Date: 2024/03/01 09:19:27
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Date: 2024/03/01 09:21:35
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Autor(en) Hoff, Sarina
Reihe Wertewandel im 20. Jahrhundert
Erschienen Berlin 2023: De
Gruyter Oldenbourg
Anzahl Seiten 494 S.
Preis € 79,95
ISBN 978-3-11-062761-9
Inhalt meinclio.clio-online.de/uploads/media/book/toc_book-56107.pdf
Rezensiert für H-Soz-Kult von Jens Gründler, LWL-Institut für
westfälische
Regionalgeschichte, Münster
Schläge mit dem Rohrstock auf Finger oder Gesäß, Ohrfeigen und
Kopfnüsse von
Lehrerinnen und Lehrern kennen viele Menschen inzwischen nur
noch aus
Erzählungen von Eltern, Großeltern oder älteren Kolleginnen und
Kollegen. Dabei
war diese Form der Bestrafung von Nachlässigkeit,
Unaufmerksamkeit und
„störendem Verhalten“ bis weit nach 1945 besonders in Volks- und
Grundschulen
nahezu ubiquitär. Dass solche „Prügelstrafen“ nicht nur eine
lange Tradition
haben, sondern dass um die Berechtigung und Angemessenheit
dieser Form von
Disziplinierung schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts auch
zahlreiche
Deutungskämpfe geführt wurden, zeichnet Sarina Hoff in ihrer
Mainzer
Dissertation nach. Dabei ordnet sie die Diskurse und
Aushandlungsprozesse um
die Abschaffung körperlicher Schulstrafen überzeugend in
allgemeine
gesellschaftliche Transformationsprozesse über vier politische
Systeme ein –
Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus und
Bundesrepublik –, ohne
aus dem Blick zu verlieren, dass ein „Wertewandel“ in der
Pädagogik nicht
zwangsläufig mit Veränderungen des politischen Systems parallel
lief. Vielmehr
macht sie deutlich, dass die Entwicklungen von Akzeptanz und
Legitimation
physischer Strafen in den Schulen teils ganz anderen Rhythmen
unterlagen.
Zentral für ihre Untersuchung sind zum einen die Standardtexte
der
pädagogischen Literatur, die sich seit dem 19. Jahrhundert mit
körperlicher
Züchtigung befassten. In Lexika und Enzyklopädien spürt die
Autorin den feinen
Veränderungen nach, mit denen die Expertinnen und Experten
Köperstrafen
erklärten und legitimierten oder ablehnten. Sie kann nachweisen,
dass – mit wechselnden
Begriffen und Topoi – bis weit ins 20. Jahrhundert eine
deutliche Mehrheit aus
Wissenschaft und Schulpraxis die Züchtigung von Schülerinnen und
Schülern
befürwortete. Autorität und (Schul-)Disziplin seien ohne
gewaltvolle Strafen
kaum aufrechtzuerhalten, argumentierten die Verfechter der
Prügelstrafen.
Gleichzeitig unterschieden die Befürworter die maßvolle
gerechtfertigte
Züchtigung im Interesse der Kinder theoretisch nahezu
durchgehend von
„abzulehnender Misshandlung“ (S. 48). Exzesse waren auch in
ihren Augen
kontraproduktiv. Gleichzeitig kann Hoff zeigen, dass die Kritik
bis hin zur
radikalen Ablehnung jeglicher körperlicher Strafen schon
deutlich vor 1900 von
Pädagogen vorgetragen wurde, deren Meinung jedoch nur von einer
Minderheit
geteilt wurde.
Zum anderen sind Diskussionen, Verlautbarungen und Erlasse
verschiedener
Kultusministerien für Hoff wichtige Quellen, anhand derer sie
die Rezeption von
pädagogischem Wissen und weiteren Expertendiskursen
nachverfolgt, zum Beispiel
aus der Medizin und der Psychologie. Hieran zeigt sich, dass das
Pro und Contra
körperlicher Strafen eng mit dem jeweiligen Personal und
„Zeitgeist“ verkoppelt
war. Besonders deutlich wird das bei den Kultusministerien nach
1945, die sich
an den vermeintlichen Schulstandards der Westalliierten
orientierten und das
Ende der Prügelstrafe eng mit der Demokratisierung der
Gesellschaft
verknüpften.1
Körperliche Strafen, so der Tenor zahlreicher prominenter
Autoren und einiger
Kultusminister, seien Kennzeichen einer auf Gehorsam und
Unterordnung
programmierten Schule und Gesellschaft, die „Kadavergehorsam“
(S. 270)
förderten, „autoritäre Charaktere“ im Sinne der Frankfurter
Schule und
insbesondere Erich Fromms (S. 262f.) sowie „Wachmannschaften für
KZ“ (S. 270)
produzierten. Entsprechend fertigte man zum Beispiel in Hessen
einen
ministeriellen Erlass an (1947/49), der Körperstrafen
ausdrücklich verbot.
Allerdings waren diese Ansichten bei Lehrerinnen und Lehrern
sowie in der
Justiz weit weniger verbreitet als die Ministerialverwaltung
vermutete. Zwar
gab es beim Lehrerverband und etwa unter der „städtischen,
linksliberalen Leserschaft
der Frankfurter Rundschau“ (S. 269) zahlreiche Befürworter des
Verbots. Dagegen
vermutete die „Hessische Lehrerzeitung“ 1950, dass „mehr als 90
Prozent der
gesamten Lehrerschaft das generelle Verbot […] ablehnt“ (S.
267). Ganz ähnliche
Verhältnisse herrschten in Bayern (S. 287). Das Beharren auf
einem
„Gewohnheitsrecht“ der körperlichen Züchtigung von Schülerinnen
und Schülern
fand in der Justiz und großen Teilen der Gesellschaft seit dem
19. Jahrhundert
und offenbar auch nach 1945 weiter Zustimmung. Vor Gericht
konnten Lehrerinnen
und Lehrer sich darauf berufen und wurden, außer in Fällen
besonderer
Misshandlungen, vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen.
Ein
ministerieller Erlass, so die dominante Meinung in der
juristischen Literatur
seit den 1930er-Jahren und auch über die Zäsur von 1945 hinweg,
könne dieses
Gewohnheitsrecht nicht aufheben (S. 294). Damit wurden die durch
die
Kultusministerien erlassenen Verbote obsolet.
Dass Lehrer und Gerichte sich auf breite gesellschaftliche
Unterstützung
berufen konnten, macht Hoff immer wieder deutlich, wenn sie auf
Petitionen und
Versammlungen von lokalen Elterninitiativen eingeht oder aus den
Akten Väter
und Mütter zu Wort kommen lässt. Durchgehend bis in die 1950er-
und
1960er-Jahre war die Mehrheit der Eltern davon überzeugt, dass
Ohrfeigen und
Kopfnüsse im Repertoire der Erziehungsmittel auch in den Schulen
gerechtfertigt
seien. Diese Feststellung korrespondierte mit einer Erhebung des
Allensbacher
Instituts für Demoskopie. Hier antworteten noch 1965 circa 36
Prozent der
Befragten, dass körperliche Züchtigung selbstverständlich zur
Erziehung gehöre,
und immerhin 46 Prozent, dass man „Schläge“ als ultima ratio
einsetzen dürfe
(S. 333). Und selbst Mitte der 1970er-Jahre sprachen sich
angeblich 90 Prozent
der Eltern einer Hauptschule in der Vorderpfalz bei einer
anonymen Umfrage
gegen ein gesetzliches Züchtigungsverbot aus (S. 366).
Gleichwohl wurden in den
1970er-Jahren in nahezu allen Bundesländern Gesetze erlassen,
die körperliche
Strafen in der Schule verboten. Die Autorin weist ausdrücklich
darauf hin, dass
das nicht das Ende in der Praxis bedeutete. Aber die Verstöße
von Lehrerinnen
und Lehrern konnten danach erfolgreich juristisch verfolgt
werden.
Als ein zentrales Ergebnis ihrer Arbeit hält Hoff fest, dass die
Abschaffung
des Rechts auf Züchtigungen durch Lehrerinnen und Lehrer nicht
auf einfache
Transferprozesse aus der wissenschaftlichen Pädagogik
zurückzuführen sei,
sondern vielmehr auf multidimensionalen Akteurskonstellationen
und ihren Eingriffen
beruhte. Die Aktionen von Presse, Bürgerrechtsorganisationen,
Politikerinnen
und Politikern sowie Elternvertretern beeinflussten das Verbot
gewaltvoller
Erziehungsmaßnahmen mindestens ebenso sehr wie die pädagogische
Forschung und
Debatte (S. 412). Im Verlauf des Untersuchungszeitraumes von
über 100 Jahren
hat keine geradlinige Entwicklung stattgefunden, die sich als
klare
Erfolgsgeschichte beschreiben ließe. Vielmehr war es ein durch
Ambivalenzen
gekennzeichneter Prozess, der Rückschritte und Beharrungen
aufwies. Erst in den
1970er-Jahren, dann aber besonders rasch innerhalb des
Jahrzehnts, erließen
letztendlich alle Bundesländer gesetzliche Verbote. In den
1970er-Jahren kamen
auch die Schülerinnen und Schüler selbst zu Wort und wurden
angehört – ein deutlicher
Hinweis darauf, wie sehr sich das gesellschaftliche Klima um
Schule und Gewalt
verändert hatte.2
Die Idee der gewaltfreien Erziehung in der Schule hatte nun eine
Mehrheitsposition in Kultusministerien und Lehrerverbänden
erreicht. In dieser
Verzahnung der Schule mit der Gesellschaft, den feinen
Nuancierungen der
Entwicklungen und Akteurspositionen sowie dem Herausarbeiten der
unterschiedlichen Temporalitäten des „Wertewandels“ liegen die
Stärken des
Buches.
Sarina Hoff hat eine rundweg gelungene Arbeit vorgelegt, der man
Verbreitung
über die Grenzen der Geschichtswissenschaften und der Pädagogik
hinaus wünscht.
Denn die Autorin verdeutlicht, dass spätestens nach 1945 nicht
die
Verantwortlichen in Ministerien, Verwaltungen und
Lehrerverbänden diejenigen
waren, die das Recht auf Züchtigung für Lehrerinnen und Lehrer
verteidigten. Im
Gegenteil wollten diese Akteursgruppen vielfach gewaltärmere
Schulen. Sie
scheiterten einerseits daran, dass die Landesregierungen und
Landesparlamente
sich zunächst nicht zu gesetzlichen Verboten durchringen
konnten. Andererseits,
und das war noch viel gravierender, scheiterten sie an einer
Koalition aus
Richtern, Lehrern und Eltern, die bis in die 1970er-Jahre
bestimmte Formen –
zumindest niedrigschwelliger – Gewalt durch die Lehrkörper in
Schulen als
notwendig verteidigten, akzeptierten und sogar lautstark
einforderten. Das war
von Region zu Region unterschiedlich, abhängig zum Beispiel von
Konfession und
Urbanisierungsgrad. Aber im Allgemeinen waren in der Bevölkerung
erst ab Mitte
der 1970er-Jahre die Züchtigungsgegner in der Mehrheit. Diese
Erkenntnisse der
Studie wären in einigen aktuellen gesellschaftlichen Debatten
durchaus
hilfreich, um solche Debatten besser zu kontextualisieren.
Anmerkungen:
1
Vgl. zum Beispiel Sonja Levsen, Autorität und Demokratie. Eine
Kulturgeschichte
des Erziehungswandels in Westdeutschland und Frankreich
1945–1975, Göttingen
2019; rezensiert von Dirk Schumann, in: H-Soz-Kult, 25.11.2020,
https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-28605
(16.02.2024).
2
Vgl. dazu unter anderem Till Kössler, Jenseits von
Brutalisierung oder
Zivilisierung. Schule und Gewalt in der Bundesrepublik
(1970–2000), in:
Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 15
(2018), S.
222–249, https://zeithistorische-forschungen.de/2-2018/5589
(16.02.2024).
Zitation
Jens Gründler, Rezension zu: Hoff, Sarina: Der lange Abschied
von der
Prügelstrafe. Körperliche Schulstrafen im Wertewandel 1870–1980.
Berlin 2023 ,
ISBN 978-3-11-062761-9, In: H-Soz-Kult, 28.02.2024, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-28879>.
Date: 2024/03/02 10:05:51
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Date: 2024/03/04 11:43:29
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Date: 2024/03/04 12:05:00
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Am 04.03.24, 11:43 schrieb Stefan Reuter via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>:
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Date: 2024/03/04 23:35:31
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Das
Intelligenzblatt. Gemeinnutz und Aufklärung für jedermann.
Studie zu einer
publizistischen Gattung des 18. Jahrhunderts, zur Revolution
der Wissensvermittlung
und zu den Anfängen einer lokalen Presse
Autor Holger Böning,
Reihe Presse und Geschichte. Neue Beiträge 160/161
Erschienen Bremen 2023: Edition
Lumière
Anzahl Seiten 2 Bde., 1.208 S.
Preis € 109,60
ISBN 978-3-948077-30-3
Rezensiert für H-Soz-Kult von Jan Siegemund,
Fakultät für
Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie, Universität
Bielefeld
Auch nach über 40 Jahren der wissenschaftlichen Beschäftigung
mit den Medien
der Aufklärung entfachen die Gegenstände seiner Untersuchungen
in Holger Böning
noch immer Begeisterung – so legt es zumindest das vorliegende
Werk über die
deutschen Intelligenzblätter nahe. Ziel des Autors ist es,
letztere als
zentrale Publikationsform der deutschen Volksaufklärung
vorzustellen, ihre
Entwicklung von den Anfängen in den 1720er-Jahren bis zum Ende
des 18.
Jahrhunderts zu beschreiben und ihren Einfluss auf die
aufklärerische
Wissensvermittlung, auf das Leseverhalten der breiten
Bevölkerung und letztlich
auf die Entstehung einer neuen Form von Öffentlichkeit
herauszustellen. Nicht
zuletzt – und das merkt man dem Buch an vielen Stellen an –
ist Böning an einer
Art Ehrenrettung des Intelligenzblatts gelegen, das seines
Erachtens allzu oft
als „trostlos-langweiliges und geistloses publizistisches
Erzeugnis“ (S. 976)
angesehen wird. Inwiefern die Bedeutung der Intelligenzblätter
tatsächlich als
„wenig erforscht und stark unterschätzt“ (S. 3) gelten kann,
wäre allerdings zu
diskutieren.1
Als Ergebnis liegt eine über 1.100 Seiten starke Monographie
in zwei Bänden
vor, die tiefe Einblicke in die Welt der Intelligenzblätter
bietet und in
weiten Teilen nahezu handbuchartig Informationen zu
entsprechenden
Publikationen an über 90 Orten des Alten Reiches liefert.
Gegliedert ist der
Inhalt in stolze 26 Hauptkapitel, die wiederum 136
Unterkapitel enthalten.
Umfang und Vielfalt machen es dem Rezensenten schwer, einen
konzisen
Gesamtüberblick zu bieten, weshalb im Folgenden kein Anspruch
auf
Vollständigkeit erhoben werden kann.
Nach einer Einführung in die „lange vergessene publizistische
Gattung“ (Kap. I)
– auf eine trennscharfe Arbeitsdefinition verzichtet Böning,
um die Quellen
nicht künstlich einzuschränken – und einigen einführenden
Worten zu ihrer
Entstehung (Kap. II), werden die Geburt der ersten Blätter und
ihre
Anfangsjahre an den verschiedenen Orten, mit leichtem Fokus
auf Preußen,
beschrieben (Kap. III). Es folgt eine Thematisierung des Kerns
der
Intelligenzblätter, der Vermittlung von Angebot und Nachfrage,
also der
geschalteten Anzeigen (Kap. V). Dieses Geschäft wird jedoch in
vielen Fällen
bald zur Nebenaufgabe der Redaktionen, die sich auf die
„gemeinnützigen
Beiträge“ (S. 150) fokussieren. Die Beiträge bilden den
Hauptgegenstand von
Bönings Untersuchung, die auf den Zusammenhang von
Intelligenzblatt und
Volksaufklärung abhebt (Kap. VI), also die Diskussion und
Vermittlung von
praktischem Wissen an eine über die aufklärerische
Intelligenzia hinausgehende,
breitere Bevölkerung, besonders auf dem Land (Kap. VII). Nach
diesen stärker
analytischen Abschnitten widmet sich der Autor im
umfangreichsten Kapitel des
ersten Bandes einzelnen Blättern, ihren Herausgebern und
Inhalten (Kap. VIII).
Böning folgt bei der Darstellung dem Grundprinzip, „die
Quellen mit ihren
Besonderheiten zu respektieren und sprechen zu lassen“ (S.
181). Es folgen
schließlich erneut zwei übergreifende Kapitel zu
Intelligenzblättern als
Wirtschaftsunternehmen (Kap. IX) und zum Widerstand gegen die
Veröffentlichung
vorher ‚geheimer‘ Marktinformationen vor allem von Seiten der
Kaufleute (Kap.
X).
Der zweite Band behandelt zunächst ebenfalls übergreifende
Analyseaspekte, die
alle untersuchten Blätter betreffen, nämlich Inhalte wie
landwirtschaftliche
Praxis und Naturgesetze (Kap. XI), Themen des sozialen Lebens
(Kap. XII), wobei
Böning die Bedeutung der Intelligenzblätter als „kaum
benutztes Archiv der
frühen Volkskunde im deutschsprachigen Raum“ (S. 590)
bezeichnet, sowie
Schulwesen und Bildungsreform (Kap. XIII und XIV). Weiterhin
geht er auf die
Orientierung der Autoren am Gemeinen Nutzen ein und zeigt am
Beispiel Hamburgs,
wie die Intelligenzblätter eine zweite praktische Phase der
Aufklärung
begleiteten, nachdem die erste bereits von den moralischen
Wochenschriften und
wissenschaftlichen Zeitschriften geprägt worden war (Kap.
