Date: 2024/02/01 11:50:00
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Der Verein für Landeskunde im Saarland e.V. (VLS), zugleich Verband der geschichtlichen Organisationen Saarland, Rheinland-Pfalz, Lothringen, Luxemburg und Wallonie, ist ein expandierender grenzüberschreitender Geschichtsverband.
Wir suchen zum 01. März 2024 eine Bürokraft (m/w/d), die uns in der Geschäftsstelle in St. Wendel unterstützt. Als Bürokraft kümmern Sie sich um Besucherbetreuung, Auskunftsersuchen, Schriftverkehr und Tätigkeiten im organisatorischen Bereich.
Weiter Informationen entnehmen Sie bitte der als Anlage beigefügten Stellenausschreibung.
Zu Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Friedrich Denne
(1.Vorsitzender)
Kommunikation:
Verein für Landeskunde im Saarland e.V. (VLS)
Verband der geschichtlichen Organisationen in der europäischen Großregion
Saarland, Rheinland-Pfalz, Lothringen, Luxemburg und Wallonien
Association des organisations historiques de la Grande Région Européenne
la Sarre, Rhénanie-Palatinat, la Lorraine, le Luxembourg et la Wallonie
Friedrich Denne
Hauptstr. 90
(D)66578 Schiffweiler
Tel.: (+49) 06821 - 962156
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mundart(a)landeskunde-saarland.de
volkskunde(a)landeskunde-saarland.de
Geschäftsstelle:
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(D)66606 St. Wendel
(Bahnhof – Eingang Vorderseite)
Öffnungszeiten: mittwochs von 09.00 Uhr bis 13.00 Uhr
und von 15.00 Uhr bis 19.00 Uhr.
Oder nach Vereinbarung
Telefon, nur während der Öffnungszeiten: 06851 - 9390866
Date: 2024/02/01 11:51:56
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Date: 2024/02/01 18:53:33
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
"In allen guten Buchhandlungen ist zu haben
...".
Buchwerbung in Deutschland in der Frühen Neuzeit
von Marie-Kristin Hauke
Erschienen Leipzig 2023: Lehmstedt
Verlag
Anzahl Seiten 587 S.
Preis € 68,00
ISBN 978-3-95797-148-7
Rezensiert für H-Soz-Kult von Holger Böning, Deutsche
Presseforschung,
Universität Bremen
Die Entstehung von Werbung für Waren ist engstens mit dem Handel
mit gedruckten
Büchern verbunden, sie begann bereits in der Inkunabelzeit.
Gleichzeitig finden
sich in der Buchwerbung auch die Anfänge jener bis heute wichtigen
Prozesse der
Bedarfsweckung und Absatzförderung. Werbemittel waren und sind zum
Teil bis
heute das Titelblatt, Verlags-, Sortiments- und Messkataloge,
Anzeigen in
Zeitungen, Intelligenzblättern und Zeitschriften sowie bereits im
18. Jahrhundert
buchhändlerische Fachzeitschriften. Die Historikerin und
Buchwissenschaftlerin
Marie-Kristin Hauke legt erstmals eine Gesamtdarstellung der
Frühgeschichte der
Buchwerbung in Deutschland vom 15. bis zum frühen 19. Jahrhundert
vor. Zugleich
wird eine Bibliographie von mehr als 1.000 Buchhandelskatalogen
des 16. bis 18.
Jahrhunderts geboten, von denen sich oft nur in ein einziges
Exemplar erhalten
hat.
Konkurrenzdenken und Gewinnstreben auf Kosten anderer galten in
den
mittelalterlichen Zunftordnungen als anstößig und unchristlich,
war es
schließlich Hauptziel der Zünfte, jedem ihrer Mitglieder
ausreichende „Nahrung“
zu verschaffen. Es waren so die nichtzünftischen Gewerbe, die
zuerst
Flugschriften und Plakate nutzten, um auf ihre Dienstleistungen
aufmerksam zu
machen. Auch die Zeitungen und Intelligenzblätter wurden im 17.
und 18.
Jahrhundert vorwiegend genutzt, um Waren aus nichtzünftischer
Produktion
anzupreisen oder um auf importierte oder nur kurzzeitig verfügbare
Waren
hinzuweisen, bis es um die Mitte des 19. Jahrhunderts zur modernen
Wirtschaftswerbung kam.
Es ist nun bemerkenswert, dass von dieser Periodisierung allein
das Buch
ausgenommen ist, das sich nicht nur durch seine massenhafte
Produktion von
anderen Waren unterschied. Es handelt sich nämlich um eine erste
Ware modernen
Stils, deren Produktion, wie die Autorin ausführt, im Gegensatz
zum zünftischen
Handwerk ein finanzintensives Risikogeschäft darstellte, das auf
Bedarfsweckung
und Absatzförderung angewiesen war. Obwohl diese innovative
Leistung des
Buchhandels von Wirtschaftshistoriker:innen nicht bestritten wird,
fehlte es
bisher an einer eigenständigen Studie zur Entwicklung der
buchhändlerischen
Werbung; überhaupt, so erfahren wir, sei die Werbung als zentrales
Kommunikationsmittel
zwischen Buchhändlern und Kunden ein Stiefkind wissenschaftlicher
Untersuchungen. Gleiches hat für die Bedeutung der Kommunikation
für Wirtschaft
und Gesellschaft zu gelten. Während die Werbehistorikerinnen und
Werbehistoriker betonen, dass der Buchhandel die moderne
Wirtschaftswerbung
vorweggenommen haben, fehlte bis zur Arbeit der Autorin von
buchwissenschaftlicher Seite eine übergreifende These.
Bemerkenswert vielfältig ist die Quellengrundlage der Darstellung
Haukes.
Beginnend mit Buchhandelskatalogen und anderen buchhändlerischen
Werbemitteln
wie Hand- und Novitätenzetteln, Subskriptions- und
Pränumerationsplänen reicht
die Auswertung bis zur zeitgenössischen Literatur, insbesondere
von Satiren und
von buchhändlerischen Streit- und Reformschriften. Auch die
Entwicklung des
Titelblattes von Büchern wird untersucht. Ein Hauptverdienst der
Studie liegt
in der umfassenden Berücksichtigung der Buchwerbung in der
periodischen
Literatur, insbesondere den 1605 entstehenden und sich im 17.
Jahrhundert flächendeckend
verbreitenden politischen Zeitungen. Zu diesen gesellte sich seit
der zweiten
Hälfte des 17. Jahrhundert eine sich rasant vermehrende
Zeitschriftenliteratur
bis hin zur Entstehung von ersten Fachzeitschriften seit den
1720er-Jahren.
Bedeutung gewannen auch gelehrte Zeitungen und Rezensionsblätter
sowie endlich
die seit den 1720-Jahren flächendeckend im deutschen Sprachraum
entstehenden
Anzeigen- oder Intelligenzblätter.
Nach der Einleitung bietet das 2. Kapitel einen Überblick über die
Anfänge der
Buchwerbung in Antike, Mittelalter und Frühdruckzeit, um für das
16.
Jahrhundert zu konstatieren, dass Titelblätter und Kataloge zu den
wichtigsten
gedruckten Werbemitteln geworden sind. Das 3. Kapitel stellt die
Verdichtung
der öffentlichen Kommunikation und die Kommerzialisierung des
Buchmarktes im
17. und 18. Jahrhundert in den Mittelpunkt, behandelt den Aufstieg
der
periodischen Presse, die Entstehung des modernen Publikums sowie
die Stellung
der Autorinnen und Autoren im 17. und 18. Jahrhundert. Alles dies
wird im
Prozess der Entwicklung von Buchhandel und Buchproduktion und
unter der
Überschrift „Kommerz und Konkurrenz“ dargestellt.
Kapitel 4 ist sodann den gedruckten Werbemitteln des 17. und 18.
Jahrhunderts
gewidmet, die von den Rahmen- oder Paratexten des Buches wie
Buchtitel und
Titelblatt, Vorreden, Widmungen und Huldigungsgedichten über
Kaufaufrufe und
Subskriptionsaufforderungen, Subskriptions- und
Pränumerationsplänen,
Handzetteln, Prospekten und Werbebriefen bis zu den
Buchhandelskatalogen,
Messkatalogen und Kataloganhängen in Büchern und Zeitschriften
reichen. Ein
großer Teil dieses Kapitels ist den Buchanzeigen in der
periodischen Presse
gewidmet. Dabei werden die Entwicklungen von der Rumpf- zur
Standardanzeige
sowie von der Einzel- zur Sammelanzeige behandelt, des Weiteren
die
typographische Gestaltung ebenso wie die quantitative Ausbreitung
der Anzeigen
untersucht. Hinzu kommen Rezensionen und Selbstrezensionen als
Sonderformen
buchhändlerischer Anzeigen.
Hinzuweisen ist darauf, welche erstaunlichen
Erkenntnismöglichkeiten unter der
periodischen Literatur die publizistische Gattung des Intelligenz-
oder
Anzeigenblattes für die historische Buchwerbung, für die
Buchgeschichte,
besonders aber auch für die historische Leserforschung bietet,
denn hier findet
man Anzeigen der tatsächlich gelesenen Literatur. Es ist doch,
wenn man die
Buchanzeigen der örtlichen Buchhändler und Verleger liest, höchst
überraschend,
welche Vielfalt an Schriften einer Bevölkerung, die von
Historiker:innen oft
noch als leseunfähig beschrieben wird, angeboten wurde.
Bemerkenswert, dass
offenbar recht breite Bevölkerungsschichten auch noch mit
Vergnügen lasen und
lesen hörten, wovon hier ebenfalls berichtet wird. Die
Intelligenzblätter
bieten ein in der Forschungsliteratur noch nicht oft präsentes
Bild der
deutschen Aufklärung, auf dem mehr wahrzunehmen ist als beim Blick
auf große
Philosophen und die kanonisierte Romanliteratur. Hier finden sich
nämlich jene
Buchhandelsanzeigen, die von einem Literaturmarkt für
aufklärerische Schriften
zeugen, von dem die Literaturgeschichten in der Regel wenig
wissen, da hier
auch die massenhaft gelesene Literatur und Publizistik
berücksichtigt ist. Die
Literaturhistoriker:innen haben über die hohe Literatur, den
Lesestoff von
gerade einem Prozent der Erwachsenenbevölkerung im 18.
Jahrhundert, fast alles
in Erfahrung gebracht, über die Lesestoffe der übrigen 99 Prozent
wissen sie
hingegen nur wenig. Lange galt die Rede vom „Volk ohne Buch“, doch
die
Intelligenzblätter verraten, dass für einfache Leser zahllose
Bücher zumindest
geschrieben wurden und durch Buchbinder und Kolportagehändler auch
vertrieben
wurde. So gehört die volksaufklärerische Literatur quantitativ zu
den
bedeutenden Gattungen der zeitgenössischen Druckproduktion. Von
ihren Anfängen
etwa um die Mitte des 18. Jahrhunderts erschienen während des
folgenden
Zeitraumes von hundert Jahren etwa 10.000 Schriften, die sich
entweder direkt
an die unteren Stände der Bevölkerung wandten oder in denen
darüber diskutiert
wurde, mit welchen Mitteln, Zielen und Strategien aufklärerisches
Gedankengut
beim ‚Volk’ popularisiert werden könne. Weit mehr als 3.000
Autorinnen und
Autoren griffen zur Feder und engagierten sich mit der Abfassung
einer
selbstständigen Schrift, von der Anleitung zur Stallfütterung über
Informationen zur Bekämpfung von Viehseuchen oder zur
Gesunderhaltung des
Menschen bis zum unterhaltsamen Roman. Für die Anzeigen- und
Intelligenzblätter
ist nun charakteristisch, dass es gerade diese Literatur war, für
die nicht
allein durch Anzeigen geworben, sondern die den Lesern der
Intelligenzblätter
durch kleine Beiträge auch inhaltlich vorgestellt und empfohlen
wurde. Daneben
wurden mancherlei Bücher durch Anzeigen angeboten, die, obwohl
tatsächlich
offenbar in großer Masse vom Buchhandel angeboten und von den
Lesern rezipiert,
in keine aktuelle Literaturgeschichte Eingang gefunden haben. Dies
gilt für
eine breite Andachtsliteratur ebenso wie für eine erstaunlich
ausdifferenzierte
Sachliteratur und für Schriften zu allen Bereichen des Alltags. Es
ist, um dies
zusammenzufassen, in jeder Beziehung lehrreich, welche Schriften
ganz
gewöhnlichen Lesern der Anzeigenblätter angeboten und von ihnen
sicherlich auch
gekauft und gelesen wurden. Regelmäßig und über die Jahrzehnte
hinweg verraten
die Anzeigen, wie wichtig nicht nur für die Schöne Literatur,
sondern auch für
das Zeitungslesen Lesegesellschaften und Lesegemeinschaften waren.
Kurz gesagt,
finden sich in den Intelligenzblättern und in den
volksaufklärerischen
Schriften zentrale Quellen für die historische Lese- und
Leserforschung, denn
hier wurde überaus genau beobachtet, was vom gemeinen Mann gelesen
wurde und
wofür er eher nicht ansprechbar war.
Kapitel 5 endlich stellt den Prozess der Buchwerbung im
Kommunikationsnetzwerk
des Buchmarktes in den Mittelpunkt, wozu auch die Entwicklung der
Werbemethoden
und der Werbekosten gehört. Selbst buchhändlerische Werbekniffe im
17. und 18.
Jahrhundert finden die Aufmerksamkeit der Autorin. Hochinteressant
ist die
Rolle der Autorinnen und Autoren im Werbeprozess und die
Buchwerbung als
Gemeinschaftsprojekt von Verlegern und Autoren. Dabei spielt die
Werbung beim
Selbstverlag eine eigene Rolle, stellte sie doch eine oft nicht
hinreichend
berücksichtigte Notwendigkeit dar, die von Einzelkämpfern unter
den Autoren so
einfach nicht zu bewältigen war.
In ihrem Resümee unterstreicht Marie-Kristin Hauke noch einmal die
äußerst
kreativ bewältigte Vorreiterrolle des Buchhandels für die
Entstehung der
modernen Wirtschaftswerbung. Spätestens am Ende des 17.
Jahrhunderts sei kein
Kommunikationsmittel mehr vor der Vereinnahmung durch den
Buchhandel sicher
gewesen. Dabei habe der sich verändernde Buchmarkt die
entscheidenden Anstöße
für die Ausdifferenzierung und Weiterentwicklung der Werbemittel
und Werbeaktivitäten
gegeben, sodass die wichtigsten Schubphasen in den bewegtesten
Buchhandelsepochen des 17. und 18. Jahrhunderts, nämlich in der
Frühaufklärung
und im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts zu beobachten seien.
Die Umstrukturierung vom lateinischen Gelehrtenbuchmarkt zum
nationalsprachigen, mehr und mehr alle Leserschichten
ansprechenden Buchmarkt,
die eng mit dem Aufstieg der modernen Kommunikationsmittel Zeitung
und
Zeitschrift einherging, sei, so Hauke, von einer innovations- und
spekulationsfreudigen Buchhändlergeneration in Angriff genommen
worden. Für das
letzte Drittel des 18. Jahrhundert stellt die Autorin schließlich
die Bedeutung
der Auseinandersetzungen zwischen Netto- und Reichsbuchhändlern
heraus, ebenso
werden die beginnende Trennung von Verlag und Sortiment sowie die
zahlreichen
Selbstverlagsprojekte behandelt.
Am Ende des 18. Jahrhunderts, so lässt sich zusammenfassen, war
die Buchwerbung
praktisch unentbehrlich geworden, was vor allem dann sichtbar
wurde, wenn der
Werbeprozess aufgrund von Eingriffen der Zensurbehörden ins
Stocken geriet.
Bayern wird als ein Beispiel dafür vorgestellt, wie
Anzeigenverbote und
Anzeigenkontrollen sich höchst negativ auf den Absatz und die
Überlebensfähigkeit von Buchhändlern auswirken konnten.
Die Studie ist ein Beispiel dafür, dass an den Quellen orientierte
Grundlagenstudien nicht so leicht zu befürchten haben, dass sie
veralten. Die
in ihren Grundzügen vor einem Vierteljahrhundert entstandene
Arbeit ist so
jung, ergebnisreich und nützlich geblieben, wie sie es als
Ergebnis
bewundernswerten Fleißes 1999 war. Dabei ist die Geschichte dieser
Studie
selbst von wissenschafts- und publikationsgeschichtlichem
Interesse, erschien
sie doch nach der Fertigstellung als Dissertation im Jahre 1999 am
Institut für
Buchwissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg als eine
der ersten Onlinepublikationen. Diese damals verlockende neue Form
des
Publizierens, so muss festgestellt werden, hat die Erwartungen
einer gegenüber
gedruckten Dissertationen intensiveren Kenntnisnahme und Nutzung
aber in keiner
Weise erfüllt. So ist die Initiative des Verlegers sehr zu
begrüßen, diese
ungeheuer material- und informationsreiche Arbeit nun doch
zwischen zwei
Buchdeckel und in die buchgeschichtliche Reihe des Verlags
gebracht zu haben,
um ihr endlich die verdiente Aufmerksamkeit zu verschaffen. Für
die
Buchpublikation hat die Autorin ihr Werk mit den heutigen
Möglichkeiten der
Recherche ergänzt und bearbeitet.
Zitation
Holger Böning, Rezension zu: Hauke, Marie-Kristin: "In allen guten
Buchhandlungen ist zu haben ...". Buchwerbung in Deutschland in
der Frühen
Neuzeit. Leipzig 2023 , ISBN 978-3-95797-148-7, In: H-Soz-Kult,
30.01.2024, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-140452>.
Date: 2024/02/02 07:23:41
From: Hans-Joachim Hoffmann via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Guten Morgen an alle,
ich bitte folgende Nachricht weiterzuleiten wegen des links zu der Veranstaltung im Landtag von Rheinland-Pfalz anlässlich der Gedenkstunde zur Befreunng des KZ Auschwitz. Es sprachen Prof. Frank Nonnenmacher sowie Herr AlfonsIms, beide Betroffene verfolgter sog. "Asozialer" und "Berufsverbrecher". Zu dieser Kategorie der Verfolgten des NS liegen für den Bereich des heutigen Saarland noch keine (umfassenden) Forschungen vor. Mehr oder weniger durch Zufall stieß ich auf bei meinen Recherchen auf WILHELM DIESEL. Nach Aussage von Christine Frick (LAS) ist Wilhelm Diesel das erste nachgewiesene Opfer der sog. "Häftlings-Euthanasie" (ab 1941). Deshalb mag der Hinweis den Blick lokaler Historiker darauf lenken, ob es weitere Opfer der "Aktion 14f13" = "Häftlings-Euthanasie" im Raum des heutigen Saarland gibt.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Joachim Hoffmann
Betreff: | "Asoziale" in der NS-Zeit |
---|---|
Datum: | Wed, 31 Jan 2024 10:48:50 +0100 |
Von: | Alfons L. Ims <ali(a)imsystem.de> |
Antwort an: | ali(a)imsystem.de |
Organisation: | imSystem |
An: | hans-joachim-hoffmann(a)web.de |
-- _________________________ Alfons L. Ims Finkenweg 8 69151 Neckargemünd 06223 - 715 80 ali(a)imsystem.de
Attachment:
== Prospekt neu.docx
Description: application/vnd.openxmlformats-officedocument.wordprocessingml.document
Date: 2024/02/02 07:38:39
From: Hans-Joachim Hoffmann via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Guten Morgen, Herr Geiger,
ich leitete soeben eine Nachricht mit Anhang an regionalforum weiter; da ich nicht weiß, ob sie wegen des Anhangs veröffentlicht werden kann,, schicke ich auch diese mail, also ohne Anhang.
