Suche Sortierung nach Monatsdigest
2009/11/24 07:32:33
anneliese.schumacher(a)t-online.de
[Regionalforum-Saar] Am Freitag kann der Ottweiler Wehrturm besichtigt werden
Datum 2009/11/24 09:06:49
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] heute abend - Vortrag über "die Dollartante"
2009/11/21 09:31:38
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] SZ-Artikel "Wendelin als Sujet in Film-Dokumentation"
Betreff 2009/11/23 17:21:25
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] SZ: Dokumentarfilm über W iderstandskämpfer Günther Ruschel
2009/11/23 17:21:25
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] SZ: Dokumentarfilm über W iderstandskämpfer Günther Ruschel
Autor 2009/11/24 09:06:49
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] heute abend - Vortrag über "die Dollartante"

[Regionalforum-Saar] SZ: August Schleidens Buch über Saarbrücken

Date: 2009/11/24 09:02:03
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

heute in der Saarbr. Zeitung, Land/Region:
 
 

Wie das „Saarvoir vivre“ entstand

August Schleidens „Illustrierte Geschichte der Stadt Saarbrücken“ bietet Entdecker-Freuden

Das Haupt-Verdienst von August Schleidens „Illustrierter Geschichte der Stadt Saarbrücken“ ist die Aufarbeitung der bürgerlichen Lebenswelten zwischen 1850 und 1914.

Von SZ-Redakteurin

Cathrin Elss-Seringhaus

Saarbrücken. Es ist kein Nachschlagewerk im klassischen Sinn, denn es fehlt ein Register. Es ist kein Schmöker, der Geschichte inszeniert, dafür liebt der Autor die Details zu sehr. August Schleidens im November erschienene „Illustrierte Geschichte der Stadt Saarbrücken“ ist auch kein Bilder-Atlas, obwohl 1500 Abbildungen diese Vermutung nahe legen. Denn der Text-Teil geriet dann doch allzu ausladend. Was also erwartet uns, wenn wir uns einlassen auf 1000 Jahre Saarbrücken? Entdecker-Vergnügen. Weniger beim Thema (barocke) Fürstenzeit, die bereits bestens aufgearbeitet ist, etwa im Historischen Museum Saar oder in der Alten Sammlung des Saarlandmuseums. Schleiden punktet insbesondere bei Themen, die bislang kaum aufgearbeitet waren, beispielsweise Firmen- und Gastronomie-Geschichte des 19. Jahrhunderts, die zugleich Alltags- und Sozialgeschichte spiegelt.

Sage jemand nochmal, das „Saarvoir vivre“ sei eine PR-Erfindung der Oskar-Lafontaine-Regierungszeit. Tradition hat das! Allein mit den Dokumenten aus der großbürgerlichen Epoche um 1870 könnte man ein eigenes Buch bestreiten: Fotos zeigen historisierendes Stil-Imponiergehabe im „Knipperbräu“ oder Kuschelatmosphäre im Gasthaus Keltermann und die Berliner Promenade als idyllische Ausflugs-Terrasse. Menükarten der „Tonhalle“ belegen, dass man bereits damals Salm mit Sauce hollandaise als Weihnachts-Festessen verstand. Und wie selbstverständlich Sonntagsauflüge bereits in den 1830er Jahren zum Familien-Programm gehörten. Schon damals wanderte man auf die Goldene Bremm zu Rotwein, Rahmkäse und Weißbrot.

Das klingt nach recht modernen bürgerlichen Lebenswelten. Doch der Schlossplatz dümpelte noch 1867, wie man erfährt, im Originalzustand der Fürstenzeit – kein städtebaulicher Glanzpunkt, sondern eine Gänse-Weide. Bäuerlich-rustikal und alles andere als urban ging es vielerorts zu. Recht düster war's in den Gassen. Laternenanzünder füllten morgens die Öllampen, die an Ketten über den Straßen baumelten, abends zündeten sie sie an. Die Wasserversorgung mutet ebenfalls fast mittelalterlich an, es gab Ziehbrunnen und hölzerne Wasserleitungen.

Andererseits bot die Stadt bereits 1819 eine kulturelle Infrastruktur: ein Hoftheater am Schlossplatz, eine Freilichtbühne auf dem Ludwigsberg, das Komödienhaus am Ludwigsplatz. Und im Hofbräuhaus in der Talstraße lief „Die fröhliche Punschgesellschaft“. In allen Epochen-Kapiteln räumt Schleiden der Entwicklung des Theater- und Musiklebens eine herausgehobene Rolle ein. Dieses Buch belegt ohne Missionierungs-Eifer: Kultur war und ist eine der „Lokomotiven“ städtischer Lebensqualität. Doch fernab solch grundlegender Erkenntnisse stößt man auf pfiffige Details. Beobachtet die letzte Fahrt des Postillons aus dem Hof des Postamtes in der Neugasse (Wilhelm-Heinrich-Straße), erfährt, dass der erste Briefkasten in Saarbrücken 1848 hing, am Gasthaus zum Bären (heute Stadtgalerie). Besonders aufschlussreich gestaltet sich immer wieder der Einblick in Wohn-, Lebens- und Verdienstverhältnisse. Privatfotos zeigen Villen-Einrichtungen. Steuertabellen und Lohnlisten enthüllen Sozialstandards. In den 70er Jahren verdiente ein Unternehmer/Kaufmann beispielsweise rund das Siebenfache eines Grundschullehrers, ein hoher Beamter das Dreifache. Ist das heute so anders?

Als Manko erlebt man, dass die „1000 Jahre Saarbrücken“ nicht in der Jetztzeit enden, sondern 1945. Wobei das Material dann ins Ozeanische gedriftet und Schleidens enzyklopädischer Ansatz nicht durchzuhalten gewesen wäre.

Der Autor schreibt nicht, um mitzureißen, er will auch nicht analysieren. Bei ihm fließt die Zeit behäbig. Man lässt sich gerne mittragen, ohne Erkenntnisziel, und doch mit viel Gewinn. Es ist dies ein Vorteil des im ersten Moment durch Masse einschüchternden Werkes: Hier verbietet sich von vornherein eine Komplett-Lektüre. Stattdessen fühlt man sich zu Mehrfach-Streifzügen ermutigt, wenn nicht sogar verführt.

„Illustrierte Geschichte“ (69 Euro, Krüger Verlag, ISBN 978-3-00-028569-1)