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2014/02/16 18:27:55
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Tag der Geschichte an der Uni SB
Datum 2014/02/16 20:13:41
Hans-Joachim Hoffmann
[Regionalforum-Saar] Stolperstein-Verlegung in Ottweiler
2014/02/16 20:13:41
Hans-Joachim Hoffmann
[Regionalforum-Saar] Stolperstein-Verlegung in Ottweiler
Betreff 2014/02/26 08:54:54
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[Regionalforum-Saar] Tag der Archive
2014/02/16 18:27:55
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[Regionalforum-Saar] Tag der Geschichte an der Uni SB
Autor 2014/02/17 08:31:17
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[Regionalforum-Saar] Über die Archäologentage Otzenhausen

[Regionalforum-Saar] Stolpersteine wider das Vergessen

Date: 2014/02/16 18:29:35
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 heute in der SZ:
 

Stolpersteine wider das menschliche Vergessen

In 17 saarländischen Gemeinden wird der Opfer der NS-Diktatur mit in den Boden versenkten Erinnerungsplaketten gedacht

Von SZ-Mitarbeiter Peter Lempert

Am Montag, dem 19. November 2007, war es so weit. Denn genau an diesem Tag wurden in Illingen die ersten fünf Stolpersteine im Saarland verlegt: dem letzten Bundesland, in dem bis dahin der Kölner Künstler Gunter Demnig noch keine seiner berühmten würfelförmigen Betonsteine mit Messingplatten-Oberseite in die Trottoirs eingelassen hatte. Mit dem Projekt wird bereits seit 1995 die Erinnerung an die Opfer der Nazi-Willkür-Herrschaft lebendig gehalten. Demnigs Motto lautet: „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“ Wobei natürlich vor allem der Vertreibung und Vernichtung der Juden gedacht werden soll, aber auch das schlimme Schicksal der Sinti und Roma, Homosexuellen, der Zeugen Jehovas, der Euthanasie-Betroffenen sowie antifaschistischer Oppositioneller dem Vergessen entrissen werden soll.

„Hier wohnte...“

In der Regel werden die Steine genau dort in die Bürgersteige vor einem Haus eingefügt, wo das jeweilige Opfer seinen letzten selbst gewählten Wohnort hatte. Weshalb die Inschrift auf der Plakette mit dem Wortlaut beginnt: „Hier wohnte…“ Wer den Text lesen möchte, muss sich zwangsläufig bücken oder verbeugen, was durchaus als symbolische Geste des Mitgefühls oder auch der Solidarität mit dem Opfer verstanden werden sollte.

Illingen bildete natürlich nur den Auftakt in unserer Region. Inzwischen findet man die Pflastersteinen ähnelnden Betonquader (Breite 96, Tiefe 96, Höhe 100 Millimeter), die im Unterschied zu anderen Denkmälern der nationalsozialistischen Diktatur nicht an ganze betroffene Bevölkerungsgruppen, sondern an einzelne, individuelle Personen erinnern, in 17 Saar-Gemeinden: Blieskastel (Blieskastel und Niederwürzbach), Dillingen, Gersheim (Gersheim und Niedergailbach), Illingen, Kleinblittersdorf (Rilchingen-Hanweiler), Lebach (Lebach und Niedersaubach), Losheim am See (Losheim), Merzig, Neunkirchen (Wiebelskirchen), Nohfelden (Bosen, Gonnesweiler und Sötern), Rehlingen-Siersburg (Rehlingen, Siersburg, Hemmersdorf und Niedaltdorf), Saarbrücken (St. Johann – 32 an der Zahl), Saarlouis (Innenstadt und Lisdorf), Saarwellingen (Saarwellingen), Schmelz (Bettingen und Hüttersdorf), St. Wendel (St. Wendel) und Völklingen (Völklingen, Ludweiler, Wehrden und Luisenthal). Ende offen, da bereits weitere Verlegungen geplant sind. Insgesamt hat es Gunter Demnig inzwischen auf mehr rund 43 500 Stolpersteine in knapp 1000 Orten in 15 europäischen Ländern gebracht. Für sein ambitioniertes Projekt wurde er unter anderem im Jahr 2012 mit dem Marion-Dönhoff-Förderpreis für internationale Verständigung und Versöhnung sowie dem Erich-Kästner-Preis ausgezeichnet.

Selbstverständlich wird niemand über die Steine wortwörtlich stolpern. Denn die aus handgeschöpftem Beton gegossenen Quader werden bündig in die Oberfläche der Gehwege eingefügt. Die Inschrift, die mittels Hammer und Schlagbuchstaben in die Metallplatte eingestanzt wird, informiert nach der Anfangszeile („Hier wohnte…“, alternativ „Hier lebte…“ oder „Hier arbeitete…) zunächst über den Namen und das Geburtsjahr der betreffenden Person. Es folgen Angaben zum Datum der Verhaftung, Flucht oder Deportation sowie über Internierungs-, Konzentrations- oder Vernichtungslager, Todesdatum und Todesumstände.