Danke für die Weiterleitung.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Joachim Hoffmann
Lieber Herr Hoffmann,
ich habe über Google einen Heinweis auf den Artikel vom letzten
Montag in der Saarbrücker Zreitung bekommen und habe soeben Ihr
Gespräch vom 19.4.2023 im SR angehört.
Ich beschäftige mich mit der "Asozialen"-Politik der Nazis, habe
dazu eine Familienbiographie verfasst (siehe Anlage) und hatte die
Ehre letzten Samstag im Landtag von Rheinland-Pfalz die Gedenkrede
zu halten.
siehe: https://landtag-rheinland-pfalz.media.video.taxi/watch/v0P4HEquXxCI
Ich würde gerne mit Ihnen in Kontakt kommen.
Herzliche Grüße
Alfons L. Ims
Guten Morgen an alle,
ich bitte folgende Nachricht weiterzuleiten wegen des links zu der Veranstaltung im Landtag von Rheinland-Pfalz anlässlich der Gedenkstunde zur Befreunng des KZ Auschwitz. Es sprachen Prof. Frank Nonnenmacher sowie Herr AlfonsIms, beide Betroffene verfolgter sog. "Asozialer" und "Berufsverbrecher". Zu dieser Kategorie der Verfolgten des NS liegen für den Bereich des heutigen Saarland noch keine (umfassenden) Forschungen vor. Mehr oder weniger durch Zufall stieß ich auf bei meinen Recherchen auf WILHELM DIESEL. Nach Aussage von Christine Frick (LAS) ist Wilhelm Diesel das erste nachgewiesene Opfer der sog. "Häftlings-Euthanasie" (ab 1941). Deshalb mag der Hinweis den Blick lokaler Historiker darauf lenken, ob es weitere Opfer der "Aktion 14f13" = "Häftlings-Euthanasie" im Raum des heutigen Saarland gibt.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Joachim Hoffmann
Date: 2024/02/02 11:45:51
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Hallo, Herr Hoffmann,
im System ist eingestellt , daß Anhänge
einer bestimmten Größe nicht durchgeschickt werden.
Wenn die dann hängenbleiben, erhalte ich als ListAdmin eine entsprechende Meldung und entscheide dann ad hoc, ob ich sie durchgehen lasse oder nicht.
Ihre ging beim ersten Mal glatt durch.
Mit freundlichem Gruß
Roland
Guten Morgen, Herr Geiger,
ich leitete soeben eine Nachricht mit Anhang an regionalforum weiter; da ich nicht weiß, ob sie wegen des Anhangs veröffentlicht werden kann,, schicke ich auch diese mail, also ohne Anhang.
Danke für die Weiterleitung.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Joachim Hoffmann
Lieber Herr Hoffmann,
ich habe über Google einen Heinweis auf den Artikel vom letzten Montag in der Saarbrücker Zreitung bekommen und habe soeben Ihr Gespräch vom 19.4.2023 im SR angehört.
Ich beschäftige mich mit der "Asozialen"-Politik der Nazis, habe dazu eine Familienbiographie verfasst (siehe Anlage) und hatte die Ehre letzten Samstag im Landtag von Rheinland-Pfalz die Gedenkrede zu halten.
siehe: https://landtag-rheinland-pfalz.media.video.taxi/watch/v0P4HEquXxCI
Ich würde gerne mit Ihnen in Kontakt kommen.
Herzliche Grüße
Alfons L. Ims
Guten Morgen an alle,
ich bitte folgende Nachricht weiterzuleiten wegen des links zu der Veranstaltung im Landtag von Rheinland-Pfalz anlässlich der Gedenkstunde zur Befreunng des KZ Auschwitz. Es sprachen Prof. Frank Nonnenmacher sowie Herr AlfonsIms, beide Betroffene verfolgter sog. "Asozialer" und "Berufsverbrecher". Zu dieser Kategorie der Verfolgten des NS liegen für den Bereich des heutigen Saarland noch keine (umfassenden) Forschungen vor. Mehr oder weniger durch Zufall stieß ich auf bei meinen Recherchen auf WILHELM DIESEL. Nach Aussage von Christine Frick (LAS) ist Wilhelm Diesel das erste nachgewiesene Opfer der sog. "Häftlings-Euthanasie" (ab 1941). Deshalb mag der Hinweis den Blick lokaler Historiker darauf lenken, ob es weitere Opfer der "Aktion 14f13" = "Häftlings-Euthanasie" im Raum des heutigen Saarland gibt.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Joachim Hoffmann
_______________________________________________ Regionalforum-Saar mailing list Regionalforum-Saar(a)genealogy.net https://list.genealogy.net/mm/listinfo/regionalforum-saar
Date: 2024/02/02 14:06:58
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Die Kreissparkasse St. Wendel und
ihre ersten
Kunden
komponiert von
Roland Geiger, St.
Wendel
Am 1. Januar ist die Kreissparkasse St. Wendel 165 Jahre alt
geworden und hätte
dieses Jubiläum als gutgehendes und hochangesehenes Unternehmen
feiern können
[was sie nicht tat, weil sie vor fünf Jahren das 160. groß
feierte]. Dabei
sahen ihre Anfänge gar nicht so sehr günstig. Nach vielen
Versuchen und
Rückschlägen wurde am 1. Januar 1859 der Betrieb aufgenommen.
Das heißt: von „Betrieb“
konnte keine Rede sein. Der Geschäftsführer, der den Laden als
Ein-Mann-Betrieb
führte und sich Rendant nannte, wartete auf Kunden, und die
kamen nicht. Nicht,
daß in diesem ersten Monat keine Darlehen aufgenommen wurden,
aber das geschah
definitiv nicht bei der neuen Kreis=Spar= und Darlehnskasse in
St. Wendel. Der
Ackerer Jakob Messler und seine Ehefrau Anna Leist aus Marpingen
gingen am 15.
in St. Wendel lieber zum Gerichtsvollzieher Michel Eschrich, um
bei ihm Geld zu
leihen, und der Schuster Johann Marx aus Breiten und seine
Ehefrau Maria Arnold
haben lieber bei dem Ackerer Nikolaus Wagner in Oberlinxweiler
Geld
aufgenommen. Ob es daran lag, daß die neue Bank etwas zu sehr
Offizielles an
sich hatte, schließlich gehörte sie ja der Regierung oder war
von der auf jeden
Fall ins Leben gerufen worden. Und wenn nicht von der Regierung,
so doch von
der Verwaltung des Landkreises, an vorderster Front Landrat
Rumschöttel, der
höchstpersönlich Direktor dieser Anstalt war. Nicht, daß die
Sparkasse teurer
gewesen wäre als die anderen – privaten – Kreditgeber. Fünf
Prozent Zinsen
waren ortsüblich und schon seit Jahrzehnten auf gleichem Stand.
Aber der Bauer
in Oberlinxweiler und der Gerichtsvollzieher in St. Wendel
stellten vielleicht
nicht so viele Fragen – und: sie waren schon seit Jahren im
Geschäft. Man
kannte sie und vertraute ihnen – okay, bis zu einem gewissen
Grad. Sagen wir
so: man wußte, woran man an ihnen war. Aber die Sparkasse – nee,
wen der Bauer
nicht kennt, bei dem frißt er nicht. Und er frißt schon gar
nicht bei einer
Anstalt, die direkt dem Landrat unterstellt ist, denn der
braucht doch nicht zu
wissen, was ich so mit meinem Geld anstelle. Nachher …
So wartete der Rendant Michael Weynand, der übrigens aus
Alsfassen stammte und
mit der St. Wendelerin Katharina Göbel verheiratet war, in
seinem Büro auf
Kundschaft. Und da er einen ganzen Monat warten mußte, haben wir
etwas Zeit,
uns anzuschauen, wo dieses Büro eigentlich genau war. Weynand
mußte eine
Kaution aufstellen, da er für selbstverschuldete Verluste
persönlich haftbar
gemacht werden konnte. Deshalb wird er sich vermutlich nie sehr
weit von seiner
Geldkassette entfernt haben; denn dort lagen gleich zu Anfang
120 Taler drin,
die ihm nicht gehörten, für die er aber verantwortlich war.
Diese Kassette war
natürlich vor allem nachts "gefährdet", weshalb er sie
vermutlich
zuhause aufbewahrte. Aber wo wohnten er und seine Ehefrau?
Im Juni 1859 kaufte das Ehepaar das Wohnhaus des vormaligen St.
Wendeler Notars
Friedrich Hen, das in der oberen Luisenstraße unterhalb des
heutigen "Alten
Rathauses" lag [Luisenstraße 2]. Deshalb lag die "Schalterhalle"
demnach in dem dortigen Haus. Aber wo war sie das letzte halbe
Jahr gewesen? Vermutlich
auch in der Wohnung des Ehepaars Weynand, aber wo die beiden
vorher wohnten,
wissen wir nicht.
So, jetzt hat Herr Weynand genug gewartet, geben wir ihm etwas
zu tun. Er wird
sicher nicht den ganzen Monat nur herumgesessen und Däumchen
gedreht haben.
Aber Anfang Februar kam ihm ein Umstand zugute, der auch heute
noch in der Zeit
nach Weihnachten wieder die ersten Besucher aus den umliegenden
Orten nach St.
Wendel führt: der Lichtmeßmarkt.
Maria Lichtmeß wird traditionell am 2. Februar gefeiert und fiel
1859 auf einen
Mittwoch. Unsere Oma lehrte uns den alten Spruch: " Maria
Lichtmess, spénne
fagess, bäi Daach se Naacht gess’". "Spénne fagess" – das
bezieht sich auf die Arbeit der Bauern im Winter, wenn die
Witterung die Arbeit
draußen unmöglich macht; dann saßen die Leute drinnen am
Webstuhl. Jetzt an
Lichtmess begann das sog. "Bauernjahr", d.h. ab jetzt wurde die
bäuerliche Arbeit draußen wieder aufgenommen und mit dem Spinnen
hatte es mal
wieder ein Ende; also: "vergessen wir das Spinnen". Abendessen
gibt’s
um halb sechs oder sechs, und Anfang Februar beginnt die
Dunkelheit etwa um die
Zeit oder sogar schon später. Also ist es noch Tag(hell), wenn
wir das
Abendbrot einnehmen: "bei Daach se Naacht gess!"
An dem Tage endete aber auch das Dienstbotenjahr, und den Mägden
und Knechten
wurde der Rest ihres Jahreslohnes ausbezahlt.
Der zugehörige Jahrmarkt fiel demnach auf den darauffolgenden
Donnerstag, einen
Tag später. An diesem Tag trafen sich Händler, Handwerker und
Bauern aus den
umliegenden Dörfern und Gemeinden in St. Wendel, aber nicht nur
um den Markt zu
besuchen und einzukaufen, sondern auch – und vielleicht auch vor
allem – um
miteinander zu reden, Neuigkeiten zu erfahren und den
gesammelten Klatsch der
letzten vier Monate loszuwerden. Der letzte Markt war der große
Wendalinusmarkt
Ende Oktober gewesen, und während der dunklen Monate bis nach
Weihnachten
werden sie kaum Gelegenheit gehabt haben, die Stadt zu besuchen,
schon gar
nicht, wenn der Schnee hoch lag und die Temperaturen nur tief im
Keller zu
finden waren. Auch jetzt Anfang Februar ist es noch nicht gerade
warm, aber die
Aussicht auf ein Wiedersehen mit Freunden und Bekannten hatte
sie alle in die
Stadt gelockt.
Und mit ihnen zogen ihre Mägde und Knechte in die Stadt, um
ihren Dienstherren
beim Einkauf und Heimtragen zu helfen. Und natürlich um mit
ihresgleichen zu
sprechen.
An diesem Donnerstag gab es etwas Neues in der Stadt, und zwar
etwas, daß
gerade die Gesindeleute hellhörig machte. Es gab
behördlicherseits eine
Institution, zu der sie ihr sauer erspartes Geld bringen
konnten, und diese
Institution versprach ihnen, darauf acht zu geben, so daß es
sicher war. Bisher
war es das nämlich nicht unbedingt gewesen. Zuhause sparten sie
es in einem
Strumpf auf oder unter der Bettmatratze. Gut versteckt vor
Eindringlingen – und
vor dem eigenen Dienstherrn. Wie oft hatten sie schon davon
gehört, daß ein
Bauer nicht nur das Bett einer Magd besuchte, wenn seine Frau
der Meinung war,
sie hätten jetzt genügend Kinder, und er solle doch lieber zur
Magd gehen,
sondern sich auch an ihrem Eigentum verging. Eine offizielle
Beschwerde oder
gar Anzeige war da nicht drin, an wen sollten sich die Mädchen
denn wenden? Die
Obrigkeit, bestehend aus preußischen Beamten, die die Nase noch
höher trugen
als 20 Jahren zuvor die Coburger? Die würden sie nur auslachen
und wegschicken.
Und wenn der Bauer das mitkriegen würde, wären sie gleich noch
ihre Anstellung
los. Das konnten sie sich nicht leisten. So gut waren solche
Stellen nicht gesät.
Also blieb ihnen nur, auf die Ehrlichkeit ihrer Hausherren zu
hoffen und
Verstecke zu finden, die nicht so leicht aufzustöbern waren.
Natürlich waren
nicht alle Dienstherren so; aber wenn einem das Wasser bis zum
Hals steht, wer
weiß, was die Not aus den Menschen macht …
Zwei junge Frauen, Mägde aus Berschweiler und Mettweiler, mögen
sich in St.
Wendel getroffen haben; vielleicht sind sie auch den
mehrstündigen langen Weg
durch Eis und Schnee nach St. Wendel zusammen gestapft oder
kannten sich gar
schon von früher her. Ein junger Mann, Knecht in Mettweiler,
einem weiteren Ort
im ehemals Lichtenbergischen, war mit ihnen gekommen. Hier in
St. Wendel trafen
sie auf eine Leidensgenossin, die schon deutlich älter war als
sie und schon
einiges mitgemacht hatte. Neun Jahre zuvor hatte sie einen Sohn
geboren,
unehelich natürlich, und ihn nach nur Tagen wieder verloren.
Jetzt – mit knapp neununddreißig
Jahren – war sie eine alte Frau, müde und verbraucht. Aber immer
noch am Leben
und mit dem Ehrgeiz beseelt, den jungen Leuten, die sie von
früheren Besuchen
her kannte, einiges von dem zu ersparen, was sie erlebt hatte.
Sie hatte in den vergangenen Wochen immer wieder von der neuen
Spar= und
Darlehnskasse gehört. Sie nahm die drei jungen Leute beiseite
und erzählte
ihnen von der neuen Anstalt, wo ihr Geld sicher war vor dem
Zugriff ihres
Dienstherren. Und das beste hielt sie sich für den Schluß auf:
die Sparkasse
würde sie für das Geld, das sie dort hinterlegen würden, auch
noch bezahlen. Für
jeden Taler, den sie dort hinbrachten und einen Jahr dort liegen
ließen, würden
sie einen halben Silbergroschen oder 15 Pfennige für dieses Jahr
bekommen, und
sie brauchten nichts dafür zu tun, als das Geld dorthin zu
bringen und einfach
liegenlassen und ohne etwas dafür zu tun.
Was die jungen Leute schließlich überzeugt haben mag. Am
nächsten Montagmorgen
machten sie sich wieder auf den langen Weg nach St. Wendel, ihr
Erspartes in
der Tasche. Am ehemaligen oberen Tor trafen sie auf ihre
Freundin Maria
Marschall.
Und kaum öffnete Herr Weynand morgens seinen Laden, da standen
sie schon vor
der Tür und machten ihre Einzahlungen:
Elisabeth Walter aus Berschweiler mit 30 Talern,
Catharina Stephan aus Eckersweiler mit 29 Talern,
Maria Marschall aus St. Wendel mit 13 Talern
und
Jacob Loch aus Mettweiler gar mit 40 Talern.
Stolz erhielt jeder von ihnen ein Sparbuch. Ein kleines Heft, in
dem vom
Rendanten höchstpersönlich die Summe eingetragen worden war und
natürlich der
Zinssatz in Höhe von 5 vom hundert, neudeutsch: 5 Prozent. Und:
das Heftchen
war ein Dokument, über das nur sie selber verfügen konnten.
Außer ihnen konnte
niemand etwas damit anfangen.
Was muß das für ein Gefühl für diese einfachen Leute gewesen
sein, einem der
hohen Herrn ihr Geld zur Verfügung gestellt zu haben. Und dieser
hohe Herr
bedankte sich herzlich bei jedem von ihnen und versprach, auf
ihr Geld
aufzupassen und es sicher zu verwalten.
Das geschah am Montag, dem 2. Februar 1859.
Und es sprach sich herum. Und gleich am nächsten Freitag kamen
die nächsten
Einzahler, diesmal alle aus St. Wendel, mit anderen Beträgen,
größeren und
kleineren.
Und so geht das bis heute.
Und da haben wir die Verbindung zwischen den St. Wendeler
Kaufleuten und der
Kreissparkasse. Denn ohne die Kaufleute und Händler hätte es
keinen Markt
gegeben. Und ohne den Markt würden Herr Weynand und seine
Nachfolger womöglich
noch heute auf ihre ersten Kunden warten.
Date: 2024/02/03 17:03:02
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Auch nicht übel. Als der berühmte Philesoph Montesquieu in London war, besuchte er unter andern auch den Minister Walpole, und eröffnete, gegen die Gewohnheit der Franzosen, die sonst bei jedem Fremden Geläufigkeit in ihrer Sprache voraussetzen, die Unterredung in Englisch. Walpole hörte mit großer Aufmerksamkeit zu, schien aber auf die Idee des Galliers nicht einzugehen; denn ungeachtet mehrer Ruhepunkte und Pausen konnte dieser keine Antwort oder Entgegung erhalten. Endlich sprach der Minister in gebrochenem Französisch: „Monsieur, ich verstehe zwar französisch, allein ich bin an den mündlichen Verkehr so wenig gewöhnt, daß ich Sie bitten muß, englisch mit mir zu sprechen.“
Quelle:
Date: 2024/02/03 18:42:36
From: Christa Lippold <franzundchrista(a)t-online.de>
Das ist ja köstlich! 😁 Von meinem/meiner Galaxy gesendet -------- Ursprüngliche Nachricht -------- Von: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net> Datum: 03.02.24 17:13 (GMT+01:00) An: Stefan Reuter via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net> Betreff: [Regionalforum-Saar] Auch nicht übel. Auch nicht übel. Als der berühmte Philesoph Montesquieu in London war, besuchte er unter andern auch den Minister Walpole, und eröffnete, gegen die Gewohnheit der Franzosen, die sonst bei jedem Fremden Geläufigkeit in ihrer Sprache voraussetzen, die Unterredung in Englisch. Walpole hörte mit großer Aufmerksamkeit zu, schien aber auf die Idee des Galliers nicht einzugehen; denn ungeachtet mehrer Ruhepunkte und Pausen konnte dieser keine Antwort oder Entgegung erhalten. Endlich sprach der Minister in gebrochenem Französisch: „Monsieur, ich verstehe zwar französisch, allein ich bin an den mündlichen Verkehr so wenig gewöhnt, daß ich Sie bitten muß, englisch mit mir zu sprechen.“ Quelle:
|
Date: 2024/02/06 18:39:33
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Forgotten Wives. How Women Get Written Out of
History
von Ann Oakley
Veröffentlicht Bristol 2021: Bristol University Press
256 Seiten
Preis £ 19,99
ISBN 978-1447355847
Rezensiert von Katerina Piro, Wirtschaftsgeschichte, Universität
Mannheim
[Die Rezension ist im Original in Englisch; ich habe sie mit Hilfe
Dr. Googles ins Deutsche übersetzt]
Biographen konzentrieren sich immer noch häufig auf berühmte
Männer. Derzeit
trauert die Welt um Jacques Delors und Wolfgang Schäuble, zwei
Politiker, die
zweifellos die Europäische Union und ein wiedervereintes
Deutschland geprägt
haben. Ihre Ehefrauen Marie und Ingeborg haben kaum eigene Spuren
hinterlassen,
wenn man die Anzahl der Biografien, den Platz auf Wikipedia oder
die
Erwähnungen in den Nachrufen ihrer Ehemänner betrachtet. Am
häufigsten wurden
sie dafür gelobt, dass sie ihre Ehemänner unterstützten und neben
der
Familienerziehung auch gemeinnützige Arbeit leisteten. Frauen
scheinen immer
noch aus der Geschichte verschwunden zu sein.
