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2010/02/10 18:38:40 Rolgeiger [Regionalforum-Saar] J. Auler (Hrsg.): Richtstaettenarchaeologie |
Datum | 2010/02/12 21:47:52 Rolgeiger [Regionalforum-Saar] Seminar "Vertiefende Famili enforschung" auf Schloß Dhaun |
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2010/02/01 11:55:40 Robert Groß [Regionalforum-Saar] neue eMail-Adresse |
Betreff | 2010/02/25 09:27:20 Rolgeiger [Regionalforum-Saar] Seminar "Einstieg in die Kommunalpolitik" |
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2010/02/10 18:38:40 Rolgeiger [Regionalforum-Saar] J. Auler (Hrsg.): Richtstaettenarchaeologie |
Autor | 2010/02/12 21:47:52 Rolgeiger [Regionalforum-Saar] Seminar "Vertiefende Famili enforschung" auf Schloß Dhaun |
Date: 2010/02/10 22:45:24
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...
Salü,
tut mir leid, beim ersten Versenden muß etwas schiefgelaufen sein.
Roland Geiger
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Auler, Jost (Hrsg.):
Richtstättenarchäologie. Dormagen: Rezensiert für H-Soz-u-Kult
von: Richtstättenarchäologie - der
Herausgeber des vorliegenden Sammelbandes, Jost Auler, definiert sie in seinem
Vorwort als jenen "Teil der Rechtsarchäologie", der sich "mit den dinglichen
Hinterlassenschaften der Strafrechtspflege" (S. 8) befasst. Genauer: den "auf
uns gekommenen Spuren der eigentlichen Richtstättenanlage [...] und ihrer
Funktionen als Ort des Hinrichtungsvollzuges [...], als Sonderfriedhof [...] und
gegebenenfalls als Abdeckerplatz" (ebd.). Ihm zufolge werden hierbei außer
Baubefunden wie etwa Galgengrundrissen auch "isoliert auftretende Phänomene"
erfasst - neben "Moorleichen oder gepfählte[n] Humanschädel[n], auch Befunde,
die aus der Durchführung von Leibesstrafen resultieren [...] sowie Relikte
medizinischer Aktivitäten der Nachrichter [...] oder auch Hinweise auf
Volksmedizin und Aberglaube" (ebd.). Der von der Richtstättenarchäologie
erforschte Zeitraum beginnt nach Aulers Definition somit erst "mit der
regelmäßigen Etablierung von Richtplätzen als ortsfeste Institutionen etwa im
13. Jahrhundert" und "endet mit der endenden Aufklärung um 1800" (ebd.). Hier
ist allerdings anzumerken, dass einige der in seinem Sammelband enthaltenen
Beiträge (etwa Dietrich Alsdorf, Marita Genesis, Andreas Motschi und Christian
Muntwyler) hinsichtlich ihrer behandelten Zeiträume durchaus in das weitere 19.
Jahrhundert streuen. Das Spektrum an vorgestellten Befunden bzw. Fundplätzen
sowie Boden- und Baudenkmalen umfasst dabei Beispiele aus weiten Bereichen
Mitteleuropas: Vertreten sind Dänemark, Deutschland, Österreich, Polen, die
Schweiz und Tschechien. Das Sammelwerk
"Richtstättenarchäologie" versteht sich als ein "Buch, das sich sowohl an die
Fachwelt als auch an interessierte Laien richtet" (Klappentext, ähnlich
auch im Vorwort) und in dem "vielerlei Aspekte des großen Themas angerissen
werden" sollen (S. 8). Entsprechend dieser Zielsetzung ist der
thematische Bogen weit gespannt. Er beginnt mit einer ausführlichen Vorstellung
älterer wie neuerer archäologischer Beobachtungen an Richtstätten. Darunter
finden sich sowohl frühe Fundmeldungen beispielsweise des 19. Jahrhunderts als
auch die Resultate jüngerer "Altgrabungen" und aktueller Projekte (Abteilungen I
bis III). Anschließend werden weitergehende Bereiche des Themas in teils
umfassendem Maße behandelt. Hier finden sich: "Regionale Betrachtungen zu
Richtstätten" (Abteilung IV), "Richtstätten und [physische] Anthropologie"
(Abteilung V) sowie "Historische Aspekte zu Richtstätten" (Abteilung VI).
