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2013/09/27 14:57:35
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] vortrag über auswanderung n ach brasilien
Datum

2013/09/27 14:57:35
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] vortrag über auswanderung n ach brasilien
Betreff

2013/09/27 14:57:35
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] vortrag über auswanderung n ach brasilien
Autor 2013/09/09 18:25:28
Stephan Friedrich
[Regionalforum-Saar] Mühlen im Saarland - Hans-Wer ner Paulus

[Regionalforum-Saar] wie ein dorf 170 jahre älte r wird

Date: 2013/09/29 09:24:32
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gestern in der SZ:
 
 

Wie ein Dorf 170 Jahre älter wird

 

Ein Besuch im Hunsrück-Ort Gehlweiler, wo der jüngste „Heimat“-Kinofilm entstand

Nächste Woche kommt „Die andere Heimat – Chronik einer Sehnsucht“ ins Kino. Entstanden ist die Fortführung von Edgar Reitz' „Heimat“ in Gehlweiler im Hunsrück. Wir haben den Ort der Dreharbeiten besucht.

Von SZ-Redakteur Tobias Kessler

Gehlweiler. Es liegt noch Schnee. Zumindest ein bisschen, trotz 20 Grad Mittagswärme und freundlicher Sonne über dem Hunsrück. Der Schnee ist künstlich, körniges Styropor, das beharrlich in den Ritzen eines Schuppendachs klebt. Daneben steht ein Brunnen, der beim Dranklopfen hohl klingt. Hochheben lässt er sich auch – ein Filmrequisit aus Kunststoff. Ansonsten erinnert wenig daran, dass hier, im beschaulichen Gehlweiler mit weniger als 300 Einwohnern, eine halbe Stunde hinter Idar-Oberstein, ein Acht-Millionen-Euro-Film entstand: Im Sommer 2012 hat Edgar Reitz seiner „Heimat“-Saga hier eine neue Geschichte hinzugefügt. „Die andere Heimat – Chronik einer Sehnsucht“ kommt nächste Woche ins Kino und erzählt vom Hunsrück 1842/43, von Armut, Hungersnot und vom Auswandern nach Brasilien.

Wenn einem hier in Gehlweiler jemand besonders viel von den Dreharbeiten berichten kann, dann ist es Heribert Dämgen. Reitz' Großprojekt ist ein Teil seiner Heimat und seines Lebens. Im neuen Film sind Dämgens Enkel zu sehen, in der ersten „Heimat“, die 1982 zum Teil auch in Gehlweiler entstand, seine Kinder. „Die waren damals so klein wie meine Enkel heute“, sagt der 63-Jährige, früher Werkstattleiter bei Opel. In Dämgens Diele hängt ein großes Foto mit einer Widmung von Edgar Reitz, aufgenommen vor 31 Jahren bei den Dreharbeiten zum ersten Zyklus. Damals galt Dämgen als „der Mann mit den 1000 Gesichtern“, erzählt er und kramt im Wohnzimmerschrank nach Alben mit alten Fotos. „Ich wurde immer gebraucht, wenn jemand hinten durchs Bild gehen sollte. Mal mit Jacke, mal mit Mantel, mal mit Fahrrad.“

Heute ist „Heimat“ ein internationaler Klassiker. „Besonders Holländer kommen hierher, die die Filme sehr gut kennen“, sagt Dämgen, „auch viele Italiener“. Touristischer Mehrwert für den kleinen Ort. Trotzdem war nicht jeder entzückt, als Reitz Gehlweiler 2012 wieder in das fiktive Dorf Schabbach verwandeln wollte. Bei einer Bürgerversammlung sei es „nicht besonders höflich“ zugegangen, sagt Dämgen. Er vermutet, das habe weniger an den Einwohnern gelegen, die von den Dreharbeiten direkt betroffen waren und dafür entschädigt wurden, „sondern am Neid derer, die nichts davon haben“. Reitz jedenfalls habe sich „nicht willkommen gefühlt“ und seine Kulissen fernab von Gehlweiler an einem ehemaligen Flugplatz errichten wollen. Für den Regisseur aber nur die zweitbeste Lösung, denn er hatte etwas Besonderes vor: Reitz wollte kein Kulissendorf aus dem Boden stampfen, sondern über Häuser im Gehlweiler Ortskern alt wirkende Fassaden stülpen – „um die historisch gewachsene Stellung der Häuser zueinander zu zeigen, die Ecken und Kanten“, sagt Dämgen, „so etwas kann man ja nicht nachbauen“.

