Suche Sortierung nach Monatsdigest
2015/11/30 13:41:53
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Ruhe und Frieden
Datum

2015/11/08 21:47:16
Rolgeiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Großeinsatz der Polizei in Köln
Betreff 2015/11/25 00:05:56
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Jahresband 2015 der ASF erschienen
2015/11/30 13:41:53
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Ruhe und Frieden
Autor 2015/11/01 18:07:35
Rolgeiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Klassiker im Degener-Verlag erschienen

[Regionalforum-Saar] Hirten, Bauern, Götter. Eine Geschichte der römischen Landwirtschaft.

Date: 2015/11/30 13:44:55
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...

Tietz, Werner: Hirten, Bauern, Götter. Eine Geschichte der römischen
Landwirtschaft. München: C.H. Beck Verlag 2015. ISBN 978-3-406-68233-9;
370 S., 28 Abb., 2 Karten; EUR 29,95.

Rezensiert für H-Soz-Kult von:
Josephine Blei, Institut für Alte Geschichte, Universität Passau
E-Mail: <josephine.blei(a)...

Im Gegensatz zu zahlreichen Detailstudien sind allgemeine und umfassende
Überblickswerke zur Landwirtschaft in der römischen Antike noch immer
rar gesät, obwohl die Bedeutung der römischen Agrarwirtschaft für die
Gesamtwirtschaft und für sozialpolitische Entwicklungen lange erkannt
ist und spätestens seit dem 21. Jahrhundert auch nicht mehr in ihrer
Leistungs- und Innovationsfähigkeit unterschätzt wird. Als einschlägiges
Hand- bzw. Studienbuch muss immer noch die Römische Agrargeschichte von
Dieter Flach herangezogen werden [1], die allerdings den Anspruch einer
Gesamtgeschichte der Landwirtschaft des Römischen Reiches wegen ihres
Schwerpunkts auf der Landwirtschaft im römischen Italien und Africa nur
im Ansatz erfüllt. Eine tatsächliche und aktuelle Gesamtdarstellung, die
nicht als Teil einer allgemeinen Wirtschaftsgeschichte auftaucht oder
nur einzelne Aspekte der römischen Agrarökonomie berücksichtigt, ist
also ein echtes Desiderat.

Seine Geschichte der römischen Landwirtschaft stellt Werner Tietz in
einem detailreichen und quellennahen Überblick in chronologischer
Ordnung in acht Kapiteln dar. Ausgehend von der Sesshaftwerdung im
italischen Raum, über die Entwicklung des italischen Kleinbauerntums,
die Ausprägung der Villen- und Latifundienwirtschaft seit den Punischen
Kriegen und die staatlichen Wirtschaftsformen der Kaiserzeit führt Tietz
den Bogen bis zur Transformation der Agrarwirtschaft in der Spätantike.
Anders als die letzte deutschsprachige Monographie zur römischen
Landwirtschaft von Ursula Heimberg [2], die sich ausschließlich mit dem
Rheinland beschäftigt, konzentriert sich Tietz dabei im Wesentlichen auf
Italien, räumt aber auch der Entwicklung in den gallisch-germanischen
Provinzen sowie in Kleinasien kontrastierenden Platz ein. Weniger ein
wirtschaftshistorischer, sondern eher ein kulturhistorischer Ansatz
eröffnet dabei den Blick auf die alltägliche Situation der Akteure des
römischen Agrarsektors, wie auch der Titel "Hirten, Bauern, Götter"
nahelegt. Bauern und ihre Familien, Gutsbesitzer und Pächter, Verwalter
und Sklaven - und damit deren Alltag im sich stets wiederholenden
Landwirtschaftsjahr - stehen im Mittelpunkt. Die im Titel eigens
herausgestellten Hirten und Götter nehmen allerdings nicht den Raum ein,
der impliziert wird. Die jeweiligen Kapitel (S. 134-145 u. 166-172)
haben höchstens ergänzenden Charakter und behandeln das Thema keineswegs
ausschöpfend.

Um die Lebenssituation seiner Akteure nachzuzeichnen, schöpft Tietz aus
dem reichhaltigen und doch auch problematischen Quellenmaterial; alle
Textstellen wurden eigens für das Buch neu übersetzt. Besonders die
Agrarschriftsteller, in hohem Maße aber auch bukolische Dichtung und
Prosa zieht Tietz als Gewähr für seine Ausführungen zum Alltagsleben auf
dem Land heran. In der Einleitung spricht Tietz explizit die Bedeutung
epigraphischer und archäologischer Zeugnisse und die Möglichkeiten
archäometrischer Untersuchungen an; gerade letztere kommen aber manchmal
zu kurz, vor allem bei den quantitativen Überlegungen, die Tietz immer
wieder bietet. So widmet er den Weizenerträgen eines auf Subsistenz
ausgerichteten Kleinbetriebs ausführliche und überzeugende Berechnungen
(S. 154-157 u. 162-165); seine theoretischen Überlegungen werden jedoch
nicht durch vorhandene empirische - etwa experimentalarchäologische -
Ansätze und Studien bereichert.[3] Einfache praktische Erfahrungswerte
scheinen nicht immer berücksichtigt worden zu sein: So werden sich wohl
die wenigsten Kleingartenbesitzer der Behauptung, der am Haus gelegene
Garten könne ohne viel Zeitaufwand intensiv bewirtschaftet werden (S.
151), anschließen können. Tietz selbst widerspricht dieser Aussage an
anderer Stelle (S. 247).