Die Kosten für einen Stolperstein liegen bei 120 Euro. Die Herstellung der Steine hat Demnig größtenteils dem befreundeten Berliner Künstler Michael Friedrichs-Friedlaender übertragen, während er von seinem Büro in Köln aus die Fäden und die Koordination des Projekts straff in Händen hält. Jeder kann die Patenschaft für ein solches Erinnerungsprojekt übernehmen. Im Saarland sind diesbezüglich neben engagierten Privatpersonen besonders das Adolf-Bender-Zentrum und die Arbeiterwohlfahrt sehr aktiv, wobei das Adolf-Bender-Zentrum Stiftern und Initiativgruppen wie Schulklassen oder Vereinen auch seine Hilfe bei der oft schwierigen Recherche zum genauen Schicksal einzelner Opfer anbietet.

Geschenk für die Gemeinde

Denn diese Daten müssen vorab geklärt werden, bevor ein Auftragantrag beim Atelier Demnig eingereicht werden kann. Früher erledigte Gunter Demnig diese Arbeit noch selbst, aber angesichts der großen Masse von erwünschten Gedenksteinen – bis zu 100 Stück pro Woche – ist dies inzwischen nicht mehr möglich. Allerdings muss vorab auch noch die jeweilige Gemeinde die Verlegung absegnen. Wenn das geschehen ist, schreitet Demnig, meist im Rahmen einer kleinen Feier, zum künstlerischen Akt. Die Stolpersteine werden offiziell der Gemeinde als Geschenk übergeben und damit in öffentlichen Besitz überführt. Im Idealfall werden durch die Stolpersteine weitere Recherchen zu den der Vergessenheit entrissenen Personen angeregt.

Die Stadt München hat sich übrigens in Sachen Stolpersteinen einen unrühmlichen Ruf erworben. Denn der dortige Stadtrat untersagte deren Verlegung im Juni 2004 unter anderem mit der Begründung, dass die Steine „im Straßenschmutz“ als herabsetzend empfunden werden könnten. Die „Initiative für Stolpersteine in München“ hat seitdem mehr als 200 fertige Steine in einem Depot eingelagert. Jüngst wurde als Übergangslösung (neben auf Privatgrund verlegten Plaketten) eine kostenlose Handy-Anwendung gestartet, mit der quasi als virtueller Stolperstein der Münchner NS-Opfer gedacht werden kann.

Die Stadt München hatte beim Veto gegen die Stolpersteine ausdrücklich Bezug auf die Kritik von Charlotte Knobloch, der ehemaligen Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, genommen. Diese hatte es als „unerträglich“ bezeichnet, dass mit Füßen auf Tafeln mit den Namen ermordeter Juden „herumgetreten“ werden könnte. Allerdings ist Knoblochs Standpunkt selbst in ihrer Organisation nicht unumstritten. Die Meinungen zu Demnigs Erinnerungsprojekt schwanken allgemein zwischen Zustimmung und Ablehnung. Foto: dpa

Auf einen Blick

In Saarbrücken gibt es eine Route der Erinnerung mit diversen Stolperstein-Standorten: Salomon Blum (Ursulinenstraße 24), Ida Blum (Ursulinenstraße 24), Heinz Henry Bonem (Nauwieserplatz 11-13), Lotte Bonem (Nauwieserplatz 11-13), Leo Cahn (Am Staden 30), Dilla Cahn (Riottestraße 14), Moritz Jakob Davidson (Großherzog-Friedrich-Straße 61), Wanda Davidson (Großherzog-Friedrich-Straße 61), Egon Otto Davidson (Großherzog-Friedrich-Straße 61), Vales Guenter Davidson (Großherzog-Friedrich-Straße 61), Fritz Dobisch (Rathausplatz 1), Herbert Fürst (Lortzingstraße 18), Olga Fürst (Lortzingstraße 18), Max Hanau (Karcherstraße 17), Sophronie Herz (Dudweiler Straße 26-30), Max Heymann (Karcherstraße 11), Hilde Itzkowitz (Großherzog-Friedrich-Straße 12), Herta Kämpfer (Mainzer Straße 35), Evelyne Kämpfer (Mainzer Straße 35), Marion Kämpfer (Mainzer Straße 35), Georg Kämpfer (Mainzer Straße 35), Hugo Kahn (Graf-Johann-Straße 3), Paul Kahn (Graf-Johann-Straße 3), Edith Ilse Kahn (Graf-Johann-Straße 3), Emilie Kaiser (Rathausplatz 7), Johanna Kirchner (Bahnhofstraße 80), Paula Loeb (Rathausplatz 7), Ernst Peiser (Ursulinenstraße 24), Erna Peiser (Ursulinenstraße 24), Peter Roth (Rathausplatz 1), Wendel Schorr (Rathausplatz 1), Sally Strauss (Großherzog-Friedrich-Straße 12). red