Ein detailliertes Modell des Ganzen überzeugte die Gemeinde dann doch, und die Ausstatter gingen an die Arbeit: mit Styropor-Fassaden in Stein- und Fachwerk-Optik. Hinter den Fassaden lebten die Menschen über Monate in ihren Häusern weiter – und mussten eben auch tagsüber das Licht anschalten. Den Boden der Hauptstraße, die für den Dreh ein halbes Jahr gesperrt war, schüttete man mit Lehm auf. Sozusagen eingesegnet wurde diese Kulisse auch: durch den Besuch des damaligen Landesvaters Kurt Beck.

Ein Segen für die Produktion war Heribert Dämgen: Hauptdarsteller Jan Dieter Schneider wohnte während der Dreharbeiten bei Dämgen unterm Dach und bekam so Lektionen im Hunsrücker Platt frei Haus; bei Dämgens Ehefrau lernte die Hauptdarstellerin Antonia Bill für ihre Rolle das Stricken. Und das Haus von Dämgens Mutter wurde zum zentralen Drehort des Films, mit Küche, Schlaf- und Studierzimmer. Ausstatter versetzten das Haus ins 18. Jahrhundert. Dämgen war fasziniert. „Früher hat mir das Haus nicht viel bedeutet, aber dann habe ich mich verliebt – ich lasse es jetzt genau so.“ Er will das Haus für „Heimat“-Fans begehbar machen, deren Eintrittsgeld willkommen wäre. Denn das Haus aus dem 17. Jahrhundert stehe unter Denkmalschutz, erzählt er, und die Zuschüsse zur teuren Instandhaltung seien minimal.

Fährt man mit Dämgen durchs Dorf die Hauptstraße hinunter, erinnert wenig an die Dreharbeiten: einige Schautafeln vor den Häusern, eine letzte Styropor-Fassade, der Brunnen. Als wollte Dämgen diese Zurückhaltung in Sachen Tourismus-PR ausgleichen, kontaktiert er Medien, wirbt für Gehlweiler, die Heimat seiner Familie seit Generationen. Während er im Haus seiner Mutter im ersten Stock historische Unterwäsche zeigt, sitzen im Erdgeschoss Kollegen von der „Rhein-Zeitung“ und kauen Nussecken, gebacken von Dämgens Frau.

Das Modell der Dorfkulissen hat der findige Dämgen der Filmproduktion abgeschwatzt und als Dauerleihgabe dem Hunsrück-Museum in Simmern gegeben, 17 Kilometer weiter; dort, wo Edgar Reitz zur Schule ging, beginnt an diesem Samstag eine Ausstellung zu „Heimat“, im Rahmenprogramm der Filmpremiere, bei der sogar „Heimat-Roggenbrot“ gereicht wird. In Reitz' Elternhaus in Morbach öffnet am 6. Oktober ein „Café Heimat“. Doch Morbach ist eine Dreiviertelstunde weit weg von Gehlweiler, wo sich Dämgen derweil um Aufmerksamkeit für den Film bemüht – und seinen Ort. Denn dort, das sagt er bei der Fahrt zurück von einer traumhaft gelegenen Mühle, die auch Drehort war, sei die Welt trotz des Naturidylls nicht so in Ordnung, wie es scheint: „Es gibt zu wenig Arbeit, um die jungen Menschen hier zu halten.“ Zwei Bauplätze neben seinem Haus – mit herrlichem Blick in die Weite – fänden kein Interesse. Der Wert von Häusern sinke, es sei ein Jammer. „Dabei ist es hier so schön.“ Damit das mehr Leute erfahren, wirbt Dämgen weiter für seine Heimat. Foto: tok

Hintergrund

1984 strahlt die ARD den ersten „Heimat“-Zyklus aus: Elf Filme, insgesamt 15 Stunden lang, schildern das Leben im Hunsrück ab dem Jahr 1919. „Die zweite Heimat“ (1992) erzählt in 13 Teilen von den Jahren zwischen 1960 und 1970. 2004 schildert „Heimat 3“ in sechs TV-Filmen die Zeit zwischen Mauerfall und Jahrtausendwende. 2007 läuft der Kinofilm „Heimat-Fragmente – Die Frauen“; nächste Woche startet „Die andere Heimat – Chronik einer Sehnsucht“ in den Kinos. tok