In ihrem tiefen Einblick in vier weibliche Biografien aus dem
Großbritannien
des 19. und frühen 20. Jahrhunderts – mehr als ein Jahrhundert vor
Delors und
Schäuble – zeigt Ann Oakley, wie Frauen sowohl von Zeitgenossen
als auch von
Biographen wahrgenommen wurden. Einige ihrer Erkenntnisse sind
auffallend
einfach: Sie zeigt auf den gemeinsamen Grabstein von Charles und
Mary Booth,
der seine vielen Errungenschaften auflistet und alle ihre
Errungenschaften
auslässt (S. 63); Sie erklärt, dass die Shaw Library an der London
School of
Economics tatsächlich nach Charlotte und nicht nach ihrem
berühmten
Dramatiker-Ehemann George Bernhard Shaw benannt wurde (S. 66); Sie
rechnet
nach, um das männliche Ungleichgewicht im biografischen Schreiben
über Paare
aufzuzeigen. Sie erinnert uns daran, dass in Archiven Frauen unter
den Namen
ihrer Ehemänner katalogisiert werden, wodurch es schwieriger wird,
die
Geschichten von Ehefrauen zu finden. Dies zeigt, wie „die
Erfahrungen und
Erfolge von Frauen so leicht in den Sedimenten der Ehe versinken
können“ (S.
100).
Ann Oakley ist keine Historikerin, sondern Soziologin; Ihre
zahlreichen Bücher
und Projekte konzentrieren sich auf Geschlechterverhältnisse und
die unbezahlte
Arbeit von Frauen im Haushalt. oder die Geschichte der
sozialwissenschaftlichen
Forschung und des Wohlfahrtsstaates. Sie hat Biografien und Romane
verfasst.
Ihr Buch über „vergessene Frauen“ entspringt ihrem lebenslangen
Interesse an
der Geschichte der sozialwissenschaftlichen Forschung und der
London School of
Economics (LSE), deren Gründungsmitglied ihr Vater war. Aus diesem
Grund liest
sich das Buch teilweise wie eine Geschichte der LSE, wenn auch
ihrer weniger
bekannten oder „vergessenen“ Geschichte.
„Vergessen“ ist für Oakley ein Überbegriff, der Handlungen und
Filter wie
Ignorieren, Abwerten, Marginalisieren, Verzerren (S. 3),
Verschweigen oder
Abseitsstellen von Beiträgen (S. 176), moralisches Urteilen (S.
171) und
böswilliges Bewerten umfasst (S. 90), Stereotypisierung (S. 175),
Aufrechterhaltung negativer oder unzutreffender Einschätzungen (S.
101f),
aktives Vergessen (S. 197) oder Fehlerinnern (S. 7). Oakleys Buch
steht in
guter Gesellschaft mit anderen Studien, die versuchen, Frauen vor
dem Vergessen
zu bewahren. In gewisser Weise ist es beunruhigend, dass das
Vergessen der Frau
im 21. Jahrhundert noch nicht in größerem Maße überwunden ist.
Die Frauen, die Ann Oakley porträtiert, wurden zwischen 1847 und
1880 geboren
und heirateten Männer, die entweder allgemein berühmt waren
(George Bernhard
Shaw oder William Beveridge, der als Vater des britischen
Wohlfahrtsstaats
gilt) oder maßgeblich an der Gründung oder Leitung großer
sozialwissenschaftlicher Projekte beteiligt waren – darunter die
junge LSE. Sie
flankiert diese in der Einleitung und im Schluss mit einer Reihe
anderer
Frauengeschichten (wie Clara Schumann, Mileva Maric Einstein,
Harriet Taylor
Mill oder Sofia Tolstoi). Das Vergessen geschah sowohl durch die
Ehemänner, d.
h. indem sie ihre Werke ihren Frauen widmeten, ihnen aber keine
Mitautorenschaft anboten (S. 62); von Gleichaltrigen und
Zeitgenossen sowie
späteren Biographen.
Selbst bekannte Frauen werden am häufigsten durch das betrachtet,
was Oakley
den „politischen Filter der Ehefrau“ (S. 2) nennt, und danach
beurteilt, wie
gut sie zu den Vorstellungen der Gesellschaft, eine gute Ehefrau
zu sein,
passen. Mindestens eine der dargestellten Frauen entsprach nicht
dem Muster
einer guten Ehefrau aus dem 19. Jahrhundert, und Oakley zeigt, wie
hart sie
heute sowohl von Zeitgenossen als auch von Biographen beurteilt
wurde (S.
101f); Dies weist auf die langfristige Dynamik von Reputationen
hin.2 Ehemänner
haben nicht den gleichen Effekt auf die Beurteilung von Männern,
und Oakley
weist auf die (immer noch bestehende) „gähnende Kluft zwischen den
Geschlechtern in den Erwartungen“ in Bezug auf die Ehe hin (S.
113).
Oakleys Hauptanliegen besteht nicht nur darin, die Biografien der
Frauen auf
der Grundlage umfangreicher Archivquellen wie Briefe, Tagebücher
und
Aufzeichnungen ihrer Schriften zu konkretisieren; sondern sich auf
die Ehe als
„primäre politische Erfahrung und Institution, die die Arbeit und
Identität von
Frauen definiert“ (S. 1) zu konzentrieren. Methodisch versucht sie
einerseits
die Fakten darzustellen und andererseits, wie die Frauen und ihre
Ehen von
Zeitgenossen oder Biographen (in der Regel die Biographen ihres
Mannes)
betrachtet wurden.
Während sie viel Privates und Intimes preisgibt, besteht ihr
Hauptversuch
darin, die Beziehungen der Frauen zur Arbeit ihres Mannes
aufzuzeigen und zu
beurteilen, wie wichtig ihr Beitrag war – sei es als Hausmeister
oder
Haushaltsverwalter, aber noch wichtiger als Ideengeber,
Schriftsteller und
Propagatoren . Es ist vielleicht nicht so überraschend, dass
Oakley feststellt,
dass die Bemühungen und Beiträge der Frauen stark heruntergespielt
wurden – was
tatsächlich überrascht, ist das Ausmaß der Abwertung oder des
Vergessens. Sie
findet die Arbeit von Ehefrauen „im Hintergrund, am Rande oder oft
nur in
Fußnoten“ (S. 27).
Manchmal gehen die einzelnen Biografien zu sehr ins Detail über
Verwandtschaftsnetzwerke, Landhäuser oder Gremienarbeit. Zu
anderen Zeiten
versucht Oakley, die Frauen zu erhöhen, indem sie die Ehemänner
vielleicht zu
hart beurteilt; Auch sie selbst ist nicht davor gefeit, einige
Stereotypen
aufrechtzuerhalten, etwa indem sie den ersten Job einer der Frauen
als
„willkommene Abwechslung zum Schreiben für ihren Vater“ (S. 111)
und nicht als
Berufswahl beschreibt. Allerdings handelt es sich hierbei um
geringfügige
Kritikpunkte.
Ann Oakleys Buch ist für Historiker und Biographen gleichermaßen
wichtig: Sie
schlägt vor, das Leben von Frauen anders zu lesen und den Frauen
in einer
Partnerschaft und ihren Erfolgen oder Misserfolgen aufgrund ihrer
Ehen viel
mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Biographen sollten sich fragen:
„Was hätte er
ohne sie erreichen können?“ (S. 191), wenn sie die Leistungen von
Männern
bewerten. Ehemänner und Männer sollten stärker danach beurteilt
werden, welche
Unterstützung sie von ihren Frauen und anderen Frauen erhalten
haben und ob sie
ihre Frauen dazu gedrängt haben, etwas zu erreichen und anerkannt
zu werden
oder nicht. Auf jeden Fall wäre es fantastisch, mehr Biografien
wie die der von
Oakley porträtierten vergessenen Frauen zu sehen; Biografien, die
die
Auswirkungen der Ehe auf das Leben des Einzelnen kritisch
bewerten.
Anmerkungen:
1 Henriette Hufgard / Kristina Steimer, [ausgeklammert]. Die
Philosophinnen der
Frankfurter Schule – eine unerhörte Geschichte, München 2023.
2 Dies erinnert an Yvonne Wards Buch über die männlichen
Biographen von Königin
Victoria, die ihr Bild über Jahrzehnte hinweg nicht nur prägten,
sondern auch
zensierten und zementierten. Siehe: Yvonne M. Ward, Zensur von
Königin
Victoria. Wie zwei Herren eine Königin bearbeiteten und eine Ikone
schufen,
London 2013.Zitation
Katerina Piro, Rezension zu: Oakley, Ann: Forgotten Wives. How
Women Get
Written Out of History. Bristol 2021 , ISBN 978-1447355847, In:
H-Soz-Kult,
07.02.2024, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-138134>.
Date: 2024/02/06 19:11:11
From: Christa Lippold <franzundchrista(a)t-online.de>
Sehr interessant! Danke! Von meinem/meiner Galaxy gesendet -------- Ursprüngliche Nachricht -------- Von: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net> Datum: 06.02.24 18:49 (GMT+01:00) An: Stefan Reuter via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net> Betreff: [Regionalforum-Saar] Vergessene Ehefrauen. Wie Frauen aus der Geschichte verschwinden
Forgotten Wives. How Women Get Written Out of
History Veröffentlicht Bristol 2021: Bristol University Press 256 Seiten Preis £ 19,99 ISBN 978-1447355847 --
Mit freundlichen Grüßen Roland Geiger -------------------- Roland Geiger Historische Forschung Alsfassener Straße 17, 66606 St. Wendel Tel. 06851-3166 email alsfassen(a)web.de www.hfrg.de |
Date: 2024/02/07 10:54:17
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Liebe Freundinnen und Freunde der Familienforschung, die Genealogisch-heraldische Arbeitsgemeinschaft Roland zu Dortmund möchte euch sehr herzlich zu ihrer folgenden Online-Veranstaltung auf Zoom einladen: Roland-Online-Vortrag HANSE. QUELLEN. LESEN! Die Spätzeit der Hanse gemeinsam entdecken mit der Referentin Vivien Popken am Dienstag, dem 13. Februar 2024 um 19.00 Uhr auf Zoom! Einlass in den Zoom-Meeting-Raum ab 18.30 Uhr. Einladung mit Teilnahmemöglichkeit: https://www.roland-dortmund.de/2024/01/09/online-vortrag-hanse-quellen-lesen-transkribus-am-13-02-2024/ Wir würden uns sehr darüber freuen, euch wieder sehr zahlreich zu dieser Online-Veranstaltung in unserem Zoom-Meeting-Raum begrüßen zu dürfen. Viele liebe Grüße Georg (Palmüller) Genealogisch-heraldische Arbeitsgemeinschaft ROLAND ZU DORTMUND e. V. Beauftragter Roland-Öffentlichkeitsarbeit
Date: 2024/02/08 18:53:20
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Betreff:
MKI Virtual Lecture: “Luxembourg Immigration to Southern
Brazil," Febr. 28, 2024, 12pm CST |
Von:
"'Antje Petty' via Max Kade Institute Email List"
<mkifriends(a)g-groups.wisc.edu> |
Datum:
08.02.2024, 18:40 |
An:
Antje Petty <apetty(a)wisc.edu> |
with
Carlo Krieger and Jean Ensch
Luxembourg
Wednesday, February 28, 2024
12:00 PM/noon Central Standard Time (Chicago Time)
Free and open to the public, but registration is required.
Email Antje Petty (apetty(a)wisc.edu) to receive a link.
Links will be sent on February 27, 2024.
In the mid-1820s, the newly independent country of Brazil invited Europeans to settle its southern lands and provide a bulwark along the borders to Argentina and Paraguay. These efforts coincided with a period of economic hardship in the rural regions of Luxembourg and neighboring German lands. Fueled by the propaganda of emigration agents, it did not take long for “Brazil fever” to set in. In 1828, after a harrowing migration experience, the first thousand Luxembourgers arrived in Brazil — a generation before the first Luxembourg settlement in the US Midwest. Since then, immigration to Brazil has continued quietly and steadily. Today 30,000 – 50,000 Brazilians are estimated to have Luxembourg ancestry.
In this presentation, Carlo Krieger and Jean Ensch will focus on the Luxembourg presence in southern Brazil today and the history of Luxembourg immigration to the region, while drawing comparisons to the experiences of Luxembourg settlers and their descendants in the United States.
Carlo Krieger holds a Ph.D. in social anthropology and is a retired Ambassador of the Grand Duchy of Luxembourg who had his final posting in Brasilia, Brazil. He serves on the Board of Directors of the Luxembourg American Cultural Society & Center in Belgium, Wisconsin, and as President of its Roots and Leaves Museum.
Jean Ensch is President of the Institut Grand Ducal (Section of linguistics, ethnology, and onomastics), a founding member of the Luxembourg Genealogical Society (ALGH), and a member of the Board of Directors of the Luxembourg American Cultural Society & Center in Belgium, Wisconsin.
For more information click HERE or contact Antje Petty (apetty(a)wisc.edu)
------
**The Max Kade Institute Virtual Lectures Series is made possible with the support of the Friends of the Max Kade Institute. To learn more about the Friends of the Max Kade Institute, including how to become a member, click HERE.
-----
Antje Petty, Associate Director
Max Kade Institute for German-American Studies
University of Wisconsin
432 East Campus Mall
Madison, WI 53706
608-262-7546
Date: 2024/02/09 12:26:54
From: Horst-Dieter Göttert via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Hallo in die Runde, zur Auswanderung von Luxemburgern in den Süden Brasiliens gibt es im Anhang zu meiner Arbeit aus dem Jahr 1999 mit dem Titel "Vom Moselland nach Brasilien - Die Föhrener Familie Kreten-Götten", zwei Auswandererlisten. Diese enthalten i.W. Auswanderer aus dem Raum Mosel-Eifel-Untere Saar, aber auch einige, die aus dem benachbarten Luxemburg kamen. Ziel war die brasilianische Provinz Santa Catarina mit einigen Zwischenstationen, z.B. Rio Negro. Fokusiert habe ich mich dabei auf den konkreten Auswanderungsgang der o.g. Familie aus Föhren. Die Veröffentlichung steht in diversen deutschen Bibliotheken, darunter die Landeskundliche Abteilung der Stadtbücherei Saarbrücken. Horst-Dieter Göttert - www.hdgoettert.de -----Ursprüngliche Nachricht----- Von: regionalforum-saar-bounces(a)genealogy.net [mailto:regionalforum-saar-bounces(a)genealogy.net] Im Auftrag von regionalforum-saar-request(a)genealogy.net Gesendet: Donnerstag, 8. Februar 2024 18:53 An: regionalforum-saar(a)genealogy.net Betreff: Regionalforum-Saar Nachrichtensammlung, Band 230, Eintrag 10 Um E-Mails an die Liste Regionalforum-Saar zu schicken, nutzen Sie bitte die Adresse regionalforum-saar(a)genealogy.net Um sich via Web von der Liste zu entfernen oder draufzusetzen: https://list.genealogy.net/mm/listinfo/regionalforum-saar oder, via E-Mail, schicken Sie eine E-Mail mit dem Wort 'help' in Subject/Betreff oder im Text an regionalforum-saar-request(a)genealogy.net Sie koennen den Listenverwalter dieser Liste unter der Adresse regionalforum-saar-owner(a)genealogy.net erreichen Wenn Sie antworten, bitte editieren Sie die Subject/Betreff auf einen sinnvollen Inhalt der spezifischer ist als "Re: Contents of Regionalforum-Saar digest..." Meldungen des Tages: 1. Luxembourg Immigration to Southern Brazil (Roland Geiger via Regionalforum-Saar) ---------------------------------------------------------------------- Message: 1 Date: Thu, 8 Feb 2024 18:53:10 +0100 From: "Roland Geiger via Regionalforum-Saar" <regionalforum-saar(a)genealogy.net> Subject: [Regionalforum-Saar] Luxembourg Immigration to Southern Brazil To: Stefan Reuter via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>, saarland-l(a)genealogy.net, Pfalz-L <pfalz-l(a)genealogy.net>, Hunsrueck-L <hunsrueck-l(a)genealogy.net>, "Transitional," <transitional-genealogists-forum(a)groups.io>, KENT CUTKOMP via IGGP-L <iggp-l(a)genealogy.net> Message-ID: <0eba8175-0048-430b-b963-b8b966ed7724(a)web.de> Content-Type: text/plain; charset="utf-8"; Format="flowed" Betreff: MKI Virtual Lecture: ?Luxembourg Immigration to Southern Brazil," Febr. 28, 2024, 12pm CST Von: "'Antje Petty' via Max Kade Institute Email List" <mkifriends(a)g-groups.wisc.edu> Datum: 08.02.2024, 18:40 An: Antje Petty <apetty(a)wisc.edu> Live Virtual Lecture /Luxembourg Immigration to Southern Brazil/ with Carlo Krieger and Jean Ensch Luxembourg *Wednesday, February 28, 2024* *12:00 PM/noon****Central Standard Time (Chicago Time)* Free and open to the public, but registration is required. Email Antje Petty (apetty(a)wisc.edu) to receive a link. ?Links will be sent on February 27, 2024. In the mid-1820s, the newly independent country of Brazil invited Europeans to settle its southern lands and provide a bulwark along the borders to Argentina and Paraguay. These efforts coincided with a period of economic hardship in the rural regions of Luxembourg and neighboring German lands. Fueled by the propaganda of emigration agents, it did not take long for ?Brazil fever? to set in. In 1828, after a harrowing migration experience, the first thousand Luxembourgers arrived in Brazil ? a generation before the first Luxembourg settlement in the US Midwest. Since then, immigration to Brazil has continued quietly and steadily. Today 30,000 ? 50,000 Brazilians are estimated to have Luxembourg ancestry. In this presentation, Carlo Krieger and Jean Ensch will focus on the Luxembourg presence in southern Brazil today and the history of Luxembourg immigration to the region, while drawing comparisons to the experiences of Luxembourg settlers and their descendants in the United States. *Carlo Krieger *holds a Ph.D. in social anthropology and is a retired Ambassador of the Grand Duchy of Luxembourg who had his final posting in Brasilia, Brazil. He serves on the Board of Directors of the Luxembourg American Cultural Society & Center in Belgium, Wisconsin, and as President of its Roots and Leaves Museum. *Jean Ensch* is President of the Institut Grand Ducal (Section of linguistics, ethnology, and onomastics), a founding member of the Luxembourg Genealogical Society (ALGH), and a member of the Board of Directors of the Luxembourg American Cultural Society & Center in Belgium, Wisconsin. *For more information click HERE <https://mki.wisc.edu/event/virtual-lecture-luxembourg-immigration-to-southe rn-brazil/>or contact Antje Petty (apetty(a)wisc.edu)* ------ **The Max Kade Institute Virtual Lectures Series is made possible with the support of the***Friends of the Max Kade Institute*. ?To learn more about theFriends of the Max Kade Institute, including how to become a member, click HERE <https://mkifriends.org/membership/>. ----- Antje Petty, Associate Director Max Kade Institute for German-American Studies University of Wisconsin 432 East Campus Mall Madison, WI 53706 608-262-7546 apetty(a)wisc.edu http://mki.wisc.edu <http://mki.wisc.edu> -- Diese E-Mail wurde von Avast-Antivirussoftware auf Viren geprüft. www.avast.com
Date: 2024/02/09 21:39:46
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Guten Abend,
Als ich ein Kind war, las ich einen Roman mit dem Titel „Tom und
der lachende
Fuchs“ (von Rolf Ulrici) über einen deutschen Jungen – Thomas –
dessen Eltern gestorben waren und
dessen Tante in Amerika ihn adoptiert hatte. Dort lernt er einen
Indianer
namens „Lachender Fuchs“ kennen, der ihm viel über Amerika und
seinen Stamm
usw. erzählt. Ich las es vor 45 Jahren, erinnere sich aber noch an
die Szene,
als sie sich zum ersten Mal trafen. Lachender Fuchs fragt, woher
er kommt und
Tom sagt es ihm. Reaktion von Lachender Fuchs: „Oh, Jahr,
Deutschland, viel
Bier und viel Juhu.“ Und Tom merkt, dass er München und Bayern
meint, während
Tom aus Köln kam.
