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2024/02/28 09:03:48 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Vortrag zur Geschichte der Stadt Z weibrücken am 8. März |
Datum | |||
2024/02/09 21:39:46 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Über Deutschland |
Betreff | |||
2024/02/28 09:03:48 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Vortrag zur Geschichte der Stadt Z weibrücken am 8. März |
Autor |
Date: 2024/02/29 14:05:38
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
„Ohne Moos nix los …“ Kirchenfinanzierung im
Wandel der
Zeiten
Organisatoren
Geschichtsverein und Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart
Weingarten
Fand statt in Präsenz
Vom - Bis 14.09.2023 - 16.09.2023
Von Joachim Bürkle, Lehrstuhl für
Kirchengeschichte des
Mittelalters und der Neuzeit, Bayerische
Julius-Maximilians-Universität
Würzburg
Die Finanzen der Kirchen gerieten in der letzten Zeit immer wieder
in den Fokus
des öffentlichen Diskurses. Dabei standen zuletzt insbesondere die
Staatsleistungen an die Kirchen im Zentrum, sahen doch
verschiedene
Gesetzesanträge aus ganz unterschiedlichen politischen Richtungen
eine Ablösung
derselben vor, und auch im Koalitionsvertrag der
Regierungsparteien wurde
zuletzt ein im Dialog mit den Ländern und Kirchen zu erarbeitendes
Grundsätzegesetz anvisiert, das einen fairen Rahmen für diesen
Prozess
gewährleisten solle. Dies trifft sich mit einem fortschreitenden
Verständniswandel im Hinblick auf das Verhältnis von Staat und
Kirche, greift
doch in einer kritisch eingestellten Öffentlichkeit zunehmend ein
Staatsverständnis Raum, das staatliche Finanzleistungen an die
Kirchen trotz
deren historischer Rechtfertigung als Verletzung des prätendierten
Grundsatzes
einer Trennung von Staat und Religion sowie der weltanschaulichen
Neutralität
des säkularen Verfassungsstaates betrachtet.
Die Tagung des Geschichtsvereins und der Akademie der Diözese
Rottenburg-Stuttgart traf insofern genau den Nerv der Zeit, griff
sie doch
zentrale Aspekte der aktuellen Debatte auf und ging unter
historiographischer
Perspektive den komplexen Strukturen der Finanzierung kirchlicher
Grundvollzüge
wie auch kirchlich-gesellschaftlichen Engagements sowie den engen
Verflechtungen
auch noch der heutigen Kirchenfinanzierung mit einer
geschichtlichen
Entwicklung von Jahrhunderten nach.
ANNA OTT (Mainz) ordnete die Einführung von Kirchensteuer(n) im
19. Jahrhundert
auf der Grundlage der im Reichsdeputationshauptschluss
festgelegten
finanziellen Versorgungspflicht des Landesherrn in den Kontext
durch
Vermögenssäkularisation, Pfründverlust und Zehntablösungen (etc.)
veränderter
Kirchenfinanzierungsmöglichkeiten ein. Dabei deutete sie die
Kirchensteuer als
Antwort auf die Finanznot der Kirchen im 19. Jahrhundert, die
jedoch vonseiten
des Staates gegen kirchliche Widerstände durchgesetzt werden
musste. Ausgehend
von der Festschreibung der Kirchensteuer in Art. 137 der Weimarer
Reichsverfassung und im Schlussprotokoll zu Art. 13 des
Reichskonkordats (1933)
wurde deutlich, wie durch die Einführung der Diözesankirchensteuer
das
Kirchensteuerwesen ab den 1950er-Jahren zentralisiert wurde, was
einen
Finanzausgleich zwischen den Pfarreien ermöglichte und zum Aufbau
einer neuen
Verwaltungsstruktur der Diözesen führte.