XVI). Anhand der
Behandlung der Französischen Revolution wird schließlich die
zunehmende
Politisierung der Mediengattung am Ende des Jahrhunderts
verdeutlicht (Kap.
XVII). Wie schon im ersten Band, widmet sich auch im zweiten
das umfangreichste
Kapitel einzelnen Intelligenzblättern, nämlich den
reichsweiten, wobei viele
der übergreifenden Themen der vorherigen und nachfolgenden
Abschnitte am Einzelbeispiel
besprochen werden (Kap. XVIII). Die abschließenden Kapitel
nehmen wieder eine
stärker systematisch-analytische Perspektive ein. So werden
die
Intelligenzblätter im aufklärerischen Medienensemble verortet,
vor allem ihr
Verhältnis zu Zeitungen und Zeitschriften bestimmt, zu denen
große
Schnittmengen bestehen, fanden doch vor allem in der zweiten
Jahrhunderthälfte
Zeitungsnachrichten und gelehrte Aufsätze Eingang in viele
Intelligenzblätter
(Kap. XIX und XX). Anschließend geht es um Standesdenken in
den
Intelligenzblättern (Kap. XXI) und Beiträge bekannter
Philosophen wie
Lichtenberg, Möser oder Kant (Kap. XXII). Auch den „Juden im
Intelligenzblatt“
(S. 907) werden hier einige Gedanken gewidmet, wobei die
Platzierung dieses
Unterkapitels nicht unmittelbar einleuchtet. Es folgt ein
Kapitel zu
„Vorurteile[n] und Vorurteilskritik in Intelligenzblättern“
(XXIII). Unter
Vorurteilen, der Begriff wird nicht explizit definiert,
scheint Böning solche
Ansichten zu verhandeln, die nach heutigen Maßstäben als
widerlegt oder auch
ethisch verwerflich zu gelten haben; so steht das Thema der
Sklaverei neben
Aussagen zur Armut und zur medizinischen Wirkung des Konsums
von Kaffee. Gerade
im Bereich der Medizingeschichte („Quacksalberei und
Medizinisches im
Reichsanzeiger“) sind die Ausführungen einem
Fortschrittsnarrativ verpflichtet,
das dem Fach eigentlich seit längerem abgeht.2 Die letzten Kapitel
behandeln zwei
zentrale Fragen des Werkes, nämlich diejenige nach der
Rezeptionsgeschichte,
also den Leser:innen der Intelligenzblätter (Kap. XXIV), sowie
nach dem Beitrag
der Gattung zu einer Aufklärung ‚von unten‘, zur „Revolution
der
Wissensvermittlung“ sowie zur Entstehung einer „neuen Form der
Öffentlichkeit“
(S. 997) (Kap. XXV). Gerade mit der Betonung innovativer
Druckmedien
argumentiert Böning hier ganz im Sinne großer Teile der
Öffentlichkeitsforschung,
wobei durchaus noch expliziter auf selbige hätte eingegangen
werden können.3
Es folgen eine abschließende Zusammenfassung (Kap. XXVI),
sodann ein
umfangreicher Anhang, der einen wirklich hervorzuhebenden
Service für alle
Leser:innen darstellt. Letzterer besteht aus „eine[r]
kleine[n] Geschichte des
Intelligenzblatts in Abbildungen“ (nützlich etwa für die
Verwendung des Buches
in der Lehre), einer Bibliographie der Quellen und der
Forschungsliteratur
(enthalten ist auch eine Liste der Intelligenzblätter sortiert
nach
Erscheinungsorten) sowie je einem umfangreichen Sach-,
Periodika-, Personen-
und Ortsregister.
Die Struktur der beiden Bände macht es nicht immer leicht, dem
roten Faden zu
folgen, da viele Analyseaspekte an verschiedenen Stellen in
der Beschreibung
der einzelnen Periodika aufgegriffen, dann aber immer wieder
auch in übergreifenden
Kapiteln, ebenfalls unter Hinzuziehung zahlreicher Beispiele,
behandelt werden.
Hier hätten häufigere Querverweise und zusammenfassende
Resümees, wie etwa am
Ende des Kapitels zum Reichs-Anzeiger (S. 810-814), die
Orientierung
erleichtert. Auch wäre es dem Verständnis zuträglich gewesen,
hätte Böning zu
Beginn eine Arbeitsdefinition seines Gegenstands geliefert. Zu
einer wirklich
griffigen Bestimmung des Wesens der Intelligenzblätter kommt
es erst in Kapitel
XXIV, wenn als wesentliches Unterscheidungsmerkmal und „Kern“
der
Intelligenzblätter deren Anzeigenteil, sowie die
‚policeylichen‘ und
demographischen Bekanntmachungen genannt werden, die ab 1770
zunehmend um
„redaktionelle Inhalte“ mit Anleihen bei Zeitungen und
Zeitschriften ergänzt wurden
(S. 974-978).
Bönings Ansatz, zuallererst die Quellen selbst sprechen zu
lassen, ist äußerst
begrüßenswert und die stupende Kenntnis seines Gegenstands nur
zu bewundern.
Allerdings überforderte sie den Rezensenten auch an nicht
wenigen Stellen,
steht doch die systematische, ordnende Analyse des Öfteren
deutlich hinter der
Fülle der Darstellung der Quellen und aus diesen entnommenen,
überbordenden
Zitaten zurück. Letztere nehmen im Text ungewöhnlich viel Raum
ein und können
gerne einmal über 30 Zeilen reichen (z. B. S. 18f.). Nicht
selten werden die
Leser:innen mit diesem Material allein gelassen, steht es etwa
unkommentiert am
Ende eines Kapitels. Ungewohnt erscheinen zudem die langen
Aufzählungen, die
eventuell auch in die Fußnoten verschoben oder in Tabellenform
hätten
präsentiert werden können (beispielsweise S. 200f., 530-532).
Ebenfalls in den
Bereich des Formalen fallen die leider häufigen Fehler
beziehungsweise
Inkonsistenzen, die durch eine einfache redaktionelle
Durchsicht leicht zu
beheben gewesen wären und vor allem den Anmerkungsapparat,
aber auch
Redundanzen im Text (beispielsweise S. 27f.) betreffen.
Diese Monita schmälern den großen Wert, den Bönings Arbeit für
die Forschung
bietet, allerdings kaum: „Das Intelligenzblatt“ bietet einen
umfassenden
Überblick über dieses Medium auf dem Gebiet des Alten Reiches
und wird auf
absehbare Zeit von jeder:m Historiker:in genutzt werden,
die:der sich diesem
Thema widmet. Es stellt eine Fundgrube an Ansätzen für lokale
und regionale
Untersuchungen und eine nützliche Hilfe beim Auffinden von
entsprechenden
Quellen dar. Die angestrebte Ehrenrettung der Gattung, um zum
Anfang
zurückzukehren, scheint gelungen: Intelligenzblätter werden
als wichtiges
Medium der Volksaufklärung und als ein zentrales Moment der
Entwicklung einer
politischen Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert präsentiert.
Besonders letzteres
scheint einleuchtend, bieten doch die Intelligenzblätter,
gerade nach der in
der zweiten Jahrhunderthälfte einsetzenden Politisierung,
einen Ort des
öffentlichen Räsonnements und der Diskussion sowie gerade auch
der
Selbstreflexion über die Rolle der Öffentlichkeit und ihrer
Medien in der
Gesellschaft.
Anmerkungen:
1 So hieß es in einem
einschlägigen Handbuch
bereits 2013, dass dem Medium von der neueren Forschung viel
Aufmerksamkeit
geschenkt worden sei: Andreas Würgler, Medien in der Frühen
Neuzeit, 2. durchgesehene
Auflage, München 2013, S. 108.
2 Vgl. bspw. Wolfgang Uwe
Eckart/Robert Jütte,
Medizingeschichte. Eine Einführung, 2. Auflage, Köln 2014, S.
25–33.
3 Vgl. bspw. Andreas
Gestrich, The Public
Sphere and the Habermas Debate, in: German History 24 (2006),
S. 413–430.
Zitation
Jan Siegemund, Rezension zu: Böning, Holger: Das
Intelligenzblatt.
Gemeinnutz und Aufklärung für jedermann. Studie zu einer
publizistischen
Gattung des 18. Jahrhunderts, zur Revolution der
Wissensvermittlung und zu
den Anfängen einer lokalen Presse. Bremen 2023 , ISBN
978-3-948077-30-3,
In: H-Soz-Kult, 05.03.2024, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-135934>.
Date: 2024/03/06 17:26:05
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Guten Abend,
kennt sich jemand in Lebach mit der Kneipenszene aus? Ich suche den Standort eines Gasthauses "Gastwirtschaft von Johann Steimer senior".
Wochenblatt für die Kreise Wnd und Otw,
1842:
"Hiermit
erlauben wir uns die ergebenste Anzeige, daß wir die ganze
Gastwirthschaft
unseres verlebten Vaters resp. Schwiegervaters Herrn Johann
Steimer senior seit
dem 1 Oktober l. J. für unsere eigene Rechnung übernommen und
dieselbe unter
der nämlichen Firma: „Gastwirthschaft von Joh. Steimer sen.“
fortführen werden.
Das unserm seeligem Vater geschenkte Zutrauen werden auch wir zu
erwerben
suchen und versichern prompte, billige und reelle Bedienung.
Lebach
den 1. November 1842.
Carl
Giraud,
Catharina
Giraud, geb. Steimer."
Der Kaufmann Johannes Steimer aus Hausen im Killertal auf der Schwäbischen Alb kam in den 1780ern nach Lebach und eröffnete die Gastwirtschaft, die er mit seiner Ehefrau Barbara Hylgert aus Bous betrieb. Wann genau er sie an seine älteste Tochter Catharina (* 1793) und ihren aus Tholey stammenden Ehemann Carl Giraud aus Tholey (oo 1813) übertrug, ist mir unbekannt. In irgendeinem Notariatsvertrag wird zu lesen sein, daß der Eigentumsübergang mit Johannes’ Tod erfolgen sollte, wie es auch geschah. Johannes starb im Alter von 80 Jahren am 12. August 1842 in Lebach, und die Anzeige oben wurde am 1. November geschaltet. Was mag wohl aus der Wirtschaft geworden sein, als der neue Eigentümer vier Monate später selbst im Alter von 58 Jahren gestorben ist?
Date: 2024/03/07 13:21:20
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Der Kaufmann Johannes Steimer aus Hausen im Killertal auf der Schwäbischen Alb kam in den 1780ern nach Lebach und eröffnete die Gastwirtschaft, die er mit seiner Ehefrau Barbara Hylgert aus Bous betrieb. Wann genau er sie an seine älteste Tochter Catharina (* 1793) und ihren aus Tholey stammenden Ehemann Carl Giraud aus Tholey (oo 1813) übertrug, ist mir unbekannt. In irgendeinem Notariatsvertrag wird zu lesen sein, daß der Eigentumsübergang mit Johannes’ Tod erfolgen sollte, wie es auch geschah. Johannes starb im Alter von 80 Jahren am 12. August 1842 in Lebach, und die Anzeige oben wurde am 1. November geschaltet. Im Lebacher Urhandriss von 1844 ist Carl Giraud als Eigentümer des Hauses Pfarrgasse 8-11 in Lebach eingetragen. Nach seinem frühen Tod am 14.03.1845 ging das Haus vermutlich an seinen Schwager, den Kaufmann Johann Steimer, verheiratet mit Maria Regina Henry, + 28.03.1859. Später gehörte es dem Rechnungsrat und Katasterkontrolleur Johann Rudolph Vollrath. 1919 erwarb die Katholische Kirchengemeinde Lebach das stattliche Anwesen und richtete dort ein Schwesternhaus mit Kindergarten sowie im östlichen Teil einen Pfarrsaal ein. Der Pfarrsaal wurde dann zu heutigen Stadthalle Lebach umgebaut.
Mein Dank gilt den Teilnehmers der Liste Regionalforum Saar (Hans-Joachim Kühn, Lothar Schmidt, Klaus Feld) und der genealogischen Liste Saarland (Jens Schneider, Rainer Clemens, Hermann Rauber, Marie-Luce), die an diesem Artikel mitgeholfen haben.
Date: 2024/03/09 14:54:17
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Bremen und die atlantische Sklaverei. Waren,
Wissen und
Personen, 1780–1860
Autor Jasper Henning Hagedorn,
Erschienen Baden-Baden 2023: Nomos
Verlag
Anzahl Seiten 540 S.
Preis € 114,00 (charmanter Preis)
ISBN 978-3-7560-0678-6
Rezensiert für H-Soz-Kult von Julian zur Lage,
Fachbereich
Geschichte, Universität Hamburg
Forschung zur deutschen Involvierung in das System der
atlantischen Sklaverei
weist, sobald sie den engen Rahmen einzelner Firmen oder
Personengruppen
verlässt, erhebliche praktische und konzeptuelle Herausforderungen
auf –
zusätzlich zu den auch in der Forschung zu westeuropäischen
Kolonialmächten
ohnehin bestehenden, etwa zur Dezentrierung europäischer
Perspektiven.
Ursächlich für diese speziellen Herausforderungen ist unter
anderem die
geografische Streuung der Aktivitäten über verschiedene staatliche
Einflusssphären und drei Kontinente. Daran anknüpfend besteht die
Notwendigkeit
eines Ansatzes, der den Zusammenhang zwischen oft isolierten
Fallbeispielen
herstellt.
Jasper Henning Hagedorn begegnet diesen Herausforderungen in
seiner
Dissertation über „Bremen und die atlantische Sklaverei“
einerseits durch
geografische und zeitliche Eingrenzungen sowie mit Referenzen auf
übliche
Konzepte der Slavery Studies wie etwa den „Hidden Atlantic“ (mit
Michel Zeuske,
S. 24) und die „Second Slavery“ (mit Dale Tomich, S. 25).
Andererseits
verwendet er einen breiten Begriff der „Verflechtungen“ (S. 14),
die auf
verschiedenen Ebenen analysiert werden sollen. Der Untertitel des
Buches
„Waren, Wissen und Personen, 1780–1860“ fasst die
Untersuchungsfelder kurz
zusammen, wobei insbesondere der Begriff des Wissens und der
Rückgriff auf
Konzepte der Wissensgeschichte für dieses Thema bemerkenswert
sind. Die aus dem
Bremer ERC-Grant-Projekt „The Holy Roman Empire of the German
Nation and its
Slaves“ unter der Leitung Rebekka von Mallinckrodts
hervorgegangene Arbeit soll
sich so von der klassisch wirtschaftshistorisch ausgelegten
Forschung zur
Bremer beziehungsweise deutschen Involvierung in Sklaverei und
Kolonialismus
abheben.
Das nach der ausführlichen Einleitung zweite Kapitel über Bremens
Handel mit
Plantagenregionen folgt dann zuerst noch bekannten Pfaden und
bietet einen
wirtschaftshistorischen Überblick über die Bedingungen, unter
denen die
Kaufleute der Stadt agierten. Informationen zu Zielregionen des
Handels,
Exportwaren und Strukturen der Firmen schließen sich an, bevor
exemplarisch
einzelne Handelshäuser angeführt werden. In diesem Abschnitt – wie
auch in
einem kurzen Anhang – finden sich zudem einige aussagekräftige
Datenreihen und
Diagramme über den Handel der Stadt und einzelner Firmen.
Detailstudien anhand bestimmter Akteure machen den Großteil des
zentralen
dritten Kapitels aus. Der erste Abschnitt beleuchtet das dänische
St. Thomas
als den Ort, wo Bremer Geschäftsleute trotz der
protektionistischen
Vorschriften der Kolonialmächte schon im ausgehenden 18.
Jahrhundert Zugang zur
Plantagenökonomie finden konnten. Hier kann Hagedorn die
Integration der Bremer
in die koloniale Elite zeigen, mit der eine „Normalisierung der
Sklaverei“ (S.
146) für alle dokumentierten Akteure einherging. Im nächsten
Abschnitt gilt ein
besonderer Fokus dem bremischen und hanseatischen Konsulatswesen
im frühen 19.
Jahrhundert wie auch der Korrespondenz der Konsuln, die – selbst
in der Regel
zugleich Kaufleute – als „Informationsbrücke“ (S. 238) über
Plantagenwirtschaft
und Sklaverei zwischen ihrem Arbeitsort und der Heimat fungierten.
Zugleich
betont Hagedorn mehrfach, dass die Berichterstatter oft explizite
Erwähnungen
der Sklaverei oder zumindest eigene Wertungen vermieden.
Anschließend folgen
Fallstudien zu Akteuren, die direkt in die Sklaverei involviert
waren. Johann
Böse, der ab 1766 Wirtschafter einer Plantage Heinrich Carl von
Schimmelmanns
in der dänischen Karibik wurde, und Richard Fritze, der erst 1858
aus Kuba nach
Bremen zurückkehrte, zeigen das zeitliche und
geografisch-politische Spektrum
des Kapitels auf. Weitere Beispiele wie die Mitglieder der Familie
Wilckens
beziehen auch das französische und britische Kolonialreich mit
ein. In diesen
Abschnitten beleuchtet Hagedorn die Karrieren vom Gang in die
Kolonien und dem
Plantagenerwerb bis zur erfolgten Rückkehr und die Wahrnehmung der
Involvierung
in die Sklaverei in Bremen. Zwei Einschübe thematisieren zudem die
Präsenz
Schwarzer Menschen in Bremen.