Das hatte ich in den ersten Jahren im Hinterkopf, als Amerikaner
zu Besuch
kamen, und ich sie auf der Suche nach Stätten aus dem Zweiten
Weltkrieg oder
nach genealogischen Themen begleitete. Einige von ihnen dachten
wirklich, dass
Deutschland und Bayern dasselbe seien. Sie waren für zwei Wochen
nach
Deutschland gekommen. Tagelang verbrachten sie im Schloss
Neuschwanstein, in
München, Berlin, Köln und im Rheintal mit dem Loreley-Felsen – was
sie aus dem
Fernsehen kannten. Nur einen Tag nahmen sie sich Zeit dorthin zu
gehen, woher
ihre Vorfahren kamen. Ich wusste damals noch nicht, dass sie nur
zehn Tage
Urlaub pro Jahr zur Verfügung hatten. Während ich 30 Tage pro Jahr
frei hatte,
plus eine Reihe nationaler Feiertage wie Oster- und Pfingstmontag
und mehrere
Donnerstage wie Christi Himmelfahrt sowie den 1. Mai und 3.
Oktober und den 15.
August usw.
Das kam mir in den Sinn, als ich diesen kleinen Artikel in der
„Wochenzeitung
für St. Wendel County“ vom November 1842 fand:
„(12.11.1842] Die Neger in Westindien halten das gesammte
Deutschland für ein
großes weites Land, das den Namen Hamburg führt. Es ist unnütz,
ihnen einreden
zu wollen, Hamburg sei blos eine Stadt; sie entgegnen, es wäre
nicht möglich,
daß eine einzige Stadt so viele Schiffe ausrüsten und in die Welt
schicken könnte.
Von den deutschen Staaten wie Preußen, Bayern, Sachsen etc.,
glauben sie, daß
es mehr oder weniger volkreiche Städte sind, die in dem großen
Hamburg
zerstreut umherliegen.“
Bene Vale
Roland Geiger
Date: 2024/02/12 08:36:56
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Date: 2024/02/13 08:36:55
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Brückle, Wolfgang; Mader, Rachel; Polzer, Brita
(Hrsg.): Die
Gegenwart des Denkmals. Auslegung, Zerstörung, Belebung. Zürich
2023 : diaphanes,
ISBN 978-3-0358-0546-8 525 S. € 50,00
Faludi, Christian; Zänker, Stephan (Hrsg.): Nichts ist so
unsichtbar wie ein
Denkmal [für Ernst Thälmann]. Zur Geschichte eines umstrittenen
Erinnerungsortes. Göttingen 2023 : Wallstein
Verlag, ISBN 978-3-8353-5379-4 168 S. € 22,00
Shanken, Andrew M.: The Everyday Life of Memorials New York 2022 :
Zone
Books, ISBN 978-1-9421-3072-7 435 S. $ 35.00
Thompson, Erin L.: Smashing Statues. The Rise and Fall of
America's Public
Monuments. New York 2022 : W.W.
Norton & Company, ISBN 978-0-3938-6767-1 264 S. $ 15.95
Widrich, Mechtild: Monumental Cares. Sites of History and
Contemporary Art. Manchester
2023 : Manchester
University Press, ISBN 978-1-5261-6811-5 238 S. £ 25.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von Tanja Schult,
Department of
Culture and Aesthetics, Stockholm University
Die Konventionen des bürgerlichen Denkmals bildeten sich nach der
Französischen
Revolution heraus. Bei den Stadtumwandlungen des 19. Jahrhunderts
gehörte das
Denkmal auf den neu angelegten Plätzen und in den Parks einfach
dazu.
Inflationär wurden Denkmäler in die expandierenden Städte
gepflanzt (Shanken,
Life, S. 92, S. 132–135) – von London bis Kapstadt wurden so
Schriftsteller,
Komponisten und Erfinder geehrt. Dieses Inventar umgibt sich mit
einer Aura des
schon immer Dagewesenen und insistiert auf Bleiberecht.
Doch seit den Protestbewegungen Rhodes Must Fall (2015) und Black
Lives Matter
(ab 2013 bzw. verstärkt ab 2020) wurden diese naturalisierten
Platzhalter
weltweit infrage gestellt, zumindest in demokratischen
Gesellschaften. Das eine
oder andere Denkmal musste tatsächlich weichen – darunter eben
auch die
Rhodes-Statue an der Universität Kapstadt (was allerdings, vor
allem in
Südafrika, eine Ausnahmeerscheinung darstellt1). Etwas ist aber heute
grundsätzlich
anders als in Zeiten früherer Denkmalstürze: Es geht in der Regel
nicht darum,
ein Regime oder ideologisches Modell durch ein anderes zu
ersetzen. Das
Interessante an den jetzigen Denkmalstreitigkeiten ist, dass sie
gerade keinen
Regimewechsel wollen. Im Gegenteil: Sie wollen demokratische
Gesellschaften
demokratischer machen; nicht nur, aber auch durch die Umgestaltung
des
öffentlichen Raums. Die hier zu besprechenden Publikationen
beschäftigen sich
alle mit der Frage der Relevanz von Denkmälern in Demokratien.
Denkmalstreit und
Denkmalsturz als
Handlungsoptionen
In „Smashing Statues“ widmet sich Erin L. Thompson nicht nur dem
Sturz, sondern
auch der Entstehung amerikanischer Denkmäler. Teil I des Buches,
Rising,
behandelt die Anfänge moderner Denkmalkultur in den USA. Diese
Zeit beginnt
nicht mit der Errichtung eines Denkmals, sondern mit einem
Denkmalsturz: der
Zerstörung der Reiterstatue von George III. 1776 in New York. Die
Protestierenden sahen es als ihr Recht an, den britischen König
als Symbol
kolonialer Unterdrückung vom Sockel zu stürzen und sein Abbild zu
zerstören.
Thompson hat in Archiven gegraben und sich kritisch durch die
umfangreiche
Literatur gelesen. Sie zeigt die Ausbeutungs- und
Abhängigkeitsverhältnisse
hinter den scheinbar so unschuldigen Symbolen US-amerikanischen
Selbstverständnisses. Die dem Denkmalsturz nachfolgende Welle
neuer Setzungen
war durchweg geprägt von den Produktionsbedingungen der
Sklavenhaltung. Diese
physischen Marker folgten also von Anfang an nicht dem Grundsatz
der
Gleichheit. Der große nationale Selbstbetrug der US-amerikanischen
Gesellschaft
war und ist, dass Gleichheit und Freiheit vor allem die weiße
Einwanderergesellschaft meinen, die die Indigenen verdrängt hatte
und schwarze
Menschen ausbeutete. Die Denkmalproteste als Reaktion auf die
Ermordung von
George Floyd im Jahr 2020 haben ihre Ursache darin, dass die
US-amerikanische
Gedenklandschaft – wie die Gesellschaft an sich – weiter stark von
Ideen weißer
Vorherrschaft geprägt ist. Für den Wandel hin zu einer gerechteren
Gesellschaft
ist es unerlässlich, sich dieser kontaminierten Gedenklandschaft
zu stellen.
Selbst wenn eine solche Überzeugung nicht allgemein geteilt wird,
hat sie
neuerdings an Rückhalt gewonnen.2 Denkmäler sind untote
Wiedergänger
(Shanken, Life, S. 352), deren einstige Bedeutung durch
Denkmalstreitigkeiten
erneut zum Leben erweckt wird, sich durch diese Kontroversen meist
aber auch
verschiebt. Tatsächlich sind es gerade die gegenwärtigen
Denkmalkonflikte, die
zum Neu-Sehen der steinernen Hinterlassenschaften einladen und die
Beteiligten
anregen zu überlegen, wer sie als Gesellschaft sein wollen (ebd.,
S. 14).
Obgleich bereits in der Einleitung zur Anthologie „Die Gegenwart
des Denkmals“3 betont wird, dass die
Beseitigung von
Denkmälern nicht einer Auslöschung von Geschichte gleichkommt und
solche
Pauschalisierungen schlicht ahistorisch sind (Brückle / Mader /
Polzer,
Gegenwart, S. 11), wird dieses irrige Argument im selben Band
dennoch
angeführt, ausgerechnet von Aleida Assmann, die zudem behauptet,
Denkmäler
seien „jahrhundertelang“ vergessen gewesen und nun plötzlich –
„durch einen
Normenwandel in der Gesellschaft“ und erst infolge von Migration –
Gegenstand
von Diskussionen geworden (ebd., S. 89). Thompson hält solcher
Argumentation
entgegen (mit Blick auf eine US-amerikanische Gesellschaft, die
seit 500 Jahren
vom Sklavenhandel geprägt ist), dass die Entscheidungsmacht, für
wen oder was
Denkmäler errichtet werden und ob diese stehen bleiben dürfen,
äußerst
ungerecht in der Gesellschaft verteilt ist. Menschen, die
jahrelang gegen
Denkmäler protestierten, wurden systematisch ignoriert. Sie sehen
in der
Vandalisierung oder dem Denkmalsturz ein letztes Mittel, überhaupt
eine
Reaktion auf ihr Anliegen zu erhalten (Thompson, Statues, S. 33).
So dauerte es
Jahrzehnte, bis es im Juni 2020 zum Sturz der
Edward-Colston-Statue in Bristol
kam, wie es Andrea Bruggmann in ihrem hervorragenden Artikel zeigt
(Brückle /
Mader / Polzer, Gegenwart, S. 231).
Anders als Assmann argumentiert im gleichen Sammelband Jules Pelta
Feldman, die
sich intensiv mit dem Mythos der Geschichtsauslöschung durch
Denkmalsturz
auseinandersetzt. Feldman verteidigt Denkmalstürze und macht
deutlich, dass wir
uns der Logik der auf uns gekommenen Denkmäler nicht unterwerfen
müssen. Gerade
wenn wir Denkmälern Wirkungsmacht zugestehen und diese Objekte
bestimmte Werte
transportieren, die den demokratischen Idealen fundamental
entgegenstehen,
haben wir laut Feldman nicht nur das Recht, sondern auch die
Pflicht, diese dem
Stadtraum wieder zu entziehen (Brückle / Mader / Polzer,
Gegenwart, S. 145).
Das hat nichts mit Geschichtsvergessenheit oder -auslöschung zu
tun. Es geht um
den Entzug der Ehrerbietung, die ein Personendenkmal immer
impliziert
(Thompson, Statues, S. 171). Feldman erinnert daran, wie bei der
Bewertung von
Denkmalstürzen mit zweierlei Maß gemessen wird. Während es einigen
Kritiker:innen einleuchtet, dass nach dem Ende der Sowjetunion
oder des Regimes
von Saddam Hussein Denkmäler fallen mussten, um von
menschenverachtenden
Systemen Distanz zu gewinnen, schelten teils dieselben Personen
das Entfernen
von Denkmälern für Sklavenhändler als Auslöschung der Geschichte.
Da Denkmal und Denkmalsturz seit der Antike zusammengehören, gilt
es, den
Denkmalsturz zu entdramatisieren (Shanken, Life, S. 301). Das
Beispiel des
gestürzten Colston und dessen Umzug ins Museum zeigen, dass die
Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus dadurch keineswegs
beendet war. Im
Gegenteil: Erst dank der musealen Kontextualisierung kommt es zu
einer breiten
Aufarbeitung vergangenen Unrechts und seiner Nachwirkungen in der
Gegenwart.
Feldman legt überzeugend dar, dass die Neukonzipierung oder
Beseitigung von
Denkmälern, die in bestimmten späteren Konstellationen als
„toxisch“ empfunden
werden, keine Abkehr von Verantwortung ist, sondern ein Bekenntnis
zur
Erinnerungsarbeit. Demnach sind Denkmalstürze Versuche, das
kollektive
Gedächtnis einer Auffrischung zu unterziehen. Die
Auseinandersetzung mit der
Vergangenheit erfolgt gerade auch durch das Abarbeiten an den
etablierten
Zeichensetzungen.
Es ist eher verhängnisvoll, wenn diese Form der Konfrontation
nicht erfolgt –
wie es Barbara Kristina Murovec am Beispiel der fast unverändert
gebliebenen
Stadtlandschaft Ljubljanas hervorhebt (Brückle / Mader / Polzer,
Gegenwart, S.
189–209). Nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens wurden die meisten
Denkmäler in
der slowenischen Hauptstadt aus den vorangegangenen Jahrzehnten
weder zerstört
noch musealisiert. Stattdessen wurden sie genutzt, um „in
ideologisch-nostalgischer Verbrämung die Werte der kommunistischen
Revolution
[zu] bewahren“ (ebd., S. 192). Im Großen und Ganzen blieben die
Manifestationen
alter Wertvorstellungen erhalten. Wenn uns die Vehemenz der
gegenwärtigen
Denkmalstürze mitunter auch verstören mag, sind sie vor diesem
Hintergrund doch
eigentlich ein gutes Zeichen. Das Abarbeiten an Denkmälern birgt
eine Chance;
es kann – wie im Fall Colston – zur Revision des Selbstbildes und
zu einem
neuen Gemeinschaftssinn führen.
Stehen Denkmäler auch stramm und starr da wie unverrückbare
Wahrheiten, sind sie
doch keine Quellen über die historischen Ereignisse oder Personen,
an die sie
erinnern, selbst wenn sie immer wieder so gesehen werden (Shanken,
Life, S.
35). Vielmehr geben sie Aufschluss darüber, wie zu einem
bestimmten Zeitpunkt
an ein bestimmtes Ereignis oder eine Person erinnert wurde. Oft
geschieht dies
in einem großen zeitlichen Abstand (ebd., S. 295f.). Die
realisierten Werke
spiegeln also in erster Linie die Wertvorstellungen der
Denkmalsetzer:innen
wider (S. 26, S. 287). Sie können durchaus dazu ermuntern, an
einen
historischen Moment zu erinnern oder sich damit
auseinanderzusetzen. Mit ihnen
steht und fällt aber nicht das geschichtliche Wissen. Diese
Einsichten sind
keineswegs neu, doch ist es immer wieder wichtig, sie zu
vergegenwärtigen.
Wenn wir zudem erkennen, dass es oft einfach (männliche)
Eitelkeit, Ruhmsucht
und Größenwahn waren, die zu Durchführung der absurdesten
Denkmalvorhaben
führten, wird eine Entfernung dieser Objekte denkbar. Am Beispiel
Gutzon
Borglums (1867–1941) zeigt Thompson, wie Künstler Denkmalvorhaben
strategisch
nutzten, um ihre Karriere anzukurbeln und wirtschaftlich davon zu
profitieren
(Thompson, Statues, S. 19, S. 63–95). Borglum hängte wiederholt
das Mäntelchen
nach dem Wind und schreckte vor einer Mitgliedschaft im
Ku-Klux-Klan nicht
zurück, um das Stone Mountain Memorial bei Atlanta zu
verwirklichen. Nach
Streitigkeiten über dieses Projekt widmete er sich, auch aus
finanzieller Not,
in den 1920er- und 1930er-Jahren mit gleicher Hingabe Mount
Rushmore in South
Dakota. Diese gigantischen Bildhauerarbeiten locken jährlich
Millionen von
Tourist:innen.
Was tun mit ererbten
Denkmälern?
Der zweite Teil von Thompsons Buch, Falling, widmet sich der
Frage, was mit den
auf uns gekommenen Zeugnissen geschehen soll.
Konföderierten-Denkmäler
visualisieren Ideen weißer Vorherrschaft. Sie waren Statements
darüber, wer die
Stadt kontrollierte, und sollten schwarze Amerikaner:innen
einschüchtern. Zwar
waren sie nur ein Machtmittel neben anderen (wie dem fehlenden
Wahlrecht für
Schwarze, den Lynchmorden etc.), aber sie waren sichtbar, Tag und
Nacht: Sie
wurden bewusst vor Gerichtsgebäuden aufgestellt – an Orten, die
eigentlich für
demokratische Teilhabe und Rechtsprechung standen. Schwarzen wurde
immer aufs
Neue eingebläut, dass sie Staatsbürger zweiter Klasse waren.4
Die meisten Autor:innen sind sich einig, dass visuellen
Platzhaltern weißer
Vorherrschaft, von Kolonialismus oder patriarchalen Ordnungen
heute kritisch
begegnet werden muss (Thompson, Statues, S. 57; Brückle / Mader /
Polzer,
Gegenwart, S. 299). Nur wie dies geschehen soll, darin besteht
keine Einigkeit.
Mitunter werden diese Machtdemonstrationen aufgrund ihrer
künstlerischen
Gestaltung als bewahrenswert angesehen, was aber nicht
zwangsläufig ihren
Fortbestand im öffentlichen Raum impliziert. Überkommene Denkmäler
als
Lehrstücke, quasi zur Abschreckung stehen zu lassen, spielt die
Erfahrungen von
Menschen herunter, die weiter unter Rassismus, Antisemitismus,
Imperialismus
und Sexismus leiden, wie es Pelta Feldman überzeugend darlegt. Es
ist naiv zu
glauben, solche Denkmäler hätten keine Attraktionskraft, dienen
sie doch
rechtsradikalen Gruppen nicht selten als Versammlungsort. Zudem
zeigt der
Aufschrei über eine mögliche Entfernung umstrittener Denkmäler,
dass die Werte,
für die sie stehen, tatsächlich noch relevant sind (Shanken, Life,
S. 300).
Ginge es nur darum, historische Zeitschichten zu konservieren,
wären eine
Verlagerung ins Museum oder eine digitale Dokumentation annehmbare
Alternativen. Wann ist ein Denkmal so kontaminiert, dass es aus
dem
öffentlichen Raum entfernt werden sollte, und wer entscheidet
darüber?
