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2023/11/12 13:04:13 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Helden oder Feiglinge? Deserteure der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg |
Datum | 2023/11/14 08:57:58 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Lehen, Pfand und Amt. Neue Bli ckwinkel auf das Lehnswesen im Norden (12.–15. Ja hrhundert) |
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2023/11/27 22:49:22 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Der Steinwall auf dem Momberge bei Gronig. |
Betreff | 2023/11/19 21:53:41 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Gefährliche Bilder. Milchfr auen, Lumpensammler und anderes Straßenvolk in der gro ßen Stadt |
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2023/11/12 13:04:13 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Helden oder Feiglinge? Deserteure der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg |
Autor | 2023/11/14 08:57:58 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Lehen, Pfand und Amt. Neue Bli ckwinkel auf das Lehnswesen im Norden (12.–15. Ja hrhundert) |
Date: 2023/11/14 08:47:45
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Everyday
Denazification in Postwar Germany. The Fragebogen and
Political Screening
during the Allied Occupation
Autor Mikkel Dack
Erschienen Cambridge 2023: Cambridge
University Press
Anzahl Seiten XIV, 311 S.
Preis £ 85.00; € 104,65
ISBN 978-1-009-21633-3
Inhalt => meinclio.clio-online.de/uploads/media/book/toc_book-78548.pdf
Rezensiert für H-Soz-Kult von Stefanie
Rauch, Head of
Collections, Wiener Holocaust Library / Honorary Research
Fellow, UCL Institute
of Advanced Studies, London
Mikkel Dacks als Dissertation in Calgary entstandene Studie
ist Teil einer
breiteren Neubewertung der frühen Nachkriegszeit und der
Entnazifizierung in
der jüngeren Forschung.[1] Dack fasst den Begriff
der
Entnazifizierung weit und interpretiert sie aus Sicht der
Gegenwart, in der die
Geschichte der deutschen Demokratisierung und der
Bundesrepublik insgesamt
weithin als Erfolg verstanden wird. Der Entnazifizierung weist
er dabei eine
tragende Rolle zu. Dack konzentriert sich auf den Fragebogen
als Instrument
nicht nur der Informationsgewinnung und Klassifikation
aufseiten der
Entnazifizierungsbeauftragten, sondern auch der
Identitätsstiftung für
diejenigen, die ihn ausfüllten.
Als Quellen dienen dem Verfasser Fragebögen aus den vier
Besatzungszonen
mitsamt Anhängen (zum Beispiel Lebensläufe, eidesstattliche
Erklärungen,
Leumundszeugnisse, Briefe), Material aus administrativen und
militärischen
Zusammenhängen, Tagebücher, Kommissionsberichte, Kirchen- und
Parteiregister,
Zeitungen sowie vier Interviews, die Dack 2013/14 mit
Deutschen geführt hat,
die als Jugendliche das Kriegsende erlebten und zum Teil auch
einen Fragebogen
ausfüllten. Zwar lautet der Anspruch, alle Besatzungszonen in
den Blick zu
nehmen, doch im Mittelpunkt stehen die britische und die
US-amerikanische Zone.
Das erste Kapitel befasst sich mit der
Entnazifizierungsplanung auf
amerikanischer und britischer Seite während des Krieges, mit
Schwerpunkt auf
der Entwicklung des Fragebogens durch zivile Expert:innen, in
der Central
European Section (Office of Strategic Services, OSS) und der
German Country
Unit (Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force, SHAEF).
Der Fragebogen
wurde von den anderen beiden Armeen übernommen und angepasst.
Das zweite
Kapitel beschäftigt sich mit Aufbau und Inhalt des im Mai 1944
erstellten
Originalfragebogens, der 72 Fragen enthielt, und damit, wie er
sich in den
verschiedenen Besatzungszonen veränderte. Eine im Mai 1945
überarbeitete
Version, die aber erst später in Umlauf kam, enthielt in der
US-Zone nun 131
Fragen und legte mehr Gewicht auf Schul- und Hochschulbildung,
Landbesitz,
Arbeit und Einkommen sowie Militärdienst und Mitgliedschaft in
NS-Organisationen. Außerdem enthielt das Dokument Fragen zur
Judenverfolgung,
etwa nach der „Arisierung“, und verlangte von den Befragten,
Familienmitglieder
zu nennen, die in NS-Organisationen oder in höherer Funktion
tätig gewesen
waren. In der britischen Zone wiederum wurde ab dem 1. Januar
1946 ein
Fragebogen mit 133 Fragen verwendet, in dem auch Namen von
Leumundszeug:innen
angegeben werden mussten (S. 96f.). Dack hebt hervor, wie
gewagt es war, auf
einen Fragebogen, der von den Deutschen selbst auszufüllen
war, als
Hauptinstrument im „Screening“ zu setzen (S. 66).
Im dritten Kapitel geht es um die Durchführung dieses
„Screening“ durch
alliiertes und deutsches Personal. Laut Dack stand der
Fragebogen von 1945 bis
1948 im Zentrum der Bemühungen, und zwar in allen vier
Besatzungszonen (S.
