bis 1784 durften sich im Trierer Kurstift nur Katholiken niederlassen. Das
wurde durch das sog. Toleranzedikt aufgelockert, das allerdings an etliche
Konditionen geknüpft war (also eher eine restriktive Toleranz). Nach längerer
Suche habe ich den Text dieses Edikts in der Stadtbibliothek Trier gefunden.
Ordinatio
tolerantiam Protestantium in electoratu Trevirensi concernens.
(Anweisung,
die Toleranz der Protestanten im Kurstift Trier betreffend)
3. Decembris
1784.
Von wegen
seiner Churfürstlichen Gnaden dem General-Vicariat zu Trier (Officialat zu
Koblenz) hierdurch anzufügen.
Bereits unterm
31. October 1793. ist dem General-Vicariat (Officialat) die Nachricht
zugegangen, daß Ihro Churfürstliche Durchlaucht nach dem Beispiele mehrerer
katholischer Landesfürsten sich gnädigst entschlossen haben, in Höchstdero
Churlanden eine beschränkte Toleranz, und zwar dergestalten einzuführen, daß die
durch öffentliche Reichs-Constitutionen geduldeten Religions-Verwandten sich in
selben häuslich niederlassen, sofort ihr Gewerb und Handlung zum allgemeinen
Nutzen des Staates daselben ungestört ausüben können.
Damit nun die
gnädigsten Absichten in der gewünschten Maaße erreichet werden, so lassen
Höchstdieselben jene Bedingnisse anfügen, unter welchen die Tolerenz begnehmigt
ist, und woraus das General-Vicariat (Officialat) ersehen wird, was für Rechte
den zu erduldenden Religionsverwandten eingeräumt, und wie dieselben für die
Zukunft zu behandlen sind. Höchstsie wollen dahero, daß
1. besagter
Vortheil nur auf Lutheraner und Kalviner sich erstrecke, unter denselben aber
kein Unterschied in je einem Betrachte zu machen sey, also daß
2. deren
Niederlassung im ganzen Erzstifte an allen Orten, wo nur ein wahrer Nutzen für
den Handel desselben nach vorläufiger Untersuchung anzuhoffen steht, keineswegs
aber gehindert werde.
Weilen aber
unter dem Vorwandte dieser allgemeinen Gestattung jeder auch Unvermögende
bemeldeter Gemeinde in das hiesige Gebiet sich einschleichen und also das
eigentliche Ziel dieser Verfügung verfehlet werden könne, so solle
3. jetzt
berührte Erlaubnis nur von jenen Handelsleuten und Fabrikanten, so dem
Erstiftischen Kommerze oder dem Lande einen wesentlichen Dienst zu leisten im
Stande sind, allein verstanden werden, jedoch daß
4. solche von
dem Bürgerrechte, Magistratsstellen, von Regierungs- und Justizbedienungen
ausgeschlossen bleiben, wenn nicht Ihre Churfürstliche Durchlaucht wegen
besonderen Ursachen oder vorzüglichen Verdiensten für ein oder anderes Glied
eine Ausnahme hierin zu machen für räthlich finden.
Da denselben
kein besonderes Forum für die unter ihnen entstehenden Strittigkeiten noch zur
Zeit gestatt ist, so stehen sie in dieser Rücksicht unter der ordentlichen
Stadt- oder Orts=Gerichtsbarkeit eben so, wie die Katholischen, in deren Maße
sie auch
6. eine
verhältnismäßige Abgabe von ihrem Handel und Gewerbe abzureichen haben. Damit
aber die Gewissensfreiheit im geringsten nicht gekränket werde, so haben Ihre
Churfürstliche Durchlaucht
7. die
Erkenntniß in Ehesachen, sofern sich ein Streit hierüber bei Reformierten
ergeben sollte, der Landes-Regierung ausschließlich übertragen, um dieselbe nach
ihren eigenen Grundsätzen zu beurtheilen; auch
8. von den
Iuribus parochialibus, doch unter Erlegung der Stolgebühren an die katholischen
Pfarrer, dergestalten befreit, daß
9. die Taufe,
Confirmation, Communion und Begräbnis in benachbarten protestantischen Oertern
von ihnen nachgesucht, auch
10. für ihre
Kinder ein geistlicher oder weltlicher Hauspräzeptor angenommen werden könne;
unterdesseen haben Höchstdieselben
11. die
Errichtung öffentlicher Bet- und Schulhäuser oder Kirchhöfe annoch untersaget
und wollen nicht gedulden, daß
12. ein
Geistlicher von oft berührten Gemeinden auf der Straße in geistlicher oder
Kirchenkleidung erscheine, oder im Gegentheile
13. daß ein
katholischer Pfarrer, besonders aber ein Ordensgeistlicher, bei einem Kranken
oder Sterbenden einer anderen Religion sich einzudrängen suche, wenn er nach
vorläufiger Anerbietung seiner Dienste nicht begehret worden sey.
Weilen aber
aus diesen obschon geringen den Protestanten zugestandenen Freiheiten der Anlaß
zum Uebergange zu einer fremden Religion könne genommen werden, so wollen Ihro
Churfürstliche Durchlaucht weiter, daß
14.
eingebornen Katholiken, wenn solche gegen Verhoffen ihre Religion verlassen
sollten, der Schutz nach Maßgabe des Westphälischen Friedens aufgekündiget,
und
15. als ein
Vorzug der herrschenden Religion festgesetzet werden, daß, wenn ein Katholik
eine protestantische Weibsperson zur Ehe nimmt, und im Gegenfalle, die Kinder
beiderlei Geschlechts in der katholischen Religion zu erziehen seyn,
und
16. die
Protestanten an katholischen Feiertagen von knechtischer Arbeit und von
alldemjenigen abstehen sollen, was nach den Grundsätzen der Kirche an diesen
Festen verboten ist.
Gleichwie nun
Vicariatus (Officialatus) diese auf wichtigen und wohl überlegten Gründen
beruhende höchste Verordnung aus angeführten Sätzen hinlänglich entnehmen wird,
als versehen sich Ihro Churfürstliche Durchlaucht zu demselben gnädigst, daß es
zur Erfüllung derselben das Gehörige beitragen, in zweifelhaften Fällen aber die
nöthigen Verhaltunsbefehle höchsten Ortes nachsuchen werde.
Ehrenbreitstein den 3. Dezember 1784.
Clemens
Wenceslaus archiepiscopus et elector (Erzbischof und Kurfürst).
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Quelle:
Statuta Synodalia, Ordinationes et Mandata Archidioecesis Trevirensis.
(Synodalbeschlüsse, Anordnungen und Gebote der Erzdiözese
Trier)
herausgegeben
von Johannes Jakob Blattau
Tomus Quintus
(Band 5)
ab
Archiepiscopo Ioanne Philippo ex Baronibus de Walderdorf usque ad annum 18.
Regiminis Archiepiscopi Clementis Wenceslai. (von Erzbischof Johann Philipp
Baron von Walderdorff bis zum 18. Jahr der Regentschaft
des Erzbischofs Clemens Wenceslaus)
Augustae
Trevirorum
Typis Frid.
Lintz
MDCCCXLVI
(1846)
eingesehen in
der Stadtbibliothek Trier.