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2010/11/17 08:27:44
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Das Trierer Toleranzedikt von 1784
Datum 2010/11/25 22:47:20
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] morgen abend
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2010/11/17 08:27:44
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[Regionalforum-Saar] Das Trierer Toleranzedikt von 1784
Autor 2010/11/25 22:47:20
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] morgen abend

[Regionalforum-Saar] Römische Kardinalsgrabmäl er

Date: 2010/11/23 00:02:30
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

From:    Grit Heidemann <g.heidemann(a)...   23.11.2010
Subject: Rez. FNZ: A. Karsten u.a. (Hrsg.): Römische
         Kardinalsgrabmäler
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Karsten, Arne; Zitzlsperger, Philipp (Hrsg.): Vom Nachleben der
Kardinäle. Römische Kardinalsgrabmäler der Frühen Neuzeit (=
Humboldt-Schriften zur Kunst- und Bildgeschichte 10). Berlin: Gebr. Mann
Verlag 2010. ISBN 978-3-7861-2607-2; 287 S.; EUR 49,00.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Grit Heidemann, Sonderforschungsbereich 640, Universität der Künste
Berlin
E-Mail: <heidemag(a)... interdisziplinäre Forschungsprojekt "REQUIEM - Die römischen Papst-
und Kardinalsgrabmäler der Frühen Neuzeit"[1] hat es sich zur Aufgabe
gemacht, die römische Grabmalskultur anhand der Monumente und ihrer
Entstehungskontexte zu rekonstruieren und damit einen Beitrag zur
kulturellen Gedächtnisforschung zu leisten. Nach zahlreichen
Publikationen, die unter anderem aus disziplinenübergreifenden
Fachtagungen hervorgegangen sind, liegt nun ein weiterer Band vor, der
erstmals umfassend einen Einblick in die Arbeitsweisen und aktuellen
Ergebnisse des Projektes gibt, sich dabei aber auf die Kardinäle als
Auftraggeber beschränkt. Demzufolge macht der Titel dieses Sammelbands
auch neugierig auf die Diskussion um die Gattung Kardinalsgrabmal.
Zugleich impliziert der Begriff "Nachleben" eine Ambiguität, die den
Grabmälern durch ihre retro- und prospektive Ausrichtung innewohnt.
Grabmäler sind daher auch als "Gestaltungsmittel der Zukunft" (S. 8) zu
verstehen. Damit ist eines der wichtigen Anliegen des Projekts benannt,
nämlich das Phänomen der zahlreichen prunkvoll gestalteten und
diesseitsbezogenen Erinnerungsmonumente für Päpste und Kardinäle zu
untersuchen, die im Kontrast zu den theologischen Wertvorstellungen der
katholischen Kirche standen. Die Konzentration auf die
Kardinalsgrabmäler der Frühen Neuzeit stellt in diesem Band einen
gelungenen Zugang zu den Objekten dar. Gerade die Fokussierung auf eine
einzelne soziale Gruppe bietet einen Erkenntnisgewinn zu ihrer
Selbstwahrnehmung und differenzierten Einordnung in die vormoderne
Gesellschaft, die es mithilfe von Grabmonumenten zu visualisieren galt.

Allen Beiträgen ist die Frage nach den Auftraggeberinteressen gemeinsam,
die im Kontext der römischen Kurie bzw. - im Fall von Judith Ostermanns
Fallstudie - des spanischen Königshofs verhandelt werden. Während Arne
Karsten in der Einleitung die Ziele und Ergebnisse des
Forschungsprojekts vorstellt, unternimmt Philipp Zitzlsperger den
Versuch, "eine Theorie des frühneuzeitlichen Grabmals und seiner
gesellschaftlichen Rolle als Beitrag zur Gedächtnis- und
Memoriaforschung zu entwickeln" (S. 23). Dieser sehr ausführliche
Aufsatz ist von einer Vielzahl an Fragestellungen geprägt, die diverse
Zugangsmöglichkeiten zu den vormodernen Grabmälern eröffnen. Dabei wird
unter anderem die Komplexität des soziopolitischen Gefüges im
päpstlichen Rom der Frühen Neuzeit herausgestellt, das sich in den
Kardinalsgrabmälern manifestiert. Der Gattungsbegriff Kardinalsgrabmal
ist für Philipp Zitzlsperger jedoch problembehaftet, da die
"typologischen Grenzen [...] durchlässig [waren]" (S. 47).

Die in diesem Band vereinten sechs Fallstudien, welche im Umfeld des
REQUIEM-Projekts in Form von Magisterarbeiten entstanden sind, befassen
sich mit Kardinalsgrabmälern und Familienkapellen des 15. bis 18.
Jahrhunderts. Die vorgeführten Beispiele werden als Sonderfälle
herausgearbeitet, die in ihrer Gesamtheit wiederum deutlich machen, wie
durchlässig die Konventionen waren. Der Bezug zu den Päpsten vermag
dabei klar die klientelären Netzwerke in Rom zu veranschaulichen, die
sich auf den Standort und die Ausstattung der Grabmonumente auswirkten
und als ein Spezifikum der römischen Kardinalsgrabmäler zu verstehen
sind.

