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2016/07/04 16:42:59
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Der heilige Martin – ein e uropäischer Heiliger und das Bistum Trier
Datum 2016/07/06 09:10:47
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Neues Archiv in Alsweiler im Entstehen
2016/07/06 19:05:37
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Das Rathaus am Dom (in St. Wendel)
Betreff 2016/07/04 16:42:59
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Der heilige Martin – ein e uropäischer Heiliger und das Bistum Trier
2016/07/04 16:42:59
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Der heilige Martin – ein e uropäischer Heiliger und das Bistum Trier
Autor 2016/07/06 09:10:47
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Neues Archiv in Alsweiler im Entstehen

[Regionalforum-Saar] Das Subjekt des Fußballs.

Date: 2016/07/04 22:27:49
From: Roland Geiger <alsfassen(a)...

Eiben, Jörn: Das Subjekt des Fußballs. Eine Geschichte bewegter Körper
im Kaiserreich (= Praktiken der Subjektivierung 6). Bielefeld:
Transcript - Verlag für Kommunikation, Kultur und soziale Praxis 2015.
ISBN 978-3-8376-3237-8; 320 S.; EUR 39,99.

Rezensiert für H-Soz-Kult von:
Nils Havemann, Historisches Institut, Universität Stuttgart
E-Mail: diachroner Ebene" zu erzählen (S. 12). Vielmehr nähert er sich dem
Gegenstand diskursanalytisch. Dabei geht er davon aus, dass das Spiel
mit dem runden Leder in seinen Anfängen in Deutschland auf zahlreiche
gesellschaftliche Widerstände stieß, bevor es sich als ein breites
Kulturphänomen etablieren konnte. In diesem Zusammenhang interessiert
ihn vor allem, wie "die Akzeptabilität des Fußballs zeitgenössisch
ausgehandelt" und wie "das Individuum in diesen Aushandlungsprozessen in
welche Verhältnisse zum Fußballspiel gesetzt" wurde (S. 12).

Eiben macht es sich bei seinem Vorhaben nicht leicht. Er zieht nicht
einfach zeitgenössische Publikationen heran, um sie unbedarft auf seine
leitende Fragestellung hin zu untersuchen. Vielmehr setzt er seine
Untersuchung gleich in mehrfacher Hinsicht auf ein anspruchsvolles
theoretisches Fundament. Zunächst definiert er den "Problemhorizont",
der anhand des Fußballs ausgeleuchtet werden soll und sich während des
Untersuchungszeitraums aus den sich überlagernden Bereichen
"Nationalismus" und "Moderne" zusammengesetzt habe. In Abgrenzung zu
anderen Arbeiten begründet er die Notwendigkeit, Aspekte wie Körper und
Geschlecht in den Mittelpunkt zu stellen und die "über den Fußball
aufgerufenen Körperlichkeiten und Imaginationshorizonte sowie deren
Beziehungen zu zeitgenössischen Rezeptionen der Gegenwart"
herauszuarbeiten (S. 18). Bei der Beschreibung seiner Vorgehensweise
stützt er sich unter anderem auf Arbeiten von Bourdieu und Foucault, die
ihm dabei helfen sollen, "die diskursive Formation einzugrenzen, in die
sich die Diskursivierung des Fußballs einschrieb" (S. 23). Und
schließlich ordnet er noch den "Fußballer als Subjekt des Fußballs"
theoretisch ein, indem er betont, dass es sich dabei nicht um das
Individuum handele, sondern angesichts der Öffentlichkeit der Spiele
sowohl um den "Ort", an dem Spieler als solche wahrgenommen wurden, als
auch um den "Ort", an dem sie sich selbst als solche wahrnahmen (S.
27).

Auch der Hauptteil der Untersuchung ist durchsetzt mit theoretischen und
methodischen Überlegungen. Dabei benennt Eiben drei Bereiche, in denen
die "Akzeptabilitätsbedingungen des Fußballs" ausgehandelt wurden:
Gesundheit, Männlichkeit und Militärtauglichkeit, wobei er dieses
"Klassifikationsraster" auf allen drei Achsen für "relativ eigenlogisch"
hält (S. 63). Mithilfe seines "Klassifikationsrasters" legt er dar, dass
vornehmlich "bürgerliche Männer" durch die Unterscheidung von guten und
schlechten Körpern den gesellschaftlichen Wert des Fußballs argumentativ
zu heben versuchten. Die Gegner des Spiels unterstrichen hingegen seine
Gefährlichkeit, wobei sie kritisierten, dass hauptsächlich der untere
Körperbereich benutzt werde, was früher oder später zu einer
physisch-psychischen Degeneration führe. Seine Befürworter erhöhten die
Akzeptanz des Fußballs vor allem durch die Behauptung, dass er im
Gegensatz zum Turnen männliche Ideale wie Mut und Selbstbeherrschung
fördere, weil es für den Spieler gelte, die Angst vor schmerzhaftem
Körperkontakt zu überwinden. Mit diesen Eigenschaften wurden Fußballer
"mutlosen, effeminierten, körperlich zurückgebliebenen und sexuell
potenziell anormalen Jungen" gegenübergestellt (S. 184). Ein weiterer
Diskursstrang bildete die militärische Eignung des Spiels, das den
Sportler "im Spannungsverhältnis von Ordnung und Unterordnung zu
flexiblen Soldaten" forme (S. 213). Und schließlich war das Spiel ein
Thema, bei dem das Verhältnis zwischen dem Einzelnen und der
Gemeinschaft ausgehandelt werden konnte. Die bestimmende Bezugsgröße für
das Kollektiv stellte die Nation dar: Unter anderem über die Forderung,
durch das Spiel einen Teil zur Regeneration des auch kulturell
gefährdeten "Volkskörpers" beizutragen, schaffte es den Bezug zur
damaligen Gegenwart und erhöhte dadurch seine Akzeptanz (S. 261).