112f.). Der Autor zählt auch Internierungen in den letzten
Kriegsmonaten und
-wochen zur Entnazifizierung (S. 117), dehnt den Begriff also
sehr weit
zugunsten einer soziologischen Interpretation. Allerdings ging
es den
alliierten Besatzern in der Phase bis zur deutschen
Kapitulation vor allem erst
einmal um Sicherheit und taktische Zielsetzungen, weniger um
die
Nachkriegsplanung. Die Entdeckung des
NSDAP-Mitgliedschaftsarchivs im November
1945 erleichterte die Auswertung von Fragebögen dann enorm und
machte sie
verlässlicher (S. 127). Dacks anschauliche Beschreibung des
bürokratischen
Vorgangs bei dieser Auswertung zeigt, wie erheblich der
Aufwand war – zumal in
der US-Zone, wo die Entnazifizierung am weitesten ging (S.
127–144). Wie schon
die Besatzungsmächte seien auch die deutschen Kommissionen von
der Arbeitslast,
die mit der Entnazifizierung verbunden war, überwältigt
gewesen. Oftmals wurden
nur leichte Strafen ausgesprochen. Selbst bekannte
Nationalsozialisten wurden
häufig bloß als Mitläufer eingestuft oder sogar amnestiert (S.
156f.). Dack
fasst zusammen, dass der Fragebogen ein bei allen Beteiligten
unbeliebtes,
jedoch unverzichtbares Instrument der Besatzungsmächte gewesen
sei. Letztlich
habe man allerdings keinen Ausgleich zwischen Bestrafung und
Rehabilitation
finden können (S. 158). Dennoch sei es vor allem der
Fragebogen gewesen, der
die Entfernung etlicher Nationalsozialisten aus der Politik
und Kultur sowie
die Wiederbelebung eines öffentlichen, demokratischen Lebens
ermöglicht habe.
Das vierte Kapitel befasst sich damit, wie die
Entnazifizierung von den
Deutschen erfahren wurde. Dack betont, dass die
Entnazifizierung hauptsächlich
von Mittelschicht-Männern im mittleren Alter durchlaufen
wurde, also keineswegs
repräsentativ war. Dennoch habe es innerhalb dieser relativ
privilegierten
Schicht Unterschiede gegeben. Frauen, einfache Arbeiter:innen,
Kinder,
Displaced Persons, Vertriebene und „Spätrückkehrer“ konnten
sich der
Entnazifizierung meist entziehen. Zu den möglichen
individuellen Folgen der
Entnazifizierung zählten Internierung, Entlassung, Geldstrafe,
Rentenentzug, Besitzenteignung
und Reisebeschränkungen. Entlastete und Mitläufer konnten ihre
Anstellung
(wieder) aufnehmen (S. 181). Ein solches Ergebnis habe es den
Befragten auch
ermöglicht, sich vom Nationalsozialismus und seinen Verbrechen
zu distanzieren
(S. 182). Wie bereits Hanne Leßau widerspricht Dack der
Annahme, dass die
Entnazifizierung nur eine lästige Pflichtübung gewesen sei,
deren negative
Auswirkungen bald schon wieder aufgehoben worden seien.
Stattdessen habe die
Entnazifizierung nicht nur finanzielle Einbußen verursacht,
sondern
weitreichende emotionale Folgen gehabt. Außerdem hätten die
Betroffenen nicht
gewusst, dass Strafen oder Einschränkungen nur kurzlebig sein
würden. Dack
kritisiert die retrospektive Bewertung der Entnazifizierung
aus Sicht der Amnestien
und Nachkriegskarrieren; er spricht sich mit Recht dafür aus,
diese Phase für
sich genommen zu betrachten und in ihren Folgen ernstzunehmen
(S. 190f.).
Das fünfte und letzte Hauptkapitel widmet sich den
„unbeabsichtigten
Ergebnissen der Entnazifizierung“. Dazu gehörten sowohl
Versuche, den
Fragebogen zur Leugnung der eigenen Schuld und Mitschuld zu
instrumentalisieren, als auch Denunziationen anderer Personen.
Dack untersucht
den Fragebogen hier als Ego-Dokument und autobiografische
Quelle (S. 210f.).
Für viele habe der Fragebogen dazu gedient, die eigene
NS-Vergangenheit zu
beschönigen und die eigene Verantwortung zu mindern. Befragte
konstruierten und
übten dabei auch eine neue Identität. Dack sieht die
Entnazifizierung als einen
Akt der Selbstreflexion und des spezifischen Erinnerns. Durch
diese narrative
Praxis hätten sich Personen die neuen Narrative auch selbst
angeeignet (S.
227–229). Die Entnazifizierung sei also mehr als nur ein
notwendiges Übel und
praktisches Mittel zum Zweck gewesen. Befragte hätten
Begrifflichkeiten aus dem
Fragebogen adaptiert, zum Beispiel „passiver Widerstand“ (S.
