuskripte zur Verfügung, die auch einen großen Teil des
überlieferten
Nachlasses ausmachen, der den zentralen Quellenbestand für Glasers
Untersuchung
bildet. Dabei ist sich Glaser des performativen Charakters dieser
Quellen
durchaus bewusst, halten sie doch nicht nur Informationen bereit,
sondern
inszenieren auch Realität.6 In Glasers Untersuchung
werden
Leerstellen in der Überlieferung des Nachlasses klar benannt (etwa
das fast
vollständige Fehlen privater Dokumente) und die
Überlieferungsgeschichte
kritisch rekonstruiert. Wo möglich, werden Kollers
Selbststilisierungen durch
Heranziehung paralleler Überlieferungen anderer Archive und
Nachlässe
aufgebrochen. Die Fülle und Bandbreite der konsultierten Quellen
sind
beeindruckend. Gleichwohl erkennt auch Glaser grundsätzlich an,
dass sich der
„biografisch Arbeitende der performativen Wirkung der Quellen nur
bedingt
entziehen kann“ (S. 18f.).
Insgesamt identifiziert Glaser zwei Phasen im autobiografischen
Werk Kollers.
Eine erste nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, in der das
autobiografische
Schreiben der Überwindung der eigenen Krisenerfahrung und der
Integration in
die neuen demokratischen Institutionen diente. Zusammen mit dem
Wiedereintritt
in die katholische Kirche schuf Koller die Konversionsgeschichte
einer
Verführung durch den „Führer“, während er für seine
Zeitgenoss:innen zugleich
als Entlastungsfigur fungierte: Stadt- und Werksgründung
erschienen dabei als
rein technische und daher legitime Projekte, die lediglich durch
die
Nationalsozialisten missbraucht worden seien. Pointiert arbeitet
Marcel Glaser
dabei heraus, dass der Zusammenbruch des NS-Staats sowohl in
persönlicher als
auch in weltanschaulicher Hinsicht eine Zäsur bedeutete, die
Kollers Akt des
autobiografischen Schreibens überhaupt erst motivierte. Während
er, „[g]eprägt
von den traumatisierenden Erlebnissen der Niederlage und der
Kriegsgefangenschaft
[...] nach ideologischer Orientierung“ in den
Erinnerungsgemeinschaften seiner
einstigen, völkischen Jugendbewegung suchte (S. 297), drohte
Koller die
Deutungshoheit über die von ihm geplante Stadt zu entgleiten.
„Denn die
Vergangenheit Wolfsburgs als ‚NS-Musterstadt‘ stellte eine
besondere
Problematik dar, belastete diese Zuschreibung doch die mit der
Planung und
Entstehung der Siedlung befassten Akteure gleichsam als
Nationalsozialisten“
(S. 287). Indem Marcel Glaser das Agieren und die Emotionen
Kollers in
Beziehung zu den sich wandelnden gesellschaftlich-politischen
Verhältnissen
setzt, leistet er mit der Überkreuzung von Individual- und
Planungsgeschichte
auch methodisch einen anregenden Beitrag zur modernen Biografik.
Eine zweite Phase im Akt des autobiografischen Schreibens
identifiziert Glaser
für die 1970er- und 1980er-Jahre, in der Koller angesichts der
Fragen der
jüngeren Generation mit einem starken Hang zu Selbstzufriedenheit
und
Überheblichkeit versuchte, ein Denkmal seiner selbst in der
Geschichte zu
bauen. Wie für autobiografische Texte charakteristisch, war Koller
darum
bemüht, dem eigenen Leben Kohärenz zu vermitteln: Er sei sich sein
ganzes Leben
treu geblieben, wobei er hierzu ex post zum Widerständler gegen
den Nationalsozialismus
avancierte. Glaser zeichnet hier zwar durchaus nachvollziehbar das
Bild einer
narzisstischen Persönlichkeit Kollers, die Ausführungen weisen
aber nicht die
gleiche analytische Tiefe auf, wie es für die Nachkriegszeit gilt.
Obwohl in den letzten beiden Jahrzehnten nicht nur die Bandbreite
der als
biografiewürdig angesehenen Personen deutlich erweitert wurde,
sondern auch die
Forschungsperspektiven durch sozial-, kultur-, sowie gender- und
emotionsgeschichtlichen Fragestellungen ergänzt wurden, stehen im
Gros der
jüngeren Biografien von Architekt:innen weiterhin vor allem
kunstgeschichtliche
Fragestellungen im Zentrum. Vor diesem Hintergrund kann Marcel
Glasers
Untersuchung als im besten Sinne atypische Biografie bezeichnet
werden. Die für
die Architekturgeschichte ungewöhnlich umfangreiche Auswertung
schriftlicher
Quellen ermöglicht Glaser Rückschlüsse auf die Denkmuster oder
auch Wünsche
seines Protagonisten und – über die Individualbiografie
hinausgehend – dessen
Experten- beziehungsweise Planermilieus. Glaser zeigt damit zum
einen, wie die
persönlichen Mentalitäten und Haltungen die Vorstellungen über die
als
notwendig erachtete Ordnung und Gliederung von Stadt und Raum
prägten, zum
anderen in disziplinärer Perspektive, wie die oftmals noch viel zu
eng gefasste
Architektur- beziehungsweise Planungsgeschichte vom „fachfremden“
Blick
profitieren kann (Glaser studierte Geschichte und Germanistik).
Auch im
Hinblick auf die Forschung zum Nationalsozialismus leistet die
Untersuchung
einen genuinen Forschungsbeitrag: Indem Glaser die individuellen
Handlungs- und
Gestaltungsspielräume Peter Kollers zu den strukturellen
Bedingungen des
Nationalsozialismus in Beziehung setzt, werden ebenfalls Aussagen
über die
Funktionsweise des NS-Staates im Allgemeinen ermöglicht. Dabei ist
eine Stärke
der Biografie, dass trotz des besonderen Augenmerks auf Kollers
Aktivitäten im
„Dritten Reich“ sein Wirken nach 1945 nicht einfach als
Nachgeschichte des
Nationalsozialismus erscheint, sondern diese genauso als
Vorgeschichte seines
Wirkens in der postnazistischen, demokratischen Gesellschaft.
Anmerkungen:
1 Bernhard Rieger, The People's
Car. A Global
History of the Volkswagen Beetle, Cambridge, Mass. 2013.
2 Andri Gerber / Stefan Kurath,
Einführung,
in: dies. (Hrsg.), Stadt gibt es nicht! Unbestimmtheit als
Programm in
Architektur und Städtebau, Berlin 2015, S. 7–29, hier S. 18.
3 Werner Durth, Deutsche
Architekten.
Biographische Verflechtungen 1900–1970, Wiesbaden 1986.
4 Magnus Brechtken, Albert
Speer. Eine
deutsche Karriere, München 2017, hier S. 14.
5 Kim Christian Priemel,
Rezension zu:
Brechtken, Magnus: Albert Speer. Eine deutsche Karriere. München
2017, in:
H-Soz-Kult, 08.12.2017, https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-24537
(23.03.2024).
6 Thomas Etzemüller,
Biographien. Lesen,
erforschen, erzählen, Frankfurt am Main 2012, S. 80.
Zitation
Nils Exner, Rezension zu: Glaser, Marcel: Peter Koller
(1907–1996). Stadtplaner
in Diktatur und Demokratie. Eine Biografie. Göttingen 2022 , ISBN
978-3-8353-5238-4,
In: H-Soz-Kult, 26.03.2024, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-128096>.