Das vierte Kapitel ist der politischen und gesellschaftlichen
Auseinandersetzung über Sklaverei und Sklavenhandel in Bremen
gewidmet. Die
hanseatischen Vertragsabschlüsse der 1830er-Jahre mit
Großbritannien und
Frankreich, die den Marinen der Großmächte ein Durchsuchungsrecht
möglicher
Sklavenschiffe erlaubte, bilden den Ausgangspunkt des Abschnitts.
Zum Tragen
kam dieser Konflikt 1841 im Fall des Bremer Schiffs Julius &
Eduard, das
von einem britischen Kriegsschiff aufgebracht wurde und dessen
Auftraggeber und
Besatzung vertragsgemäß in Bremen für ihre Beteiligung am
Sklavenhandel
verurteilt werden sollten. Die „hochpolitisierte Verhandlung“ (S.
369) endete
mit einem Freispruch und verdeutlichte so die rechtlichen
Vorstellungen der politischen
Elite Bremens. Hagedorn betont hier die Ambivalenz zwischen
moralischem
Selbstverständnis und wirtschaftlichen Interessen, die sich auch
in weiteren
Fallstudien wie dem aus der Sklaverei nach Bremen geflohenen
William Stepney
und dem Schiff Dom Pedro II zeigen. Untersuchungen zu Bremer
publizistischen
Auseinandersetzungen mit der Sklaverei und konkret die Rezeption
der sich um
1860 zuspitzenden Konflikte um das Thema in den USA schließen das
Kapitel ab.
Die zahlreichen hier angeführten Fallbeispiele deuten nur an, in
welcher
Detailgenauigkeit und Breite Hagedorn das Thema bearbeitet hat.
Seine intensive
Quellenarbeit in Bremen dürfte sich für vergleichbare Studien mit
einem
regionalen Fokus als maßstäblich herausstellen. Durch die
Bearbeitungszeit von
2019 bis 2023 verständlich, aber trotzdem bedauerlich ist die
praktisch auf das
dänische Rigsarkivet begrenzte Einbeziehung internationaler
Archive. Angesichts
der von Hagedorn wiederholt betonten Bedeutung Großbritanniens
etwa als
„Referenzpunkt“ für Bremen (S. 449, ähnlich S. 486, explizit mit
Bezug auf
Archivalien S. 42) ist die Verwendung nur eines einzigen Dokuments
aus den
National Archives erstaunlich. Die wichtigsten einschlägigen
Bestände zur
Britischen Bekämpfung des Versklavungshandels nach 1807 liegen
digitalisiert
vor, hätten also einfachen Zugriff auf eine komplementäre
Überlieferung
geboten.1
Die große Stärke der Arbeit liegt auch deshalb in der Darstellung
der
innerbremischen Dynamiken, etwa der Netzwerke, der Weitergabe von
Wissen und
der Frage der Reputation durch die Involvierung in die Sklaverei.
In dieser
Hinsicht kann der wissensgeschichtlich geprägte Ansatz als
gelungen
eingeschätzt werden: Hagedorn kann sich so immer wieder auch
substanziell,
nicht nur im Umfang, etwa von den Aufsätzen Horst Rösslers
abheben, der die
wichtigsten Fallbeispiele schon thematisiert hat.2 Zugleich bedeutet dieses
Vorgehen jedoch
einen weitgehenden Verzicht auf strukturierende Analysen
beispielsweise anhand
quantifizierender Methoden oder der Unterteilung in verschiedene
Perioden.
Trotz der angeführten Kritikpunkte erfüllt Hagedorns Studie
angesichts der
Detailtiefe der einzelnen Untersuchungen und des breiten Spektrums
an
Fallbeispielen überzeugend sein Ziel, Bremens „umfassende
Teilhabe“ (S. 493) an
der atlantischen Sklaverei nachzuweisen. Mit einer umfangreichen
regionalen,
nicht auf eine Person oder ein Unternehmen fokussierten Studie zur
Sklaverei
betritt er auch für den gesamten deutschsprachigen Raum weitgehend
Neuland.3 Somit stellt die Arbeit
zugleich einen
wichtigen Baustein für das Verständnis der übergreifenden
deutschen Beteiligung
an der kolonialen Wirtschaft im Allgemeinen und der Sklaverei im
Besonderen
dar.
Anmerkungen:
1 Siehe exemplarisch: The
National Archives,
FO 84–946, fol. 107v–117r mit Bezug auf die Julius & Eduard
sowie die Dom
Pedro II.
2 Etwa die für Hagedorn
zentralen Fälle Böse,
Wilckens, Fritze und Julius & Eduard: Horst Rössler, Vom
Zuckerrohr zum
Zuckerhut. Die Familie Böse und die Bremer Zuckerindustrie, in:
Bremisches
Jahrbuch 90 (2011), S. 63–94; Horst Rössler, Bremer Kaufleute und
die
transatlantische Sklavenökonomie 1790–1865, in: Bremisches
Jahrbuch 95 (2016),
S. 75–107. Siehe aus dem Bremer Projekt auch: Sarah Lentz, „No
German Ship Conducts
Slave Trade!“ The Public Controversy about German Participation in
the Slave
Trade during the 1840s, in: Rebekka Mallinckrodt / Josef
Köstlbauer / Sarah
Lentz (Hrsg.), Beyond Exceptionalism. Traces of Slavery and the
Slave Trade in
Early Modern Germany, 1650–1850, Berlin 2021, S. 287–311.
3 Wegweisende deutsche Studien
zu einer
Familie beziehungsweise staatlichen Kompanie sind dagegen schon
Klassiker, etwa
Christian Degn, Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel.
Gewinn und
Gewissen, Neumünster 1974; Andrea Weindl, Die Kurbrandenburger im
‚atlantischen
System‘, 1650–1720, Köln 1998, in: Arbeitspapiere zur
Lateinamerikaforschung https://lateinamerika.phil-fak.uni-koeln.de/fileadmin/sites/aspla/bilder/arbeitspapiere/weindl.pdf
(10.02.2024). Zudem erschienen in den letzten 15 Jahren diverse
impulsgebende
Aufsätze verschiedenen geografischen Zuschnitts, die mit einem
knapperen Umfang
aber zwangsläufig andere Ansätze verfolgten. Siehe neben Rössler
etwa Klaus
Weber, Deutschland, der atlantische Sklavenhandel und die
Plantagenwirtschaft
der Neuen Welt (15. bis 19. Jahrhundert), in: Journal of Modern
European
History 7 (2009), S. 37–67; Magnus Ressel, Hamburg und die
Niederelbe im
atlantischen Sklavenhandel der Frühen Neuzeit, in:
WerkstattGeschichte 66/67
(2014), S. 75–96.
Zitation
Julian zur Lage, Rezension zu: Hagedorn, Jasper Henning: Bremen
und die
atlantische Sklaverei. Waren, Wissen und Personen, 1780–1860.
Baden-Baden 2023
, ISBN 978-3-7560-0678-6, In: H-Soz-Kult, 08.03.2024, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-138403>.
Date: 2024/03/11 20:45:18
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Das Grabtuch von Turin
Am Dienstag, 26. März 2024, ab 17.30 Uhr hält Ute Hennig aus St.
Wendel einen
bebilderten Vortrag mit dem Thema „Das Grabtuch von Turin“.
Keine Reliquie der Kirche ist so intensiv untersucht worden, keine
Reliquie
ermöglicht mehr Erkenntnisse, keine ist umstrittener als das
"Turiner
Grabtuch". Wir betrachten die naturwissenschaftlichen Ergebnisse,
die
historischen Quellen und die im Tuch enthaltenen Informationen zur
Todesstrafe
in der Antike: die Kreuzigung.
Ein faszinierendes Stück Kulturgut - ob für Gläubige oder
Agnostiker.
Der Vortrag findet im Rahmen der Monatstreffen der Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft
für Saarländische Familienkunde (ASF) im Lesesaal des
Landesarchivs Saarbrücken
statt.
Der Eintritt ist frei.
Gäste sind uns immer stets willkommen.
Mit freundlichen Grüßen
Roland Geiger
Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Saarländische
Familienkunde (ASF)
Date: 2024/03/11 20:49:43
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Klaus Gietinger aus Saarbrücken, der vor ein
paar Jahren den
Film über Lenchen Demuth drehte, hat einen Dokumentarfilm mit dem
Titel
„Monumente des Krieges und das Wesen des Deutschseins“ gedreht.
Die Premiere findet am Mittwoch, den 20. März 2024 um 20 Uhr im
Filmhaus
Saarbrücken statt.
Den Trailer gibt es hier: https://youtu.be/9pL6Ju7POlg?si=doiWJPvpR6n_sSos
Mit freundlichen Grüßen
Roland Geiger
Date: 2024/03/13 08:42:14
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Schülerinnen- und Schülerleben im 19. und
frühen 20.
Jahrhundert. Aufwachsen, Alltag und Freizeit von Schülerinnen und
Schülern
höherer Schulen im deutschen Sprachraum und ihre Erforschung
Herausgeber Daniel Gerster, Carola Groppe
Erschienen Bad Heilbrunn 2023: Verlag
Julius Klinkhardt
Anzahl Seiten 365 S.
Preis € 24,90
ISBN 978-3-7815-2581-8
Inhalt => meinclio.clio-online.de/uploads/media/book/toc_book-78970.pdf
Rezensiert für die Historische Bildungsforschung
Online bei
H-Soz-Kult von: Sandra Wenk, Institut für Pädagogik,
Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg
Der vorliegende Sammelband geht von einer bereits länger beklagten
Leerstelle
(erziehungs-)historischer Forschung aus.1 Trotz umfassender
Beschäftigung mit der
Geschichte von Jugend und Jugendlichen sowie einem neuen Interesse
an der
Kindheitsgeschichte und damit verbundenen Appellen, die Agency von
Heranwachsenden ernst zu nehmen, sind Schüler als soziale Gruppe
und
Akteur:innen bisher kaum berücksichtigt worden. Der von Daniel
Gerster und
Carola Groppe herausgegebene Band verfolgt nun den Anspruch, sich
„erstmals
intensiv mit der Frage [auseinanderzusetzen], wie sich Aufwachsen,
Alltagsleben
und Freizeitverhalten von Schülerinnen und Schülern höherer
Schulen gestalteten
und welche Wege ihrer Erforschung es gibt“ (S. 10). Er bezieht
sich (mit
Ausnahme eines komplementär angelegten Beitrags) auf höhere
Schulen im deutschsprachigen
Raum im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Wie Gerhard Kluchert in
der
inhaltlichen, die Forschung systematisierenden Einführung mit
Blick auf den
Anteil dieser Schülergruppe an den Gleichaltrigen herausstellt,
werden damit
„ausgesprochene Ausnahmeerscheinungen“ fokussiert. Zwar war der
Schulbesuch für
fast alle Heranwachsenden seit dem späten 19. Jahrhundert zu einer
Alltagserfahrung geworden, jedoch besuchte nur ein geringer Anteil
eines
Jahrgangs höhere Schulen. Erst gegen Ende der ersten deutschen
Republik, so
argumentiert Kluchert, hätte sich das Schülersein an den höheren
Schulen von
„einem exklusiven Randphänomen zu einer gängigen und stilbildenden
Jugend-Gestalt“ gewandelt (S. 18). Diese Engführung ist zu
berücksichtigen.
Doch besteht die Produktivität des Zuschnitts darin, dass der Band
die
Heterogenität dieser Gruppe höherer Schüler demonstriert und dabei
unterschiedliche Zugänge sowie die Analyse verschiedener
Quellenarten vereint.
Der Begriff des Schülerlebens ist gut gewählt, weil er im
Gegensatz zu den
vorliegenden kulturhistorischen schulgeschichtlichen Arbeiten vor
allem
außerunterrichtliche Aspekte in den Blick nimmt. Als Beitrag zur
im
deutschsprachigen Raum weitgehend vernachlässigten
Alltagsgeschichte von Schule
stellt er einen anregenden Perspektivwechsel zur lange
dominierenden Struktur-
und derzeit bestimmenden Expert:innen- und Wissensgeschichte dar.2
Mehrere Beiträge beschreiben die Ausbildung einer Schülerkultur an
höheren
Schulen im Spannungsfeld von schulischen Anforderungen und neu
entstandenen
Möglichkeitsräumen von Jugendlichen. Joachim Scholz widmet sich
frühen
Schülerzeitungen, deren Anfänge er entgegen der gängigen Deutung
nicht auf
pädagogische Ambitionen unter dem Einfluss von Jugendbewegung und
Reformpädagogik zurückführt, sondern auf Aktivitäten von Schülern
selbst „unter
dem Eindruck des sich ausbreitenden Pressewesens und einer sich
etablierenden
Schulöffentlichkeit und Schülerkultur an den höheren Schulen“ (S.
44). Vor
allem seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts hätten sich
einige
überregionale Zeitungen mit hoher Auflage entwickelt. Sie blickten
zum Teil
spöttisch auf den Schulalltag und waren doch von ihm geprägt, da
etwa die
Themenstellungen Einflüsse des Aufsatzunterrichts erkennen ließen
und die
Haltung der Schreibenden einen gymnasialen Habitus offenbarte.
Die männliche Schülerkultur an den höheren Schulen war zudem durch
eine
Peerkultur charakterisiert, die sich an studentischen
Zusammenschlüssen
orientierte. Dennis Mathie und Carola Groppe zeigen, dass das in
Deutschland
weit verbreitete Pensionswesen – im frühen 20. Jahrhundert lebte
bis zu ein
Fünftel der höheren Schüler zeitweise in privaten Pensionen
außerhalb ihres
Heimatortes – Schülern Freiräume verschaffte und begünstigte, dass
sich
gleichaltrige Jugendliche in Korporationen zusammenschlossen.
Anders als an der
Universität waren diese Verbindungen streng verboten, was den
eigenen
Rechtsstatus von Schülern deutlich macht und vermutlich auf
unterschiedliche
Leitbilder beider Institutionen verweise.
Li Gerhalter untersucht Erinnerungspraktiken wie den Austausch von
Fotografien
oder Poesiealben in deutschen und österreichischen Mädchenschulen
des frühen
20. Jahrhunderts. In ihnen schlugen sich zeitspezifische
Emotionen, wie zum
Beispiel Schwärmereien gegenüber Mitschülerinnen und Lehrerinnen,
aber auch
schulische Hierarchien nieder, die durch technische Neuerungen wie
Amateurfotoapparate mitunter unterlaufen worden seien. Die rege
Zirkulation der
Erinnerungsgegenstände und deren genaue Dokumentation durch die
Schülerinnen
führt Gerhalter jedoch auf eine „Identifikation mit der
Institution Schule“ (S.
157) zurück.
Die Leistungsanforderungen und Bildungsaspirationen höherer
Schüler bilden
einen weiteren Schwerpunkt. Denise Löwe verfolgt am Beispiel von
sogenannten
„Bildungsgängen“ des frühen 20. Jahrhunderts – von
Abiturient:innen im Kontext
der Reifeprüfung zu verfassende Texte über ihren bisherigen
Bildungsweg –, wie
Schüler sich in Zeiten der Öffnung der höheren Bildung zu den an
sie gestellten
Ansprüchen positionierten. In den Lebensläufen werden neben dem
deutlichen
Einfluss der sozialen Herkunft Unterschiede zwischen
Freizeitaktivitäten und
außerschulischen Bildungsinteressen erkennbar. Während die Schüler
des
humanistischen Gymnasiums die Freizeit vor allem alleine und mit
„auf einen
Kanon der Hochkultur“ (S. 86) begrenzten Aktivitäten verbrachten,
beschrieben
Realgymnasiasten und Oberrealschüler stärker gemeinschaftliche und
jugendkulturell geprägte Tätigkeiten. Es wäre lohnend, diesem
interessanten
Hinweis auf die schulform- und schichtspezifische
Freizeitgestaltung und ihrem
Wandel weiter nachzugehen.
In Tagebüchern von männlichen Jugendlichen sei der Schulbesuch
erstaunlich
wenig präsent, hält Sylvia Wehren für die zweite Hälfte des 19.
Jahrhundert
fest. Zwar fänden sich summarische Berichte zu Stundenplänen,
Unterrichtsmethoden und Lehrpersonen wie zu besonderen
Ereignissen. Das
Alltägliche und „der eigene Status als Schüler“ (S. 113) hingegen
seien kaum
thematisiert worden. Demgegenüber seien individuelle
Bildungsprojekte akribisch
dokumentiert und berufliche Ambitionen reflektiert worden. Hieran
schließt sich
die Frage an, ob aus diesen ersten Befunden eher Schlüsse über die
kulturelle
Praxis des Tagebuchführens oder das Verhältnis
bildungsbürgerlicher Jungen zur
Schule zu dieser Zeit gezogen werden können.
Dass sich Schüler zu den an sie gestellten Leistungsnormen
eigensinnig
verhielten, zeigt Daniel Gerster anhand einer Auswertung von
Schülerbriefen der
Internatsschule Pforta. Die Jungen verfolgten „sehr
unterschiedliche Strategien
des Erwartungsmanagements“ (S. 130) und betonten bei schulischem
Misserfolg
etwa Erfolge auf anderen Gebieten. Auch Gerster beschreibt
Schülerverbindungen
als „Zentrum einer alternativen ‚eigensinnigen‘ ‚Schülerkultur‘“
(S. 122), zu
der Initiationsriten, Alkohol und Gewalt gehörten, wobei sich die
Briefe vor
allem auf Andeutungen beschränkten.