240). Auch
Opfernarrative seien vom Fragebogen ermutigt worden. Dack
verweist hier auf
deutsche Opferstatistiken (beispielsweise gefallene und
verwundete Soldaten,
Opfer des Bombenkriegs, Vertriebene, Opfer sexualisierter
Gewalt). Statistiken
zu Täterschaft sowie zu den Opfern der nationalsozialistischen
Gewaltverbrechen
wären an dieser Stelle eine sinnvolle Ergänzung gewesen (S.
240).
Sicher seien viele dieser neuen Identitäten und Geschichten
fabriziert, ja
mitunter regelrecht erlogen gewesen; dennoch enthielten sie
zumindest für die
Befragten einen Grad an Wahrheit als „erlernte Erinnerung
durch den Akt des
Dokumentierens“ (S. 250). Der Fragebogen habe dabei als
Stimulus gedient, zum
Beispiel durch das Einführen ambivalenter Begrifflichkeiten,
die flexible
Deutungen erlaubten. Dack schlägt weiterhin vor, den
Fragebogen als
„emanzipatorisches Instrument“ zu betrachten, das Millionen
von Deutschen eine
Stimme gegeben habe (S. 251). Insgesamt habe der Fragebogen
eine Trennlinie
zwischen den Befragten und dem Nationalsozialismus geschaffen,
da sie sich von
ihm distanzieren mussten, um sich eine Zukunft nach dem Ende
des „Dritten
Reiches“ aufzubauen (S. 252f.). Dack folgert, dass die
politische Säuberung
gescheitert sei, aber die Nachwirkungen im Privaten nicht zu
unterschätzen
seien (S. 252). Das muss meines Erachtens allerdings nicht
heißen, dass dabei
auch eine umfassende Auseinandersetzung mit dem
Nationalsozialismus
stattgefunden hätte. Er wurde verurteilt, ohne die eigene
Rolle kritisch
hinterfragt zu haben.
Ob der Fragebogen tatsächlich einen langfristigen Effekt auf
die Interpretation
der NS-Vergangenheit hatte (S. 257), kann die Studie, die sich
mit den Jahren
1945–1948 befasst, nicht belegen. Dafür sind weiterführende
Arbeiten notwendig.
Skeptisch zu betrachten ist auch Dacks Befund, dass die
Entnazifizierung
insofern erfolgreich gewesen sei, als der Nationalsozialismus
in Deutschland
nicht wieder Fuß fassen konnte und die heutige Bundesrepublik
eine
demokratische Führungsrolle einnehme (S. 259). Schließlich ist
die deutsche
Nachkriegsgeschichte und die „Vergangenheitsbewältigung“
wesentlich
facettenreicher, als es dieser Befund zulässt. Ein
langfristiger Blick auf die
Folgen der Entnazifizierung ist wertvoll, aber eine direkte
kausale Beziehung
zur heutigen Bundesrepublik kann daraus nicht abgeleitet
werden. Darüber hinaus
begann die Distanzierung vom Nationalsozialismus für manche
bereits früher,
nicht zuletzt, als sich die militärischen Niederlagen häuften
und der „Endsieg“
in immer weitere Ferne rückte. Als gemeinsame Erfahrung einer
bestimmten
sozio-ökonomischen Schicht hatte die Entnazifizierung aber
sicherlich sinn- und
identitätsstiftende Wirkung. Wie die restlichen zwei Drittel
der Bevölkerung
die Vergangenheit verhandelten, muss jedoch ebenfalls
untersucht werden. Die
Entnazifizierung und ihre Effekte sollten dabei in einen
breiteren
gesellschaftlichen, kulturellen, sozio-politischen und
juristischen Kontext
gesetzt werden.
Das Verdienst dieser Studie liegt darin, den Fragebogen als
Instrument der
Erfassung, Wissensproduktion und Identitätsstiftung in den
Fokus zu rücken. Das
Thema Entnazifizierung ist also noch längst nicht
ausgeforscht. Die neueren Impulse
sind zu begrüßen; sie haben bereits jetzt zu einem besseren
Verständnis der
Entwicklungsgeschichte, der Durchführung und der Erfahrung der
Entnazifizierung
bei Besatzer:innen und Besetzten geführt. Wünschenswert wäre
eine umfassendere
Einbettung in die Geschichte und Nachgeschichte des
Nationalsozialismus sowie
in Studien zu „Volksgemeinschaft“, Täterschaft und
„Bystanding“.
Anmerkung:
[1] Siehe insbesondere Hanne
Leßau,
Entnazifizierungsgeschichten. Die Auseinandersetzung mit der
eigenen
NS-Vergangenheit in der frühen Nachkriegszeit, Göttingen 2020;
vgl. dazu meine
Rezension, in: H-Soz-Kult, 07.12.2020, https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-29575
(04.11.2023).
Zitation
Stefanie Rauch, Rezension zu: Dack, Mikkel: Everyday
Denazification in
Postwar Germany. The Fragebogen and Political Screening
during the Allied
Occupation. Cambridge 2023 , ISBN 978-1-009-21633-3, In:
H-Soz-Kult,
14.11.2023, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-135835>.