Führung über den jüdischen Friedhof Ottweiler
Klaus Burr und Hans-Joachim Hoffmann laden in Kooperation mit der
KVHS Ottweiler am Samstag, den 07.10.2017, 15.00 Uhr zum
Besuch ihrer letzten Führung 2017 über den Jüdischen Friedhof ein.
Der deutsch-jüdische Schriftsteller Heinrich Heine (1797-1856),
der Deutschland auf Grund seiner liberalen politischen Einstellung
verlassen und sein Leben im Exil in Paris verbringen musste,
deutete in seinen „Reisebilder(n), Dritter Teil: Italien 1828,
Reise von München nach Genua, Kap. XXX“ die Bedeutung von
Friedhöfen an:
„Ist das Leben des Individuums nicht vielleicht eben so viel wert
wie das des ganzen Geschlechtes? Denn jeder einzelne Mensch ist
schon eine Welt, die mit ihm geboren wird und mit ihm stirbt,
unter jedem Grabstein liegt eine Weltgeschichte.“
Mit der Feststellung: „unter jedem Grabstein liegt eine
Weltgeschichte“ behauptet Heine zumindest andeutungsweise, dass
das Leben jedes Einzelnen von weltgeschichtlichen Ereignissen
berührt, wenn nicht entscheidend beeinflusst und grundlegend
verändert wird. Diese Einwirkung weltgeschichtlicher Ereignisse
auf das Leben der BürgerInnen Ottweilers lässt sich am Beispiel
des jüdischen Friedhofs veranschaulichen. Dazu einige Beispiele:
Betritt man den Jüdischen Friedhof, so stellt man auf der rechten
und linken Seite zunächst unbelegte Felder fest. Eine Skizze,
erhalten in den Unterlagen des Friedhofsamtes der Stadt Ottweiler,
liefert die Erklärung: Diese Fläche trennte die Stadt Ottweiler
1944 ab für die sog. „Ostarbeiter“, d.h. für in Ottweiler
verstorbene Zwangsarbeiter. Die Eltern der hier bestatteten
osteuropäischen (russischen) Zwangsarbeiter konnten bei der Geburt
ihrer Kinder nicht ahnen, dass ihre Kinder durch die Eroberung
Russlands verschleppt und in der Fremde ihr Leben lassen würden.
„Weltgeschichte“ griff in ihr alltägliches Dasein ein und
veränderte es grundlegend. Ein vergleichbares Schicksal erlitten
die Vertriebenen der deutschen Ostgebiete während des Vorrückens
der russischen Armee.
Die letzten Bestattungen von Mitgliedern der jüdischen Gemeinde
Ottweilers fanden 1935 statt: Am 23.01.1935 geleitete die jüdische
Trauergemeinde Julius Michels in das „Haus des Lebens“; am
08.05.1935 nahmen Lilly Sender, geb. Salomon und am 25.05.1935
(Maxi-)Milian Salm Wohnung im „Haus der Ewigkeit“. Diese letzten
Beisetzungen auf dem jüdischen Friedhof Ottweilers begründen sich
ebenfalls in politischen Entwicklungen, die die Welt veränderten.
In (fast) ganz Europa gewann der Faschismus immer mehr an Boden,
in Deutschland durch die Machtergreifung des Nationalsozialismus
1933 und Ernennung Hitlers zum Reichskanzler. Die Rückgliederung
des Saargebietes 1935 bedeutete auch den Anschluss unserer Region
an das nationalsozialistische Deutschland. Die im September 1935
erlassenen „Nürnberger Gesetze“ beschnitten die Rechte der
jüdischen Bevölkerung entscheidend. In richtiger Einschätzung der
drohenden Gefahr emigrierten einige jüdische BewohnerInnen
Ottweiler rechtzeitig und entgingen dadurch der Verfolgung und
Deportation im Zuge der „Aktion Bürckel“ 1940. Die nationale und
internationale Entwicklung führte letztendlich zur Ausrottung der
jüdischen Gemeinde Ottweilers.
Das über viele europäische Staaten verstreut lebende Judentum
besaß jedoch unabhängig von Raum und Zeit ein einigendes Band: das
„Haus der Ewigkeit“, den überall auf Dauer, d.h. ohne zeitliche
Begrenzung angelegten jüdischen Friedhof. Die Grabmale vermitteln
mit ihren Inschriften und Symbolen Wertvorstellungen des
Judentums. Diesem Aspekt widmet sich die letzte Führung im Jahr
2017 in besonderem Maße.
Hans-Joachim Hoffmann skizziert zu Beginn, wie es zu den Führungen
über den jüdischen Friedhof gekommen ist und wie die jüdische
Gemeinde Ottweilers entstand und sich entwickelte. Anschließend
referiert Klaus Burr über den Begräbnisritus des Judentums. Den
anschließenden Rundgang zu einzelnen Grabmalen nehmen die
Referenten zum Anlass, Grabinschriften und Symbole zu erläutern.
Dabei stellen sie das Symbol der „Segnenden Hände“ in den
Mittelpunkt ihrer Ausführungen. Zum Abschluss besteht die
Möglichkeit, ungezwungen den Friedhof zu besichtigen, um evtl.
weitere Fragen an die Referenten zu richten.
Zur Aufarbeitung der NS-Zeit und zur Erinnerung an die letzten
jüdischen Bewohner Ottweilers verfasste Hans-Joachim Hoffmann die
Dokumentation „Seid vorsichtig mit der Obrigkeit...! Beitrag zur
Erinnerungskultur und Lokalgeschichte Ottweilers“. Dieses 405
Seiten umfassende Buch (ISBN 978-3-946313-01-4) kann zum Preis von
€ 19.80 erworben werden bei:
Archäologie - Büro & Verlag - Glansdorp, Kantstraße 32, 66636
Tholey
Hans-Joachim Hoffmann, Adolf-Kolping-Weg 7, 66564 Ottweiler
(06824-7990)
Sparkasse Neunkirchen, Filiale Wilhelm-Heinrich-Straße, 66564
Ottweiler
Presse-Shop Ottweiler, Inhaberin Hannelore Henn,
Wilhelm-Heinrich-Straße 13, 66564 Ottweiler.
Die Führung über den jüdischen Friedhof Ottweiler erfolgt in
Kooperation mit der KVHS Neunkirchen. Aus organisatorischen
Gründen bittet die KVHS um vorherige Anmeldung. Eine Teilnahme ist
jedoch auch ohne Anmeldung bei der KVHS möglich.
Klaus Burr und Hans-Joachim Hoffmann sowie die KVHS freuen sich
auf Ihren Besuch.
Termin: Samstag, 07.10.2017
Uhrzeit: 15.00 Uhr
Treffpunkt: Aufgang zum Friedhof in der Straße
Maria-Juchacz-Ring (aus Richtung Schwimmbad kommend: Kreuzung
Karl-Marx-Straße/Maria-Juchacz-Ring: rechts abbiegen - nach ca.
80 m linker Hand Aufgang zum Friedhof) Dauer: ca. 1 ½ Stunde
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