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[Regionalforum-Saar] Wer unterschreibt denn da?
Autor 2024/01/04 12:33:38
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[Regionalforum-Saar] Saarland: „Gebietsreform von 1974 im Großen und Ganzen gut gelaufen“

Date: 2024/01/04 07:55:41
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vorgestern in der SZ:


Saarland: „Gebietsreform von 1974 im Großen und Ganzen gut gelaufen“

Vor 50 Jahren wurden aus 345 Gemeinden im Saarland 50 Landesplaner: „Gebietsreform von 1974 im Großen und Ganzen gut gelaufen“ – es gibt aber Ausreißer

Interview | Saarbrücken · Vor genau 50 Jahren veränderte die große Gebietsreform das Saarland: Aus 345 Gemeinden wurden 50. Professor Peter Moll arbeitete damals an den Plänen mit. Im SZ-Interview gewährt er Einblicke in die damaligen Überlegungen und erklärt, was gut gelaufen ist und was nicht – und was sich heute noch daraus lernen lässt.

Von Daniel Kirch Chefkorrespondent Landespolitik

Vor 50 Jahren, am 1. Januar 1974, trat die bisher größte Strukturreform der Saar-Geschichte in Kraft: Die Gebiets- und Verwaltungsreform, die leistungsfähige kommunale Einheiten schaffen sollte, machte aus 345 Gemeinden nur noch 50. Gegen zum Teil erhebliche Widerstände setzte Innenminister Ludwig Schnur (CDU), der in seinem früheren Leben selbst einmal Bürgermeister war, die Reform durch.

Einer seiner Zuarbeiter damals war Peter Moll. Der Geograf und Landesplaner arbeitete als Beamter in der Abteilung Raumordnung der Obersten Landesbaubehörde, die dem Innenministerium unterstand, am Konzept für die Gebietsreform mit. Im SZ-Gespräch blickt der heute 85-jährige Geografie-Professor und pensionierte Leitende Ministerialrat aus Dudweiler zurück.

Herr Professor Moll, was war damals Ihr Auftrag?

MOLL Wir hatten uns die Gebietszuschnitte und Verwaltungszentren der künftigen Gemeinden zu überlegen, also die räumliche Ordnung der neuen kommunalen Landschaft. Unser Ansatz war, um die zentralen Orte herum die neuen Gemeinden zu bilden. Natürlich überlegten die Parteien auf einer ganz anderen Ebene, wie sich die Zusammenlegung von Gemeinden auf die politischen Mehrheiten auswirken würde. Das war aber nicht unser Geschäft.

MOLL Wir haben in einem Gutachten des Geografischen Instituts der Universität des Saarlandes auf Basis einer groß angelegten Befragung die Einkaufsbeziehungen der saarländischen Bevölkerung untersuchen lassen. Das Ergebnis beantwortete zwar nicht alle Fragen, aber es war eine sehr brauchbare Grundlage, quasi auf der Basis einer Abstimmung der Bevölkerung mit den Füßen die räumlichen Zugehörigkeitszonen zu ermitteln.

Welche Rolle hat die öffentliche Infrastruktur gespielt? Hat man sich auch angeschaut, wo es zum Beispiel schon Turnhallen oder Schulen gab?

MOLL Ja, selbstverständlich. Es wurde außerdem eine Kommission nach dem sogenannten Vorschaltgesetz eingerichtet, die die zahlreichen Infrastruktur-Projekte, die die bisherigen Gemeinden im Vorfeld der vorgesehenen Neuordnung noch schnell realisieren wollten, zu überprüfen hatte. Der Vertreter der Landesplanung in dieser Kommission, ein Volkswirt, kam manchmal mit gesträubten Haaren zurück und berichtete: Überall sollen jetzt noch ein Hallenbad oder eine Mehrzweckhalle oder auch nur Leichenhallen gebaut werden – wenn die Gemeinden berechnen würden, wie hoch die Betriebs- und Unterhaltungskosten dieser Infrastruktur auf Dauer sein werden, würden sie sehen, dass ihre Haushalte daran zugrunde gehen. Es gab vielerorts die politische Überlegung: Die Bevölkerung muss die Neuordnung akzeptieren, und um sie ruhigzustellen, kriegen sie halt ihre Hallen. Dem sollte die Kommission einen Riegel vorschieben. Ihre Voten waren nicht sehr beliebt.

Ein Teil der heutigen finanziellen Probleme der Kommunen hat ihren Ursprung also in der Gebietsreform von 1974, weil überall noch schnell öffentliche Einrichtungen gebaut wurden?

MOLL Ja, so ist es. Es gab Gemeinden mit nur 10000 Einwohnern, die plötzlich ein Hallenbad bauen wollten. Das sieht doch jeder, dass das nicht gut geht, dafür reichen Steueraufkommen und Gebühren auf keinen Fall. Ein weit verbreitetes Rechenkunststück bestand darin, dass die potenziellen Einzugsgebiete großzügig über den tatsächlichen Wirkungsbereich des betreffenden Zentralorts hinaus in die Nachbargemeinden hinein ausgedehnt wurden. Danach hätte das Saarland plötzlich fast eine Verdoppelung seiner Einwohnerzahl gehabt.

Hatten Sie Vorgaben, was die Größe der neu zu bildenden Gemeinden betrifft?