Zwei Beiträge widmen sich der erinnerten Schulzeit. Elke Kleinau
befasst sich
mit Lehrerinnenbildungsanstalten im Nationalsozialismus und stellt
eine
nachhaltige Prägung der Absolventinnen fest, die sich darin
äußere, dass die
Schulzeit als aufregende, unpolitische Episode erinnert werde. Pia
Schmid
argumentiert anhand von Autobiografien von Protagonistinnen der
bürgerlichen
und der proletarischen Frauenbewegung, dass nur in den Texten
letzterer die
soziale Klassenzugehörigkeit thematisiert wurde. Dabei ist eine
aufschlussreiche Pointe, dass der (außerschulische) Bildungs- und
Politisierungsprozess letztlich auch bei diesen Frauen zur
Entwicklung eines
(bürgerlichen) Ideals von Kindheit und Jugend als Moratorium
beitrug.
Weitere Beiträge behandeln Aspekte wie Schulreisen (Gräbe),
stellen
Überlegungen zu einem kindheitswissenschaftlichen Zugriff auf das
Internatsleben an (Leitner), kontrastieren das Schulleben an
höheren Schulen
mit der Schulsituation von in der Fabrikarbeit beschäftigten
Kindern (Schütz)
und skizzieren die Überlieferungssituation der Schulen aus
archivarischer Sicht
(Holzapfl, Hermes-Wladarsch).
Der Band demonstriert, welche Potentiale die Schülergeschichte
hat. Zu seinen
Vorzügen zählen die Überlegungen zu geeigneten Quellen und deren
differenzierte
Analysen. Schüler werden darin als Akteur:innen begriffen, ohne
dass die
Machtverhältnisse, in denen sie standen, außer Acht gelassen
werden. Die
Ergebnisse bestätigen zumeist Befunde zur bürgerlichen
Sozialisation. Hier
erscheint es gewinnbringend, noch genauer nach den Spezifika
schulischer
Bildung im bürgerlichen Aufwachsen zu fragen, vor allem aber auch
andere
Schulmilieus einzubeziehen. Dass sehr verschiedene Facetten des
Schülerseins
betrachtet werden, ist Stärke und Schwäche zugleich, denn damit
stellt sich
auch die Frage nach den übergreifenden Erkenntnisinteressen und
Perspektiven
einer Schülergeschichte. Zwar werden ältere Deutungen, die
Kluchert einführend
anspricht, etwa der Prozess der Scholarisierung als
Disziplinierung,
differenziert; übergreifende Fragen werden aber insgesamt wenig
diskutiert.
Bevor also weitere Details des Schüleralltags bis zum „Pausenbrot“
(S. 31)
ausgeleuchtet werden, wäre es gewinnbringend, noch stärker die
größeren
Anschlussperspektiven in Geschichts- und Erziehungswissenschaft
herauszustellen. Der gewählte Untersuchungszeitraum ist fraglos
zentral, weil
in ihm Schule nicht nur zu einer neuen zentralen
Sozialisationsinstanz für
Kinder und Jugendliche, sondern das erfolgreiche Absolvieren auch
zur
Voraussetzung „sozialen Aufstiegs und sozialer Reproduktion“ (S.
201) wurde.
Diesem grundlegenden Wandel für das Aufwachsen und der neuen
Rolle, die der
Schulbesuch etwa für politische Sozialisation oder die Erfahrung
sozialer
Ungleichheit hatte – gerade nicht nur als Ort der Vermittlung,
sondern auch als
sozialer Raum von Gleichaltrigen – sollte weiter nachgegangen
werden. Dabei
wäre es lohnend, die Schülerperspektive nicht allein für den
engeren Bereich
der Schulgeschichte, sondern auch für weitere Bereiche der
Kindheits- und
Jugendgeschichte wie zum Beispiel jugendliche Sexualität oder
Massen- und
Konsumkultur zu verfolgen.
Insgesamt wirft der Band Grundfragen der Schulgeschichte auf, wie
sie schon
lange nicht mehr gebündelt diskutiert wurden und er demonstriert
zudem, wie
wichtig eine stärkere Verschränkung von Kindheits- bzw. Jugend-
und
Schulgeschichte ist. Es wäre daher nur wünschenswert, wenn diese
Impulse
aufgegriffen würden.
Anmerkungen:
1 Vgl. Andreas Gestrich,
Vergesellschaftungen
des Menschen. Einführung in die Historische
Sozialisationsforschung, Tübingen
1999, S. 134–135.
2 Zu den Erträgen letzterer im
Bereich der Schülergeschichte
vgl. Philipp Eigenmann / Thomas Ruoss, Schüler in der historischen
Bildungsforschung, in: Hedda Bennewitz / Heike de Boer / Sven
Thiersch (Hrsg.),
Handbuch der Forschung zu Schülerinnen und Schülern, Münster 2022,
S. 25–32.
[3] Vgl. dazu Carola Groppe, Im deutschen Kaiserreich. Eine
Bildungsgeschichte
des Bürgertums 1871–1918, Wien 2018.
Zitation
Sandra Wenk, Rezension zu: Gerster, Daniel; Groppe, Carola
(Hrsg.): Schülerinnen-
und Schülerleben im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Aufwachsen,
Alltag und
Freizeit von Schülerinnen und Schülern höherer Schulen im
deutschen Sprachraum
und ihre Erforschung. Bad Heilbrunn 2023 , ISBN 978-3-7815-2581-8,
In:
H-Soz-Kult, 13.03.2024, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-137585>.
Date: 2024/03/15 10:39:31
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Heute in der Saarbrücker Zeitung, Regionalteil St. Wendel:
Neu erschienen: Wie ein Deutscher Südfrankreich
(er)lebt
Von Thorsten
Grim Redakteur Lokalredaktion St. Wendel
Es ist die große Liebe, die der aus Namborn stammende Joachim
Ferrang im Süden
Frankreichs gefunden hat. Doch damit ist nicht etwa ein Mensch
gemeint, sondern
Südfrankreich selbst, wo er mehrere Monate im Jahr lebt. Im
eigenen kleinen
Häuschen. „Wenn ich dann ein paar Wochen nicht dort war, bekomme
ich Sehnsucht,
dann habe ich richtiges Heimweh“, bekennt er bei einem Besuch in
der St. Wendeler
Lokalredaktion der Saarbrücker Zeitung. Wobei es
selbstredend schön sei,
bei den regelmäßigen Aufenthalten in der ersten (oder inzwischen
zweiten?)
Heimat Familie, Freunde und Bekannte zu treffen. Ferrang wohnt,
wenn er nicht
in Frankreich lebt, in der Kreisstadt St. Wendel.
Derzeit hält sich sein Heimweh aber – zumindest noch – in Grenzen.
Denn erstens
hat er einen Auftrag und zweitens etwas mitgebracht, das die
Sehnsucht ein
wenig lindert – beides hängt zusammen: Die Sehnsucht lindert ein
Buch namens
„Esprit Du Sud – Mein Jahr in Südfrankreich“. Geschrieben von
Joachim Ferrang.
Und nun ist der autodidaktische Filmemacher, Fotograf und Autor im
Saarland, um
das 218-seitige Werk, das er seinen Freunden und Bekannten in
Südfrankreich
gewidmet hat, vorzustellen und zu bewerben. Das ist der Auftrag,
den er sich
selbst gegeben hat.
„Ich bin ein französischstämmiger Deutscher“, sagt Ferrang. Seine
Vorfahren
väterlicherseits stammten aus der Region Clermont-Ferrand im
Herzen Frankreichs.
Und auch sein Familienname komme vom französischen Wort „Fer“,
also Eisen. „Ich
habe da mal ein bisschen nachgeforscht: Das müssen wohl
Hüttenbesitzer gewesen
sein.“ Hugenotten, die als französische Protestanten Ende des 17. Jahrhunderts
wegen ihres Glaubens aus ihrer Heimat vertrieben wurden.
Jedenfalls
passt er damit gut ins von Kohle und Stahl geprägte Saarland, das
als
‘französischstes’ aller deutschen Bundesländer gilt. Er sei schon
immer der
französischen Lebensweise zugewandt gewesen. Da komme er ganz nach
seinem
Vater.
„Bei uns zuhause ist es französisch zugegangen. Allerdings ohne
dass das von
mir als Kind wirklich wahrgenommen wurde. Erst im Nachhinein wurde
mir das
wirklich bewusst. Wenn bei anderen der Kaffee aufgetischt wurde,
gab es bei uns
Wein“, erzählt er schmunzelnd. Morgens trank der Papa seinen
Milchkaffee aus
einer Bowl, also einer Art Schüssel, tunkte sein Brötchen oder
Croissant darin,
um danach den mit Milch verdünnten Wachmacher genüsslich
auszuschlürfen.
Ein Stück weit ist Ferrangs Buch auch eine Reminiszenz an seine
Mama. Diese
habe im Alter von 92 Jahren damit begonnen, gemeinsam mit ihrem
Sohn die
Erlebnisse während der Nazi-Zeit aufzuarbeiten. „Warum hat man
damals so
gedacht, wie man gedacht hat? Das kann ich bis heute nicht
verstehen. Und meine
Mama konnte es damals auch nicht mehr.“ Den Kindern ihrer
Generation und denen
davor sei halt eingetrichtert worden, dass die Franzosen die
Erzfeinde der
Deutschen seien. „Sie hat dann immer gesagt: Seht bloß zu, dass so
etwas nie
wieder passieren kann.“
Und auch in diesem Sinne sei ihm dieses Buch wichtig: Es ist als
Brücke zur
Verständigung mit und des Verständnisses für unsere Nachbarn
gedacht, den
Franzosen, die besonders von den linksrheinisch lebenden Menschen
heute eher
als Erzfreunde betrachtet werden.
Ferrangs Buch „Esprit Du Sud“ ist „nicht nur eine Sammlung von
Geschichten – es
ist ein Fenster in die Seele Südfrankreichs, geöffnet von
jemandem, der diese
Welt nicht nur beobachtet, sondern in ihr lebt, atmet und sie tief
versteht“,
heißt es in der Pressemappe zur Buchveröffentlichung. Geboren 1960
im Saarland,
„vereint der Autor eine faszinierende Mischung aus deutscher
Präzision und
französischem Flair. Seine Wurzeln reichen tief in das Herz
Frankreichs, was
ihm eine einzigartige Perspektive auf die lebendige und oft
rätselhafte Kultur
Südfrankreichs ermöglicht. Diese binationale Herkunft
prädestiniert ihn
geradezu als Brückenbauer zwischen den beiden Kulturen – eine
Rolle, die er in
seinem zweiten Buch mit Bravour ausfüllt“.
Während seiner Zeit in Südfrankreich erlebt Ferrang das
Alltagsleben, die
ungeschriebenen Regeln und die feinen Nuancen der südfranzösischen
Mentalität
aus erster Hand. Diese Erfahrungen bilden das Fundament seiner
Erzählungen, die
von authentischen Begegnungen und amüsanten Missverständnissen
geprägt sind.
In 23 kurzweiligen Geschichten, die persönliche Erlebnisse
widerspiegeln, nimmt
der französischstämmige deutsche Wahlfranzose seine Leser mit nach
Südfrankreich. Ferrang erzählt von den charmanten Eigenheiten und
den manchmal
herausfordernden Tücken des südfranzösischen Alltags. Von
amüsanten
Missverständnissen mit Handwerkern und Behörden bis hin zu
tiefgründigen
Begegnungen mit den Einheimischen – die Geschichten sind ein
Kaleidoskop des
Lebens im Süden Frankreichs.
Der gebürtige Namborner zeigt auf humorvolle Weise, wie Deutsche
und Franzosen
ticken – von der deutschen Pünktlichkeit bis hin zum französischen
Savoir-vivre, das „mehr Fallstricke hat, als man vielleicht
denkt“, sagt der
Autor wissend lächelnd. In der Pressemappe heißt es: „Begleiten
Sie den Autor
auf seinen Abenteuern in seinem kultigen 2CV und erfahren Sie, wie
er mit Hilfe
seiner südfranzösischen Nachbarn Paco und Madeleine in die
Gemeinschaft
integriert wird. Erleben Sie, wie er lernt, dass Pastis und Wein
nicht nur
Getränke, sondern ein Teil der südfranzösischen Seele sind, und
wie die Siesta
seinen Tagesrhythmus verändert.“
Nach 26 Jahren in Südfrankreich ist der Autor nicht nur
angekommen, er ist Teil
der Gemeinschaft geworden. Seine Geschichten sind ein Zeugnis
dafür, dass das
Leben im Süden Frankreichs anders tickt.
Das Buch „Esprit Du Sud – Mein Jahr in Südfrankreich“ von Joachim
Ferrang ist
im Buchhandel und online erhältlich als Hardcover mit der ISBN
978-3-384-07575-8 für 22,99 Euro und als e-Book mit der ISBN
978-3-384-07576-5
für 8,99 Euro.
Date: 2024/03/15 10:44:36
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Heute in der Saarbrücker Zeitung, Saarlandteil
Wegducken löst unsere Zukunftsfragen nicht
Von Meinrad Maria Grewenig
530 große christliche Kirchen bestimmen mit ihrer Architektur die
Städte und
Gemeinden des Saarlandes und sind deren städtebauliche Fixpunkte.
390
Kirchengebäude sind katholisch und 140 evangelisch. Rechnerisch
besitzt jede
der 53 eigenständigen Kommunen im Land zehn Gotteshäuser. Hinzu
kommen die
Synagoge in Saarbrücken, die Moschee in Sulzbach und die Reihe von
Kapellen und
kirchlichen Versammlungsräumen.
Ihre faszinierenden Innenräume verweisen in eine andere Welt. Die
meisten dieser
Kirchen entstanden in dem prosperierenden Zeitabschnitt des
industriellen
Aufbruchs des Saarlandes in der zweiten Hälfte des 19. und zu
Beginn und nach
der Mitte des 20. Jahrhunderts. Das Aussehen dieser Gotteshäuser
orientierte
sich überwiegend am Erscheinungsbild mittelalterlicher
Kirchengebäude.
In den letzten Jahren rückte die Abteikirche Tholey in den Fokus
der
Öffentlichkeit. Externes großherziges Stiftertum hat dort durch
die
Generalsanierung Außerordentliches geleistet. Gekrönt wurde das
Projekt durch
die drei Chorfenster von Gerhard Richter, die mithalfen, die Abtei
Tholey ins
Zentrum der Weltöffentlichkeit zu katapultieren. Diese besondere
Verbindung von
vergangener Gedankenwelt mit aktueller zeitgenössischer Kunst
eröffnet als
Zukunftsprojekt gewaltige Chancen. Würde dieses Unterfangen mit
geistlichem
Leben erfüllt werden, wäre das ein Königsweg in die Zukunft.
Vor gut 2000 Jahren entstand im Abendland die Vorstellung, dass
sich über der täglichen
Welt, in der sich viele Götter tummelten, eine einzige
überweltliche Instanz
des Göttlichen besteht. In Mitteleuropa ereignete sich eine
Christianisierung
von unvorstellbarem Ausmaß. Der Glaube an den einen Christengott
entwickelte
sich zur Weltreligion. Man setzte die Koordinaten der Zeit neu und
begann mit
dem Jahr null.
Es etablierte sich eine Weltordnung, die von Gottes Gnaden
abgeleitet war. Es
entstanden heilige Räume und heilige Festtage mit heiligen
Gefäßen.
Heiligmäßige Männer wirkten als Priester, Ordensleute, Bischöfe,
Kardinäle und
Päpste. Erzbischöfe bestimmten als Kurfürsten die Geschicke des
Heiligen
Römischen Reiches Deutscher Nation nahezu 1500 Jahre. Sie wählten
den Deutschen
Kaiser und verkörperten „Staatsmacht“.
Die Französische Revolution setzte um 1800 mit ihrem Schlachtruf
nach Freiheit,
Gleichheit und Brüderlichkeit im Schulterschluss mit dem
Rationalismus neue
Grundlagen und stellte die bestehende Weltordnung radikal auf den
Kopf. Kirchen
wurden zu Lagerhäusern, Ställen oder Tempeln der Vernunft.
Staatsgewalt sollte
fortan nicht mehr von der Gnade Gottes abhängig sein, sondern
fanden ihre
Legitimation in der Demokratie, die vom Volke ausging, und in
Regierungen, die
von ihm gewählt wurden.
Die Französische Revolution beendete durch die Gewaltenteilung und
die Trennung
von Kirche und Staat scheinbar diese über viele Jahrhunderte
wirkende
Verknüpfung des Heiligen mit der Staatsmacht. Gleichzeitig führte
die
Industriekulturzeit mit ihrer Explosion von Innovationen in Europa
zum größten
Wohlstand der Menschheit in der Geschichte.
Dieser epochale Einschnitt beendet nicht die Sehnsucht der
Menschen nach dem
Heiligen. Durch die Verlagerung in die Welt des Persönlichen tritt
das genaue
Gegenteil ein – auch im Saarland. Die neue wirtschaftliche Kraft
führt zu einem
unvorstellbaren Bauboom in der Errichtung sakraler Gebäude und
Gotteshäusern
und einer Renaissance des christlichen Glaubens. Meist waren
bürgerliche
Kirchbauvereine ihre Wurzel.
Die Machtfantasien der Kleriker mit ihrer „absoluten
Kirchenregierung“ retten
sich in den Bistümern und Kirchenprovinzen über die Zeit. Sie
werden heute zum
Auslöser eines Erosionsprozesses, der den Kirchen das finanzielle
und
spirituelle Fundament entzieht.
Die Kirchenaustritte haben in Deutschland ein einsames
Rekordniveau erreicht.
Dieser Absturz hat im Innersten der Glaubensgemeinschaften seinen
Ursprung.
Kirchenmänner haben bewusst und zum persönlichen Nutzen sexuellen
und
geistlichen Missbrauch betrieben. Sie zerstörten damit den
Markenkern des
Heiligen.