WINFRIED ROMBERG (Würzburg) zeigte am Beispiel des Bistums und
Hochstifts
Würzburg, wie das aus dem Mittelalter vielgestaltig erwachsene
Abgaben- und
Finanzwesen eines geistlichen Staates im Übergang zum frühmodernen
Steuerstaat
im Dienst der Fürstenherrschaft umgestaltet wurde und es so gerade
im
frühneuzeitlichen fürstbischöflichen Finanzwesen nicht nur zu
einer größeren
Vereinheitlichung, sondern auch zu einem wesentlichen Auftrieb im
planmäßigen
Ausbau der reichsständischen Bistümer zu regelrechten Kleinstaaten
mit
geordnetem und funktionalem administrativen Apparat kam. Dieser
Beitrag ist
deshalb umso erhellender, als das Forschungsgebiet der
historischen Kirchen-
und Bistumsfinanzierung trotz des Quellenreichtums kaum
tiefergehend
erschlossen ist. Da von einer kirchlichen Finanzautonomie auf
interner
Bistumsebene in der Frühneuzeit nicht die Rede sein konnte, zeigte
Romberg für
die geistlichen Staaten auch hinsichtlich des Finanzwesens einen
harmonistischen Entwurf eines symbiotischen Konfessionsstaates, in
dem der
geistliche Staat nach innen die Regierungsautorität gegenüber der
Untertanenschaft verkörperte und in wirtschaftlicher Hinsicht im
Gegenzug
wesentlich auf die Finanzkraft des Klerus, vor allem der Klöster
und Stifte,
angewiesen war. Mit Blick auf die nachtridentinischen
Reformbischöfe wies er
die stärkere Berücksichtigung der materiellen Implikationen einer
erneuerten
geistlichen Disziplin in der Forschung zur katholischen Reform und
Konfessionalisierung als Desiderat auf.
DANIEL BERGER (Göttingen) behandelte die mittelalterliche
Kanonikerversorgung
an Stiftskirchen im Erzbistum Köln und skizzierte einige
Entwicklungslinien des
stiftischen Präbendalsystems von den Anfängen der
Kanonikergemeinschaften in
karolingischer Zeit bis ins 14. Jahrhundert. Herausgestellt wurde,
dass die
Kanonikerversorgung ursprünglich aus einer Vielzahl von
Reichnissen in
Naturalien, Viktualien und auch Geld bestand, die den Kanonikern
im
Wochentagsrhythmus und/oder anlässlich besonderer Liturgien
(Kirchen- und
Heiligenfeste, Totengedächtnisse) ausgegeben wurde. Im Zuge des
wachsenden
Geldanteils bei den Reichnissen und dem Aufweichen der vita
communis zugunsten
einer wachsenden Selbstversorgung wurde die Stiftsökonomie im
frühen 14. Jahrhundert
rationalisiert und reformiert (Beginn der Rechnungslegung;
Umstellung der
hochfrequenten Reichnisstruktur auf Auszahlung fixer Geldbeträge
an wenigen
Terminen im Jahr). Dadurch begann sich der ursprünglich enge
Konnex zwischen
leiblicher Versorgung und liturgischem Dienst aufzulösen, wodurch
die
Kanonikerpräbende erst zu einem relativ variabel und auch mehrfach
(Pfründenkumulation) zu nutzenden Versorgungstitel wurde.
NICOLA WILLNER (Würzburg) zeigte am lokalhistorischen Beispiel der
Prädikatur
an St. Jakob in Schwandorf die Transformationen einer
Präbendestiftung vom
Spätmittelalter über die Reformation bis zur katholischen Reform
auf. Dabei
ordnete sie die Entstehung der Prädikaturen als einer klassischen
Institution
des 15. Jahrhunderts in den Kontext der Bildungsreformen im
theologischen
Bereich ein. Als zentrale Entwicklungsmarksteine für die
Prädikaturen in der
Reformationszeit kamen der Wegfall sämtlicher Messtiftungen, der
im Herzogtum
Pfalz-Neuburg mit einem Einzug der Pfründeinkünfte verbunden war,
sowie die
Konzentration der Einnahmen aller Pfründen einer Gemeinde im
‚Gemeinen Kasten‘
in den Blick, sodass es nun zu einer Separation der Einnahmen der
Predigerpfründe und der Besoldung des Prädikanten kam. Dass die
Prädikatur an
St. Jakob nach der Rekatholisierung Schwandorfs ab 1617 nicht mehr
besetzt
wurde, erschien als regionalgeschichtlicher Beleg für eine während
der
Reformationszeit erfolgte protestantische Konnotation der
Prädikaturen,
aufgrund derer diese als Instrumente der Rekatholisierung für
katholische
Landesfürsten ausfielen.