MOLL Innenminister Ludwig Schnur hatte Frido Wagener, Professor an der Verwaltungshochschule Speyer, mit einem Neuordnungs-Gutachten beauftragt. Nach dessen Empfehlung sollten die künftigen Gemeinden im Verdichtungsraum mindestens 15.000 Einwohner haben, damit sie ihre modernen Verwaltungen finanzieren könnten, im ländlichen Raum 8000 Einwohner. Das hat hier und da zu Problemen geführt, zum Beispiel im Falle Friedrichsthal und Quierschied.

Sie hatten empfohlen, Friedrichsthal und Quierschied mit anderen Kommunen zusammenzulegen?

MOLL Wir hatten eine große Stadt „Sulzbachtal“ vorgeschlagen, bestehend aus Sulzbach, Friedrichsthal, Quierschied und Dudweiler. Allerdings war eine politische Vorentscheidung getroffen worden, Dudweiler Saarbrücken zuzuschlagen. Das Ziel war, dass Saarbrücken als Landeshauptstadt mindestens 200.000 Einwohner haben sollte. Dazu brauchte man Dudweiler mit seinen damals 25000 Einwohnern.

Wie wurde entschieden, wie die neuen Gemeinden heißen?

MOLL Grundlage war für uns die zentralörtliche Gliederung: Alle Orte, die von der Bevölkerung als Versorgungsorte genutzt wurden, also wo es zum Beispiel Ärzte, Einzelhandel und weiterführende Schulen gab, sollten Namensgeber der neuen Gemeinden sein. Wo man sich nicht einigen konnte, hat man sich neue Namen ausgedacht, etwa bei der Gemeinde Mandelbachtal. Eine Gemeinde mit diesem Namen gab es ja vorher nicht.

In Rehlingen-Siersburg wurde die Namensfrage über Jahre hinweg emotional diskutiert.

MOLL Das habe ich mit Staunen und innerer Belustigung zur Kenntnis genommen. Dass die Gemeinde so zugeschnitten wurde, war in Ordnung. Man hätte ihr aber auch einen ganz anderen Namen geben können, zum Beispiel Gemeinde Niedtal.

INFO Aus 345 Gemeinden wurden 50, später 52

Die vor der Gebietsreform 1974 bestehenden 345 Gemeinden wurden zu 50 Einheitsgemeinden zusammengeschlossen. Außerdem wurden die Landkreise Homburg und St. Ingbert zum Saarpfalz-Kreis zusammengelegt, der Landkreis Saarbrücken und die damals kreisfreie Stadt Saarbrücken zum Stadtverband Saarbrücken. Der Landkreis Ottweiler wurde in Landkreis Neunkirchen umbenannt.

Mehrere Gemeinden, die ihre Eigenständigkeit verloren, zogen vor das Verfassungsgericht des Saarlandes – ohne Erfolg. Rohrbach (St. Ingbert) kämpfte sogar bis 1999 für seine Eigenständigkeit und scheiterte schließlich vor dem Bundesverfassungsgericht.

In einem Fall wurde die Gebietsreform nachträglich korrigiert: Nach Widerständen in der Bevölkerung wurden 1981 die Gemeindebezirke Bous und Ensdorf aus der Gemeinde Schwalbach ausgegliedert und wieder eigenständig. Somit gibt es seither 52 Kommunen.

Waren Sie mit der Gebietsreform, wie sie beschlossen wurde, zufrieden oder wurde Ihnen zu viel politisch hineingepfuscht?

MOLL Kurz bevor die Gebietsreform in den Ministerrat und dann in den Landtag kam, hat Innenminister Schnur uns alle, die daran mitgearbeitet hatten, zusammengerufen und eine Bitte an uns gerichtet: Jeder sollte sich in sein Kämmerlein zurückziehen und ihm eine persönliche Beurteilung schreiben, was er an der vorbereiteten Reform gut fand und was nicht. Ich habe ihm auf einer Seite geschrieben, dass die Reform insgesamt sehr gut vorbereitet war und meine Hinweise im Großen und Ganzen berücksichtigt waren. So würde ich das auch heute noch sehen. Die saarländische Gebietsreform ist – einschließlich späterer Nachkorrekturen – im Großen und Ganzen tatsächlich gut gelaufen. Es gibt nur wenige Ausreißer. Im Verdichtungsraum haben zum Beispiel Ensdorf nur rund 6000, Bous 7000, Nalbach 9000 Einwohner, Friedrichsthal und Merchweiler je rund 10000 statt der Regelgröße 15000.

Was kann man für die Gegenwart daraus lernen?

MOLL Man sollte sich nach den Erfahrungen, die man mit falschen Standortentscheidungen bezüglich der kommunalen Infrastruktur gemacht hat, damit vertraut machen, die eine oder andere Einrichtung fallen zu lassen, bevor sie mit hohem Aufwand modernisiert oder gar erneuert werden muss. Wenn eine solche Entscheidung ansteht, sollte man sich überlegen: Brauchen wir das alles unbedingt? Das ist eine schwierige Diskussion. Wir haben im Saarland ein sehr aktives Vereinsleben, wofür verständlicherweise zum Beispiel viele Mehrzweck- und Schwimmhallen nachgefragt werden. Man kann aber nicht sagen: Bevor wir finanziell völlig ausbluten, sehen wir zu, dass wir eine tolle kommunale Ausstattung mit Hallen haben. Dafür wäre ein Planungsrahmen, den das Land setzt, zweckmäßig. Ansätze dazu hat es zwar gegeben, sie sind aber nicht zum Abschluss gebracht worden.