Die christlichen Kirchen sind im freien Fall und finden kein
Mittel zur
Heilung. Statt offen diese menschenverachtenden Zustände zu
sanktionieren und
die Verursacher zu bestrafen, wurde bis vor kurzem Rettung nur im
Leugnen und
in der Vertuschung dieser Missstände gesehen.
Die menschliche Sehnsucht nach dem Heiligen oder dem Göttlichen
hat den
Menschen kollektiv über Jahrhunderte Hoffnung, Zuversicht und
Antrieb gegeben.
Dieser Drang wurde zum „größten Motor“ der Zukunftsentwicklung
unserer
Zivilisation. Die Ideale der Französischen Revolution wurden
dadurch befördert
und fanden in den Verfassungen der modernen Staaten bis hin zum
Grundgesetz der
Bundesrepublik Verwirklichung.
Der renommierte Religionssoziologe Detlef Pollack hat gezeigt,
dass auch in
nicht christlich sozialisierten Ländern wie der ehemaligen DDR und
Tschechien
diese Sehnsucht nach dem Heiligen die Menschen antreibt.
Aktuell steuern Mitteleuropa und die Welt mit unvorstellbarer
Konsequenz und
Geschwindigkeit auf globale Katastrophen zu. Neue aufbrechende
Kriegsherde
stellen die internationale Friedensarchitektur infrage. Die
Klimakrise zwingt
uns zu radikalem Umdenken. Nationalistische Tendenzen und der
damit verbundene
politische Rechtsruck führen die Vorstellung eines vielgestaltigen
Lebens ad
absurdum. Unsere Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein.
Wir sind mitten in der gewaltigsten Umbruchphase der Gegenwart. Es
ist dringend
geboten, dass die Menschheit ihren übergeordneten moralischen
Kompass und ihre
Sehnsucht nach dem Heiligen neu ausrichten. Ein ikonischer
Kulturort wie die
„Abtei Tholey“ mit der Weltkunst von Gerhard Richter könnte mit
einem professionellen
Besucherkonzept, das viele Menschen berührt, dazu sehr
Beachtliches beitragen.
Den Mönchen erwuchs durch die Runderneuerung ihres Klosters eine
Generalverpflichtung. Diese sollten sie annehmen und das
versprochene
geistliche Zentrum einrichten und betreiben. Sich wegducken, löst
unsere
Zukunftsfragen nicht.
Date: 2024/03/15 11:10:35
From: Stefan Reuter via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
_______________________________________________Heute in der Saarbrücker Zeitung, Regionalteil St. Wendel:
Neu erschienen: Wie ein Deutscher Südfrankreich (er)lebt
Von Thorsten Grim Redakteur Lokalredaktion St. Wendel
Es ist die große Liebe, die der aus Namborn stammende Joachim Ferrang im Süden Frankreichs gefunden hat. Doch damit ist nicht etwa ein Mensch gemeint, sondern Südfrankreich selbst, wo er mehrere Monate im Jahr lebt. Im eigenen kleinen Häuschen. „Wenn ich dann ein paar Wochen nicht dort war, bekomme ich Sehnsucht, dann habe ich richtiges Heimweh“, bekennt er bei einem Besuch in der St. Wendeler Lokalredaktion der Saarbrücker Zeitung. Wobei es selbstredend schön sei, bei den regelmäßigen Aufenthalten in der ersten (oder inzwischen zweiten?) Heimat Familie, Freunde und Bekannte zu treffen. Ferrang wohnt, wenn er nicht in Frankreich lebt, in der Kreisstadt St. Wendel.
Derzeit hält sich sein Heimweh aber – zumindest noch – in Grenzen. Denn erstens hat er einen Auftrag und zweitens etwas mitgebracht, das die Sehnsucht ein wenig lindert – beides hängt zusammen: Die Sehnsucht lindert ein Buch namens „Esprit Du Sud – Mein Jahr in Südfrankreich“. Geschrieben von Joachim Ferrang. Und nun ist der autodidaktische Filmemacher, Fotograf und Autor im Saarland, um das 218-seitige Werk, das er seinen Freunden und Bekannten in Südfrankreich gewidmet hat, vorzustellen und zu bewerben. Das ist der Auftrag, den er sich selbst gegeben hat.
„Ich bin ein französischstämmiger Deutscher“, sagt Ferrang. Seine Vorfahren väterlicherseits stammten aus der Region Clermont-Ferrand im Herzen Frankreichs. Und auch sein Familienname komme vom französischen Wort „Fer“, also Eisen. „Ich habe da mal ein bisschen nachgeforscht: Das müssen wohl Hüttenbesitzer gewesen sein.“ Hugenotten, die als französische Protestanten Ende des 17. Jahrhunderts wegen ihres Glaubens aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Jedenfalls passt er damit gut ins von Kohle und Stahl geprägte Saarland, das als ‘französischstes’ aller deutschen Bundesländer gilt. Er sei schon immer der französischen Lebensweise zugewandt gewesen. Da komme er ganz nach seinem Vater.
„Bei uns zuhause ist es französisch zugegangen. Allerdings ohne dass das von mir als Kind wirklich wahrgenommen wurde. Erst im Nachhinein wurde mir das wirklich bewusst. Wenn bei anderen der Kaffee aufgetischt wurde, gab es bei uns Wein“, erzählt er schmunzelnd. Morgens trank der Papa seinen Milchkaffee aus einer Bowl, also einer Art Schüssel, tunkte sein Brötchen oder Croissant darin, um danach den mit Milch verdünnten Wachmacher genüsslich auszuschlürfen.
Ein Stück weit ist Ferrangs Buch auch eine Reminiszenz an seine Mama. Diese habe im Alter von 92 Jahren damit begonnen, gemeinsam mit ihrem Sohn die Erlebnisse während der Nazi-Zeit aufzuarbeiten. „Warum hat man damals so gedacht, wie man gedacht hat? Das kann ich bis heute nicht verstehen. Und meine Mama konnte es damals auch nicht mehr.“ Den Kindern ihrer Generation und denen davor sei halt eingetrichtert worden, dass die Franzosen die Erzfeinde der Deutschen seien. „Sie hat dann immer gesagt: Seht bloß zu, dass so etwas nie wieder passieren kann.“
Und auch in diesem Sinne sei ihm dieses Buch wichtig: Es ist als Brücke zur Verständigung mit und des Verständnisses für unsere Nachbarn gedacht, den Franzosen, die besonders von den linksrheinisch lebenden Menschen heute eher als Erzfreunde betrachtet werden.
Ferrangs Buch „Esprit Du Sud“ ist „nicht nur eine Sammlung von Geschichten – es ist ein Fenster in die Seele Südfrankreichs, geöffnet von jemandem, der diese Welt nicht nur beobachtet, sondern in ihr lebt, atmet und sie tief versteht“, heißt es in der Pressemappe zur Buchveröffentlichung. Geboren 1960 im Saarland, „vereint der Autor eine faszinierende Mischung aus deutscher Präzision und französischem Flair. Seine Wurzeln reichen tief in das Herz Frankreichs, was ihm eine einzigartige Perspektive auf die lebendige und oft rätselhafte Kultur Südfrankreichs ermöglicht. Diese binationale Herkunft prädestiniert ihn geradezu als Brückenbauer zwischen den beiden Kulturen – eine Rolle, die er in seinem zweiten Buch mit Bravour ausfüllt“.
Während seiner Zeit in Südfrankreich erlebt Ferrang das Alltagsleben, die ungeschriebenen Regeln und die feinen Nuancen der südfranzösischen Mentalität aus erster Hand. Diese Erfahrungen bilden das Fundament seiner Erzählungen, die von authentischen Begegnungen und amüsanten Missverständnissen geprägt sind.
In 23 kurzweiligen Geschichten, die persönliche Erlebnisse widerspiegeln, nimmt der französischstämmige deutsche Wahlfranzose seine Leser mit nach Südfrankreich. Ferrang erzählt von den charmanten Eigenheiten und den manchmal herausfordernden Tücken des südfranzösischen Alltags. Von amüsanten Missverständnissen mit Handwerkern und Behörden bis hin zu tiefgründigen Begegnungen mit den Einheimischen – die Geschichten sind ein Kaleidoskop des Lebens im Süden Frankreichs.
Der gebürtige Namborner zeigt auf humorvolle Weise, wie Deutsche und Franzosen ticken – von der deutschen Pünktlichkeit bis hin zum französischen Savoir-vivre, das „mehr Fallstricke hat, als man vielleicht denkt“, sagt der Autor wissend lächelnd. In der Pressemappe heißt es: „Begleiten Sie den Autor auf seinen Abenteuern in seinem kultigen 2CV und erfahren Sie, wie er mit Hilfe seiner südfranzösischen Nachbarn Paco und Madeleine in die Gemeinschaft integriert wird. Erleben Sie, wie er lernt, dass Pastis und Wein nicht nur Getränke, sondern ein Teil der südfranzösischen Seele sind, und wie die Siesta seinen Tagesrhythmus verändert.“
Nach 26 Jahren in Südfrankreich ist der Autor nicht nur angekommen, er ist Teil der Gemeinschaft geworden. Seine Geschichten sind ein Zeugnis dafür, dass das Leben im Süden Frankreichs anders tickt.
Das Buch „Esprit Du Sud – Mein Jahr in Südfrankreich“ von Joachim Ferrang ist im Buchhandel und online erhältlich als Hardcover mit der ISBN 978-3-384-07575-8 für 22,99 Euro und als e-Book mit der ISBN 978-3-384-07576-5 für 8,99 Euro.
Regionalforum-Saar mailing list
Regionalforum-Saar(a)genealogy.net
https://list.genealogy.net/mm/listinfo/regionalforum-saar
Date: 2024/03/18 17:14:56
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
0. März 2024, 18 Uhr Lauter einfache Leute - über das Leben von Dienstboten, Tagwerkern und Wanderhandwerkern - Reich? - Arm? - Übergänge, innerfamiliäre und äußere Faktoren - Entwicklung der Gesellschaft vom Mittelalter bis heute - Haus und Gesellschaft - Hierarchie der Stadtbevölkerung und Landbevölkerung - Endstation Betteln: Umgang mit Bettlern - Bettelordnung und Schubsystem - Bettelgeschichte in Wien - Grenzen passieren in der Habsburger Monarchie - "Spitzbubensprache"/ Räuberbanden - Forschungsquellen Vortragende: Angelika SCHMALBACH Bitte hier anmelden: Bitte hier anmelden: (https://us06web.zoom.us/meeting/register/tZUsdOihqDwjE9aAvQBcDXfNDMwXgEiLpxnO)
Date: 2024/03/18 21:03:35
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Tut mir leid, hab das Datum verstümmelt: Mittwoch, 20. März 2024, 18 Uhr Lauter einfache Leute - über das Leben von Dienstboten, Tagwerkern und Wanderhandwerkern - Reich? - Arm? - Übergänge, innerfamiliäre und äußere Faktoren - Entwicklung der Gesellschaft vom Mittelalter bis heute - Haus und Gesellschaft - Hierarchie der Stadtbevölkerung und Landbevölkerung - Endstation Betteln: Umgang mit Bettlern - Bettelordnung und Schubsystem - Bettelgeschichte in Wien - Grenzen passieren in der Habsburger Monarchie - "Spitzbubensprache"/ Räuberbanden - Forschungsquellen Vortragende: Angelika SCHMALBACH Bitte hier anmelden: Bitte hier anmelden: (https://us06web.zoom.us/meeting/register/tZUsdOihqDwjE9aAvQBcDXfNDMwXgEiLpxnO)
Date: 2024/03/19 09:30:17
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Heute in der SZ und morgen in Saarbrücken im
Kino:
Doku „Monumente des Krieges“
hat
Uraufführung in Saarbrücken
Mit Peter Altmaier und Heiko Maas Dokumentarfilm-Premiere in
Saarbrücken: In
„Monumente des Krieges“ wird viel diskutiert
Saarbrücken · Uraufführung in Saarbrücken: Die Dokumentation
„Monumente des
Krieges und das Wesen des Deutschseins“ läuft am Mittwoch im
Filmhaus.
Von Tobias
Kessler Reporter Kultur
Ist das ein Seufzen? Ist Peter Altmaier leicht genervt? Jedenfalls
atmet er
hörbar laut aus, bevor er antwortet. Auf die Frage, ob der
mehrmals
kriegsführende Otto von Bismarck nicht mit Wladimir Putin zu
vergleichen sei,
sagt er geduldig: „Otto von Bismarck war zweifellos einer der
wirkmächtigsten
Politiker des 19. Jahrhunderts.“ Putin sei bloß ein „aggressiver
Angriffskrieger, der ein unschuldiges Land überfallen hat“.
Bismarck habe sich
politisch, sagt der CDU-Mann, „durchaus im Rahmen des im 19.
Jahrhundert
Üblichen bewegt“. Kriege habe er „nicht gewollt, aber er ist ihnen
auch nicht
ausgewichen, wenn er der Auffassung war, dass sie unvermeidlich
sind“. Heiko
Maas sieht das anders. Der ehemalige Bundesjustiz- und
Außenminister (SPD)
zählt sich „nicht zum Bismarck-Fanclub“; für ihn ist der „eine der
umstrittensten historischen Persönlichkeiten in Deutschland“.
Darum geht es in der Doku
So beginnt die Doku „Monumente des Krieges und das Wesen des
Deutschseins“.
Regisseur/Autor Klaus Gietinger schlägt einen Bogen vom
Deutsch-Französischen
Krieg 1870/71 bis ins Heute, von Spichern geht es über das
Saarland nach
Afrika, nach Berlin und zurück. Um deutsche Politik geht es, um
die gemeinsame
Geschichte von Frankreich und Deutschland, um Kolonialismus – und
um Kunst.
Denn Ausgangspunkt ist die Kontroverse um den bombastischen
„Rathauszyklus“ von
Anton von Werner (1843-1915); die Restaurierung der Gemälde durch
das
Historische Museum Saar wurde herzhaft diskutiert, mal begrüßt
(Maas fingierte
als Schirmherr der betreffenden Ausstellung), mal heftig
kritisiert; nicht
zuletzt und nicht am leisesten von Erich Später, Geschäftsführer
der Heinrich
Böll Stiftung Saar, die den Film unterstützt hat, ebenso wie die
Saarland Medien.
Später spricht im Film von einer „Geschichtslosigkeit
sondergleichen“, von
einem „Skandal, den sich das Saarland und das Historische Museum
da geleistet“
hätten“.
Film kreist um die Debatte, wie mit problematischem historischen
Erbe umzugehen
ist
Der Filmemacher, der gerne zugibt, dass er Altmaier mit dem
Bismarck-Putin-Vergleich „ein bisschen provozieren wollte, um ihn
aus der
Reserve zu locken“, ist kein Freund der Restaurierung. „Man hätte
das Bild auch
so kaputt lassen können, wie es war.“ Aber es ist ein Anlass, um
die Debatte
auszuweiten. Wie soll man generell mit problematischem
historischen Erbe
umgehen? Soll es sozusagen im Keller bleiben oder raus ans Licht,
mit
Erklärungen?
Gietinger hat seinen 90-minütigen, fakten- und meinungsprallen
Film
dreigeteilt; „Das Reich aus Eisen und Blut“ nennt sich das erste
Kapitel, vor
allem über die Von-Werner-Debatte, unter anderem mit ironischen
Spielszenen. Kapitel
2, „Das Kolonialreich“, skizziert die Brutalität der deutschen
Kolonisierung
und bricht das exemplarisch lokal herunter – um die Straßennamen
im Völklinger
Stadtteil Heidstock geht es, die das NS-Regime einst umbenannte:
nach
Kolonial-Schlächtern wie Carl Peters, im Nazi-Kino glorifiziert
und von Hans
Albers gespielt, und auch nach Paul von Lettow-Vorbeck, 1870 in
Saarlouis
geboren. Er war am Völkermord an den Herero in Afrika und am
Kapp-Putsch gegen
die Weimarer Republik beteiligt; 1956 verlieh Saarlouis ihm die
Ehrenbürgerwürde. Bei seiner Beerdigung 1964 sprach der damalige
Bundesverteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel (CDU), von einem
„großen General
(...), der durch die Weiten Afrikas zog“ und gegen jede Übermacht
„unbesiegt
geblieben“ sei. Zum Frösteln.
Es geht auch um die Umbenennungen von Straßen in Völklingen
Die Diskussion über Umbenennungen von Straßen in Völklingen ist
bis heute
kontrovers. Im Film sagt Ortsvorsteher Stephan Tautz von der
Initiative „Wir
Bürger“, dass viele Anwohner „zu diesen Namen stehen. Nicht weil
sie politisch
da angehaucht sind, sondern weil sie sagen, das gehört auch zu
unserem
Heidstock.“ Caroline Conrad vom „Aktionsbündnis
Stolpersteine/Frieden“ spricht
dagegen von „Gleichgültigkeit, Ignoranz und mangelnder Empathie“.
Werner
Michaltzik (SPD), Völklingens ehemaliger Polizeichef, der auch
enttäuscht ist
angesichts manchen Widerstands gegen Umbenennungen, will soweit
nicht gehen,
sondern konstatiert: „Unwissenheit ist ein großer Faktor.“
Spannend ist der
Film auch durch diese Art der Montage – da reiben einige Meinungen
aneinander.
„Dort haben sich Preußen und die Nazis die Hände gereicht“
Kapitel drei, „Die Reichshauptstadt“ führt nach Berlin, wo das
erste Filmbild
als sinniger Übergang die U-Bahn-Haltestelle „Spichernstraße“
zeigt. Was
bedeuten die Restaurierung oder gar der Wiederaufbau historischer,
symbolisch
aufgeladener Bauten? Der des Stadtschlosses etwa oder der
Garnisonskirche in
Potsdam, wo Hitler und Hindenburg 1933 die Eröffnung des
Reichstages feierten?