Diese sechs Abschnitte bieten einen
bemerkenswert tiefen Ein- und breiten Überblick in bzw. über die
Richtstättenarchäologie, die in einer derartigen Konzentration und in einem
solchen Umfang bislang einmalig sind. Dass die Beiträge der ersten beiden
Abteilungen hauptsächlich aus bereits andernorts publizierten Resultaten
bestritten werden, mag als Doppelung gesehen werden. Ohne Zweifel nützt diese
Vorgehensweise jedoch dem Ziel einer Zusammenfassung möglichst vieler der
bislang im gewählten zeitlichen und räumlichen Rahmen erfolgten Untersuchungen
zum Thema in einer Publikation. Ein lobenswerter Ansatz, der Interessierten,
sowohl Fachwissenschaftler/innen wie auch Laien, den Zugang zur
Richtstättenarchäologie deutlich erleichtert - wurden entsprechende Arbeiten
bisher doch häufig genug in sehr verstreuten und oft auch schwer aufzuspürenden
Kontexten publiziert. Unter den enthaltenen Beiträgen finden
sich dabei nicht nur Vorstellungen einzelner archäologisch untersuchter
Richtstätten und deren regionaler, topographischer sowie rechtlichen Verortung.
Auch Untersuchungen einiger aus Schriftquellen bekannter Rechtsfälle, die teils
mit archäologischen Befunden in Zusammenhang gebracht werden konnten, sind
vertreten (so Alsdorf zum Himmelpforter Blutgericht). Hier zeigt sich eine
Stärke der historischen Methode der Richtstättenarchäologie, die exemplarisch
auch andere Gebiete der Historischen Archäologie zur Spezifizierung ihrer
Erkenntnismöglichkeiten heranziehen kann. Mehrere Beiträge erörtern archäologisch
wie auch historisch rechtliche Hintergründe des mittelalterlichen und
frühneuzeitlichen Strafvollzuges sowie seine Zusammenhänge mit dem
Abdeckereiwesen (Marita Genesis, Gisela Wilbertz). Auch Positionierungen
hinsichtlich der Möglichkeiten einer ergänzenden Nutzung der Methoden
verschiedener Natur- und Geisteswissenschaften finden sich in mehreren Arbeiten.
So erörtern Thomas Becker und Ursula Ullrich-Wick Potentiale von airborne laser
scanning, während Motschi und Muntwyler Resultate archäologischer,
anthropologischer und archäozoologischer Untersuchungen vorstellen. Dagegen
behandelt Evers in seinem Beitrag allgemein Darstellungen von Richtstätten in
zeitgenössischen Bildquellen, wobei er die Möglichkeiten entsprechender
Forschungen aufzeigt. Ebenfalls auf historischen Quellen fußen weiterhin auch
die Untersuchungen von Daniel Wojtucki zum Breslauer Rabenstein und Robert
Zagolla zur Rechtspraxis der Folter. Der Herausgeber Auler benennt es als
"Ziel der Archäologie [in der Erforschung von Richtstätten], mit den modernsten
wissenschaftlichen Methoden des Faches und in interdisziplinärer Zusammenarbeit
mit anderen geistes- und naturwissenschaftlichen Disziplinen die historischen
Quellen zu überprüfen und ergänzen" (S. 8). Allerdings ist hier kritisch
anzumerken, dass die Archäologie hier in die Rolle einer Hilfswissenschaft
gedrängt wird, die die Schriftquellen zwar korrigieren könne, jedoch kaum ohne
sie denkbar erscheint. Selbstverständlich ist eine historische Archäologie ohne
die Nutzung von erhaltenen Schriftquellen wenig sinnvoll, dennoch ist
entgegenzuhalten, dass sich die Archäologie mit ihren Methoden auch und gerade
jener Befunde annehmen kann und muss, deren Ursprünge eben nicht durch
Schriftquellen überliefert oder erklärbar sind. Die Arbeit mit historischen
Schrift- und Bildquellen im Kontext archäologischer Untersuchungen von
Richtstätten (wie allen anderen Befunden auch) sollte vielmehr die
archäologische Methode an sich optimieren helfen, um mit zunehmenden
interpretativen Potenzialen auch aus historisch schlechter dokumentierten
Überresten entsprechender Funde und Befunde weitergehende Schlüsse ziehen zu
