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2024/02/02 11:45:51 Roland Geiger via Regionalforum-Saar Re: [Regionalforum-Saar] Frage |
Datum | 2024/02/03 17:03:02 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Auch nicht übel. |
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2024/02/23 08:23:05 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Niemand darf in Sklaverei oder Lei beigenschaft gehalten werden“. Freiheit und Unfreihei t in Mitteleuropa (vom Frühmittelalter bis 1989) |
Betreff | 2024/02/09 12:26:54 Horst-Dieter Göttert via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Regionalforum-Saar Nachrichtensammlung, Band 230, Eintrag 10 |
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2024/02/02 11:45:51 Roland Geiger via Regionalforum-Saar Re: [Regionalforum-Saar] Frage |
Autor | 2024/02/03 17:03:02 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Auch nicht übel. |
Date: 2024/02/02 14:06:58
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Die Kreissparkasse St. Wendel und
ihre ersten
Kunden
komponiert von
Roland Geiger, St.
Wendel
Am 1. Januar ist die Kreissparkasse St. Wendel 165 Jahre alt
geworden und hätte
dieses Jubiläum als gutgehendes und hochangesehenes Unternehmen
feiern können
[was sie nicht tat, weil sie vor fünf Jahren das 160. groß
feierte]. Dabei
sahen ihre Anfänge gar nicht so sehr günstig. Nach vielen
Versuchen und
Rückschlägen wurde am 1. Januar 1859 der Betrieb aufgenommen.
Das heißt: von „Betrieb“
konnte keine Rede sein. Der Geschäftsführer, der den Laden als
Ein-Mann-Betrieb
führte und sich Rendant nannte, wartete auf Kunden, und die
kamen nicht. Nicht,
daß in diesem ersten Monat keine Darlehen aufgenommen wurden,
aber das geschah
definitiv nicht bei der neuen Kreis=Spar= und Darlehnskasse in
St. Wendel. Der
Ackerer Jakob Messler und seine Ehefrau Anna Leist aus Marpingen
gingen am 15.
in St. Wendel lieber zum Gerichtsvollzieher Michel Eschrich, um
bei ihm Geld zu
leihen, und der Schuster Johann Marx aus Breiten und seine
Ehefrau Maria Arnold
haben lieber bei dem Ackerer Nikolaus Wagner in Oberlinxweiler
Geld
aufgenommen. Ob es daran lag, daß die neue Bank etwas zu sehr
Offizielles an
sich hatte, schließlich gehörte sie ja der Regierung oder war
von der auf jeden
Fall ins Leben gerufen worden. Und wenn nicht von der Regierung,
so doch von
der Verwaltung des Landkreises, an vorderster Front Landrat
Rumschöttel, der
höchstpersönlich Direktor dieser Anstalt war. Nicht, daß die
Sparkasse teurer
gewesen wäre als die anderen – privaten – Kreditgeber. Fünf
Prozent Zinsen
waren ortsüblich und schon seit Jahrzehnten auf gleichem Stand.
Aber der Bauer
in Oberlinxweiler und der Gerichtsvollzieher in St. Wendel
stellten vielleicht
nicht so viele Fragen – und: sie waren schon seit Jahren im
Geschäft. Man
kannte sie und vertraute ihnen – okay, bis zu einem gewissen
Grad. Sagen wir
so: man wußte, woran man an ihnen war. Aber die Sparkasse – nee,
wen der Bauer
nicht kennt, bei dem frißt er nicht. Und er frißt schon gar
nicht bei einer
Anstalt, die direkt dem Landrat unterstellt ist, denn der
braucht doch nicht zu
wissen, was ich so mit meinem Geld anstelle. Nachher …
So wartete der Rendant Michael Weynand, der übrigens aus
Alsfassen stammte und
mit der St. Wendelerin Katharina Göbel verheiratet war, in
seinem Büro auf
Kundschaft. Und da er einen ganzen Monat warten mußte, haben wir
etwas Zeit,
uns anzuschauen, wo dieses Büro eigentlich genau war. Weynand
mußte eine
Kaution aufstellen, da er für selbstverschuldete Verluste
persönlich haftbar
gemacht werden konnte. Deshalb wird er sich vermutlich nie sehr
weit von seiner
Geldkassette entfernt haben; denn dort lagen gleich zu Anfang
120 Taler drin,
die ihm nicht gehörten, für die er aber verantwortlich war.
Diese Kassette war
natürlich vor allem nachts "gefährdet", weshalb er sie
vermutlich
zuhause aufbewahrte. Aber wo wohnten er und seine Ehefrau?