HARM KLUETING (Köln) untersuchte den Diskurs über Kirche und
Kirchenvermögen im
ausgehenden 18. Jahrhundert anhand der Kritik an der „Toten Hand“
sowie den
Amortisationsgesetzen einerseits in Österreich und in den
Österreichischen
Niederlanden, andererseits in Bayern. Dabei zeigte er auf, dass
der
ursprünglich im Feudalrecht entwickelte Terminus der „Toten Hand“
erst
sukzessive mit der Entwicklung des Benefizialwesens nach
lehnsrechtlichen
Formen in den kanonistischen Bereich eindrang, da Inhaber der
„manus mortua“
aufgrund von Stiftungen ad pias causas oder des Besitz- und
Vermögensverzichts
von Ordensmitgliedern fast immer kirchliche Institutionen bzw.
Kleriker waren.
Während sich in einem historischen Überblick über die sukzessive
verstärkten
Versuche der weltlichen Macht, große Vermögenskonzentration in
kirchlicher Hand
zu beschränken, zeigte, dass diese in der städtischen
Amortisationspolitik im
14. und 15. Jahrhundert zu einem ersten Höhepunkt gelangten und
anschließend
auch von den Landesherren übernommen wurden, was theologisch als
Einschränkung
der unzulässigen Vermischung von Seelsorge und Vermögenskumulation
begründet
wurde, kam es in der Aufklärungsepoche zu einer Verschärfung
dieses Vorgehens,
wobei in der kirchenkritischen Literatur ab 1760 antimonastische
Polemik
dominierte. Waren in der älteren Amortisationsgesetzgebung jedoch
primär
Immobilia betroffen, wurde nun sowohl in den österreichischen wie
den
bayerischen Verordnungen auch der Kapitalerwerb eingeschränkt,
wobei die
Initiative nicht mehr vom landständischen Adel, sondern vom
städtischen
Bürgertum ausging. Städtisches Bürgertum, landständischer Adel und
kirchliche
Vermögensträger erscheinen dabei als Parteien eines
Konkurrenzkampfs, als
dessen Ausdruck die Kritik an der kirchlichen „Toten Hand“ im
ausgehenden 18.
Jahrhundert interpretiert werden kann.
DOMINIK BURKARD (Würzburg) deutete den aktuellen Diskurs um die
Staatsleistungen auf der Grundlage des nicht umgesetzten
Verfassungsgebots der
Weimarer Reichsverfassung zur Ablösung derselben als unbewältigtes
historisches
Problem, in dem sich eine kirchen- wie gesellschaftspolitische,
jedoch aufgrund
eines oftmals rein normativen Zugriffs simplifizierte
Stellvertreterdebatte
manifestiere. Mittels einer historischen Analyse der kirchlichen
Finanzierungsentwicklung im katholischen Bereich im Gefolge der
Säkularisation
im Königreich Württemberg anhand von 1) Bistumsdotationen, 2)
Kirchenfonds und
kirchlichen Anstalten sowie 3) Staatsleistungen aus der
Säkularisation von
Klöstern und Stiften zeigte sich einerseits, dass für den Staat
Württemberg der
Stiftungs- und Dotationscharakter der neuen Bistümer von zentraler
Bedeutung
war, da dieser mit dem bischöflichen Ernennungsrecht verbunden
werden konnte,
andererseits hinsichtlich der Kirchenfinanzierung ursprünglich der
Grundsatz
der Realdotation galt. Nachdem jedoch in den Frankfurter
Verhandlungen
stattdessen eine Mischfinanzierung anvisiert wurde und im
Königlichen
Fundationsinstrument von 1828 das Prinzip garantierter Einkünfte
auf Grundlage
der königlichen Regentensorge an die Stelle kirchlicher
Besitzgüter trat,
unterlagen bereits im 19. Jahrhundert die Modelle kirchlicher
Finanzierung
insbesondere angesichts der mit der Auflösung konfessionell
homogener Gebietsumschreibungen
verbundenen pastoralen Problematiken massiven Modifikationen. Da
jedoch gerade
darin der sukzessive Rückzug des Staates aus der
Kirchenfinanzierung bis in die
1920er-Jahre grundgelegt war, lag die argumentative Zielrichtung
des Vortrags
besonders in einer Problematisierung der misslungenen
Realdotation.