können. Indes nutzen die enthaltenen Beiträge
die Archäologie und ihre Nachbarwissenschaften in der Regel gleichberechtigt und
auch in (gleicher) angemessener Weise kritisch - und dies nicht nur in jenen
beiden Abteilungen, in denen dies zu vermuten wäre (Abteilung V und VI zu
anthropologischen und historischen Aspekten). Dass ein solches Vorgehen sowie
die teils erfreulich deutlich formulierte Verortung der Archäologie als ein Teil
der Geschichtswissenschaften (so z.B. Wilbertz S. 523) eine klar definierte und
reflektierte eigene Methodik verlangt, versteht sich von selbst und findet sich
auch in den einzelnen Beiträgen wieder (so unter anderem Thies Evers; Gisela
Wilbertz). Denn sonst bestünde schließlich die Gefahr, dass unser Geschichtsbild
durch Zirkelschlüsse konstruiert würde, die auf Grundlage unreflektierter
gegenseitiger Übernahmen der jeweils opportun erscheinenden Ergebnisse von
Nachbarwissenschaften fußen. Die 34 Beiträge präsentieren in der
Gesamtschau die Resultate und Möglichkeiten einer in methodischer Hinsicht
interdisziplinär agierenden Geschichtswissenschaft, die jedoch technologisch wie
auch in Bezug auf die rein archäologischen Methoden der Grabung und Prospektion
bislang eher konservativ arbeitet. Dies ist sicher nicht zuletzt auf die
angespannte finanzielle Situation zurückzuführen, innerhalb derer der hier
aktiven Archäolog/innen gezwungenermaßen agieren müssen. So war eben leider
nicht immer beispielsweise eine Prospektion des jeweiligen Untersuchungsgeländes
mittels airborne laser scanning möglich - wie glücklicherweise der Fall bei dem
von Becker und Ullrich-Wick beschriebenen Projekt. Kritisch anzumerken sind einige
redaktionelle Schwächen. So ist etwa die inhaltliche Untergliederung in
Themenbereiche grundsätzlich gut und sinnvoll, die Zuordnung einzelner Beiträge
kann jedoch nur mühsam nachvollzogen werden. Beispielsweise wäre Wojtuckis
praktisch vollständig auf Schrift- und Bildquellen fußender Beitrag zum
"Breslauer Rabenstein und Hochgericht" aus Abteilung IV (Regionale Betrachtungen
zu Richtstätten) in Abteilung VI (Historische Aspekte zu Richtstätten)
vermutlich besser aufgehoben. Ferner scheint der Publikationsstand von
Grabungsergebnissen, sprich: eine entweder bereits erfolgte oder aber noch nicht
erfolgte Veröffentlichung, den definitorischen Unterschied zwischen Abteilung II
(Altgrabungen an Richtstätten) und III (Aktuelle Untersuchungen an Richtstätten)
zu begründen. Darüber hinaus sind die Abbildungen häufig zu klein geraten
und/oder von zu schlechter Qualität. Letzteres gilt insbesondere für die
zahlreichen enthaltenen Tabellen, deren Lesbarkeit darunter teils deutlich
leidet. Schließlich finden sich auch immer wieder Rechtschreib- und
Zeichensetzungsfehler. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass
das betrachtete Werk dem vom Herausgeber gewählten Anspruch, eine inhaltlich
ebenso informative wie umfassende und zudem gut lesbare Darstellung zur
Richtstättenarchäologie zu bieten, vollauf gerecht wird. Die genannten formalen
Mängel sind dabei keinesfalls zu hoch zu bewerten, sollten sie doch im Rahmen
einer Neuauflage zweifelsohne problemlos zu bereinigen sein. In einem solchen
Kontext wäre schließlich eine Erweiterung im Sinne einer auch methodologisch
umfassenden Betrachtung wünschenswert. Dies könnte beispielsweise in Form eines
einleitenden Kapitels erfolgen, das die im Vorwort angeführten und in den
einzelnen Beiträgen durchaus angewandten methodischen Grundlagen moderner
Archäologie auf Richtstätten zusammenfassend darlegt und erläutert. Ein solches
würde den insgesamt schon sehr guten Eindruck, den der vorliegende Sammelband
hinterlässt, zweifelsohne abrunden. URL zur Zitation dieses
Beitrages |