Suche Sortierung nach Monatsdigest
2011/05/18 00:19:35
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] 2500 Jahre
Datum 2011/05/23 22:02:20
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] eine frage der ehre
2011/05/09 22:54:50
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] reduzierte Viehzucht seit ü ber 150 Jahren
Betreff 2011/05/09 22:55:55
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Tag der offenen Tür im Bist umsarchiv Trier am Samstag, 28. Mai 2011
2011/05/18 00:19:35
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] 2500 Jahre
Autor 2011/05/23 22:02:20
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] eine frage der ehre

[Regionalforum-Saar] Rezension "Medienlandschaft Saar. von 1945 bis in die Gegenwart"

Date: 2011/05/22 21:23:33
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Zimmermann, Clemens; Hudemann, Rainer; Kuderna, Michael (Hrsg.):
Medienlandschaft Saar. von 1945 bis in die Gegenwart [3 BD.: Bd. 1
Medien zwischen Demokratisierung und Kontrolle (1945-1955); Bd. 2
Medienpolitik und mediale Strukturen (1955-2005); Bd. 3 Mediale Inhalte,
Programme und Region (1955-2005)]. München: Oldenbourg
Wissenschaftsverlag 2009. ISBN 978-3-486-59170-5; XVIII, 1529 S.; EUR
49,80.

Inhaltsverzeichnis:
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/media/beitraege/rezbuecher/toc_13857.pdf>

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Edgar Lersch, Institut für Medien, Kommunikation & Sport,
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
E-Mail: <edgar.lersch(a)... Herausgeber der ungewöhnlich opulenten Veröffentlichung, die einen
sehr eng umgrenzten Kommunikationsraum behandelt, bekunden in der
Gesamteinleitung, dass ein so "umfang- wie facettenreiches Werk über die
'Medienlandschaft Saar' seit 1945" sowohl "die großen Linien der
medialen Nachkriegsentwicklung" wie die sich "schon bei einem flüchtigen
Hinsehen" offenbarenden "spezifischen Ausprägungen und Abweichungen" (I,
S.1) abbilden solle. An dieser Maxime soll es im Folgenden gemessen und
eingeordnet werden. Ein detailliertes Eingehen auf die 1500-seitige
Darstellung, die sich in viele Einzelthemen verzweigt, ist nicht
möglich, wo doch bereits die unerlässliche Skizzierung des Inhalts fast
den vorgegebenen Rahmen zu sprengen droht.

Band eins präsentiert eine Gesamtdarstellung der Entwicklung von Presse
und Rundfunk im Kontext der französischen Besatzungsherrschaft seit 1945
bzw. der vorübergehenden engeren politischen sowie wirtschaftlichen
Anbindung des Saargebiets an Frankreich bis zur Abstimmung über das
Saarstatut und der Rückgliederung an die Bundesrepublik Deutschland, die
zum 1. Januar 1957 vollzogen wurde.

Die Bände zwei und drei beschäftigen sich mit der Mediengeschichte des
Saarlandes zwischen 1955 und 2005, in der dieses Bundesland wieder Teil
der Medienordnung und medialen Gesamtentwicklung Westdeutschlands war.
Behandelt werden die periodische Presse und der Rundfunk: Die Produktion
und/oder Distribution von Buch und Film kommen nicht vor, was das ganze
Unternehmen zum eigenen Nachteil auf ein publizistikwissenschaftliches
Medienkonzept einengt.

Der zweite Band analysiert zunächst allgemeine - saarlandbezogene -
medienpolitische und vor allem institutionen- bzw.
organisationsgeschichtliche Entwicklungen von Rundfunk und Presse -
Zeitschriften und Anzeigenblätter eingeschlossen. Im zweiten Teil folgen
Beiträge zur Binnen- und Außenkommunikation von "Saarländischem
Rundfunk" (SR) und "Saarbrücker Zeitung" (SZ). Letztere etablierte sich
spätestens ab den 1970er-Jahren als Monopolzeitung nach dem Ende der in
der 'Franzosenzeit' (1945-1955/56) bestehenden Vielfalt. Im Gesamtwerk
konzentriert sich die Pressegeschichte bzw. -analyse somit im
Wesentlichen auf die SZ. Eine Darstellung der Hörerforschung im SR und
ein dritter Teil mit Aufsätzen zu "Berufsorganisation und Berufsbilder"
schließen sich an.