Letztlich geht es hier auch um Ressourcenverteilung: Innerhalb der
vergangenen
zehn Jahre wurden in den USA 40 Millionen Dollar für den Erhalt
von
Konföderierten-Gedenkorten ausgegeben (Thompson, Statues, S. 154).
Thompson stellt dar, wie der Denkmalschutz nicht einfach
erhaltenswürdiges
Kulturgut schützt, sondern etablierte Machtverhältnisse zementiert
(Statues, S.
181). In den USA hat die schwarze Bevölkerung die Mythenbildung
der Konföderierten-Denkmäler
von Anfang an durchschaut und sich dagegen gewehrt, obgleich das
Aufbegehren
gegen diese Herrschaftszeichen mitunter lebensgefährlich war.
Heute steht die
Vandalisierung oder Zerstörung von Denkmälern unter Strafe. Es ist
äußerst schwierig
(und in den USA aufgrund der seit 2015 verschärften Gesetzgebung
ganz
besonders), selbst höchst problematische Denkmäler auf legalem
Wege zu
entfernen (ebd., S. 119). Dies geht soweit, dass in manchen
Bundesstaaten
selbst ein Verrücken untersagt ist. Thompson zeigt, dass es gerade
diejenigen
sind, die sich eifrig gegen Cancel Culture aussprechen, die
jegliche
Veränderung canceln (S. 194). Wer im öffentlichen Raum etwas
ändern will, wird
zu zivilem Ungehorsam gezwungen.
In ihrer radikalen Forderung, Denkmäler einzuschmelzen, die weiße
Vorherrschaft
proklamieren und damit Schwarzen weiter das Gefühl geben,
unerwünscht zu sein
(S. 44), unterscheidet sich Thompson von den meisten anderen
Autor:innen. Für
sie ist es keine Lösung, solche Denkmäler an den Stadtrand oder
auf Friedhöfe
umzusetzen. Sie vergleicht das mit einem Priester, der sich an
Kindern
vergangen hat. In einem Dorf mag er weniger Kindern begegnen als
in der Stadt,
aber kein einziges Kind darf Gewalt ausgesetzt werden (Thompson,
Statues, S.
170). Thompson zufolge ist es der Selbstfindung sich wandelnder
Gesellschaften
durchaus zuträglich, vorhandene Denkmäler kritisch auf ihre
Existenzberechtigung hin zu befragen (S. 182). Manchmal brauche es
Tabula rasa,
um Neuanfänge zu ermöglichen.
Vor diesem Hintergrund erstaunt das zähe Festhalten am 1958
eingeweihten
Denkmal für Ernst Thälmann auf dem Weimarer Buchenwaldplatz. Der
von Christian
Faludi und Stephan Zänker herausgegebene Sammelband hat seinen
Ursprung in den
heftigen Debatten, die der von den Verfassern im November 2021
selbst
initiierten, kurzfristigen Verhüllung des Weimarer Denkmals
folgten. Es dauert
gute 90 Seiten (und eigentlich bis S. 126), bevor erläutert wird,
wer Thälmann
war. Der von Nationalsozialisten ermordete KPD-Vorsitzende wurde
in der DDR zu
propagandistischen Zwecken ausgebeutet, gerade auch um Walter
Ulbrichts eigenen
Führungsanspruch zu legitimieren (Faludi in Faludi / Zänker,
Denkmal, S. 60).
Ohne Zweifel diente dieser prominenteste Vertreter des
kommunistischen
Widerstands als Symbolfigur des antifaschistischen Gründungsmythos
der DDR
immer wieder als Projektionsfläche. Der staatsoffizielle
Thälmann-Kult blieb
bis zum Ende der DDR unwidersprochen. Ausgeklammert wurde, dass
der
Moskau-treue Thälmann und seine Anhänger zur Destabilisierung der
Weimarer
Republik beigetragen und so den Nationalsozialisten den Weg
bereitet hatten
(Annette Leo in Faludi / Zänker, Denkmal, S. 126–129). Aber
braucht die
demokratische Erinnerungskultur in Deutschland wirklich einen
Christo-Effekt
für das Denkmal, um sich weiter an diesem männlichen Personenkult
abzuarbeiten?
Das Plädoyer für die Erhaltung des Monuments, um damit das
SED-Regime und seine
im Stadtraum gewachsenen Geschichtsverdrehungen zu entlarven,
verkennt, dass
diese komplexen Strukturen schwer verständlich sind. Aufgabe des
Stadtraums ist
es nicht, permanent Geschichtslektionen anzubieten. Eine kritische
Aufarbeitung
Thälmanns kann auch erfolgen, ohne dass das Ehrenmal im
öffentlichen Raum
stehenbleibt. Der Band ist ein wichtiger Beitrag zur lokalen
Erinnerungskultur
(mit einem sehr lesenswerten Beitrag Annette Leos zum 1986
eingeweihten
Thälmann-Denkmal in Berlin-Pankow), von dem man sich jedoch
gewünscht hätte,
dass er der internationalen Forschung mehr Beachtung geschenkt
hätte.
Einigkeit im Umgang mit Denkmälern herrscht zumindest in einem
Aspekt: Es ist
nicht bedeutungslos, wer und was im öffentlichen Raum zu sehen
ist, denn
potenziell können diese Visualisierungen weiter Vorstellungen von
Geschichte
prägen und alternative Geschichtsbilder daran hindern,
Sichtbarkeit zu erlangen
(vgl. Thompson, Statues, S. 148). Wie können wir demokratische
Strukturen
schaffen, die nicht nur zur Errichtung neuer Denkmäler führen,
sondern auch zur
Entfernung solcher Denkmäler, die als überholt oder
diskriminierend empfunden
werden? Diejenigen Gruppen, die jetzt Denkmäler stürzen wollen,
werden mitunter
als nicht-repräsentativ für die Mehrheitsgesellschaft angesehen.
Allerdings
wurden auch die Denkmäler, die unsere Städte bis heute dominieren,
zumeist von
einer kleinen Gruppe einflussreicher Personen errichtet. Wer
profitiert davon,
dass bestimmte Denkmäler stehenbleiben?
Denkmalwollen und Alltag
Während Denkmäler immer wieder als Ausdruck nationalen
Selbstverständnisses
untersucht werden (so von Imke Girßmann am Beispiel des seit
langem geplanten
Berliner Freiheits- und Einheitsdenkmals in Brückle / Mader /
Polzer,
Gegenwart), zeigt der Architekturhistoriker Andrew M. Shanken,
dass die
Erwartung, ein Denkmal solle an jemanden oder etwas erinnern, nur
eine von
vielen Funktionen ist (Life, S. 31). Shanken interessiert sich für
das
Zusammenspiel von Stadtentwicklung und Denkmalaufstellung bzw.
-verbleib. Er
hebt hervor, dass es vielfach auch Zufälle und praktische
Notwendigkeiten wie
Fragen der Verkehrssicherheit sind, die über den Aufstellungsort
bestimmen (S.
151).
Zwar verweisen Denkmäler darauf, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt
die
Möglichkeit hatte, sich in den Stadtraum einzuschreiben. Nach oft
langwierigen
Verhandlungen und mitunter pompösen Einweihungsfeiern sind
Denkmäler aber
einfach Teil des Stadtmobiliars, wie bestrebt sie auch immer sein
mögen, etwas
Besonderes zu sein (Shanken, Life, S. 32). Der Alltag ist
allerdings ungnädig.
Denkmäler werden von Hundedreck und parkenden Autos, blinkenden
Reklameschildern und ratternden Straßenbahnen in Mitleidenschaft
gezogen. Sie
werden durch Luftverschmutzungen verunreinigt, werden
vernachlässigt oder
verfallen. Sie sind Wetter und Jahreszeiten ausgeliefert.
Denkmalstürze sind
also längst nicht die einzige Gefahr, die den meist doch auf Dauer
angelegten
Erinnerungszeichen drohen. Vernachlässigung oder
Dekontextualisierung durch
Umplatzierung können genauso – wenngleich weniger Aufsehen
erregend – zu ihrer
Diskreditierung oder Bedeutungslosigkeit beitragen (Shanken, Life,
S. 18, S.
107, S. 193). Zudem war die Moderne oft schonungslos (S. 203) und
priorisierte
den Autoverkehr, statt die Bedeutungsaufladung von Denkmälern
durch ihre
Platzierung im Stadtraum zu respektieren. Um touristenfreundliche,
nostalgisch
verklärte, scheinbar historische Innenstädte zu kreieren, verkam
das Denkmal
vielerorts zu einem pittoresken Stadtverschönerungsobjekt (S. 180,
S. 189, S.
199).
Denkmäler sind eben vieles gleichzeitig. Manches davon
widerspricht sich. An
sie werden hohe moralische, ja kathartische Erwartungen geknüpft,
doch
tatsächlich werden sie oft übersehen oder zu ganz anderen als den
intendierten
Zwecken genutzt (Shanken, Life, S. 8f., S. 17, S. 321–354). Die
Wahrnehmung
eines Werks hängt immer auch von den jeweiligen Rezipient:innen ab
(ebd., S.
22, S. 27, S. 97). An manchen Tagen laufen wir gleichgültig an
einem Denkmal
vorbei, an anderen suchen wir es vielleicht ganz bewusst auf. Es
kann als
Treffpunkt dienen oder zur Orientierung im Stadtraum. Dabei
verfehlt das
Denkmal mitunter seine ursprünglich intendierte Funktion;
funktionslos ist es
dadurch aber nicht.
Trotz der meist starren Form ist die Bedeutung von Denkmälern
nicht statisch
(Shanken, Life, S. 15). Durch ihre Platzierung im öffentlichen
Raum sind sie
besonders anfällig für Veränderungen. Shanken zeigt, wie selbst
durch minimale
Eingriffe Bedeutungsverschiebungen entstehen (S. 61, S. 178),
zumindest
zeitweilig: Aufgeklebte Wackelaugen verleihen dem
selbstzufriedenen Dichterfürsten
eine ungewollte Komik; selbstgestrickte Kleidung auf bronzenem
Leib entblößt
die Absurdität weiblicher Nacktheit im öffentlichen Raum; und eine
Gruppe
erschöpfter, hungriger Tourist:innen, die die Stufen eines
Denkmals für einen
ihnen gleichgültigen General als Rückenlehne und Picknickplatz
nutzt, beraubt
es damit seines Anspruchs auf ernsthafte Ehrerbietung. Aber all
diese, von den
Denkmalsetzer:innen wohl kaum beabsichtigten Nutzungen laden auch
zum steten
(Neu-)Sehen der Werke ein.
Mitunter verschiebt oder verliert sich die Bedeutung von
Denkmälern, wenn sie
im Zuge von Urbanisierungsprozessen umplatziert oder ihnen andere
Werke zur
Seite gestellt werden. Shanken testet Begriffe wie „Musters“,
„Clusters“,
„Groupings“, um diese Bedeutungsverschiebung durch Ansammlung zu
verstehen, und
vergleicht die Wirkung mit derjenigen eines Eintopfs (S. 175, S.
233): Aus den
einzelnen Zutaten entsteht etwas Neues. Der Autor veranschaulicht,
dass die
Bedeutung von Denkmälern niemals fixiert ist (S. 257), auch weil
die
Wahrnehmung von und das Verhalten an diesen Zeichensetzungen sich
ständig
ändern. Zeitlichkeit und Wertewandel sind die wichtigsten
Parameter für
Neuinterpretationen von Denkmälern. Monumente, die heute als
toxisch empfunden
werden – wie diejenigen zu Ehren von Christoph Kolumbus – waren
einst
Selbstermächtigungsprojekte: Die von anderen Weißen als
minderwertig
angesehenen Italiener versuchten ihren Anspruch auf Anerkennung
einzufordern
und ihre Verbundenheit mit den USA zu demonstrieren (Thompson,
Statues, S.
103ff.). Damals spielte es keine Rolle, dass der „Entdecker“
bewohntes Land
vereinnahmte. Proteste gegen die zahlreichen Kolumbus-Denkmäler
gab es dann
aber schon seit den 1970er-Jahren. Erst in jüngster Zeit kam es zu
Konsequenzen
– einige dieser umstrittenen Statuen wurden entfernt, wie in
Chicago und San
Francisco im Jahre 2020.
Denkmalverständnis heute:
Globale
Verflechtungen und Dissens als Denkmalfunktion
Denkmäler dienten immer wieder dazu, entstehende
Nationalstaatlichkeit zu
illustrieren und zu festigen. Die seit eh und je existierenden
globalen
Verflechtungen in der Denkmalkultur wurden dabei oft übersehen.
Georg Kreis
schildert (in Brückle / Mader / Polzer, Gegenwart), wie sehr sich
das nationale
Denkmalschaffen in der Schweiz schon immer an internationalen
Entwicklungen in
der Kunst orientierte und auf transnationalen Kooperationen
beruhte, vor allem
was international tätige Künstler betraf. Thompson erinnert daran,
dass die
Denkmalproduktion in den USA jahrzehntelang auf den
(kostspieligen) Import von
kunsthandwerklichem Können aus Europa angewiesen war. Besonders
relevant für
die aktuellen Denkmaldebatten sind Izabel Barrosʼ
Reflexionen. Sie verweist darauf, dass durch Denkmäler geehrte
Persönlichkeiten
Teil einer globalen Geschichte waren (wie Kolumbus oder Colston)
und dass der
Umgang mit dieser Geschichte daher nicht bloß national oder lokal
gedacht
werden kann. Sie plädiert dafür, „eine globale Geschichte global
zu erzählen
und eine verstrickte Geschichte verstrickt zu erzählen“. Dabei
geht es nicht
nur darum, nicht-weiße Menschen an Aufarbeitungsprozessen
teilhaben zu lassen,
sondern nicht-europäische Wissenschaftler:innen in Forschungen und
Debatten
einzubinden (Brückle / Mader / Polzer, Gegenwart, S. 223). Es geht
um Mehrstimmigkeit,
die zu weiteren Nuancen beiträgt, jenseits der etablierten
Standarderzählung.
Dabei ist die Entfernung als toxisch geltender Denkmäler nur der
Anfang. Der
breitere Anspruch ist es, die globalen Ungerechtigkeiten, die als
Folge des
Kolonialismus weiter bestehen, transnational wiedergutzumachen.5
Die von Wolfgang Brückle, Rachel Mader und Brita Polzer
herausgegebene
Anthologie „Die Gegenwart des Denkmals“ zeichnet sich durch ihren
kunsthistorischen Schwerpunkt aus. Die spannendsten Beiträge
finden sich unter
den Überschriften „Kritik, Teilhabe und Kampf um Repräsentation“
sowie
„Zentralität und Dezentralität“. Franz Krähenbühl zeigt, dass
Denkmäler auch in
gegenwärtigen Demokratien instrumentalisiert werden können, etwa
zur
Imageaufbesserung und zu nationaler Selbstvermarktung.
Aufschlussreich ist auch
ein Beitrag Brita Polzers, der sich der Rolle von Denkmälern in
der Literatur
widmet (S. 446ff.). Weitere solcher Streifzüge, vielleicht zu
Denkmälern in
Spiel- und Reklamefilmen, wären künftig wünschenswert, um das
Wirken von Monumenten
auch jenseits des im traditionellen Sinn „öffentlichen Raums“ zu
verstehen.
Insgesamt veranschaulicht die Anthologie, wie sehr sich unsere
Annahmen davon,
was ein Denkmal ist, wie es aussieht, wer es errichtet, wie es
wirkt und
rezipiert wird, gewandelt haben. Weder ist das heutige Denkmal an
genretypische
Materialien gebunden (Granit, Marmor, Bronze) noch ist es
notwendigerweise auf
Dauer im öffentlichen Raum angelegt. Von Interesse ist zudem nicht
nur das Werk
selbst, sondern ebenso dessen aktive Nutzung sowie das Nachleben,
auch in den
von ihm ausgehenden Spinn-Offs.
In einem weiteren Beitrag bietet Brita Polzer einen historischen
Abriss über
die Entstehung und Eigenschaften des für das Genre so
einflussreichen
Gegendenkmals. Ihr Artikel zeigt anhand von sieben Fallbeispielen,
wie sich
durch die dialogische Gegenüberstellung von Denkmal und
Gegendenkmal ein „im
öffentlichen Raum materialisierte[s] Streitgespräch“ ergibt
(Brückle / Mader /
Polzer, Gegenwart, S. 166). Gegendenkmäler sind hier weit gefasst
und schließen
künstlerische Interventionen wie temporäre Lichtprojektionen mit
ein. Es geht
Polzer vor allem um das dieser Gattung zugrundeliegende Prinzip
des
Einschreibens von Gegenbotschaften, das Konfrontieren der sichtbar
aufgestellten These mit einer Gegenposition. Durch diese kritische
Befragung
wird etwas Neues erzeugt und gesellschaftliches Umdenken angeregt
(S. 185).
Verena Krieger widmet sich dem jungen Genre des dezentralen
Denkmals, das sich
durch den Aufruf zur Beteiligung, Recherchearbeit und Engagement
auszeichnet.
Das dezentrale Denkmal ist eine Form des kritisch-reflexiven
Denkmals, das sich
seit den 1980er-Jahren herausgebildet hat (Brückle / Mader /
Polzer, Gegenwart,
S. 258). Kriegers Beitrag veranschaulicht die Erneuerung des
Genres, die aus
dem Bemühen resultierte, sich insbesondere mit den
nationalsozialistischen
Menschheitsverbrechen angemessen auseinanderzusetzen (S. 256).
Dadurch hat sich
das Genre radikal revitalisiert und demokratisiert. Denkmäler
wollen nun vor
allem Denkanstöße bieten statt festgefügte Botschaften verbreiten.6 Diese Überlegungen sind
nicht unbedingt
neu, aber in Anbetracht dessen, dass Denkmalvorstellungen
hartnäckig vom
omnipräsenten bürgerlichen Denkmal geprägt sind, weiter nötig.
Anhaltende Denkmalskepsis
versus
Plädoyers für weitere Denkmalsetzungen: Formwille und
Wirkungsmacht von
Denkmälern
Nach der Lektüre dieser spannenden Beiträge verwundern die in den
Publikationen
wiederholt geäußerten Zweifel, ob es überhaupt (noch) sinnvoll
ist, Denkmäler
zu errichten (Thompson, Statues, S. 23). Christina Schröer glaubt
nicht an das
Denkmal als Medium des Aufbruchs in eine pluralistische
Gesellschaft, und
Philip Ursprung behauptet gar, das Genre stelle kein dringendes
Anliegen in der
gegenwärtigen Kunstproduktion dar; er ist überzeugt: Die goldene
Zeit der
Denkmalskulptur sei vorbei (Brückle / Mader / Polzer, Gegenwart,
S. 368, S.
402). So herrscht weiter Unsicherheit, ob Denkmäler sich durch die
Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte erneuert oder an Relevanz
verloren
haben (Shanken, Life, S. 51).