Von Anett Ladegast werden die beiden Tabernakel-Grabmäler für Kardinal
Jacopo Ammanati-Piccolomini und seine Mutter vorgestellt, die in ihrer
Form und Funktion "einzigartig" (S. 69) waren und entgegen dem
testamentarischen Wunsch des Verstorbenen auf Veranlassung des
Rovere-Papstes Sixtus IV. in der Kirche S. Agostino errichtet wurden.
Ebenfalls im 15. Jahrhundert entstand das von Laura Goldenbaum unter
ästhetischen Gesichtspunkten sehr überzeugend diskutierte Bronzedouble
für Kardinal Pietro Foscari, das als Teil eines "äußerst selten
konzipierten Freigrabmals" (S. 101) rekonstruiert werden kann und in S.
Maria del Popolo Aufstellung fand. Für das 16. Jahrhundert wird durch
den Beitrag von Judith Ostermann der Blick von Rom nach Spanien gelenkt,
wo der Kulturaustausch in dem Grabmal für Kardinal Francisco Ximenez de
Cisneros evident wird. Was dieses Monument aber so außergewöhnlich
macht, ist seine qualitativ hochwertige Ausführung, die der zeitweiligen
Machtstellung als "Reichsregent" (S. 143) und der posthumen Forderung
nach der Heiligsprechung des Kardinals gerecht werden sollte.

Die verbleibenden drei Beiträge sind römischen Familienkapellen des Sei-
und Settecento gewidmet und erweitern damit den Blick von den Grabmälern
auf den sie umgebenden Raum. Die von Alexandra Fingas besprochene
Cappella Falconieri in der Florentiner Nationalkirche S. Giovanni dei
Fiorentini inkorporiert den Hauptaltar der Kirche und avanciert somit zu
einem "Mausoleumschor" (S. 181) für eine florentinische
Aufsteigerfamilie, wohingegen dieser exzeptionelle Platz in den anderen
römischen Kirchen zumeist den Päpsten und ihren Verwandten vorbehalten
war. Aus historischer Perspektive wird in Carol Naters Beitrag die
Familienkapelle der Ginetti in der römischen Hauptkirche des
Theatinerordens S. Andrea della Valle vorgestellt, in der sich das
Spannungsverhältnis unterschiedlicher Interessenlagen sehr eindrücklich
widerspiegelt. Abschließend stellt Alrun Kompa die letzte "erbaute der
wenigen päpstlichen Familienkapellen in Rom" (S. 221) des 18.
Jahrhunderts vor. Das Ziel ihres Beitrags ist es, an der Ausstattung der
Cappella Corsini in S. Giovanni in Laterano die Weiterführung des
Nepotismus aufzuzeigen, der offiziell 1692 in Rom abgeschafft worden
war. Die Autorin schafft es, sehr prägnant und anschaulich die Kapelle
mit den darin befindlichen Grabmälern in den Kontext der römischen
Grabmalskunst zu stellen und darüber hinaus die einzigartige Gestaltung
des Grabmals für Kardinal Neri Corsini d. J. im Kontrast zum Grabmal
seines Papstneffen herauszuarbeiten. Zugleich bietet die Einbindung des
Monuments in die typologische Entwicklung des Kardinalsgrabmals der
Frühen Neuzeit ein erfreuliches Resümee des gesamten Bands, der an manch
anderen Stellen den Bezug zum Titel etwas vermissen lässt.

Das vorliegende Buch wird dem Ziel des Forschungsprojekts, eine
Einordnung in die kulturelle Gedächtnisforschung zu leisten, gerecht.
Überdies bereichern die interdisziplinär ausgerichteten Beiträge die
aktuelle Grabmalsforschung der Frühen Neuzeit und stellen dem Leser
durch die vielfältigen Zugänge zum Material einen methodisch umfassenden
Apparat zur Verfügung. Einzig die spannende Frage nach einem möglichen
Grabmalstyp einer sozialen Gruppe, nämlich der Kardinäle der Frühen
Neuzeit, könnte in den künftigen Arbeiten des Projekts noch
differenzierter erörtert werden. Und so dürfen wir auf weitere
Ergebnisse gespannt sein.

Anmerkung:
[1] Das Projekt "REQUIEM" wird seit 2001 am Institut für Kunst- und
Bildgeschichte an der Humboldt-Universität Berlin unter der Leitung von
Horst Bredekamp und Volker Reinhardt betrieben. Vgl. die Website
<http://www2.hu-berlin.de/requiem/cms/> (08.10.2010).

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Niels Grüne <ngruene(a)... zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2010-4-134>

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