Deren Rekonstruktion empfindet der Regisseur als „schlimm und
unreflektiert“,
wie er sagt, „dort haben sich Preußen und die Nazis die Hände
gereicht“.
Im Film prallen Meinungen aufeinander
Das sieht in seinem Film nicht jeder so: Heiko Maas geht die
Kritik am
Wiederaufbau und besonders das in den Zusammenhangstellen mit
„Reichsbürgern,
Rechtsradikalen oder sonstigen Verwirrten“ doch „etwas zu weit“;
für Erich
Später dagegen ist die Rekonstruktion eine ganz bewusste
„Erinnerung an den
preußischen Machtstaat, an die Monarchie“, von „deren Verbrechen
man nichts
hören“ wolle. Für Jutta Ditfurth symbolisieren die
Von-Werner-Gemälde und die
Gebäude-Rekonstruktionen „all das, was in Deutschland gerade
passiert. Rechte
Kreise, reaktionäre Kreise, militaristische Kreise, antisemitische
Kreise
riechen einfach immer, wenn ihre Zeit gekommen ist.“ Auch darüber
kann nach dem
sehenswerten und sehr kurzweiligen Film diskutiert werden.
Premiere: Mittwoch, 20 Uhr, Filmhaus Saarbrücken, Mainzer Straße
8.
=>
https://kinotickets.express/filmhaus-saarbruecken/sale/seats/4913
Mit dabei: Sophie Roßfeld, die in den Spielszenen vier Rollen
übernommen hat;
Erich Später von der Heinrich Böll Stiftung Saar;
Sébastien Girard, Generalkonsul der Republik Frankreich für das
Saarland;
Edouard Klein, Lothringer Lokalhistoriker aus Spichern;
Ruth Meyer, Geschäftsführerin der Saarland Medien;
Werner Michaltzik, Ehemaliger Polizeichef von Völklingen,
und Caroline Conrad, Aktionsbündnis Stolpersteine Völklingen.
-------------------------------------
Die Eintrittskarten kosten 6 Euro pro Stück. Ich habe mir eben
zwei online
reserviert.
Date: 2024/03/20 11:44:29
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
-------- Weitergeleitete
Nachricht --------
|
Date: 2024/03/20 23:21:21
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Liebe Freundinnen und Freunde der Genealogie,
der Ahnenforscher Stammtisch Unna, die Genealogisch-heraldische
Arbeitsgemeinschaft Roland zu Dortmund und die Germanic Genealogy
Society in
Minneapolis, Minnesota, USA, möchten euch sehr herzlich zu ihrer
folgenden
gemeinsamen Online-Veranstaltung auf Zoom einladen:
Gemeinsamer Online-Vortrag:
AHNENFORSCHUNG IN DEN USA: DIE US-VOLKSZÄHLUNG
Finden Sie Ihre Familie in den Volkszählungsunterlagen
mit der Referentin Barbara Stanculescu
am Donnerstag, dem 21. März 2024 um 19.00 Uhr auf Zoom!
Wir möchten in einer kleinen Reihe von Online-Vorträgen über die
Forschungsmöglichkeiten in den USA informieren.
Einlass in den Zoom-Meeting-Raum ab 18.30 Uhr.
Einladung mit Teilnahmemöglichkeit:
https://www.ahnenforscher-stammtisch-unna.de/2024/03/06/online-vortrag-die-u-s-volksz%C3%A4hlung-ahnenforschung-in-den-usa-am-21-03-2024/
Wir würden uns sehr darüber freuen, euch zu dieser
Online-Veranstaltung
begrüßen zu dürfen.
Liebe Grüße
Im Auftrag des Ahnenforscher Stammtisches Unna, des Roland zu
Dortmund und der
Germanic Genealogy Society.
Georg (Palmüller)
Date: 2024/03/20 23:28:22
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Einladung zur Eröffnung der Ausstellung KREUZWEG
Am 21. März, Hochfest des Hl. Benedikt, eröffnen wir um 15.00 Uhr im ehemaligen Kapitelsaal der Abtei die Ausstellung KREUZWEG. Herr Claus Zöllner stellt als Leihgabe 14 Stationen geschaffen von französischen und deutschen Künstler zur Verfügung. Ergänzt wird die Ausstellung um Werke aus dem Bestand der Abtei.
Wir freuen uns über Ihr Kommen. Die Ausstellung bleibt bis in den Sommer bestehen.
Mit freundlichen Grüßen
i.A. P. Wendelinus Naumann OSB
Prior der Abtei St. Mauritius zu Tholey
Date: 2024/03/21 13:13:22
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Autor Thomas Meyer,
Erschienen München 2023: Piper
Verlag
Anzahl Seiten 520 S.
Preis € 28,00
ISBN 978-3-492-05993-0
Inhalt meinclio.clio-online.de/uploads/media/book/toc_book-79837.pdf
Rezensiert für H-Soz-Kult von René Schlott,
Leibniz-Zentrum für
Zeithistorische Forschung Potsdam
Das legendäre Gespräch von Hannah Arendt mit Günter Gaus in dessen
Sendereihe
„Zur Person“ aus dem Jahr 1964 beginnt etwas holprig. Nachdem Gaus
seine
Gesprächspartnerin, die erste Frau in der Interviewreihe, mit den
Worten
vorgestellt hat, sie sei eine „Philosophin“, protestiert Arendt:
„Mein Beruf
[…] ist politische Theorie. Ich fühle mich keineswegs als
Philosophin.“1 Als Gaus daraufhin nach
dem Unterschied
zwischen Philosophie und politischer Theorie fragt, holt Arendt zu
einer
längeren, keineswegs widerspruchsfreien Antwort aus, in der sie
schließlich zwischen
dem Menschen als philosophierendem und handelndem Wesen
differenziert.
Letzterer Kategorie rechnet sie sich selbst zu.
Thomas Meyer folgt dieser Selbstdeutung Arendts und präsentiert
sie in seiner
Biografie, deren Einleitung ein programmatisches Zitat aus dem
Gaus-Interview
vorangestellt ist („Alles Denken ist Nachdenken, der Sache nach –
denken.“),
als politisch Handelnde – manche Rezensenten meinen gar als
„politische
Aktivistin“2 –, etwa als Angehörige
eines
Unterstützerkreises für den Gustloff-Attentäter David Frankfurter
und als
Mitarbeiterin, später Geschäftsführerin der „Commission on
European Jewish
Cultural Reconstruction“ (1944 bis 1952/53).
Dem Philosophen Meyer, Herausgeber einer seit 2020 erscheinenden
„Studienausgabe“ der Werke Arendts3, ist es aber vor allem
gelungen, zahlreiche
neue Quellen zu Arendts Engagement bei der Rettung von Kindern und
Jugendlichen
aus Europa während ihres Exils in Genf und Paris zusammenzutragen
und
auszuwerten. Ungefähr ein Viertel seiner fast 500-seitigen
Darstellung hat
Meyer der Jugend-Alijah und deren organisatorischen Hintergründen
eingeräumt.
Es war zwar bereits bekannt, dass Arendt sich während ihrer Zeit
in der
französischen Hauptstadt von 1934 bis 1940 in der Bewegung
engagierte (und
während dieser Phase kaum mehr etwas schrieb und nichts
veröffentlichte). Aber
Meyer kann zahlreiche wertvolle Details hinzufügen und überzeugend
verdeutlichen, wie wichtig dieser Lebensabschnitt für die Denkerin
Arendt
werden sollte.
Dies gilt etwa im Hinblick auf ihre bis heute umstrittenen
Äußerungen zu den
Ereignissen in „Little Rock“ 1957, dem Streit um die
Diskriminierung schwarzer
Schülerinnen und Schüler einer Highschool im US-Bundesstaat
Arkansas – ein
Fall, den Meyer differenziert, aber seiner Protagonistin gegenüber
keineswegs
unkritisch einzuordnen weiß; oder auch bezogen auf ihr
ambivalentes Verhältnis
zum Staat Israel, den die überzeugte Zionistin Arendt, die 1935
einige der
geretteten Kinder selbst nach Palästina begleitet hatte, wegen des
aus ihrer
Sicht historisch diskreditierten Nationalstaatskonzepts ablehnte.
Sie verfolgte
eine andere Staatsidee, die in heutigen Maßstäben einer
konföderativen
„Einstaatenlösung“ nahekommt und die sie in einem von Meyer
übersetzten
Interview der „New York Post“ 1946 konkretisierte: „Eine Jordan
Valley
Authority sollte eingerichtet werden, um das Land zu entwickeln.
Palästina
könnte dann so viele Juden und Araber aufnehmen, wie es möchte.
Lokale Räte
dieser beiden Völker könnten eine Grundlage für eine neue
politische Struktur
bilden.“ (S. 243)
Wie andere längere zitierte Quellen in der Biografie, darunter
zahlreiche
Briefe von und an Arendt, Gutachten und Referenzschreiben für sie
sowie ein zum
Ausgang der biografischen Darstellung genommener, selbst
verfasster Lebenslauf
Arendts vom Mai 1941 (S. 19–21) ist der Interviewtext aus der „New
York Post“
in einer Schreibmaschinen-Typografie vom übrigen Fließtext
abgesetzt – eine
originelle Gestaltungsidee, die sofort ins Auge fällt und die
Zeitgebundenheit
der Texte anschaulich macht.
Biografietheoretisch interessant ist Meyers Anwendung des bei Karl
Mannheim
entlehnten, später auch von Reinhart Koselleck aufgenommenen
Begriffspaares
„Erfahrungsraum“ und „Erwartungshorizont“, dem Meyer einen von
Arendt zuerst in
„Vita activa“ (1960) entwickelten „Erscheinungsraum“ zur Seite
stellt. En
détail zeichnet Meyer den mit dem Jahr 1933 völlig zerstörten
„Erfahrungsraum“
Arendts aus Herkunft und Kindheit in einer assimilierten
bürgerlichen
Königsberger Kaufmannsfamilie, Studium in Marburg und Heidelberg
und Promotion
bei Karl Jaspers mit einer Arbeit zu Augustinus nach. Im Pariser
Exil sowie mit
dem Wissen um Auschwitz und die Shoah war Arendt dann jeder
„Erwartungshorizont“ genommen, und sie musste an einem neuen
„Erscheinungsraum“
arbeiten, als dessen Ergebnis Meyer vor allem ihr 1951
publiziertes Werk „The
Origins of Totalitarianism“ sieht, dem vier Jahre später mit
„Elemente und
Ursprünge totaler Herrschaft“ eine inhaltlich differente deutsche
Ausgabe
folgte.
Den „Origins“ widmet Meyer eines seiner zehn Kapitel in der nicht
durchgehend
chronologischen Darstellung, während er alle anderen Bücher
Arendts gemeinsam
in einem weiteren Kapitel bespricht, in dem sich auch inhaltliche
Fehler
finden. So erschien das Original von Raul Hilbergs „The
Destruction of the
European Jews“ 1961 in einem einzigen voluminösen Band. Erst
später – 1985 in
den USA und 1990 in Deutschland – wurde es ergänzt und erweitert
in drei Bänden
herausgegeben. Meyer tut Hilbergs Darstellung Unrecht mit der
Behauptung,
dessen Werk, das von einer Akribie für Zahlen geprägt war und im
Anhang eine
eigens erstellte Berechnung der Gesamtzahl der Holocaust-Opfer
enthielt, habe
„nicht in Ansätzen auf ähnliches Zahlenmaterial [wie Arendt]
zurückgreifen
können“ (S. 443). Und Christopher Brownings Studie „Ordinary Men“
(1992) untersuchte
eben nicht „ganz normale Männer“ der SS (S. 307), sondern die
Angehörigen eines
Reserve-Polizeibataillons.
Ein Buch von mehreren hundert Seiten enthält wohl unvermeidlich
solche
Detailfehler und auch einige Längen. Nicht immer ist Meyers
Darstellung ein
reines Lesevergnügen. Wenn er Arendt in ihrem Buch „Vita activa“
(1960) einen
„mäandernden Stil“ attestiert (S. 433), dann bewahrheitet sich
wieder einmal
das Bonmot, dass Biografien mindestens so viel über Biografierende
wie über
Biografierte offenbaren. Die Aussageabsicht manch umständlicher
Satzkonstruktionen Meyers wird auch beim zweiten Lesen nicht
klarer. Andere
Sätze haben in ihrer Prägnanz geradezu literarische Qualität:
„Hannah Arendt
war eine Jüdin aus Königsberg.“ (S. 35) Einige Charakterisierungen
etwa von
Heinrich Blücher („wie gesagt ein Frauentyp, heute hier, morgen
dort“, S. 165)
und von Martin Heidegger („dem Träger eigenwillig modischer
Anzüge“, S. 73)
sind dagegen etwas schräg geraten. Begriffsschöpfungen wie
„Porno-Antisemiten“
(S. 293) oder „Qualmgrazie“ (S. 319) wirken deplatziert. Und
Meyers Nachweise
von Quellen sind nicht völlig konsistent – Fußnoten setzt er nur
sehr sparsam,
und dem Buch fehlt ein Verzeichnis der verwendeten
Sekundärliteratur.4
Über Hannah Arendt eine neue Biografie vorzulegen, war in
Anbetracht der Fülle
schon vorhandener Literatur und auch angesichts des 1986 auf
Deutsch
erschienenen Standardwerks zu Leben und Werk Arendts aus der Feder
ihrer
Schülerin und einzigen Doktorandin Elisabeth Young-Bruehl5 ein mutiges und letztlich
gelungenes
Vorhaben, für das Meyer Respekt zu zollen ist, auch wenn er nicht
„Die
Biografie“ vorgelegt hat. Dieser etwas vollmundige Untertitel mag
verlegerischen Marketing-Gesichtspunkten geschuldet sein. Denn
selbstverständlich hat auch Meyers Arendt-Biografie Lücken,
beispielsweise in
der Rezeptionsgeschichte. Andere Leerstellen sind einer mangelnden
Quellenlage
geschuldet, wie der Autor selbst einräumt.
Aber Meyer hat sich für eine Darstellung entschieden, die ihre
Schwerpunkte
entlang neuer Quellenfunde und bislang wenig beachteter Dokumente
und Aspekte
ihres Lebens setzt. So gibt es in dieser Biografie, die der Autor
„eine Reihe
von Annäherungen“ nennt (S. 31), ein sehr anregendes Kapitel über
Arendts
Verhältnis zur Literatur und ein aufschlussreiches über die
„Medienintellektuelle“
Hannah Arendt zu entdecken, die zugleich ein „Medienprofi“ war und
ihren
anhaltenden Ruhm nicht zuletzt ihrem virtuosen Umgang mit den in
ihrer
Lebenszeit neu etablierten Massenmedien Radio und Fernsehen
verdankt.6 Meyer macht deutlich, dass
Arendt das
„Wagnis der Öffentlichkeit“, so ihre eigenen Worte, nicht scheute,
selbst wenn
dies schon damals Reaktionen hervorrief, die wir heute als „Cancel
Culture“
oder „Shitstorm“ bezeichnen würden: Publikationszusagen wurden
zurückgezogen
und langjährige Freundschaften beendet. Doch Arendts Denken lebte
vom
Widerspruch gegen den Zeitgeist, wie etwa das eingangs zitierte
Gaus-Interview
beweist, das bis heute millionenfach im Netz abgerufen wird.
Und auch mit seiner instruktiven Biografie hat Meyer den Geschmack
des
Publikums getroffen: Das Buch, eine Weile auf der Bestsellerliste
des „Spiegel“
und auf Platz 1 der Sachbuchbestenliste der „Zeit“, hat inzwischen
die vierte
Auflage erreicht und ist zudem als Hörbuch erhältlich. Eine
englische Ausgabe
ist in Vorbereitung, und Übertragungen in 20 (!) weitere Sprachen
sollen
geplant sein, wie kürzlich bei einer Buchvorstellung in Berlin
bekannt wurde.7
Anmerkungen:
1 Siehe https://www.youtube.com/watch?v=J9SyTEUi6Kw
(14.03.2024). Eine Transkription findet sich unter https://www.rbb-online.de/zurperson/interview_archiv/arendt_hannah.html
(14.03.2024).
2 Paul Bentin, Eine politische
Aktivistin?,
in: Jüdische Allgemeine, 19.10.2023, S. 21, https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/eine-politische-aktivistin/
(14.03.2024).
3 Siehe https://www.piper.de/hannah-arendt-und-die-banalitaet-das-boesen
(14.03.2024). Es sind bereits acht Bände in der Reihe erschienen.
Für den Mai
2024 angekündigt ist der erste Band einer neuen von Meyer
herausgegebenen
vierbändigen Sammlung aller deutschsprachigen oder ins Deutsche
übertragenen
Zeitungsartikel und Aufsätze Arendts, darunter auch bislang
unveröffentlichte
Texte: https://www.piper.de/buecher/vortraege-und-aufsaetze-1930-1938-isbn-978-3-492-31839-6
(14.03.2024). Davon zu unterscheiden ist die Kritische
Gesamtausgabe der Werke
Arendts, ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes
umfassendes
Editionsprojekt, dessen gedruckte Bände im Wallstein-Verlag
erscheinen und
jeweils ein Jahr später im Open Access auf der Projektwebsite
zugänglich sind: https://www.arendteditionprojekt.de
(14.03.2024). Meyer sieht seine „Studienausgabe“ ausdrücklich
nicht in
Konkurrenz zu diesem Projekt; vgl. sein Vorwort in der erweiterten
Neuausgabe
von Hannah Arendt, Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der
Banalität des
Bösen, München 2022, S. 7.