Stärken und Schwächen der Studie resultieren aus dem umfangreichen
theoretischen Rüstzeug, das Eiben in den Kapiteln seines Buches
ausbreitet. Zwar sind viele Texte und Körperbilder, die er analysiert,
bereits bekannt, und auch die Erkenntnis, dass in den damaligen
Diskursen über Fußball militärische, nationalistische und
volksgesundheitlich-hygienische Konzepte ebenso wie bestimmte
Vorstellungen von Männlichkeit eine große Rolle spielten, ist nicht neu.
Doch durch die Anwendung seiner Theorien erreicht er bisweilen eine
interpretatorische Tiefe, die zu interessanten Befunden führt. Als
Beispiel dafür sei die Feststellung genannt, dass mit Ausbruch der
militärischen Auseinandersetzungen im Jahr 1914 das herrschende Bild vom
Fußball als Krieg verkehrt wurde, indem einige Autoren den Krieg nun zum
"Analogon des Fußballs" stilisierten (S. 214). Die hohe Theorielast
verleitet aber zu einer Sprache, durch die selbst der Leser, der mit der
Materie vertraut ist, Schwierigkeiten hat, dem Autor immer zu folgen.
Sicherlich gehört die Anwendung von Fachvokabular zum kleinen Einmaleins
des wissenschaftlichen Arbeitens. Ob es aber ein Ausweis von hoher
Wissenschaftlichkeit und gedanklicher Schärfe ist, wenn den oft schon im
Original verquast formulierten Theorien weitere verquaste Konstruktionen
und imponierende Wendungen wie "eingefaltete Konturierung des
Fußballers" (S. 18), "assanierende Interventionen" (S. 37) oder
"zellular-organische Dependenz" (S. 55) hinzugefügt werden, sei einmal
dahin gestellt.

Mag die Sprache eine Frage des Geschmacks sein, so ist der zweite
Einwand nicht so einfach zu übergehen. Arbeiten, die sich stark auf
Theorien stützen, laufen Gefahr, die Offenheit der eigenen Forschung
extrem einzuengen, das Ergebnis vorherzubestimmen und damit das
"Vetorecht der Quellen" auszuhebeln. Dies ist auch in der vorliegenden
Studie der Fall: Es besteht kein Zweifel daran, dass Eiben mit seinem
"Klassifikationsraster" Gesundheit, Männlichkeit und Militärtauglichkeit
drei wichtige Bereiche ausgesucht hat, mit denen eine erste analytische
Schneise durch die damaligen Diskurse geschlagen werden kann. Aber wer
nur wenige Fußballpublikationen aus der damaligen Zeit durchblättert,
wird rasch erkennen, dass das "Klassifikationsraster" - selbst wenn man
sich auf eine "Geschichte bewegter Körper" beschränken will - durch
zahlreiche andere, teilweise sogar gegensätzliche Linien wie zum
Beispiel Völkerverständigung, lokale und regionale Identifikationen oder
soziale Schichtung erweitert werden könnte. So erweisen sich die
Theorien, mit denen sich Eiben durch das Dickicht an gedruckten Quellen
bewegt, als unhandliche Krücken, die ihn daran hindern, bei der
Interpretation auch zu unentdecktem Terrain vorzustoßen. Entstanden ist
ein schematisches Bild von der damaligen Diskurslandschaft, das die
gewählten Aspekte gut durchdringt, aber die Lebhaftigkeit,
Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit, mit der damals über Fußball
geschrieben und gesprochen wurde, nicht zu erfassen vermag.

Anmerkung:
[1] Genannt seien Peter Tauber, Vom Schützengraben auf den grünen Rasen.
Der Erste Weltkrieg und die Entwicklung des Sports in Deutschland,
Münster 2008; Heiner Gillmeister, Jüdische Fußball- und Olympiapioniere
an der Wende des 20. Jahrhunderts, in: Ellen Bertke/Heike Kuhn/Karl
Lennarz (Red.), Olympisch bewegt. Festschrift zum 60. Geburtstag von
Prof. Dr. Manfred Lämmer, Köln 2003, S. 85-98; Jürgen Court, Deutsche
Sportwissenschaft in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus.
Band 1: Die Vorgeschichte 1900-1918, Münster 2008.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Jörg Neuheiser