Allen wiederholt geäußerten Untergangszenarien zum Trotz: Das
Genre hat immer
wieder eine erstaunliche Resilienz und Innovationsfähigkeit
bewiesen. Dass das
nicht für die Mehrheit der Denkmäler zutrifft, hängt mit ihren
Produktionsbedingungen
und ihrer Funktionsgebundenheit zusammen, aber auch damit, dass
sich das Genre
stets aufs Neue gegen allzu eng gefasste Denkmalkonventionen und
eine
prinzipielle Denkmalskepsis behaupten muss. Das ist ermüdend.
Viele Beispiele
(gerade auch in Brückle / Mader / Polzer, Gegenwart) beweisen die
Lebendigkeit
des Denkmals als Repräsentations- und Reflexionsform. Es mag am
wiederholten
Missbrauch des Genres liegen, der eine gebetsmühlenartige
Wiederholung
akademischer Distanzierung verlangt. Solche Litanei steht im
Widerspruch zu den
vielen interessanten Beispielen jüngerer Denkmalproduktion. Eine
andere Auswahl
hätte noch eher davon überzeugen können, dass vom gegenwärtigen
Denkmalschaffen
gesellschaftlich relevante und emanzipatorische Impulse ausgehen.
Progressive
und künstlerisch überzeugende Lösungen existieren durchaus.7
Denkmäler regen auf und regen an, aber sie stellen eben immer auch
Versuche
dar, sich in einer widersprüchlichen und stets veränderlichen Welt
zurechtzufinden (Shanken, Life, S. 352). Vielleicht plädieren auch
deshalb die
meisten Autor:innen trotz aller Skepsis für weitere
Denkmalsetzungen. Nur
Thompson gibt zu bedenken, dass gerade die Leere nach einer
Denkmalentfernung
eine Chance sein kann – eine Auszeit, die Gelegenheit bietet zu
überdenken,
welche Art von Denkmal von wem zu welchem Zweck gebraucht wird.
Tatsächlich ist
es sinnvoll, wenn dem Durcharbeiten des Stadtraums Zeit gegeben
wird. Welch
fatale Folgen es hat, Unsummen in ein allzu rasches Make-over
(hier allerdings
nicht in demokratischer Absicht) zu investieren, zeigt Susanne
Hefti am
Beispiel „Skopje 2014“ (in Brückle / Mader / Polzer, Gegenwart).
Denkmäler waren seit Thomas Nipperdey, Reinhart Koselleck und
anderen lange
Gegenstand historischer Forschung. Nun erhalten sie – ähnlich wie
zur Zeit des
„Gegendenkmals“ Ende der 1980er-Jahre – wieder verstärkt die
Aufmerksamkeit der
Kunstwissenschaft. Zunehmend wird das Denkmal nicht nur als
Ausdruck der
Ideengeschichte gelesen, sondern auch auf seine Ästhetik und seine
Wirkungsmacht hin untersucht. Neben der Analyse von Formensprache,
Materialwahl
und Aufstellungsort rücken das körperliche Erfahren, die
Interaktion mit dem
Denkmal und die Aktionen an ihm in den Mittelpunkt des Interesses.
Gleichzeitig
wächst das Bewusstsein, dass klassische (kunst-)historische
Methoden nicht
ausreichen, die Wirkungsmacht von Denkmälern angemessen zu fassen.
Forschen und Schreiben über
Denkmäler
Bereits 1916 stellte sich der Intellektuelle, Journalist und
Aktivist Freeman
H.M. Murray die Frage, wie Menschen auf die
Konföderierten-Denkmäler reagierten
(Thompson, Statues, S. 60f.). Das Schreiben über Denkmäler
geschieht aber meist
weiter vom Schreibtisch aus. Doch wer die Wirkungsmacht von
Denkmälern
erforschen will, muss vor Ort sein und die lokalen Bedingungen
studieren. Harriet
Senie wies 2008 darauf hin, dass wir eigentlich sehr wenig darüber
wissen, wie
Kunst im öffentlichen Raum tatsächlich wahrgenommen wird. Meist
wird über sie
erst geschrieben, wenn sie Gegenstand eines Skandals, von
Vandalismus oder
Denkmalsturz geworden ist.8 Im Hinblick auf die hohen
Erwartungen,
die an das Genre geknüpft werden, sollten wir auch Zeit dafür
investieren, zu
untersuchen, ob sich diese Erwartungen erfüllen oder was dem im
Wege steht.
Um zu aussagekräftigen Urteilen darüber zu kommen, wie Menschen
Denkmäler in
ihrem Alltag wahrnehmen und was sie ihnen bedeuten, bedarf es
empirischer
Rezeptionsstudien. Anekdotische Betrachtungen reichen nicht aus.
Rezeptionsstudien werden aber weiter gescheut. Sie sind
zeitaufwendig und nicht
Gegenstand kunstwissenschaftlicher Ausbildung. Wohlgemeinte
ethische Auflagen
und GDPR-Anforderungen (General Data Protection Regulation) machen
solche
Studien zunehmend schwierig. Schon die Abbildung von Interaktion
an
öffentlichen Denkmälern kann dem individuellen Recht
widersprechen, nicht
abgebildet zu werden (Shanken, Life, S. 208). Denkmäler sind aber
eben mehr als
nur ästhetische Zeichensetzungen. Wie kann ihr vielfältiger
Gebrauch belegt
werden, wenn die fotografische Dokumentation eingeschränkt ist?
Die Suche nach
angemessenen Methoden sollte fortgesetzt werden.9
Durch ihre Platzierung im öffentlichen Raum gehen Denkmäler
potentiell alle
Menschen an. Das trifft insbesondere für demokratische
Gesellschaften zu. Wenn
Denkmäler außerdem mit Steuergeld finanziert werden, wird die
Frage noch
dringlicher, wie über Kunst im öffentlichen Raum geschrieben wird
und an wen
sich diese Publikationen richten. Nach über 1.500 Seiten Lektüre
fällt auf,
dass die hier vorgestellten Bücher fast alle kürzer hätten
ausfallen können.
Sie richten sich in erster Linie an ein Fachpublikum, und die
ansprechenden
Buchtitel treffen leider oft nicht den Inhalt.
Letzteres trifft vor allem auf Mechtild Widrichs „Monumental
Cares“ zu. Wie
bereits ihr früheres Buch „Performative Monuments“ (2014) weckt
auch der
Haupttitel des neuen Bandes Erwartungen, die dann nicht erfüllt
werden. Während
Widrichs erstes Buch weniger performative Denkmäler behandelt als
vielmehr
darstellt – und das sehr überzeugend –, wie Performancekunst das
Genre Denkmal
nachhaltig beeinflusst hat, lässt der Titel des neuen Buches
vermuten, dass es
darum geht, wie Denkmäler in Gebrauch genommen werden, welche
Öffentlichkeiten
an Denkmälern interessiert sind, welche Bedeutungen ihnen
zukommen, welche
Rolle sie in unseren Gesellschaften spielen, wer sie pflegt und
welche
Interessen an ihnen ausgehandelt werden. In erster Linie
untersucht die Autorin
dann aber, ob es Künstler:innen gelingt, sich dem zu stellen, was
uns heute als
monumental erscheint, im Sinne von überwältigend – wie den großen
Krisen der
Gegenwart (Kriege, Flucht, Klimawandel). Widrich vertieft das
Thema ihres
ersten Buches und will verstehen, wie sich die Kunst entwickelt
hat.
Schwerpunkt ist nun die Frage, was „Öffentlichkeit“ in einer
veränderten
Mediengesellschaft meint und wie sich verschiedene künstlerische
Praktiken mit
geschichtlichen Ereignissen auseinandersetzen, diese
materialisieren und zur
Diskussion stellen. Widrich zufolge soll das dazu beitragen, die
Bedingungen
zeitgenössischer Denkmäler besser zu verstehen (S. 6).
Doch entgegen der Ankündigung, dass Denkmäler die Hauptrolle
spielen und der
Fokus auf der Gegenwart liegt (S. 14), geht es vor allem erneut um
Performancekunst; der zeitliche Rahmen erstreckt sich bis in die
1950er-Jahre
zurück. Insgesamt ist das Buch, auch rein sprachlich, schwer
zugänglich. Wer
sich dennoch auf die theorielastigen gut 200 Seiten einlässt,
erhält ein paar
wichtige Anregungen, etwa zur Frage, inwieweit sich heutige
Wirklichkeit und
durch Mobiltelefone vermittelte Wahrnehmungen dieser Wirklichkeit
überlappen
(S. 33f.). Physische und virtuelle Räume sind kaum mehr
voneinander zu trennen
(S. 44). Das Nachleben der Denkmäler erreicht erst durch die
Vervielfältigung
in den Social Media seine große Reichweite (S. 1, S. 5f.). Für
Leser:innen, die
genuin am Thema Denkmal interessiert sind, lohnt sich das (leider
sehr kurze)
Schlusskapitel. Dort werden die Erwartungen, die der Buchtitel
weckt, am
ehesten getroffen. Es ist zu hoffen, dass damit der Grundstein für
ein weiteres
Buch gelegt wurde.
Die anderen hier ausgewählten Publikationen reflektieren mehr oder
weniger
deutlich, wie ein Neudenken von Denkmälern auch ein anderes
Schreiben über sie
nach sich ziehen sollte. Ohne Zweifel wird der Sammelband von
Brückle, Mader
und Polzer seinem Anspruch gerecht, zum Verständnis der
vielfältigen Aufgaben
und Funktionen von Denkmälern, sowohl historisch wie gegenwärtig,
beizutragen
(S. 19). Die Anthologie enthält relevante Epochenüberblicke (wie
von Georg
Kreis, einem versierten Kenner der Schweizer Denkmalgeschichte,
oder von Christina
Schröer zu Denkmalsturz und Denkmalfeier in der Französischen
Revolution), aber
auch kürzere Artikel. Das funktioniert, doch zum assoziativen
Schreiben wird
hier nicht eingeladen.
Erin Thompson, Professorin für Kunstkriminalität, wendet sich
direkt an die
Leser:innen. Sie beginnt mit einem Fallbeispiel, das sich wie ein
kleiner Krimi
liest. Auch Andrew M. Shanken (dessen Buch eigentlich aus zweien
besteht; hier
unerwähnt blieb sein Interesse daran, wie das Verhältnis zum Tod
auch das
Denkmalschaffen prägte) versucht, den trockenen akademischen Ton
zu vermeiden.
Mitunter wirkt das etwas zu verspielt und langatmig. Aber wenn er
zeigt, dass
die durch Stau erzwungene Nahsicht eines auf eine Verkehrsinsel
ausgelagerten
Denkmals dessen erzwungene Trivialität begrübeln lässt, wird das
Buch zum
reinen Lesevergnügen (Shanken, Life, S. 157).
Anmerkungen:
1 Zur dortigen Übergangszeit
siehe Sabine
Marschall, Landscape of Memory. Commemorative Monuments, Memorials
and Public
Statuary in Post-Apartheid South Africa, Leiden 2010.
2 So argumentiert auch Susan
Neiman, Learning
from the Germans. Race and the Memory of Evil, London 2019; dt.:
Von den
Deutschen lernen. Wie Gesellschaften mit dem Bösen in ihrer
Geschichte umgehen
können, übersetzt aus dem Englischen von Christiana Goldmann,
München 2020.
3 Der Band ist auch im Open
Access zugänglich:
https://www.diaphanes.net/titel/die-gegenwart-des-denkmals-7067
(01.02.2024).
4 Karen L. Cox, No Common
Ground. Confederate
Monuments and the Ongoing Fight for Racial Justice, Chapel Hill
2021, S. 9, S.
21f.
5 Auch Cox, No Common Ground,
S. 4, sieht in
den US-amerikanischen Denkmalstreitigkeiten nur einen ersten
Schritt hin zu
einer gerechteren Gesellschaft.
6 Christoph Heinrich,
Strategien des
Erinnerns. Der veränderte Denkmalbegriff in der Kunst der
achtziger Jahre,
München 1993, S. 162.
7 Siehe etwa Anna Louise Manly
(Hrsg.), POWER
MEMORY PEOPLE – Memorials of Today. Exhibition Catalogue, Køge
2015; Paul M.
Farber / Kim Lum (Hrsg.), Monument Lab. Creative Speculations for
Philadelphia,
Philadelphia 2020; Annika Enqvist u. a. (Hrsg.), Public Memory,
Public Art.
Reflections on Monuments and Memorial Art Today, Stockholm 2022.
8 Harriet F. Senie, Reframing
Public Art.
Audience Use, Interpretation, and Appreciation, in: Andrew
McClellan (Hrsg.),
Art and its Publics. Museum Studies at the Millennium, Malden
2003, S. 185–200.
9 Hier nur zwei Beispiele:
Danielle
Drozdzewski / Carolyn Birdsall (Hrsg.), Doing Memory Research. New
Methods and
Approaches, Singapore 2019; Diana I. Popescu, Visitor Experience
at Holocaust
Memorials and Museums, London 2023.
Zitation
Tanja Schult, Rezension zu: Brückle, Wolfgang; Mader, Rachel;
Polzer, Brita
(Hrsg.): Die Gegenwart des Denkmals. Auslegung, Zerstörung,
Belebung. Zürich
2023 , ISBN 978-3-0358-0546-8 / Faludi, Christian; Zänker, Stephan
(Hrsg.): Nichts
ist so unsichtbar wie ein Denkmal [für Ernst Thälmann]. Zur
Geschichte eines
umstrittenen Erinnerungsortes. Göttingen 2023 , ISBN
978-3-8353-5379-4 / Shanken,
Andrew M.: The Everyday Life of Memorials New York 2022 , ISBN
978-1-9421-3072-7
/ Thompson, Erin L.: Smashing Statues. The Rise and Fall of
America's Public
Monuments. New York 2022 , ISBN 978-0-3938-6767-1 / Widrich,
Mechtild: Monumental
Cares. Sites of History and Contemporary Art. Manchester 2023 ,
ISBN 978-1-5261-6811-5,
In: H-Soz-Kult, 13.02.2024, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-133116>.
Date: 2024/02/13 08:52:52
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Neues Buch „Deutsche Auswanderer Franz und
Nikolaus Dill“
Thalexweiler. Der Thalexweiler Verein für Heimatgeschichte e. V.
hat das von
Thomas Besse und Sergio Luis Dill aus Porto Alegre in Brasilien
erstellte Buch
„Deutsche Auswanderer Franz und Nikolaus Dill“ herausgegeben.
Beide Autoren erforschen darin die Geschichte der Thalexweiler
Familie Dill und
insbesondere ihre Auswanderung nach Südbrasilien (Rio Grande do
Sul). Der
Thalexweiler Bürger Nikolaus Dill (1785 bis 1864) gehörte zu den
ersten
Auswanderern aus Deutschland nach Südbrasilien, da er schon 1828
in die Neue
Welt aufbrach.
1844 kehrte er zu Regelung von Erbangelegenheiten wieder nach
Thalexweiler
zurück und reiste zusammen mit seinem Bruder Franz Dill
(1791-1870) und dessen
Familie ein Jahr später wieder nach Brasilien zurück.
Ihr Vorfahre, der Leinenweber Johann Dill, stammte aus
Furschweiler und ist
Ende des 18. Jahrhundert über Tholey nach Thalexweiler gekommen.
Er bewohnte ab
1784 das heute unter Denkmalschutz stehende Scholzenhaus von 1715
in der
Alemaniastraße. Er betrieb darin eine Schankwirtschaft neben dem
Beruf des
Leinenwebers. Im Jahr 1791 baute die Familie Dill ein Haus mit
Wirtschaft in
der Schaumberger Straße, der damaligen „Gass“.
Die als Band 36 der Schriften des Heimatgeschichtsvereins
herausgegebenen Werk
ist in Thalexweiler in der Bäckerei Conrad, bei Heißmangel Mink,
in der Buchhandlung
Treib in Lebach und direkt bei Klaus „Kulla“ Altmeyer vom Verein
erhältlich.
[Ich konnte die Vereinswebsite nicht erreichen; auf der Site der
Thalexweiler
Vereine wird Thomas Besse als Vorsitzender angegeben; er weiß
sicher, wie man
Herrn Altmeyer erreichen kann: thomas(a)besse.de]
Date: 2024/02/13 10:06:11
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Im Wochenblatt des Kreises St. Wendel steht dieses Gedicht in der Ausgabe vom 28. Dezember 1842:
Esther am
Christag.
Ich sehe Lichter schimmern aller Orten,
In jeder Hütte brennt der Weihnachtsbaum;
Die Freude ziehet ein in alle Pforten,
Der harten Winterzeit gedenkt man kaum.
In ihren Herzen glüht des Lenzes Prangen,
Denn heute haben sie den Christ empfangen.
Wie klingen
feierlich die Orgeltöne
Vom nahen Gotteshause zu mir her,
Und daß der Himmel selbst die Feier kröne,
Läßt er erglänzen seiner Sterne Heer.
Mir ist, als säh ich Engel niedersteigen,
Auf daß sie sein des Festes Zeugen.
Ich sitze
einsam in der dunkeln Kammer,
Und blicke trauernd in die Nacht hinaus,
Nicht darf ich Jemand zeigen meinen Jammer,
Man stieße sonst mich grausam aus dem Haus.
Ein hart Gesetz ist wider mich verschworen,
Und ach! für mich ist nicht der Christ geboren!
W.
Die biblische
Erzählung im Buch Ester beschreibt
die Umkehrung eines geplanten Genozids
(Völkermord) an den Juden im persischen
Reich im 5. Jahrhundert vor Christus:
Nachdem der persische König seine erste Frau verstoßen hat,
wird die jüdische
Waise Ester, die nach dem Tod ihres Vaters von ihrem Cousin
Mordechai aufgezogen
wurde, die neue Ehefrau des Königs, verheimlicht aber ihre
jüdische Abstammung.
Mordechai hat einen Posten am Tor des königlichen Palastes;
als er einen Plan,
den König zu ermorden, vereitelt, erwirbt er dessen Gunst,
aber auch den Neid
des höchsten Regierungsbeamten Haman. Der überzeugt
den König, ein Edikt zu erlassen, am 13.
Tag des 12. Monats (Adar)
die jüdische Bevölkerung samt ihren Kindern
zu vernichten. Ester erfährt von Mordechai von dem Edikt und
spricht mit dem
König. Der erkennt, dass Haman sein Vertrauen missbraucht hat
und läßt Haman
aufhängen. Da er sein eigenes Edikt aber nicht zurücknehmen
kann, erläßt er ein
zweites Edikt, das den Juden gestattet, für ihr Leben zu
kämpfen und ihre
Feinde zu vernichten. Mordechai organisiert die Juden, die am
13. Adar alle
zehn Söhne Hamans und in allen 127 Provinzen 75.000 Männer
umbringen. Ester
bittet den König, die Geltung des Edikts in Susa um einen Tag
zu verlängern,
daraufhin werden in Susa am 14. Adar weitere 300 Männer
getötet. So wird aus
dem geplanten Genozid an den Juden ein Massenmord an den
Feinden der Juden. Zur
Erinnerung an ihre Rettung durch Ester feiern die Juden das Purimfest.
Den Zusammenhang mit dem o.a. Gedicht kann ich mir nur so erklären, daß Esther Jüdin war, für sie also das Neue Testament nicht gilt.
Hat jemand ggf. eine andere Idee?
Date: 2024/02/13 19:53:35
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
-------- Weitergeleitete Nachricht --------
Liebe Mitglieder und Freund(innen) des Vereins "Wider das
Vergessen und gegen Rassismus",
zu Ihrer/eurer Information.