Im dritte Band, "Mediale Inhalte, Programme und Region" überschrieben,
werden in drei Beiträgen Aspekte der Programmgeschichte des SR und in
sechs weiteren "Inhalte und Angebote in der Printpresse" behandelt.
Neben einer zwangsläufig allgemein gehaltenen Analyse des Wandels in der
"Berichterstattung" der SZ und einem Beitrag über die Veränderungen von
deren Visualisierungsstrategien widmen sich drei inhaltsanalytische
Studien merkwürdigerweise der Berichterstattung und Kommentierung der
Migrationsproblematik.[1] Im letzten Teil der Gesamtdarstellung geht es
um den spezifischen Umgang der Saarpresse bzw. des Rundfunks mit der
Region sowie um die Wahrnehmung und Kommentierung von "Neuen Sozialen
Bewegungen" durch die SZ. Alle drei Bände werden von den Herausgebern
eingeleitet, jeweils an deren Ende formulieren sie ein Resümee sowie am
Schluss des dritten Bandes ein "Gesamtresümee des Forschungsprojekts und
der Forschungsfragen" (III, S.529ff.).

Im Folgenden wird bei der Einschätzung des Projekts bzw. der Publikation
zwischen dem ersten und den beiden nachfolgenden Bänden unterschieden.
Die im ersten Band ganz auf die französische Phase konzentrierten
Forschungen beschreiben und analysieren Presse und Rundfunk im Kontext
der politischen und der sonstigen sich auf alle Bereiche des
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens auswirkenden
Sonderentwicklungen im Saargebiet. Als solche sind sie Teil der
Nachkriegsgeschichte und stehen für sich, darüber hinaus sind sie
mögliche Ursachen für Folgewirkungen in der Zeit danach.

Die Ergebnisse materialgesättigter (Neu-)Darstellungen und Analysen der
Medienlandschaft Saar korrigieren unter anderem bisher offene
Forschungsfragen im Bereich des Rundfunks[2] sowie hartnäckig aus dem
Abstimmungskampf in Erinnerung gebliebene Ansichten über angebliche
französische Pressionen auf die mediale Berichterstattung nicht nur in
dieser Zeit. Ausgewählte Analysen des Programmangebots im Rundfunk
belegen eine eigenständige, keineswegs der französischen Oberhoheit
geschuldete Auseinandersetzung mit der Kultur des Nachbarlandes. Sie
legte die Basis für die allerdings eher überschätzte Brückenfunktion,
die der spätere SR im Rundfunkwesen zwischen Deutschland und Frankreich
einnehmen sollte. Trotz der zeitweiligen Sonderstellung der SZ mit
französischer Teilhaberschaft förderten die Franzosen eine plurale
Zeitungslandschaft mit Parteizeitungen, die aber nach der Rückgliederung
bald ein Ende fand. Sehr lesenswert ist das Kapitel von Andreas Fickers
über die vor allem von französischer Seite betriebenen privaten
Rundfunkaktivitäten ("Tele-Saar" und "Europe 1") im Saarland. Die vom
Autor selbst als "soap opera" (S. 305) titulierte Abhandlung zeichnet
die von politischem Kalkül, privaten Geschäftsinteressen,
supranationaler Technologiepolitik usw. geprägte, schier
undurchschaubare Geschichte mit einigen Fernwirkungen auf die Entstehung
des privatkommerziellen Sektors in der Bundesrepublik nach.

Für die Bände zwei und drei fehlt den Herausgebern ein überzeugendes
Konzept dafür, wie die 50 Jahre Medienentwicklung des kleinsten
Flächenlandes der Bundesrepublik in anschlussfähiger und
aussagekräftiger Weise so abzuhandeln wären, dass sich das Besondere der
regionalen Medienentwicklung in der allgemeinen bundesrepublikanischen
spiegeln könne. Dabei ist von vorneherein schon der Anspruch überzogen,
dies gerade am kleinsten Flächenland der Republik exemplifizieren zu
wollen.