Im Juni 1859 kaufte das Ehepaar das Wohnhaus des vormaligen St.
Wendeler Notars
Friedrich Hen, das in der oberen Luisenstraße unterhalb des
heutigen "Alten
Rathauses" lag [Luisenstraße 2]. Deshalb lag die "Schalterhalle"
demnach in dem dortigen Haus. Aber wo war sie das letzte halbe
Jahr gewesen? Vermutlich
auch in der Wohnung des Ehepaars Weynand, aber wo die beiden
vorher wohnten,
wissen wir nicht.
So, jetzt hat Herr Weynand genug gewartet, geben wir ihm etwas
zu tun. Er wird
sicher nicht den ganzen Monat nur herumgesessen und Däumchen
gedreht haben.
Aber Anfang Februar kam ihm ein Umstand zugute, der auch heute
noch in der Zeit
nach Weihnachten wieder die ersten Besucher aus den umliegenden
Orten nach St.
Wendel führt: der Lichtmeßmarkt.
Maria Lichtmeß wird traditionell am 2. Februar gefeiert und fiel
1859 auf einen
Mittwoch. Unsere Oma lehrte uns den alten Spruch: " Maria
Lichtmess, spénne
fagess, bäi Daach se Naacht gess’". "Spénne fagess" – das
bezieht sich auf die Arbeit der Bauern im Winter, wenn die
Witterung die Arbeit
draußen unmöglich macht; dann saßen die Leute drinnen am
Webstuhl. Jetzt an
Lichtmess begann das sog. "Bauernjahr", d.h. ab jetzt wurde die
bäuerliche Arbeit draußen wieder aufgenommen und mit dem Spinnen
hatte es mal
wieder ein Ende; also: "vergessen wir das Spinnen". Abendessen
gibt’s
um halb sechs oder sechs, und Anfang Februar beginnt die
Dunkelheit etwa um die
Zeit oder sogar schon später. Also ist es noch Tag(hell), wenn
wir das
Abendbrot einnehmen: "bei Daach se Naacht gess!"
An dem Tage endete aber auch das Dienstbotenjahr, und den Mägden
und Knechten
wurde der Rest ihres Jahreslohnes ausbezahlt.
Der zugehörige Jahrmarkt fiel demnach auf den darauffolgenden
Donnerstag, einen
Tag später. An diesem Tag trafen sich Händler, Handwerker und
Bauern aus den
umliegenden Dörfern und Gemeinden in St. Wendel, aber nicht nur
um den Markt zu
besuchen und einzukaufen, sondern auch – und vielleicht auch vor
allem – um
miteinander zu reden, Neuigkeiten zu erfahren und den
gesammelten Klatsch der
letzten vier Monate loszuwerden. Der letzte Markt war der große
Wendalinusmarkt
Ende Oktober gewesen, und während der dunklen Monate bis nach
Weihnachten
werden sie kaum Gelegenheit gehabt haben, die Stadt zu besuchen,
schon gar
nicht, wenn der Schnee hoch lag und die Temperaturen nur tief im
Keller zu
finden waren. Auch jetzt Anfang Februar ist es noch nicht gerade
warm, aber die
Aussicht auf ein Wiedersehen mit Freunden und Bekannten hatte
sie alle in die
Stadt gelockt.
Und mit ihnen zogen ihre Mägde und Knechte in die Stadt, um
ihren Dienstherren
beim Einkauf und Heimtragen zu helfen. Und natürlich um mit
ihresgleichen zu
sprechen.
An diesem Donnerstag gab es etwas Neues in der Stadt, und zwar
etwas, daß
gerade die Gesindeleute hellhörig machte. Es gab
behördlicherseits eine
Institution, zu der sie ihr sauer erspartes Geld bringen
konnten, und diese
Institution versprach ihnen, darauf acht zu geben, so daß es
sicher war. Bisher
war es das nämlich nicht unbedingt gewesen. Zuhause sparten sie
es in einem
Strumpf auf oder unter der Bettmatratze. Gut versteckt vor
Eindringlingen – und
vor dem eigenen Dienstherrn. Wie oft hatten sie schon davon
gehört, daß ein
Bauer nicht nur das Bett einer Magd besuchte, wenn seine Frau
der Meinung war,
sie hätten jetzt genügend Kinder, und er solle doch lieber zur
Magd gehen,
sondern sich auch an ihrem Eigentum verging. Eine offizielle
Beschwerde oder
gar Anzeige war da nicht drin, an wen sollten sich die Mädchen
denn wenden? Die
Obrigkeit, bestehend aus preußischen Beamten, die die Nase noch
höher trugen
als 20 Jahren zuvor die Coburger? Die würden sie nur auslachen
und wegschicken.