THOMAS RICHTER (Aachen) gab einen Forschungsüberblick über die
Zehntablösungen
im 19. Jahrhundert und untersuchte in vergleichender Perspektive
die Situation
im Großherzogtum Baden, im Königreich Württemberg, in der
Landgrafschaft
Hessen-Kassel, im Herzogtum Nassau sowie im Königreich Hannover.
Weiterführende
Bedeutung hatte in diesem Zusammenhang die Frage nach den
Zehntablösungen als
Modernisierungselement sowie als Entlastungsinstrument in
agrarökonomischer
Perspektive, wobei Richter gegenläufige Elemente im Ablöseprozess
identifizierte und dabei aufzeigte, dass Widerstand gegen
derartige Ablösungen
oftmals nicht nur von Zehntberechtigten, sondern auch von
Zehntverpflichteten
kam. Das bereits zeitgenössisch narrativ vermittelte
Entlastungsargument wurde
dabei vor dem Hintergrund einer Kontinuität der Abgabeleistungen
der Bauern
sowie deren finanzieller Überforderung mit Ablösezahlungen und
kurzen
Zahlungszeiträumen hinterfragt, wobei der Analyse der Motivationen
hinter dem
Verzicht auf Ablöseleistungen weiteres Forschungspotential
zugeschrieben wurde.
GERHARD DEISSENBÖCK (München) stellte die historische Entwicklung
der Liga Bank
und damit zusammenhängend des Klerusverbandes als Zusammenschluss
der
Diözesanklerikervereine der bayerischen (Erz-)Diözesen dar.
Ausgehend von der
Erstgründung 1917 als Verband der katholischen Ökonomiepfarrer
Bayerns in
Regensburg, der zur Verhinderung einer finanziellen Abhängigkeit
der Kleriker
von nicht-kirchlichen Institutionen diente, sowie der Neugründung
1919 als
wirtschaftlicher Verband der katholischen Geistlichen Bayerns
erschien die
Entwicklung von Bank und Verband im Vortrag dabei in weiten Teilen
als
„Erfolgsgeschichte“, nicht nur aufgrund der verhältnismäßig großen
wirtschaftlichen Stabilität während der Bankenkrise und der
NS-Zeit, sondern
auch mit Blick auf die Expansion des Geschäftsgebiets wie auch der
Geschäftssektoren seit der Nachkriegszeit. Als Desiderat wurde die
überregionale Kontrastierung mit andersartigen Konzeptionen von
Klerikerlohnsystemen aufgezeigt.
Im Rahmen eines Podiumsgesprächs gab Generalvikar CLEMENS STROPPEL
(Rottenburg)
Einblicke in die aktuellen Gespräche zwischen Kirchen, Bund und
Ländern
hinsichtlich der im Koalitionsvertrag der derzeitigen
Bundesregierung
anvisierten Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen. Als ein
Hauptproblem
erschienen die Orientierungs- und Bemessungsfaktoren des darin
ausgewiesenen
„fairen Ausgleichs“. Ausgehend von der These eines kirchlichen
Rechtsanspruchs
auf eine dem Wert der regelmäßigen staatlichen Leistung
gleichgeordnete
Entschädigung plädierte er für ein Bundesgrundsätzegesetz, das bei
der Ablösung
der Staatsleistungen das Äquivalenzprinzips berücksichtigt und so
die Kirchen
in die Lage versetzt, mit den Erträgen aus der Entschädigung
langfristig auch
ihren gesellschaftlichen Aufgaben nachkommen zu können. Die
anschließende
öffentliche Diskussionsrunde wurde unter reger Beteiligung des
Auditoriums
mitunter emotional geführt und spiegelte damit die enorme
Aktualität wie auch
das Konfliktpotential des Tagungsthemas wider.