Am Donnerstag, dem 22. Februar 2024, halte ich in der Stadt- und
Kreisbibliothek St. Wendel einen PowerPoint-Vortrag zum Thema
"Jüdisches Leben im St. Wendel der 1930er Jahre". 19.30 Uhr,
Eintritt frei.
Dazu lade ich ganz herzlich ein.
Herzliche Grüße
Eberhard Wagner,
Vorsitzender Verein "Wider das Vergessen und gegen Rassismus"
|
Date: 2024/02/13 22:19:03
From: franzundchrista <franzundchrista(a)t-online.de>
Mit der biblischen Esther hat das Gedicht sicher nichts zu tun – es ist das junge jüdische Mädchen in St. Wendel um 1842, vielleicht Tochter einer jüdischen Kaufmannsfamilie, in St. Wendel aufgewachsen, geht dort eventuell sogar zur Mädchenschule – aber durch Familientradition vom Christfest ausgeschlossen und dadurch von der Festfreude der christlichen Freundinnen in der Stadt getrennt. Diese Einsamkeit empfinden heute oft muslimische Mädchen, als Mädchen durch die Familientradition stärker gebunden als Jungen, die eher ausgehen dürfen, sich sogar einladen lassen bei deutschen Freunden. Viele muslimische Familien bei uns haben jetzt einen Weihnachtsbaum für ihre Kinder und da die deutschen Klassenkameraden kaum noch in die Kirche gehen, gleicht sich die Festgestaltung an. Dass es seit neuestem einen Ramadan-Kalender bei dm gibt, zeigt aber, wie sehr manche muslimische Kinder unsere Festbräuche sehnsüchtig beobachten. Von: regionalforum-saar-bounces(a)genealogy.net <regionalforum-saar-bounces(a)genealogy.net> Im Auftrag von Roland Geiger via Regionalforum-Saar Im Wochenblatt des Kreises St. Wendel steht dieses Gedicht in der Ausgabe vom 28. Dezember 1842: Esther am Christag. Wie klingen feierlich die Orgeltöne Ich sitze einsam in der dunkeln Kammer, Den Zusammenhang mit dem o.a. Gedicht kann ich mir nur so erklären, daß Esther Jüdin war, für sie also das Neue Testament nicht gilt. Hat jemand ggf. eine andere Idee? -- |
Date: 2024/02/14 09:03:32
From: Christa Lippold <franzundchrista(a)t-online.de>
Von meinem/meiner Galaxy gesendet -------- Ursprüngliche Nachricht -------- Von: Christa Lippold <franzundchrista(a)t-online.de> Datum: 14.02.24 08:48 (GMT+01:00) An: Joerg Weinkauf <joweinkauf(a)gmx.de> Betreff: RE: Aw: Re: [Regionalforum-Saar] Esther am Christag. Das Gedicht Esther am Christtag findet offenbar die Beachtung, die es verdient. Ich möchte hinzufügen: Nicht Esther hat das Gedicht verfasst! Es stammt nach Form und Stil aus der deutschen Mehrheitsgesellschaft, die sich dieser Einsamkeit bewusst war. Die Lösung ist nicht, den Weihnachrsbaum abzuschaffen - ganz und gar nicht. Sondern unsere jüdischen und muslimischen Nachbarn dazu einzuladen, ihnen zum Sabath Schalom und Chanukka zu gratulieren und zum Fastenbrechen ihre Einladung anzunehmen. Die Feste zu vermehren, nicht zu streichen! Wir sind aus verschiedenen Völkern, aber eine Nation. Das können wir feiern. Von meinem/meiner Galaxy gesendet -------- Ursprüngliche Nachricht -------- Von: Joerg Weinkauf <joweinkauf(a)gmx.de> Datum: 14.02.24 07:50 (GMT+01:00) An: franzundchrista(a)t-online.de Betreff: Aw: Re: [Regionalforum-Saar] Esther am Christag. Am 13.02.24, 22:19 schrieb franzundchrista(a)t-online.de:
|
Date: 2024/02/14 12:43:10
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Liebe Freundinnen und Freunde der Familienforschung, die Aufzeichnung des Online-Vortrages HANSE. QUELLEN. LESEN! Die Spätzeit der Hanse gemeinsam entdecken! mit der Referentin Vivien Popken von der Forschungsstelle für die Geschichte der Hanse und des Ostseeraums findet ihr auf dem Roland-YouTube-Kanal unter folgendem Link: https://youtu.be/XM5-lYtjd-Q?si=BJZbKGdIJSVesMEP Wir wünschen euch eine interessante und informative Zeit beim Anschauen der Aufzeichnung und weiterhin viel Erfolg und Freude bei eurer familiengeschichtlichen Forschungsarbeit. Viele liebe Grüße Georg (Palmüller) Genealogisch-heraldische Arbeitsgemeinschaft ROLAND ZU DORTMUND e. V. Beauftragter Roland-Öffentlichkeitsarbeit Postfach 10 33 41 44033 Dortmund E-Mail: georg.palmueller(a)roland-zu-dortmund.de Homepage: www.roland-zu-dortmund.de Facebook: www.facebook.com/RolandZuDortmund _____________________________________ International German Genealogy Partnership (IGGP) mailing list Write new topics to IGGP-L(a)genealogy.net Mailing list administration https://list.genealogy.net/mm/listinfo/iggp-l IGGP website https://iggp.org/
Date: 2024/02/15 17:29:32
From: Horst Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
-------- Weitergeleitete Nachricht --------
Betreff: Jüdisches Leben in St. Wendel, powerpoint-Vortrag am 22.02.2024 Datum: Tue, 13 Feb 2024 12:45:16 +0000 Von: Eberhard Wagner <eberhardwagner(a)hotmail.com> An: Eberhard Wagner <eberhardwagner(a)hotmail.com>
Liebe Mitglieder und Freund(innen) des Vereins "Wider das Vergessen und gegen Rassismus",
zu Ihrer/eurer Information.
Am Donnerstag, dem 22. Februar 2024, halte ich in der Stadt- und Kreisbibliothek St. Wendel einen PowerPoint-Vortrag zum Thema "Jüdisches Leben im St. Wendel der 1930er Jahre". 19.30 Uhr, Eintritt frei.Dazu lade ich ganz herzlich ein.
Herzliche GrüßeEberhard Wagner,Vorsitzender Verein "Wider das Vergessen und gegen Rassismus"
_______________________________________________ Regionalforum-Saar mailing list Regionalforum-Saar(a)genealogy.net https://list.genealogy.net/mm/listinfo/regionalforum-saar
Date: 2024/02/23 08:19:08
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Bittner, Anja; Holtz, Bärbel (Hrsg.): Der
preußische Hof von
1786 bis 1918. Ämter, Akteure und Akteurinnen. Paderborn 2022 : Ferdinand
Schöningh, ISBN 978-3-506-70833-5 XXX, 793 S. € 239,00
Große, Annelie; Holtz, Bärbel (Hrsg.): Die Hoffinanzierung in der
preußischen
Monarchie von 1786 bis 1918 Paderborn 2023 : Ferdinand
Schöningh, ISBN 978-3-506-79544-1 VI, 1.005 S. € 299,00
Rathgeber, Christina; Spenkuch, Hartwin (Hrsg.): Instrumente
monarchischer
Selbstregierung. Zivil-, Militär- und Marinekabinett in Preußen
1786 bis 1918. Paderborn
2023 : Ferdinand
Schöningh, ISBN 978-3-506-79545-8 VI, 713 S. € 249,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von Thomas
Stamm-Kuhlmann,
Historisches Institut, Universität Greifswald
Ein soziales Gebilde kann erst verstanden werden, wenn sein
internes Geflecht
von Machtverhältnissen zum Thema wird. Die Konstellationen von
Personen, die
einen Mächtigen umgeben, verdienen es, unabhängig von der Frage
nach der
„Größe“ oder „Bedeutung“ von Individuen behandelt zu werden. Unter
einem
kulturgeschichtlichen Ansatz gewinnen Macht- und
Herrschaftsapparate neue
Relevanz und darf die von Carl Schmitt einst formulierte Frage
nach dem „Zugang
zum Machthaber“ neu untersucht werden. Was früher als
„Personengeschichte“
abgewertet wurde, kann im günstigen Fall eine Untersuchung von
Mechanismen der
Herrschaftsausübung werden, die für das Verständnis historischer
Epochen
wesentlich ist. Symbolik und Performanz der Hofgesellschaft können
sogar im
Verlauf des 19. Jahrhunderts an Bedeutung gewinnen, und zwar, wie
Christina
Rathgeber und Hartwin Spenkuch in Erinnerung bringen, aus
unterschiedlichen
Gründen: in Großbritannien, um den schwindenden politischen
Einfluss der
Monarchin zu kompensieren; in Preußen und Österreich, um die
weiterhin
bestehenden konstitutionellen Befugnisse der Herrscher zu stärken
(Bd. 3, S.
1).
Aus diesem Grund ist es verdienstlich, dass in der Neuen Folge der
„Acta
Borussica“ eine Reihe erscheint, die den „Praktiken der Monarchie“
gewidmet
ist. Die ursprüngliche Machtzentrale der Monarchen war der Hof,
der
schrittweise eine zeremonielle Eigenbedeutung gewonnen hat,
während sich das
Kabinett, das Ministerium und der Behördenapparat als spätere Orte
der
Herrschaftsausübung aus ihm heraus entwickelt haben. Dieses
Projekt der
Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften liefert
detaillierte
Sachkenntnis für Forschende, die ein Spezialinteresse an Preußen
haben, und es
ist gleichzeitig bestrebt, Performanz, Struktur und Ressourcen der
Monarchie
überhaupt zu verstehen.
Fast ein Jahrhundert, nachdem Norbert Elias begonnen hatte, eine
soziologische
Sicht auf den Hof jenseits bürgerlicher Vorbehalte zu entwickeln,
und fast
vierzig Jahre nach John C. G. Röhls populären Studien über den Hof
Wilhelms
II., wird – in der Form dreier Quelleneditionen – ein reiches
empirisches
Material geliefert. Diesen Editionen sind in Bd. 1 ein
programmatischer Artikel
von Wolfgang Neugebauer („Praktiken der späten Monarchie:
Einführung in ein
Editions- und Forschungsprogramm“) und eine 214-seitige Einleitung
von Anja
Bittner („Amtsorganisation, Akteurinnen, Akteure und die
Arbeitswelt des
Hofpersonals“), in Bd. 2 eine 166-seitige Einleitung von Annelie
Große („Die
Finanzierung von Hof und Königshaus in Preußen von 1786 bis 1918,
Strukturen
und Praktiken im Wandel“) sowie in Bd. 3 eine 148-seitige
Einleitung von
Christina Rathgeber und Hartwin Spenkuch („Monarchenbüro, Ausdruck
königlicher
Selbstregierung, extrakonstitutionelle Instanz: Zivil-, Militär-
und Marinekabinett
in Preußen 1786⎼1918“)
vorangestellt. Eine Zusammenfassung der Editionsgrundsätze, die in
allen drei
Bänden textgleich ist, hat Bärbel Holtz beigesteuert.
Seltsamerweise weicht Bd.
2 im Format von den beiden anderen Bänden der Reihe ab; er ist
größer
ausgefallen.
Bisher hat die Geschichtswissenschaft dem preußischen Hof gerade
für die Ära
geringe Beachtung geschenkt, in welcher der Hof seinen größten
Umfang erreicht
hat – nämlich dem Zeitraum vom Tod Friedrichs des Großen bis zum
selbst
verschuldeten Untergang der Monarchie 1918. Bereits die Einleitung
zu dem
Personal gewidmeten Bd. 1 von Anja Bittner mit ihren vorsichtigen
Formulierungen macht deutlich, wie unterforscht das Gebiet bisher
war. Bevor
eine gewandelte Interessenlage die Forschung hätte anstoßen
können, schufen
Kriegsverluste in den Akten des Oberhofmarschallamts und der
Schlösserverwaltung
weitere Hindernisse (Bd. 1, S. 10).
Der preußisch-deutsche Hof nach der Reichsgründung scheint im
Vergleich zu den
Höfen von London, St. Petersburg und Wien in Umfang und Aufwand
nicht aus dem
Rahmen gefallen zu sein (Bd. 1, S. 13). Seine Finanzierung wurde
bisher noch
nie im Längsschnitt untersucht. Solange die Monarchie bestand, war
die
historische Forschung auf die Staatsfinanzen fixiert, ohne die
Abgrenzung
zwischen Hof und Staat zu thematisieren – das geschah erst im Zug
der
Vermögensauseinandersetzung zwischen dem Freistaat Preußen und dem
ehemaligen
Herrscherhaus (Bd. 2, S. 4). Im 20. Jahrhundert konnten
Forschende, die sich
einzelnen Monarchen widmeten, für die Finanzierung des Hofes nur
wenig
Aufmerksamkeit erübrigen. Auch die „Praktiken der Monarchie“
beschränken sich
auf den abgeschlossenen Raum des Hofes, da der Umfang der
preußischen
Staatsfinanzen für das 19. Jahrhundert gar nicht klar umrissen sei
(Bd. 2, S.
8). Mit dem Staatsschuldenedikt von 1820 wurde zum ersten Mal eine
Kronrente
fixiert, die zunächst jährlich 2,5 Millionen Taler betrug. Diese
unterschied
sich von einer Zivilliste dadurch, dass sie zumindest dem Begriff
nach auf den
Domänenbesitz des Staates radiziert und somit in ihrem Kern von
einer
ständischen Bewilligung unabhängig war; die vier Erhöhungen ab
1850 bedurften
trotzdem parlamentarischer Genehmigung (Bd. 2, S. 28). Besonders
ab 1868 trieb
das Königshaus dann auch eine Trennung des Hausvermögens von der
Hoffinanzierung voran (Bd. 2, S. 50, S. 165). Die Akribie, mit der
in diesem
Überblicksartikel ohne Vorläuferarbeiten aus der bisherigen
Forschung Licht in
das komplizierte Verhältnis von Kronfideikommiss, Hausfideikommiss
und
Schatulle gebracht wird, verdient Anerkennung. Es werden auch
ausführliche
Tabellen geboten.
Der Ruf König Friedrich Wilhelms II., ein Verschwender gewesen zu
sein,
bestätigt sich aus den hier konsultierten Quellen nicht (Bd. 2, S.
94f.).
Vielmehr scheint sich sein schlecht beleumdeter Geheimer Kämmerer
Ritz um
Einsparungen bemüht zu haben. Nicht nur die Öffentlichkeit,
sondern auch der
„Staat“ in Gestalt des Finanzministeriums traten im Verlauf des
19.
Jahrhunderts als Antagonisten der Dynastie bei der Finanzierung
des Hofes in
Erscheinung (Bd. 2, S. 57). Ab 1862 betrieb der Krontresor
vorübergehend auch
Anlagen in ausländischen Wertpapieren, um dem Königshaus eine
Absicherung für
den Fall seiner Entmachtung zu garantieren (Bd. 2, S. 67).
Anders als die auf Vollständigkeit abzielende Edition der
Protokolle des
Staatsministeriums stellt die Edition „Praktiken der Monarchie“
eine
„thematisch definierte Quellenauswahl“ dar. Sie bietet
„Schlüsseldokumente, die
für den Forschungsansatz des Vorhabens von Anpassungspotenzialen
der Monarchie
beziehungsweise deren Grenzen aussagekräftig sind“ (Bd. 1, S.
217). Insofern
Ausgaben und Schulden etwas über den Lebensstil einer
Persönlichkeit des
Königshauses aussagen, können die in Bd. 2 abgedruckten Dokumente
auch von
biografischem oder baugeschichtlichem Interesse sein, wie zum
Beispiel im Fall
des Prinzen Carl und seiner Kunstschätze in Schloss Glienicke (Bd.
2, Dok 124
a–g). Dok. 80 und 84 aus Bd. 1 sowie Dok. 10 und 11 aus Bd. 3
belegen die
traditionsgebundene Formulierung der Bestallungsurkunden für
Hofbeamte. Bd. 3
widmet sich dem Zivil-, Militär- und Marinekabinett. Er bietet
Einblicke in die
Personalia der Kabinettsräte und zeigt, welche Funktionen den
Kabinetten beim
Kampf um die königliche Letztentscheidung zufielen. So empörte
sich der
Präsident des Staatsrats, Herzog Carl zu Mecklenburg-Strelitz,
darüber, dass
das Mitglied des Staatsrats Wilhelm von Humboldt den Versuch
unternahm, die
Revision der Städteordnung, die den Staatsrat bereits passiert
hatte, durch
Intervention beim Chef des Militärkabinetts Job von Witzleben
aufzuhalten. „H.
vonWitzleben glaubt den Herr vHumboldt zu benutzen, aber er merkt
es nicht,
dass HvHumboldt ihn benutzt, um sich dem König zu nähern, um zu
steigen.“ (Bd.
3, Dok. 39). Tatsächlich gelang es Witzleben, den eigentlich für
den Vortrag
von Zivilsachen zuständigen Kabinettsminister, den Generalmajor
Grafen Lottum,
zu überspielen (Bd. 3, Dok. 40). Kronprinz Friedrich Wilhelm
träumte 1835
davon, es könnte zusätzlich noch ein Kultuskabinett unter seinem
Freund Bunsen
geben (Bd. 3, Dok. 43). Nach seiner Thronbesteigung ernannte
Friedrich Wilhelm
IV. den Generalleutnant Ludwig Gustav von Thile zum
Kabinettsminister, der ihm
auch Fragen der auswärtigen Politik vortrug. Thile legte dem König
1842 eine
Kritik des Stils der Regierung aus dem Kabinett vor, die an die
Argumente des
Freiherrn vom Stein aus dem Jahr 1806 gemahnt (Bd. 3, Dok. 71).
Neben trockenen Dokumenten zur Besoldung der Kabinettsbeamten
sowie zu Bau und
Raumaufteilung der Kabinettshäuser finden sich in Bd. 3 weitere
personenpsychologische Juwelen wie die Charakteristik Wilhelms I.
und seiner
Höflinge, die der ehemalige Flügeladjutant und spätere
Generalstabschef Graf
Waldersee 1897 zu Papier gebracht hat (Bd. 3, Dok. 249). Durch die
hier
vorgenommene Zuordnung der Geschichte der preußischen Kabinette
ist bereits
klargestellt, dass die Kabinette als Teil des Hofes und der
monarchischen
Regierung verstanden werden sollen und nicht dem Anstaltsstaat
sowie seiner
Bürokratie zugewiesen sind, was folgerichtig auch darin zum
Ausdruck kommt,
dass die Protokolle des 1817 durch Hardenberg endgültig formierten
preußischen
Staatsministeriums bereits als I. Reihe der Acta Borussica N.F.
publiziert
sind. Dass so der immer noch vorkommenden begrifflichen
Verwechslung von
Staatsministerium und Kabinett (zum Beispiel „das Kabinett Pfuel“
statt „das
Ministerium Pfuel“) vorgebeugt werden kann, müssen wir hoffen. Auf
jeden Fall
gilt: „Trotz […] der Anpassungen an die staatliche Verwaltung
entwickelte sich
das Kabinett aber nie zu einer staatlichen Behörde“ (Bd. 3, S.
77).