Bis auf recht häufige quantitative Exkurse - wie die Berechnung der oben
genannten Weizenerträge, Überlegungen zur Größe der Weinbauflächen der
Villa von Boscoreale (S. 222f.) oder die Kalkulation zur Investition in
Sklaven oder Tagelöhner (S. 290f.) - hat die Darstellung hauptsächlich
qualitativen Charakter. Mit detailgenauer Akribie zeichnet Tietz das
Leben der römischen Bauern nach, widmet sich eingehend und mit
Sachverstand der Flora und Fauna sowie der ländlichen, sozialen und
ökonomischen Umwelt. Die Erzählperspektive berücksichtigt stark die
Sicht der ländlichen Akteure und versetzt so den Leser in den Alltag,
das Zusammenleben, die Erfordernisse und Bedürfnisse, die Freuden und
Nöte der Protagonisten. Trotz dieser narrativen, manchmal etwas
romantisierend wirkenden Nähe gelingt es Tietz, die Entwicklung der
römischen Landwirtschaft vor dem Hintergrund der politischen und
administrativen Strukturen der Republik und der frühen und mittleren
Kaiserzeit nachzuvollziehen und die jeweiligen Wechselwirkungen
herauszustellen. Hierbei führt der chronologische Aufbau und die
Einzelbetrachtung verschiedener landwirtschaftlicher Erwerbszweige zu
zahlreichen Wiederholungen auch einfachster Zusammenhänge; unerklärt
erscheinen zwei ganz verschiedene Übersetzungen derselben Stelle des
pseudovergilischen Moretum (S. 152 u. 174).

Abgerundet wird die Darstellung durch insgesamt 30 in den Text
eingebundene Abbildungen und Karten sowie einen ausführlichen Anhang,
der neben einem Verzeichnis ausgewählter Literatur eine Liste der im
Text verwendeten antiken Maßeinheiten, ein Verzeichnis aller zitierten
schriftlichen Quellen sowie ein im Wesentlichen deutschsprachige, aber
auch einige lateinische Begriffe enthaltendes Register zu Flora und
Fauna bietet. Die Hinweise zu weiterführender Literatur fallen recht
selektiv aus. So ist es irritierend, dass im Punkt "Allgemeine
Literatur" das bereits erwähnte Handbuch von Dieter Flach fehlt, dafür
aber eine ganze Reihe von Untersuchungen aufgelistet ist, die man eher
als Spezialstudien bezeichnen würde.[4]

Bei der hier geäußerten Kritik bleibt freilich zu berücksichtigen, dass
die Darstellung - ganz in der Tradition des Beck-Verlages - sich nicht
an ein enges fachwissenschaftliches Publikum, sondern an eine breite
Leserschaft richtet. Und so wird das Buch mit seiner gut lesbaren
Narrative und seiner Detailverliebtheit unbedingt dem im Klappentext
geäußerten Anspruch gerecht, die antike Welt verständlich zu machen; es
bietet nicht nur einen allgemein nachvollziehbaren und umfassenden
Überblick zur Geschichte der römischen Landwirtschaft, sondern auch ein
kurzweiliges Lesevergnügen für den schon vorgebildeten Leser.


Anmerkungen:
[1] Dieter Flach, Römische Agrargeschichte (Handbuch der
Altertumswissenschaft 3,9), München 1990.
[2] Ursula Heimberg, Villa rustica. Leben und Arbeiten auf römischen
Landgütern, Darmstadt 2011.
[3] Zwar nicht auf die italische Landwirtschaft bezogen, aber durchaus
einen Vergleich wert: Felix Lang, Ernteerträge nördlich der Alpen in
römischer Zeit. Überlegungen zur Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft
und zu den Auswirkungen des Butser Ancient Farm Project, in:
Archäologisches Korrespondenzblatt 39 (2009), S. 393-407.
[4] Außerdem nicht genannt sind etwa Peter Herz / Gerhard Waldherr
(Hrsg.), Landwirtschaft im Imperium Romanum (= Pharos 14), St.
Katharinen 2001 oder Karl-Wilhelm Weeber, Alltag im Alten Rom. Das
Landleben. Ein Lexikon, Düsseldorf 2000.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Udo Hartmann <hartmannu(a)...

URL zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2015-4-149>

------------------------------------------------------------------------
Copyright (c) 2015 by H-Net, Clio-online, and the author, all rights
reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial,
educational purposes, if permission is granted by the author and usage
right holders. For permission please contact H-SOZ-U-KULT(a)...