PETER FLECK (Aachen) stellte anhand des 1930 errichteten Bistums
Aachen die
Problematiken der Bistumsfinanzierung in wirtschaftlich wie
politisch
angespannten Zeiten heraus, in die auch staatliche Interessenlagen
eingeflochten waren. Neben der Gründungsgeschichte des Bistums
sowie der
Regelung der Staatsleistungen im Preußischen Konkordat von 1929
war hierbei
insbesondere der Blick auf die Finanzauseinandersetzung mit der
Kölner
Mutterdiözese und die vermögensrechtliche Teilung als
wirtschaftliche Grundlage
der neuen Diözese aufschlussreich. Entscheidend war hier die
Erkenntnis, dass –
ausgehend von der administrativen Notwendigkeit der Ergänzung der
Kölner
Erzdiözese durch ein weiteres Westbistums – im Rennen
verschiedener
potentieller Bistumssitze (Essen, Xanten) letztlich wiederum die
Dotationsfrage
das größte Hindernis im Vorfeld darstellte: Der wesentliche Grund
für die
Errichtung des Bistums Aachen lag darin, dass Aachen mit seinen
bereits
bestehenden Einrichtungen – Dom, Stiftskapitel und Dotation des
Stiftspropstes
als Kölner Weihbischof – die Finanzierungsfrage für sich entschied
und die
finanziellen Mehrbelastungen für den preußischen Staat somit in
Grenzen gehalten
werden konnten. Nicht theologische oder pastorale, sondern
funktionale
Gesichtspunkte gaben hier den Ausschlag.
CHRISTOPH KÖSTERS (Bonn) zeigte die Finanzierung der in einer
doppelten
Diaspora-Situation befindlichen katholischen Kirche in der DDR als
eng mit den
politischen Weichenstellungen der BRD zusammenhängende
Verflechtungsgeschichte.
Während es dabei etwa ab 1966 mit dem über das Bonifatiuswerk
realisierten
„Kirchengeschäft C“ offizielle, durch die DBK und die BRD
unterstützte
Finanzierungsformen kirchlicher Existenz in der DDR gab, zeigte
der Vortrag
bislang weitgehend unbekannte Wege der Kirchenfinanzierung auf
Grundlage der
Unterstützung kleinerer Akteure auf. Methodisch stand dabei der
exemplarische
Blick auf die Spendentätigkeit der deutsch-niederländischen
Unternehmerfamilie
Brenninkmeijer für die katholische Diaspora in der DDR im Zentrum.
Als
spendentransferierende Schleuse fungierte die Hauptvertretung des
Deutschen
Caritasverbandes in Berlin, für die auch die staatlich gewährten
Beihilfen der
Adenauer-Regierung essentiell waren, die sich dabei jedoch
gegenüber einer
politischen Vereinnahmung durch den offensiven Antisozialismus
derselben
zurückhielt. Mehr noch als in der westdeutschen Diaspora trugen
die
weltanschaulich konnotierten politischen Leitbilder hier zu einem
Aushandlungsprozess über die Nähe und Distanz zu den
Regierungssystemen auf
beiden Seiten bei. Von entscheidender Bedeutung war der Hinweis
auf den
sukzessiven Wandel in der Motivation dieser umfänglichen
Spendentätigkeit von der
ursprünglich leitenden Absicht, materielle Not zu lindern, hin zur
Zielsetzung,
der geistigen Armut der Zeit missionarisch entgegenzuwirken.
Zum Abschluss der Tagung gab HARTMUT BENZ (Köln) einen
informierten Überblick
über die Finanzpolitik des Heiligen Stuhls, in dem er methodisch
von der
Doppelstruktur der in zwei Hierarchien separierten
Finanzverwaltung von Vatikan
und Heiligem Stuhl ausging, dabei jedoch auch ein Schlaglicht auf
das Istituto
per le Opere di Religione (IOR) warf. Während er dabei die
Entwicklung der 1929
eingerichteten Amministrazione Speciale della Santa Sede (ASSS)
unter
Bernardino Nogara mit seiner konservativen Anlagestrategie und
umsichtigen
Finanzpolitik als Erfolgsmodell zeichnete, unterzog er die
radikale
Neuausrichtung der aus der Güterverwaltung des Heiligen Stuhls
hervorgegangenen
Amministrazione del Patrimonio della Sede Apostolica unter Paul
VI. auf
Grundlage der Enzyklika Populorum progressio einer
wirtschaftspolitisch
motivierten Kritik, die er insbesondere an der Begrenzung von
Kapitalbeteiligungen von IOR und ASSS, einer klientelistischen
Amtsführung und
einer undurchsichtigen Art der Entscheidungsfindung festmachte.