Und wenn der Bauer das mitkriegen würde, wären sie gleich noch
ihre Anstellung
los. Das konnten sie sich nicht leisten. So gut waren solche
Stellen nicht gesät.
Also blieb ihnen nur, auf die Ehrlichkeit ihrer Hausherren zu
hoffen und
Verstecke zu finden, die nicht so leicht aufzustöbern waren.
Natürlich waren
nicht alle Dienstherren so; aber wenn einem das Wasser bis zum
Hals steht, wer
weiß, was die Not aus den Menschen macht …
Zwei junge Frauen, Mägde aus Berschweiler und Mettweiler, mögen
sich in St.
Wendel getroffen haben; vielleicht sind sie auch den
mehrstündigen langen Weg
durch Eis und Schnee nach St. Wendel zusammen gestapft oder
kannten sich gar
schon von früher her. Ein junger Mann, Knecht in Mettweiler,
einem weiteren Ort
im ehemals Lichtenbergischen, war mit ihnen gekommen. Hier in
St. Wendel trafen
sie auf eine Leidensgenossin, die schon deutlich älter war als
sie und schon
einiges mitgemacht hatte. Neun Jahre zuvor hatte sie einen Sohn
geboren,
unehelich natürlich, und ihn nach nur Tagen wieder verloren.
Jetzt – mit knapp neununddreißig
Jahren – war sie eine alte Frau, müde und verbraucht. Aber immer
noch am Leben
und mit dem Ehrgeiz beseelt, den jungen Leuten, die sie von
früheren Besuchen
her kannte, einiges von dem zu ersparen, was sie erlebt hatte.
Sie hatte in den vergangenen Wochen immer wieder von der neuen
Spar= und
Darlehnskasse gehört. Sie nahm die drei jungen Leute beiseite
und erzählte
ihnen von der neuen Anstalt, wo ihr Geld sicher war vor dem
Zugriff ihres
Dienstherren. Und das beste hielt sie sich für den Schluß auf:
die Sparkasse
würde sie für das Geld, das sie dort hinterlegen würden, auch
noch bezahlen. Für
jeden Taler, den sie dort hinbrachten und einen Jahr dort liegen
ließen, würden
sie einen halben Silbergroschen oder 15 Pfennige für dieses Jahr
bekommen, und
sie brauchten nichts dafür zu tun, als das Geld dorthin zu
bringen und einfach
liegenlassen und ohne etwas dafür zu tun.
Was die jungen Leute schließlich überzeugt haben mag. Am
nächsten Montagmorgen
machten sie sich wieder auf den langen Weg nach St. Wendel, ihr
Erspartes in
der Tasche. Am ehemaligen oberen Tor trafen sie auf ihre
Freundin Maria
Marschall.
Und kaum öffnete Herr Weynand morgens seinen Laden, da standen
sie schon vor
der Tür und machten ihre Einzahlungen:
Elisabeth Walter aus Berschweiler mit 30 Talern,
Catharina Stephan aus Eckersweiler mit 29 Talern,
Maria Marschall aus St. Wendel mit 13 Talern
und
Jacob Loch aus Mettweiler gar mit 40 Talern.
Stolz erhielt jeder von ihnen ein Sparbuch. Ein kleines Heft, in
dem vom
Rendanten höchstpersönlich die Summe eingetragen worden war und
natürlich der
Zinssatz in Höhe von 5 vom hundert, neudeutsch: 5 Prozent. Und:
das Heftchen
war ein Dokument, über das nur sie selber verfügen konnten.
Außer ihnen konnte
niemand etwas damit anfangen.
Was muß das für ein Gefühl für diese einfachen Leute gewesen
sein, einem der
hohen Herrn ihr Geld zur Verfügung gestellt zu haben. Und dieser
hohe Herr
bedankte sich herzlich bei jedem von ihnen und versprach, auf
ihr Geld
aufzupassen und es sicher zu verwalten.
Das geschah am Montag, dem 2. Februar 1859.
Und es sprach sich herum. Und gleich am nächsten Freitag kamen
die nächsten
Einzahler, diesmal alle aus St. Wendel, mit anderen Beträgen,
größeren und
kleineren.
Und so geht das bis heute.
Und da haben wir die Verbindung zwischen den St. Wendeler
Kaufleuten und der
Kreissparkasse. Denn ohne die Kaufleute und Händler hätte es
keinen Markt
gegeben. Und ohne den Markt würden Herr Weynand und seine
Nachfolger womöglich
noch heute auf ihre ersten Kunden warten.