4 Selbst ein wesentlich
schmalerer Arendt-Band
(Werner Renz, ad Hannah Arendt. Eichmann in Jerusalem. Die
Kontroverse um den
Bericht „von der Banalität des Bösen“, Hamburg 2021, 191 S.)
enthält allein in
einem Kapitel mehr Fußnoten als Meyers gesamtes Buch.
5 Elisabeth Young-Bruehl,
Hannah Arendt.
Leben, Werk und Zeit. Aus dem Amerikanischen von Hans Günther
Holl, Frankfurt
am Main 1986 (und öfter). Die englische Originalausgabe erschien
bereits 1982,
nur sieben Jahre nach Arendts Tod, unter dem Titel „Hannah Arendt.
For Love of
the World“ in der Yale University Press. Aktuellere einschlägige
Biografien
sind unter anderem: Annette Vowinckel, Hannah Arendt, Stuttgart
2006, 2.,
durchgesehene und ergänzte Aufl. 2014; Laure Adler, Dans les pas
de Hannah
Arendt, Paris 2005; Kurt Sontheimer, Hannah Arendt. Der Weg einer
großen
Denkerin, München 2005.
6 Zuletzt hat Meyer dem
Verhältnis von Arendt
zu den Medien auch einen hörenswerten Essay im „Nachtstudio“ von
Radio Bayern 2
gewidmet: https://www.br.de/radio/bayern2/programmkalender/ausstrahlung-3451650.html
(14.03.2024), inklusive einer KI-generierten Stimme Hannah
Arendts. Arendt
selbst wurde in den ersten Nachkriegsjahrzehnten oft als Gast in
die Sendung
„Nachtstudio“ eingeladen.
7 Siehe https://www.youtube.com/watch?v=S3-w0PnAtl0
(14.03.2024).
Zitation
René Schlott, Rezension zu: Meyer, Thomas: Hannah Arendt. Die
Biografie. München
2023 , ISBN 978-3-492-05993-0, In: H-Soz-Kult, 19.03.2024, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-141042>.
Date: 2024/03/23 15:51:22
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Liebe Freundinnen und Freunde der
Ahnenforschung,
die Aufzeichnung des deutschsprachigen
Gemeinschafts-Online-Vortrages
„Ahnenforschung in den USA: Die US-Volkszählung“
mit der Referentin Barbara Stanculescu
vom 21. März 2024
beim Ahnenforscher Stammtisch Unna, der Genealogisch-heraldischen
Arbeitsgemeinschaft Roland zu Dortmund e. V. und der Germanic
Genealogy Society
in Minneapolis, Minnesota, USA, findet ihr auf YouTube unter dem
folgenden
Link:
https://youtu.be/DsEYP-1du3Q?si=l1v0BNx2sMfwva7D
Die Aufzeichnung wird auf Wunsch der Referentin nach einem Monat
am 23. April
2024 wieder gelöscht.
Wir wünschen euch eine interessante und informative Zeit beim
Anschauen der
Aufzeichnung und viel Erfolg bei der Suche nach Informationen über
eure
ausgewanderten Familienmitglieder.
Im Auftrag des
Ahnenforscher Stammtisches Unna, des Roland zu Dortmund und der
Germanic
Genealogy Society Minneapolis
Liebe Grüße
Georg (Palmüller)
Date: 2024/03/23 20:54:05
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Guten Abend,
ich will noch mal hinweisen auf unser Mitgliedertreffen der
Arbeitsgemeinschaft
für Saarländische Familienkunde (ASF) am nächsten Dienstag in
Saarbrücken-Scheidt.
Ute Hennig aus St. Wendel wird über das Grabtuch von Turin
referieren - für uns
Genealogen eine Recherche der eigenen Art. Ich hab die
Powerpointfolien
zusammengestellt - jetzt bin ich auf den Vortrag selbst gespannt.
Um 17.30 Uhr
fängt er an, Eintritt koscht wie immer nix. Gäste wie immer stets
und gern
willkommen.
Außerdem ist der SB71 Einwohner von Alt-Saarbrücken 1799-1871 von
Heinz Lavall
und Klaus Schulz heuer aus dem Druck gekommen (25 Stück erstmal),
und ich werde am nächsten
Dienstag ein paar Exemplare mitbringen. Das Buch besteht aus drei
Bänden und
wiegt 4,7 kg - direkt mitzunehmen ist ne Gelegenheit gegenüber
6,99 Euro Porto.
Wenn Sie kommen und ein Buch möchten, sagen Sie am besten vorher
Bescheid, dann
ist es sicherer, daß noch eins da ist.
Es kostet 65 Euro, für Mitglieder 50.
Meine Email ist „alsfassen(a)web.de“
Sie können es natürlich auch gern über unsern
Shop bestellen:
Bene Vale
Roland Geiger
Date: 2024/03/24 11:41:15
From: Werner Habicht via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Guten Abend,
ich will noch mal hinweisen auf unser Mitgliedertreffen der Arbeitsgemeinschaft für Saarländische Familienkunde (ASF) am nächsten Dienstag in Saarbrücken-Scheidt.
Ute Hennig aus St. Wendel wird über das Grabtuch von Turin referieren - für uns Genealogen eine Recherche der eigenen Art. Ich hab die Powerpointfolien zusammengestellt - jetzt bin ich auf den Vortrag selbst gespannt. Um 17.30 Uhr fängt er an, Eintritt koscht wie immer nix. Gäste wie immer stets und gern willkommen.
Außerdem ist der SB71 Einwohner von Alt-Saarbrücken 1799-1871 von Heinz Lavall und Klaus Schulz heuer aus dem Druck gekommen (25 Stück erstmal), und ich werde am nächsten Dienstag ein paar Exemplare mitbringen. Das Buch besteht aus drei Bänden und wiegt 4,7 kg - direkt mitzunehmen ist ne Gelegenheit gegenüber 6,99 Euro Porto.
Wenn Sie kommen und ein Buch möchten, sagen Sie am besten vorher Bescheid, dann ist es sicherer, daß noch eins da ist.
Es kostet 65 Euro, für Mitglieder 50.
Meine Email ist „alsfassen(a)web.de“
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Bene Vale
Roland Geiger
Date: 2024/03/24 20:06:54
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Okay. Geht klar. Ist reserviert. Bring kein Geld mit, ich geb Dir
ne Rechnung.
Roland
Guten Morgen Roland,
ich bestelle 1 Ex. SB71 Einwohner von Alt-Saarbrücken.
Bis Dienstag.
Werner Habicht
Von: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Gesendet: 23.03.2024 20:53
An: Stefan Reuter via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>,<saarland-l(a)genealogy.net>,Pfalz-L <pfalz-l(a)genealogy.net>,Hunsrueck-L <hunsrueck-l(a)genealogy.net>
Betreff: [Regionalforum-Saar] Was das Grabtuch von Turin mit Alt-Saarbrücken am Hut hatGuten Abend,
ich will noch mal hinweisen auf unser Mitgliedertreffen der Arbeitsgemeinschaft für Saarländische Familienkunde (ASF) am nächsten Dienstag in Saarbrücken-Scheidt.
Ute Hennig aus St. Wendel wird über das Grabtuch von Turin referieren - für uns Genealogen eine Recherche der eigenen Art. Ich hab die Powerpointfolien zusammengestellt - jetzt bin ich auf den Vortrag selbst gespannt. Um 17.30 Uhr fängt er an, Eintritt koscht wie immer nix. Gäste wie immer stets und gern willkommen.
Außerdem ist der SB71 Einwohner von Alt-Saarbrücken 1799-1871 von Heinz Lavall und Klaus Schulz heuer aus dem Druck gekommen (25 Stück erstmal), und ich werde am nächsten Dienstag ein paar Exemplare mitbringen. Das Buch besteht aus drei Bänden und wiegt 4,7 kg - direkt mitzunehmen ist ne Gelegenheit gegenüber 6,99 Euro Porto.
Wenn Sie kommen und ein Buch möchten, sagen Sie am besten vorher Bescheid, dann ist es sicherer, daß noch eins da ist.
Es kostet 65 Euro, für Mitglieder 50.
Meine Email ist „alsfassen(a)web.de“Sie können es natürlich auch gern über unsern Shop bestellen:
Bene Vale
Roland Geiger
_______________________________________________ Regionalforum-Saar mailing list Regionalforum-Saar(a)genealogy.net https://list.genealogy.net/mm/listinfo/regionalforum-saar
Date: 2024/03/25 23:02:45
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Autor Marcel Glaser,
Reihe Stadt – Zeit – Geschichte
Erschienen Göttingen 2022: Wallstein
Verlag
Anzahl Seiten 474 S.
Preis € 29,90
ISBN 978-3-8353-5238-4
Rezensiert für H-Soz-Kult von Nils Exner, Berlin
„Er läuft und läuft und läuft“, hieß es 1968 in einem Werbeslogan
für den
VW-Typ 1, um seine technologische Verlässlichkeit auszudrücken und
die klare
Richtung ‚nach vorne‘ anzuzeigen. Wie kein anderes (Export-)Gut
dürfte der als
„Käfer“ bekannte Wagen seit den 1950er-Jahren als Symbol für den
wirtschaftlichen Wiederaufstieg Deutschlands stehen.1 Das in der Werbung klar
angezeigte
Vorwärtsschreiten ging unterdessen mit einem breiten
gesellschaftlichen
Bedürfnis des Vergessens und Verdrängens der
nationalsozialistischen
Vergangenheit einher. Dabei verweist der „Käfer“ selbst darauf,
wie die Anfänge
der bundesdeutschen Nachkriegswirtschaft im „Dritten Reich“ lagen.
Schon ab
1938 als KdF-Wagen produziert, ging er schließlich im Sommer 1945
in
Serienproduktion, da die Produktionsstätten während des Krieges
für
Rüstungsgüter genutzt worden waren. Inzwischen war die „Stadt des
KdF-Wagens
bei Fallersleben“ auf Druck der Besatzungsmacht bereits in den
heutigen Namen
Wolfsburg umbenannt worden.
Wenige Jahre zuvor, Ende 1937, hatte Peter Koller (1907–1996) den
Auftrag für
die Planung und den Bau dieser neu zu gründenden und als
nationalsozialistisches Musterbeispiel vorgesehenen Stadt
erhalten. Von Albert
Speer wurde er zum Chef des Stadtbaubüros der Deutschen
Arbeitsfront (DAF)
ernannt und legte 1938 seinen städtebaulichen Entwurf vor. 1942
kamen die
Bauarbeiten kriegsbedingt zum Stillstand und Koller meldete sich
freiwillig zur
Wehrmacht. Im Dezember 1943 geriet er in sowjetische
Kriegsgefangenschaft und
kehrte Ende 1945 nach Deutschland zurück, wo er zunächst im
Architekturbüro
seines früheren Stellvertreters im Stadtbaubüro, Titus Taeschner,
arbeitete, um
sich anschließend ebenfalls selbstständig zu machen. Nach
zahlreichen Projekten
in Wolfsburg und im Umland wurde Koller 1955 zum Stadtbaurat
ernannt. Unentwegt
betonte er, seine Stadtplanungen seien grundsätzlich unpolitisch,
wobei er die
Nachkriegsentwürfe zweier katholischer Kirchen in Wolfsburg als
Nachweis
verstanden wissen wollte, von seinen nationalsozialistischen
Überzeugungen
geläutert zu sein. Mit Blick auf Kollers noch in den 1960er-Jahren
fortentwickelte stadtplanerische Konzepte konstatiert Marcel
Glaser in der hier
rezensierten Monographie wiederum, dass es sich „im Grunde [um]
ein
Wiederaufgreifen der alten Praxis als NS-Stadtplaner“ handelte.
Wie viele
seiner Planergeneration hatte er den „entscheidenden
Innovationsschub“ in den
1930er-/1940er-Jahren erhalten und war im Zuge der völkischen
Neuordnungsvorhaben in Kontakt mit Sozial- und
Wirtschaftswissenschaftlern
gekommen. So prägten „Konzepte und Methoden von Ludwig Neundörfer,
Gerhard
Isenberg oder Emil Uebler [...] Kollers Arbeitsweise bis in die
späten 1960er
Jahre“ (S. 419).
Vor allem seit Anfang der 2000er-Jahre werden Fragen nach
personell-institutionellen Kontinuitäten über die politische Zäsur
des Jahres
1945 hinweg in der historischen Forschung breiter untersucht. Auch
die
Bauforschung hat sich inzwischen verstärkt dem Thema Kontinuität
zugewandt.
Nachdem hinsichtlich der untersuchten Akteure die Publikationen in
den ersten
Nachkriegsjahrzehnten weitestgehend durch das Verdrängen der
NS-Verstrickungen
gekennzeichnet waren, verfolgten die Architektenbiografien der
1980er-/1990er-Jahre
oftmals eine scharfe Trennung von Architektur und
Stadtplanungskonzepten auf
der einen sowie der nationalsozialistischen „Gesinnung“ auf der
anderen. Der
Umstand, dass die „Geschichte der Architektur [...] vor allem von
Architekten
geschrieben“ wurde2, trug wiederum nur selten
dazu bei, die
Ästhetik überschreitende Fragen, etwa nach dem Verhältnis von
Wissenschaft und
Politik, zu beantworten. Stattdessen hatte schon 1986 Werner Durth
in seiner
richtungsweisenden Schrift Deutsche Architekten. Biographische
Verflechtungen
1900–1970 auf die Selbststilisierung der Architekt:innen
hingewiesen.3 Nicht zuletzt beteiligten
sich an dieser
Mythenbildung Wissenschaftler:innen und Publizist:innen, indem sie
Selbstdarstellungen reproduzierten, anstatt diese quellenkritisch
zu
hinterfragen. Auch im Falle Peter Kollers entstanden somit seit
den späten
1970er-Jahren auf Grundlage seiner eigenen Aussagen mehrere,
zumeist
unkritische Arbeiten. Erfolgreich hatte Koller durch zahlreiche
Interviews und
autobiografische Schriften die Deutung manifestiert, dass sowohl
sein
städtebauliches Programm als auch seine politischen Überzeugungen
nichts mit
dem Nationalsozialismus zu tun hätten. Noch 2007 zeichnete die
Stadt Wolfsburg
Student:innen mit einem „Koller-Preis“ aus.
Die „Aura des umfassend Auskunft gebenden Zeitzeugen“ (S. 15)
teilte Peter
Koller dabei mit seinem Förderer Albert Speer, mit dem er schon
seit 1929
verbunden war und als dessen städtebaulichen Konterpart er sich
retrospektiv
inszenieren sollte. Was die Dekonstruktion von Legenden durch
akribische
Quellenarbeit betrifft, hob schließlich Magnus Brechtken die
Architektenbiografie mit seiner 2017 erschienenen
Speer-Untersuchung auf ein
neues Level. Tatsächlich weisen Marcel Glasers Koller- und
Brechtkens breit
rezipierte Speer-Biografie Parallelen im Zugriff auf die beiden
Akteure auf.
Dies gilt vor allem im Hinblick darauf, wie die Dekonstruktion der
apologetischen Narrative mit der (überwiegend) chronologischen
Darstellung der
Lebenswege miteinander verwoben werden und gerade in der
Nüchternheit der
Engführung mit den Quellen überaus anschaulich geschrieben sind.
Obwohl er
reichlich Grund dazu hätte, teilt Glaser jedoch nicht so hart aus
wie Brechtken
in seinem Prolog im Hinblick auf das „Nicht-selbst-Nachforschen“4 in älteren Arbeiten. Was
Kim Christian
Priemel vor dem Hintergrund etlicher Speer-Biografien als Klang
„der
Enttäuschung der späten Geburt“ bezeichnete5, kann man Marcel Glaser
indes nicht
nachsagen. Zwar wurde zu Peter Koller in den letzten Jahrzehnten
Einiges
publiziert, aber Glasers Biografie ist die erste des Wolfsburger
Stadtplaners.
Dass sich Marcel Glaser dieser Aufgabe in seinem
Dissertationsprojekt
angenommen hat, ist angesichts seiner in zahlreichen Fachartikeln
zu Wolfsburg
und Peter Koller bereits unterstrichenen Expertise nur konsequent.
Zwar wird in der neueren Forschungsdebatte die Analyse von
Narrativen
inzwischen als ein zentrales Anliegen identifiziert, ist bisher
aber weit davon
entfernt, als ausreichend eingelöst zu gelten. Dabei prägen sie
bis heute
nachhaltig das Bild vom Planen und Bauen im Nationalsozialismus,
sind dringend
aber auch in ihrer Bedeutung für das Geschichtsbild der
Bundesrepublik zu
untersuchen. In unzähligen Leserbriefen kritisierte Peter Koller
Journalist:innen, wenn ihm ihre Urteile über seine Wolfsburger
Planungen
missfielen. Gleichzeitig stellte er bereitwillig seine vielen
autobiografischen
Manuskripte zur Verfügung, die auch einen großen Teil des
überlieferten
Nachlasses ausmachen, der den zentralen Quellenbestand für Glasers
Untersuchung
bildet. Dabei ist sich Glaser des performativen Charakters dieser
Quellen
durchaus bewusst, halten sie doch nicht nur Informationen bereit,
sondern
inszenieren auch Realität.6 In Glasers Untersuchung
werden
Leerstellen in der Überlieferung des Nachlasses klar benannt (etwa
das fast
vollständige Fehlen privater Dokumente) und die
Überlieferungsgeschichte
kritisch rekonstruiert. Wo möglich, werden Kollers
Selbststilisierungen durch
Heranziehung paralleler Überlieferungen anderer Archive und
Nachlässe
aufgebrochen. Die Fülle und Bandbreite der konsultierten Quellen
sind
beeindruckend. Gleichwohl erkennt auch Glaser grundsätzlich an,
dass sich der
„biografisch Arbeitende der performativen Wirkung der Quellen nur
bedingt
entziehen kann“ (S. 18f.).