Als
„Lichtblicke“ im Gefolge massiver Kritik am Missmanagement der
vatikanischen
Finanzverwaltung erschienen bereits im Pontifikat Benedikts XVI.
erste Ansätze
zur Transparenzförderung, wie die Einrichtung der
Finanzaufsichtsbehörde
Autorità di Supervisione e Informazione Finanziaria 2010. Dabei
wurde für den
Pontifikat Papst Franziskus‘ eine Tendenz zur Zentralisierung der
Finanzverwaltung als charakteristisch konstatiert, die im
Zusammenhang mit der
Kurienreform mit einer Entmachtung des Staatssekretariats im
Bereich der
vatikanischen Finanzpolitik einhergehe.
Systeme der Kirchenfinanzierung, dies machte die Tagung deutlich,
sind stets
nur aus ihrem jeweiligen historisch-sozialen Kontext heraus zu
begreifen. Da
die immer weiter gewachsene Distanz insbesondere gegenüber
staatlich-kirchlichen Kooperationsformen und die damit
zusammenhängende
Verschiebung auch des politischen Diskurses somit nicht zuletzt
ein Problem
historischer Informiertheit darstellt, bot die sehr breit
gestaltete
Tagungskonzeption, die von der Mediävistik bis zur Zeitgeschichte
und von der
Kanonistik bis zu zentralen Fragen der Wirtschafts- und
Gesellschaftspolitik
reichte, eine auch grundlagenbezogene Orientierung in einem
hochaktuellen sowie
stark umkämpften Diskursfeld. Gerade der Blick auf historische
Entwicklungs-
und Übergangsprozesse zeigte hier, dass die in ein umfängliches
Geflecht aus
gewachsenen politischen wie gesellschaftlichen Faktoren
eingebettete
Finanzierung des kirchlichen Bedarfs letztlich auf eine organische
Fortentwicklung und Adaption bestehender Systeme an gewandelte
staats- wie
gesellschaftspolitische Umstände angewiesen ist, wobei sich
Theologie, Pastoral
und somit kirchliche Existenz auch in ihrer gesamtgesellschaftlich
relevanten
Dimension nicht von elementar funktionalen Finanzierungsgrundlagen
trennen
lassen.
Konferenzübersicht:
Dominik Burkard (Würzburg): „Ohne Moos nix los…“. Eine Einführung
Anna Ott (Mainz): Die Kirchensteuer. Entstehung und Wandel, Nutzen
und Probleme
Kirchenfinanzierung in der Vormoderne
Winfried Romberg (Würzburg): Das kirchliche Finanzwesen in der
Frühen Neuzeit.
Ein Forschungsaufriss (am Beispiel Würzburg)
Daniel Berger (Göttingen): Das Pfründenwesen im Mittelalter. Ein
Blick auf die
Stiftskirchen im Erzbistum Köln
Nikola Willner (Würzburg): Schicksal und Transformationen einer
mittelalterlichen Präbendestiftung
Harm Klueting (Köln): Die „tote Hand“. Kritik an Kirche und
Kirchenvermögen im
ausgehenden 18. Jahrhundert
Transformation der Kirchenfinanzierung im 19. und 20. Jahrhundert
Dominik Burkard (Würzburg): Der lange Atem der Säkularisation. Die
„Staatsleistungen“ als historisches Problem
Thomas Richter (Aachen): Zehntablösungen im 19. Jahrhundert.
Versuch eines
Überblicks
Gerhard Deißenböck (München): LIGA Bank eG und Klerusverband e. V.
Aus der Zeit
gefallen oder eine irdische Notwendigkeit ...?
Podiumsgespräch Generalvikar Clemens Stroppel (Rottenburg) im
Gespräch mit Paul
Kreiner (Stuttgart): Verfassungsvorgabe und politischer Wille. Zum
Stand der
von der Bundesregierung angestrebten Ablösung der Staatsleistungen
Peter Fleck (Aachen): Neue Staatsleistungen trotz Weimarer
Ablösungspostulat?
Die Finanzierung des Bistums Aachen 1929/30
Christoph Kösters (Bonn): Stille Wege von West nach Ost.
Unbekannte
Kirchenfinanzierung in der DDR
Hartmut Benz (Köln): „I can't run the Church with Hail Marys“.
Finanzen und
Finanzpolitik des Heiligen Stuhls
Zitation
Joachim Bürkle, Tagungsbericht: „Ohne Moos nix los …“
Kirchenfinanzierung im
Wandel der Zeiten, In: H-Soz-Kult, 29.02.2024, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-142343>.