Ein weiteres Manko kommt hinzu: Eine wohldurchdachte Analyse der
Verhältnisse hätte sich genauer an die vorhandenen - leider nicht immer
befriedigenden - Erkenntnisse zur bundesrepublikanischen Rundfunk- und
Pressegeschichte als integrierendes Forschungsdesign anlehnen müssen.
Daraus hätte sich dann entweder ein Konzept für eine kompaktere - und
damit leichter rezipierbare - Darstellung oder eine solche entwickeln
lassen, die präziser die Vergleichspunkte bestimmt hätte. Soweit die
Einzelbeiträge den groben Rahmen der allgemeinen institutionellen
Entwicklungen verlassen, beschäftigen sie sich keineswegs mit den
zentralen Fragestellungen, an denen Identisches und Eigenständiges und
Spezifisches sich klarer aufzeigen ließen.

Vielmehr lassen der Zuschnitt und die Auswahl der Themen eine gewisse
Beliebigkeit erkennen. So fragt man sich zum Beispiel bei den
Aussagenanalysen der SZ, warum gerade die Migrantenproblematik anstelle
etwa des Niedergangs der für das Saarland zentralen Bergbau- und
Schwerindustrie ausgewählt wurde. Ähnlich beliebig erscheinen die
Abschnitte über die Binnen- und Außenkommunikation, in denen liebevoll
der Aufbau der Pressearchive bzw. die Hörerforschung des SR
nachgezeichnet werden. In diesen Bereichen, in denen keine gravierenden
Unterschiede zum Zeitungswesen und der Rundfunkproduktion des restlichen
Westdeutschland festzustellen sind, ermöglichten die beschränkten
Ressourcen keine Pionierleistungen. Die Vergleichsergebnisse fallen auch
deshalb nicht eindeutig aus, weil für etliche der angeschnittenen
Themen, die die Geschichte etwa der Binnenorganisation und den
alltäglichen Ablauf im Zeitungs- bzw. Produktions- und Sendebetrieb
beschreiben, entsprechende und erst recht repräsentative Studien fehlen.
Kein Wunder also, dass die Herausgeber in ihren resümierenden
Einschätzungen, dass entweder die Saarmedien im Mainstream lägen oder
sich unterschieden bzw. sogar Pionierfunktionen übernommen hätten, auf
eher hilflos anmutende Vermutungen angewiesen bleiben (vgl. etwa II, S.
443; III, S. 523; III, S. 552).

Dies gilt auch für das Thema "Medien und Region". Hier scheint
allenfalls die SZ eine den Besonderheiten des Kommunikationsraums
geschuldete Regionalberichterstattung entwickelt zu haben. Wenig
überzeugend sind Versuche, regionalspezifische Besonderheiten der
politischen Kultur herauszuarbeiten: so über die unterentwickelte
Fähigkeit der Saarländer zur Konfliktartikulation im Zusammenhang mit
der Migrantenproblematik (III, S. 325f.) oder der Versuch, das
konservativ bis reaktionär-autoritäre Gehabe saarländischen
Führungspersonals in Politik und Medien der 1950er-Jahre (II, S. 391ff.)
zumindest partiell als spezifisch regionales Phänomen zu qualifizieren.

Fazit: Besonders gelungen und weiterführend erscheinen vor allem die
Studien zur 'französischen Phase' im ersten Band. Die Folgebände
versammeln viele wichtige neben marginalen Einsichten. Als Grundlage
bzw. Ausgangspunkt für weitere, insbesondere vergleichende Studien zur
regionalen Vielfalt der deutschen Medienlandschaft sind sie gleichwohl
wertvoll. Solchen Studien müssten allerdings andere Konzeptualisierungen
zugrunde liegen, etwa eine kulturgeschichtliche Perspektive, die in dem
zu rezensierenden Werk weitgehend fehlt.

Anmerkungen:
[1] Hinzu kommt eine vergleichende Untersuchung über den Umgang mit der
Halbstarken/Blousons-Noir-Problematik in der SZ und in 'Le Républicain
Lorrain', dem tonangebenden Blatt im benachbarten Departement Moselle
zwischen 1956 und 1962.
[2] Heribert Schwan, Der Rundfunk als Instrument der Politik im Saarland
1945-1955, Berlin 1974.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Christoph Classen <classen(a)... zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2011-2-145>