Insgesamt identifiziert Glaser zwei Phasen im autobiografischen
Werk Kollers.
Eine erste nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, in der das
autobiografische
Schreiben der Überwindung der eigenen Krisenerfahrung und der
Integration in
die neuen demokratischen Institutionen diente. Zusammen mit dem
Wiedereintritt
in die katholische Kirche schuf Koller die Konversionsgeschichte
einer
Verführung durch den „Führer“, während er für seine
Zeitgenoss:innen zugleich
als Entlastungsfigur fungierte: Stadt- und Werksgründung
erschienen dabei als
rein technische und daher legitime Projekte, die lediglich durch
die
Nationalsozialisten missbraucht worden seien. Pointiert arbeitet
Marcel Glaser
dabei heraus, dass der Zusammenbruch des NS-Staats sowohl in
persönlicher als
auch in weltanschaulicher Hinsicht eine Zäsur bedeutete, die
Kollers Akt des
autobiografischen Schreibens überhaupt erst motivierte. Während
er, „[g]eprägt
von den traumatisierenden Erlebnissen der Niederlage und der
Kriegsgefangenschaft
[...] nach ideologischer Orientierung“ in den
Erinnerungsgemeinschaften seiner
einstigen, völkischen Jugendbewegung suchte (S. 297), drohte
Koller die
Deutungshoheit über die von ihm geplante Stadt zu entgleiten.
„Denn die
Vergangenheit Wolfsburgs als ‚NS-Musterstadt‘ stellte eine
besondere
Problematik dar, belastete diese Zuschreibung doch die mit der
Planung und
Entstehung der Siedlung befassten Akteure gleichsam als
Nationalsozialisten“
(S. 287). Indem Marcel Glaser das Agieren und die Emotionen
Kollers in
Beziehung zu den sich wandelnden gesellschaftlich-politischen
Verhältnissen
setzt, leistet er mit der Überkreuzung von Individual- und
Planungsgeschichte
auch methodisch einen anregenden Beitrag zur modernen Biografik.
Eine zweite Phase im Akt des autobiografischen Schreibens
identifiziert Glaser
für die 1970er- und 1980er-Jahre, in der Koller angesichts der
Fragen der
jüngeren Generation mit einem starken Hang zu Selbstzufriedenheit
und
Überheblichkeit versuchte, ein Denkmal seiner selbst in der
Geschichte zu
bauen. Wie für autobiografische Texte charakteristisch, war Koller
darum
bemüht, dem eigenen Leben Kohärenz zu vermitteln: Er sei sich sein
ganzes Leben
treu geblieben, wobei er hierzu ex post zum Widerständler gegen
den Nationalsozialismus
avancierte. Glaser zeichnet hier zwar durchaus nachvollziehbar das
Bild einer
narzisstischen Persönlichkeit Kollers, die Ausführungen weisen
aber nicht die
gleiche analytische Tiefe auf, wie es für die Nachkriegszeit gilt.
Obwohl in den letzten beiden Jahrzehnten nicht nur die Bandbreite
der als
biografiewürdig angesehenen Personen deutlich erweitert wurde,
sondern auch die
Forschungsperspektiven durch sozial-, kultur-, sowie gender- und
emotionsgeschichtlichen Fragestellungen ergänzt wurden, stehen im
Gros der
jüngeren Biografien von Architekt:innen weiterhin vor allem
kunstgeschichtliche
Fragestellungen im Zentrum. Vor diesem Hintergrund kann Marcel
Glasers
Untersuchung als im besten Sinne atypische Biografie bezeichnet
werden. Die für
die Architekturgeschichte ungewöhnlich umfangreiche Auswertung
schriftlicher
Quellen ermöglicht Glaser Rückschlüsse auf die Denkmuster oder
auch Wünsche
seines Protagonisten und – über die Individualbiografie
hinausgehend – dessen
Experten- beziehungsweise Planermilieus. Glaser zeigt damit zum
einen, wie die
persönlichen Mentalitäten und Haltungen die Vorstellungen über die
als
notwendig erachtete Ordnung und Gliederung von Stadt und Raum
prägten, zum
anderen in disziplinärer Perspektive, wie die oftmals noch viel zu
eng gefasste
Architektur- beziehungsweise Planungsgeschichte vom „fachfremden“
Blick
profitieren kann (Glaser studierte Geschichte und Germanistik).
Auch im
Hinblick auf die Forschung zum Nationalsozialismus leistet die
Untersuchung
einen genuinen Forschungsbeitrag: Indem Glaser die individuellen
Handlungs- und
Gestaltungsspielräume Peter Kollers zu den strukturellen
Bedingungen des
Nationalsozialismus in Beziehung setzt, werden ebenfalls Aussagen
über die
Funktionsweise des NS-Staates im Allgemeinen ermöglicht. Dabei ist
eine Stärke
der Biografie, dass trotz des besonderen Augenmerks auf Kollers
Aktivitäten im
„Dritten Reich“ sein Wirken nach 1945 nicht einfach als
Nachgeschichte des
Nationalsozialismus erscheint, sondern diese genauso als
Vorgeschichte seines
Wirkens in der postnazistischen, demokratischen Gesellschaft.
Anmerkungen:
1 Bernhard Rieger, The People's
Car. A Global
History of the Volkswagen Beetle, Cambridge, Mass. 2013.
2 Andri Gerber / Stefan Kurath,
Einführung,
in: dies. (Hrsg.), Stadt gibt es nicht! Unbestimmtheit als
Programm in
Architektur und Städtebau, Berlin 2015, S. 7–29, hier S. 18.
3 Werner Durth, Deutsche
Architekten.
Biographische Verflechtungen 1900–1970, Wiesbaden 1986.
4 Magnus Brechtken, Albert
Speer. Eine
deutsche Karriere, München 2017, hier S. 14.
5 Kim Christian Priemel,
Rezension zu:
Brechtken, Magnus: Albert Speer. Eine deutsche Karriere. München
2017, in:
H-Soz-Kult, 08.12.2017, https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-24537
(23.03.2024).
6 Thomas Etzemüller,
Biographien. Lesen,
erforschen, erzählen, Frankfurt am Main 2012, S. 80.
Zitation
Nils Exner, Rezension zu: Glaser, Marcel: Peter Koller
(1907–1996). Stadtplaner
in Diktatur und Demokratie. Eine Biografie. Göttingen 2022 , ISBN
978-3-8353-5238-4,
In: H-Soz-Kult, 26.03.2024, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-128096>.
Date: 2024/03/27 10:32:55
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Gestern abend in Saarbrücken-Scheidt beim
Mitgliedertreffen der Arbeitsgemeinschaft
für Saarländische Familienkunde (ASF) sprach Ute Hennig aus St.
Wendel über
ihre Art des Glaubens, nämlich seine Lehren nicht einfach
hinzunehmen, sondern ihn
zu hinterfragen, mit Fakten zu untermauern und gewissen Sachen auf
den Grund zu
gehen. Heute am Beispiel des Turiner Grabtuchs.
So habe ich sie verstanden:
Ute Hennig zeigte erst einmal, was das Grabtuch war - die durch
Druck
entstandene Darstellung eines Mannes, der schweren Mißhandlungen
in Form von
römischen Peitschenhieben ausgesetzt war, der ans Kreuz genagelt
und dort
gestorben war und dem von links unten mit einer Lanze durch die
Brust ins Herz
gestochen worden war.
Sie stellte die Geschichte des Tuchs über 2000 Jahre hinweg dar -
ich habe
verstanden, daß es eine Lücke von ca 200 Jahren im späten
Mittelalter gibt, wo
man nicht weiß, was damit geschah. Das leere Tuch kam - nachdem
der Leichnam
aus dem Grab verschwunden war - an eine Person, die lateinisch
„puero“ genannt
wird, also einen Jungen. Aber die Lesart im Originaltext, der
nicht lateinisch
war, läßt auch den Namen „Petrus“ zu, der in der Originalschrift
wohl ähnlich
oder gleich aussieht. Ute könnte das besser erklären, als ich -
der ihre Worte
nacherzählt. Wobei es sinnvoller wäre, daß Petrus als Anführer der
Jünger das
Tuch an sich nähme, in dem man seinen besten Freund beerdigt
hatte. Nochmal verwendet
werden durfte es nicht, weil es nicht mehr rein war. Über
zeitliche und
örtliche Umwege kam es nach Edessa, wo man es so faltete, daß nur
das Gesicht
zu sehen war und in einem Hohlraum in einer Mauer verbarg. Dort
blieb es
während des ersten Jahrtausends nach Christus und kam dann über
weitere Umwege
über eine oder mehrere adelige Familien und vermutlich die
Tempelritter nach
Turin, wo er heute noch aufbewahrt wurde.
Die katholische Kirche sieht ihn nicht als Reliquie, sondern als
Ikone.
Im zweiten Teil ging die Referentin auf das Tuch selbst ein,
sprach von den
Brandlöchern und wie sie entstanden, von der C14-Methode und ihren
Tücken und
warum sie vermutlich „14. Jahrhundert“ als Ergebnis hatte: das
Tuch wurde immer
wieder gezeigt und dabei am Rand an verschiedenen Stellen
angefaßt. Natürlich
nutzen sich deshalb die angefaßten Randstellen mit der Zeit ab.
Das kenne ich
von der Peutinger Tafel, einer Landkarte, die 30 cm hoch und über
vier Meter
lang und früher aufgerollt war. Das erste Blatt - zeigt Spanien
und England -
ist im Laufe der letzten tausend Jahre durch den Gebrauch
zerbröselt. Im 15.
Jahrhundert wurde das Turiner Grabtuch von Spezialisten einige
Male
ausgebessert, vor allem an den Stellen, wo es angefaßt wurde.
Genau diese
Stellen wurden mit C14 untersucht. Sie müssen dazu
herausgeschnitten werden und
wurden während der Untersuchung zerstört - das liegt in der Natur
der Sache.
Als wir vor unserem Haus in den Ruinen des ehemaligen römischen
Hauses gruben und
menschliche Knochen fanden, haben wir einen mit C14 datieren
lassen (950 AD),
der Knochen wurde dabei betriebsbedingt zerstört.)
Ute sprach über Kopien des Tuchs und Falschinterpretationen des
Ergebnisses.
Der Abdruck des Kopfes zeigt einen Vollbart und volles Haar. Oben
auf der Stirn
sind zwei oder drei Haarsträhnen zu sehen, die vom Mittelscheitel
ins Gesicht
hängen. Das sind nur keine Haarsträhnen, sondern ist Blut, das vom
Kopf ins
Gesicht gelaufen war.
Im dritten Teil ging es in der Hauptsache um die Kreuzigung
selbst, und da ging
es schon ins Detail. Z.B. warum Arme so liegen, daß die Hände über
der Scham
liegen. Juden begruben ihre Toten mit seitlich liegenden Armen.
Das ging hier
aber nicht, weil durch die Kreuzigung die Arme ausgekugelt waren.
Oder warum
die Hände nur vier Finger zeigen und keinen Daumen. Das geht auf
die Kreuzigung
zurück. Der Nagel ging nicht durch die Handfläche, das wäre
ausgerissen,
sondern durch eine Stelle des Unterarms, etwa 2 cm oberhalb der
Handfläche.
Dort sitzt eine Knochenbrücke, die das Ausreißen verhindert und
für Stabilität
sorgt. Dort läuft aber auch ein Nerv durch, dessen Berührung
bewirkt, daß der
Daumen in die Handfläche springt und deshalb nicht sichtbar ist.
Interessante,
aber zugegeben scheußliche Details.
Die Verurteilten wurden vor der Hinrichtung gegeißelt. Die Römer
verwendeten
dazu eine Peitsche mit drei Seilen, an deren Ende zwei kleine
Metallkugeln
waren, durch einen Steg verbunden. Die Kugeln ließen die Haut
aufplatzen, die
Stege quetschten sie. Diese Verletzung sieht man vielfach im Tuch.
Vom Kreuzweg mit seinen 14 Stationen werden fünf nicht in der
Bibel genannt -
die drei Stürze, die Begegnung mit seiner Mutter und das
Schweißtuch der
Veronika.
Markus beschreibt in seinem Evangelium, daß die Römer Simon von
Cyrene zwangen,
für Christus das Kreuz zu tragen. Das war deshalb notwendig, weil
ihn Pilatus,
der ihn eigentlich freilassen wollte, stärker geißeln ließ als die
anderen
beiden Delinquenten. Deshalb war Jesus so geschwächt, daß er den
steilen Weg
nach Golgotha vermutlich nicht überlebt hätte, eine Blamage für
die Römer. Auch
wurde nicht das ganze Kreuz geschleppt, sondern „nur“ der
Querbalken. Der Stamm
saß oben auf dem Berg an der Richtstätte und wurde nie bewegt. Der
Verurteilte
wurde an den Balken genagelt und mit diesem den Stamm
hinaufgezogen. Dann wurden
die Füße übereinandergestellt und mit einem Nagel festgemacht. Ute
Hennig
zeigte ein Bild mit einem Querschnitt. Es zeigte einen Nagel, der
durch zwei
Füße durch das Holz getrieben und unten krummgeschlagen wurde,
damit er hielt.
Dort mußte das Holz abgeschnitten werden, um die Leichnam abnehmen
zu können.
Dieses Fundstück war natürlich nicht aus Palästina. Die Kreuzigung
war ein
beliebtes Hinrichtungsmittel der Römer und fand überall statt,
nicht nur auf
Richtstätten [nach dem Spartakusaufstand wurden die Rebellen an
der Via Appia
von Rom aus entlang der Straße gekreuzigt].
Mir wurde gestern abend etwas flau im Magen gerade im letzten
Teil, vor allem, als
ich gewahr wurde, daß wir uns in der Karwoche befinden. Daß also
das, worüber
wir hier sprachen, am nächsten Freitag vor gut 2030 Jahren
geschehen sein soll
(dem Leichnam, den das Grabtuch zeigt, wird ein Alter von Ende 30
zugesprochen,
was paßt, weil man schon länger weiß, daß Christus nicht „null“,
sondern etwa
sieben Jahre vor der Zeitenwende geboren wurde).
Am Schluß des Vortrages herrschte erstmal Schweigen, bis dann
zögerlich doch
einige interessante Fragen aufkamen, die Ute Hennig nach bestem
Wissen
beantwortete.
Das war ein interessanter Vortrag, der mit Genealogie nur soweit
zu tun hat,
als es darum geht, die mögliche Identität einer vergangenen Person
zu bestimmen.
St. Wendel, 27.03.2024
Roland Geiger
Date: 2024/03/31 19:24:42
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Salve,
vielleicht haben Sie schon, daß demnächst drei neue
Ortsfamilienbücher aus dem
Bereich der Stadt Saarbrücken erscheinen.
Nun, eins ist jüngst erschienen, nämlich der SB71, der die meisten
ermittelbaren Familien und ihre Mitglieder aus Alt-Saarbrücken im
Zeitraum
zwischen 1799 und 1871 enthält. Zusammengestellt wurde dieser Band
von unseren
Mitgliedern Klaus Schulz und Heinz Lavall bzw. nach des letztern
Tod von seiner
Witwe Ruth. In Form gebracht und in die selbst erstellten Rahmen
gepreßt hat
ihn unser Geschäftsführer Markus Detemple.
Der SB71 besteht aus drei Bänden im Format A4 und wiegt ungefähr
4,7 Kilogramm.
Seit einiger Zeit lassen wir unsere Bücher bei der Firma „Wir
machen Druck“
südlich von Stuttgart drucken, dort erhält man selbst
Mikroauflagen (bis 25
oder 50 Stück) zu einem günstigeren Preis, als man anderswo für
200 oder 300
Stück bezahlt. Und das normalerweise bei wirklich akzeptabler
Qualität.
Deshalb haben wir vom SB71 zunächst 25 Stück drucken lassen, von
denen noch
etwa 14 Stück zu haben sind. Sind sie alle, lassen wir
nachdrucken.
Der Preis pro Stück (3 Bände) beträgt 50 Euro für Mitglieder und
65 für
Nichtmitglieder, dazu kommt der Versandpreis von 6,99 pro Stück (3
Bände).
Die anderen beiden SBs 72 und 73 werden noch ein paar Wochen
brauchen. Einige
Leute haben gleich alle drei bestellt, aber sie sparen bei dieser
Bestellung
nur 92 Cent an Versandkosten und müssen dafür noch einige Wochen
oder Monate
auf ihre Bücher warten.
Ihre Bestellung reichen Sie bitte über unseren Shop ein:
=>
https://www.saargenealogie.de/produkt/saarbruecken-1799-1871/
Geben Sie bitte bei der Bestellung an, ob Sie Mitglied der ASF
sind, wenn Sie
Mitglied der ASF sind.
Wenn Sie kein Mitglied der ASF sind, aber auch an den anderen
Bänden der Saarbrücker
Reihe oder anderen unserer Bücher interessiert sind, sollten Sie
sich
überlegen, Mitglied der ASF zu werden, denn die Ersparnis beim
Preis für
Mitglieder kann in der Summe mehr ausmachen als eine
Mitgliedschaft mit einer
Jahresgebühr von 25 Euro. Dann erhalten Sie außerdem noch unseren
vierteljährlichen Informationsdienst und den Jahresband dazu; die
sind in der
Jahresgebühr enthalten.
Sie müssen natürlich gar nichts - Sie können, wenn Sie wollen.
Bene Vale.
Roland Geiger
Arbeitsgemeinschaft für Saarländische Familienkunde (ASF)
Vorsitzender