Obwohl in Bd. 3, Dok. 48, 52 und 58 ausdrücklich erwähnt, ist das
Kabinettsjournal im Rahmen dieser Edition keiner speziellen
Auswertung
unterworfen worden. Die verfassungsgeschichtliche Bedeutung der
Kabinette im
Allgemeinen war beträchtlich. Ihre Institution sei, so meint
Hartwin Spenkuch,
ein Ausdruck der den preußisch-deutschen Herrschern eigenen
Entschlossenheit,
weiter selbst zu regieren. So hätten deren Chefs – ursprünglich
einmal
Bürobeamte oder Adjutanten – als in der Verfassung nicht
vorgesehene Berater
vor allem im Kaiserreich Einfluss gewonnen (Bd. 3, S. 116). Das
Militärkabinett
im Besonderen geht auf die Entscheidung Friedrich Wilhelms II. im
Jahr 1787
zurück, dass Kabinettsordern in Militärangelegenheiten im Büro des
Generaladjutanten auszufertigen waren (vgl. Bd. 3, Dok. 283). Die
Bedeutung des
Militärkabinetts wuchs in dem Maß, in dem die unbegrenzte
Kommandogewalt als
Prärogative der Krone gegen den Konstitutionalismus verteidigt
werden sollte.
Hier weist Hartwin Spenkuch Edwin von Manteuffel und der Kamarilla
Friedrich
Wilhelms IV. die Schlüsselrolle zu. Deren Doktrin sei bis 1918
„zäh verteidigt“
worden, obwohl sie, wie Spenkuch im Widerspruch zu Ernst Rudolf
Huber sagt,
„gegen den Verfassungstext aufgestellt“ worden sei (Bd. 3, S.
120). Das
Marinekabinett wurde dann durch Wilhelm II. in Analogie zum
Militärkabinett
geschaffen, womit eine „dysfunktionale“ Dreiteilung der
Marineleitung in
Reichsmarineamt, Marinekabinett und Flottenkommando entstand (Bd.
3, S. 156).
Die in Bd. 3 gebotenen Exempla für die Bearbeitung
allgemeinpolitischer Themen
durch die Kabinette werden sparsam aus der einschlägigen
Spezialliteratur
kommentiert, am ehesten durch Verweise auf Treitschkes Deutsche
Geschichte im
19. Jahrhundert. Während verschiedentlich frühere Druckorte, auch
auszugsweise,
der in der Edition versammelten Quellen angegeben sind, ist nicht
vermerkt,
dass die Denkschrift Hardenbergs von 1797, die Kabinettsorder an
das
Staatsministerium vom 21. Oktober 1819 und das Schreiben des
Kronprinzen an den
Oberkammerherrn Fürsten Wittgenstein vom 31. Januar 1823
ausführlich bei
Stamm-Kuhlmann, König in Preußens großer Zeit, zitiert sind.1 Hofbeamte wurden von
Wilhelm II. nicht
deshalb vom Hof entfernt, weil sie für die vom Kaiser gewünschte
Kanalvorlage
gestimmt hatten, sondern weil sie dagegen gewesen sind (Bd. 1, S.
79, vgl. Bd.
3, Dok. 252). Dass die 2009 veröffentlichte Dissertation „Wie
mächtig war der
Kaiser?“ von Alexander König2 das Thema des Oberbefehls
und der
Kabinettsregierung allgemein sowie die Unterschriftenlast Wilhelms
II.
behandelt, scheint den Bearbeitern von Bd. 3 ebenfalls entgangen
zu sein.
Die Fragestellung nach der Anpassungsfähigkeit des Hofsystems ist
sicherlich
richtig. Im säkularen Verlauf nach 1820 wurde die Trennung des
Hofes vom Staat
immer schärfer, was dem zunehmend einerseits abstrakten,
andererseits
demokratisierten Staatsbegriff entspricht. Dennoch wird man die
Antwort auf die
Frage, warum manche europäischen Nationen ihre Monarchie beseitigt
haben,
während sie in anderen Ländern unverwüstlich scheint, woanders
suchen müssen.
Anmerkungen:
1 Vgl. Thomas Stamm-Kuhlmann,
König in
Preußens großer Zeit. Friedrich Wilhelm III., der Melancholiker
auf dem Thron,
Berlin 1992, S. 116, S. 438, S. 468–469.
2 Vgl. Alexander König, Wie
mächtig war der
Kaiser? Kaiser Wilhelm II. zwischen Königsmechanismus und
Polykratie von 1908
bis 1914, Stuttgart 2009, bes. S. 95, S. 262–263.
Zitation
Thomas Stamm-Kuhlmann, Rezension zu: Bittner, Anja; Holtz, Bärbel
(Hrsg.): Der
preußische Hof von 1786 bis 1918. Ämter, Akteure und Akteurinnen.
Paderborn
2022 , ISBN 978-3-506-70833-5 / Große, Annelie; Holtz, Bärbel
(Hrsg.): Die
Hoffinanzierung in der preußischen Monarchie von 1786 bis 1918
Paderborn 2023 ,
ISBN 978-3-506-79544-1 / Rathgeber, Christina; Spenkuch, Hartwin
(Hrsg.): Instrumente
monarchischer Selbstregierung. Zivil-, Militär- und Marinekabinett
in Preußen
1786 bis 1918. Paderborn 2023 , ISBN 978-3-506-79545-8, In:
H-Soz-Kult,
23.02.2024, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-131560>.
Date: 2024/02/23 08:23:05
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Niemand
darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden“.
Freiheit und Unfreiheit
in Mitteleuropa (vom Frühmittelalter bis 1989)
Organisatoren
Polnische Historische Mission, Julius-Maximilians-Universität
Würzburg;
Nikolaus-Kopernikus-Universität Toruń; Renata Skowrońska,
Polnische Historische
Mission, Julius-Maximilians-Universität Würzburg /
Nikolaus-Kopernikus-Universität Toruń; Helmut Flachenecker / Lina
Schröder,
Julius-Maximilians-Universität Würzburg; Andrzej Radzimiński,
Nikolaus-Kopernikus-Universität Toruń; Caspar Ehlers,
Max-Planck-Institut für
Rechtsgeschichte und Rechtstheorie; Lisa Haberkern, Stiftung
Kulturwerk
Schlesien; Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg; Kolleg
„Mittelalter und
Frühe Neuzeit” (Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg)
Ausrichter Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg
Förderer Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und
Soziales;
Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit
Würzburg
Fand statt In Präsenz
Vom - Bis 28.09.2023 - 29.09.2023
Von Eva Strecker, Julius-Maximilians-Universität
Würzburg
In der epochen- und fachübergreifenden Tagung wurden sowohl das
Konzept wie
auch der Begriff der Sklaverei und deren verschiedene Ausprägungen
im
europäischen Raum – begonnen mit einem zusammenfassenden Blick der
Alten
Geschichte bis zum Ende des 20. Jahrhunderts – thematisiert. Das
absichtlich
vage formulierte Thema wurde von Vertretern verschiedener
Disziplinen und
Spezialisten verschiedener Epochen aus mehreren Ländern rezipiert,
so dass zum Ende
der Tagung ein breites und buntes Netz aus Vorträgen für eine
finale Diskussion
der gefundenen Unterschiede und Gemeinsamkeiten an Arten der
Unfreiheit
entstanden war.
SZYMON OLSZANIEC (Toruń) begann mit dem spätrömischen Reich, das
mittlerweile
keine Expansionskriege mehr führte und auch schon in geraumer Zeit
keinen
militärischen Erfolg zu verzeichnen hatte. Somit war deren
Hauptquelle an
Sklaven nicht mehr zugänglich; stattdessen wandten sie sich
verschärft dem
Sklavenhandel zu, insbesondere die Gothen waren Hauptopfer dessen.
Auch
römische Einwohner wurden versklavt, entweder als juristische
Strafe oder
beispielsweise durch Verkauf durch die eigenen Eltern. Eine
Konstante in dem
römischen Umgang mit Sklaven war deren Stand als Besitzgegenstand
des Herren:
Erst ein Gesetz aus dem Jahr 319 n. Chr. verbat Mord oder schwere
körperliche
Verletzung des Sklaven als Bestrafung.
Mittelalterliche Arten der Unfreiheit wurden besonders im Hinblick
auf die
Rolle der Kirche untersucht. So stellte THOMAS WETZSTEIN
(Eichstätt-Ingolstadt)
die Verbindung zwischen Rechtslehre und Sklaverei her, da beide
sich schon
während römischer Zeit parallel zueinander entwickelten.
Kirchenrecht
formulierte Freiheit zwar als Geschenk Gottes, die Sklaverei wurde
aber als
durch die Erbsünde bedingten Naturzustand der Menschen angesehen.
Die Kirche
war der Sklaverei also nicht abgeneigt, wusste sie den Nutzen von
Sklaven doch
perfekt einzusetzen. Vielmehr formulierten sie die Gleichheit
aller Menschen
als Auftrag für die Zukunft. Der Vortrag durch EDUARD VISINTINI
(Mainz)
bestätigte diese Beteiligung sowie Weiterführung römischer
Sklaverei im
Mittelalter durch die Kirche und führte weiter aus, dass Sklaven
in klarem
Kontrast zu Gefangenen gesehen werden müssen und hier ein
Unterschied zwischen
gerechter und ungerechter Unfreiheit formuliert wurde. Das
Mittelalter führte
die Unfreiheit der Römer also weiter und rechtfertigte sie nun
biblisch. Hier
stieß die Tagung auch zuerst auf die Problematik des Begriffes:
die ancillae im
Kontrast zu Sklaven, slaves, serfs, Leibeigenen, dem lateinischen
servus – die
Quellensprache des Mittelalters macht eine exakte Begrifflichkeit
ebenso
schwierig wie die Antike.
Mit dem Vortrag durch JACEK BOJARSKI (Toruń) und MAŁGORZATA
DERECKA (Olsztyn)
wurde eine archäologische Sichtweise auf den (Un-)Freiheitsbegriff
geworfen: In
den von ihnen untersuchten Grabstätten ging es um die
gesellschaftlichen Zwänge
von insbesondere Frauen – und wie diese auch über den Tod hinaus
bestanden,
bedingt durch ihre Pose im Grab und Status als Grabbeigabe für
Männer. Dieser
von dem viel diskutierten Sklavereibegriff klar unterschiedenen
Druck, dem Mann
in den Tod zu folgen, und die Romantisierung dessen als eine Art
der Unfreiheit
warf erstmals die Frage des Bewusstseins auf – inwieweit ist es
von Relevanz
für die Forschung, ob die Zeitgenossen den beschriebenen Zustand
ebenfalls als
Unfreiheit kategorisieren würden?
Die Vorträge mit einem epochalen Schwerpunkt in der Frühen Neuzeit
gingen insbesondere
auf die Religionsfreiheit als verwehrtes Gut und die
Kriegsgefangenschaft als
eine zeitlich begrenzte Unfreiheit ein. WOLFGANG WÜST
(Erlangen-Nürnberg)
stellte die Kopplung von gesetzlicher Unfreiheit und
gesellschaftlichem-sozialen Zwang am Beispiel des Kirchenzwangs im
Anschluss
des Augsburger Religionsfrieden 1555 dar. Wo „Policeyordnungen“
nicht galten –
wie in Reichsstädten – oder wo es trotz des an den Landesherren
gebundenen
Religionszwangs beispielsweise ökumenische Beziehungen gab, griff
oft
persönlicher Ausschluss aus der Familie und damit verbundene
Enterbung als
soziale Einschränkung.
Sowohl MICHAŁ KURAN (Łódź) wie auch JAKUB SYTNIEWSKI (Opole) boten
beide eine
Perspektive auf eine polnische Geschichte der Freiheit. Kuran ging
hier auf die
„Beschreibung des sarmatischen Europas“ ein, in welcher der Autor
Alexander
Guagnini die Sklaverei als Antonym zu Freiheit sieht und somit
einem freien
Polen im Weg steht: „die Freiheit [öffne] die Tür zur
Unabhängigkeit”.
Sytniewski ging auf die Angriffe der Tataren und die folgenden
Verschleppungen
ein. Die hier Gefangenen wurden zeitgenössisch nicht für ihre
unfreiwillige
Unfreiheit verurteilt und hatten verschiedene Optionen, um ihre
Freiheit wieder
zu erlangen: Lösegeldzahlungen, Freilassungen, Flucht,
Befreiungsmission
(Rettung), die Konversion zum Islam oder in seltenen Fällen auch
„Pobratymstwo“
(= Blutsbrüderschaft). Die Art und Weise, wie Gefangene behandelt
wurden und
welche Optionen ihnen damit offen waren, hing von ihrem Stand ab.
Mit dem 19. Jahrhundert liefen manche Formen der Unfreiheit
langsam aus.
ANDRZEJ MICHALCZYK (Bochum) und JAN OCKER (Kiel) gingen beide auf
das
umstrittene Konzept der Leibeigenschaft ein, insbesondere deren
Auslaufen im
19. Jahrhundert: Mit dem wachsenden Industrie- und
Dienstleistungssektor wurden
die klassischen Formen der Leibeigenschaft für Feldarbeit immer
obsoleter,
diese endeten auch in deutschsprachigen Gebieten um diese Zeit.
Doch Freiheit
war damit nicht gegeben, weder Zug- noch Berufsfreiheit waren
überall
vorhanden. Auch KAVEH YAZDANI (Connecticut) sprach über den Wandel
zur
Lohnarbeit, dieser bedeutete jedoch keineswegs freiere
Arbeitsmöglichkeiten.
Vielmehr unterstrich Yazdani, wie fest Sklaverei und Unterdrückung
durch
Lohnarbeit Teil des nun entstandenen Kapitalismus waren. Die
europäischen
Kolonien waren nur durch Sklaverei profitabel zu halten und
lediglich mit den
Kolonien funktionierte der Motor der modernen Industrie. Die
Unfreiheit nahm
somit mehr zu als tatsächlich ab. Lohnkürzungen erwiesen sich als
effizienter
in Europa als Sklaverei und wurden so Teil der Wirtschaft.
VOLODYMYR ABASCHNIK (Charkiw) stellte mit seiner Diskussion zur
Geschichte der
Universität Charkiw den Gedankenaustausch deutscher und polnischer
Gelehrter
sowie den Einfluss vor, den dieser auf Diskussionen zu Freiheit
von Lehre und
Wissenschaft hatte, insbesondere deren Unterdrückung durch das
zarische
Russland.
Die Vorträge mit Schwerpunkt im 20. Jahrhundert konzentrierten
sich
insbesondere auf den politischen und gezielten Einsatz von
Freiheitsentzug
unter anderem in Form von Unterdrückung der Pressefreiheit und
Gefängnissen.
ALEXANDRA PULVERMACHER (Klagenfurt) gab mit einem Fallbeispiel aus
dem
besetzten Polen und der dort eingeführten Schutzhaft die bis dato
genaueste
Angabe an, wie der Freiheitsentzug exakt verlief, von
fadenscheinigen Gründen
für Verhaftungen, die dann zu einer “Schutzhaft” in KZs führte,
oft mit
massiven Sterberaten. Die brutale Vorgehensweise führte zu einem
massiven
Zulauf für den polnischen Widerstand. Die hier gezielt eingesetzte
Unfreiheit
war willkürlich und grausam.
Ein letztes Beispiel an Unfreiheit kam von BARTOSZ KALISKI
(Warschau), der an
dem Beispiel des tschechischen Journalisten Jiří Lederer
(1922–1983) die
Möglichkeiten und Folgen einer zensierten und politisierten Presse
ausmachte –
eine Art der Unfreiheit, die sowohl den Journalisten sehr
persönlich, aber auch
dessen potenzielle Leser im Hinblick auf die Informationen, die
ihnen frei
zugänglich sind, einschränkt.
Durch die offene Themenstellung war es jedem Referenten möglich,
seine
persönliche Interpretation des Freiheits- und Unfreiheitsbegriffes
in Bezug zum
jeweiligen Feld zu geben. Auch deshalb waren die Themen so bunt
und machten
eine schlüssige und zusammenfassende Schlussfolgerung schwierig.
Der
abschließende Austausch war bestimmt durch Diskussion über die
Semantik des
Sklavereibegriffes, wobei der allgemeine Schluss war, dass bei
Bezug auf
Quellen immer das in der Quelle verwendete Wort in Originalsprache
anzumerken
sei und gerade das englische slave durch die amerikanischen
Baumwollplantagen
vorbelastet ist und ein Diskurs, der natürlich immer nötig bleibt,
mit Nuance
in dieser Hinsicht erfolgen muss.
Die Zeit der Tagung erlaubte nur einen kleinen Einblick in ein
riesiges Feld
der Freiheits- und Unfreiheitsforschung. Gerade der
interdisziplinäre und
epochenübergreifende Ansatz machte hier den Eindruck, dass kaum
die Oberfläche
des Themas angekratzt werden konnte. Man kann hier bestimmt noch
mehr Forschung
und Diskussion erwarten.
Konferenzübersicht:
Szymon Olszaniec (Toruń): Slavery in the late Roman Empire – An
overview
Thomas Wetzstein (Eichstätt-Ingolstadt): Freiheit und Unfreiheit
im
mittelalterlichen Kirchenrecht
Kaveh Yazdani (Connecticut): Political economy, capitalism and
discourses on
free and unfree labor, ca. 17th to 19th centuries
Volodymyr Abaschnik (Charkiw): Beitrag polnischer und deutscher
Gelehrter zu
Freiheitsdiskussionen an der Universität Charkiw in der ersten
Hälfte des 19.
Jahrhunderts
Wojciech Mrozowicz (Breslau): Freiheit als Wert in der
schlesischen
Historiografie und Hagiografie des Mittelalters
Michał Kuran (Łódź): Freedom and enslavement of nations and
individuals in the
European Sarmatian Chronicle (1611) by Alexander Gwagnin
Krzysztof Kwiatkowski (Toruń): Unfreie im spätmittelalterlichen
Preußen.
Zwischen Krieg und Besiedlung
Jakub Sytniewski (Opole): About mutual experience of captivity.
The situation
of prisoners of war from the Polish-Lithuanian state in the Crimea
and Tatars
captives in Polish-Lithuanian Commonwealth in 17th century
Alexandra Pulvermacher (Klagenfurt): Die Anwendung der
„Schutzhaft“ im
besetzten Polen am Beispiel der „Intelligenzaktion Zichenau“
Jacek Bojarski (Toruń) und Małgorzata Derecka (Olsztyn): Auch nach
dem Tod
zusammen. Freier Wille oder Religions- und Gesellschaftdiktat?
Eduard Visintini (Mainz): Rightful and Unrightful Unfreedom in the
Early Middle
Ages: The Case of Merovingian Church
Sebastian Kalla (Freiburg): Die ancillae im Hochmittelalter. Ein
Fortbestehen
der Sklaverei?
Wolfgang Wüst (Erlangen-Nürnberg): Konfessionszwang und
Kirchenzucht nach dem
Religionsfrieden von 1555. Religiöse Unfreiheit im Heiligen
Römischen Reichs
Deutscher Nation im Spiegel von Kirchen-, Policey- und
Strafordnungen
Jan Ocker (Kiel): „das unsere undersaten [...] unsere liebeigen
seindt“.
Gedanken zur Geschichte, Struktur und Wahrnehmung der
Gutswirtschaft in
Holstein, Mecklenburg und Pommern (16. bis 19. Jahrhundert)
Andrzej Michalczyk (Bochum): Der Wandel soziokultureller Haltungen
und
Erwartungen in einer Post-Leibeigenschaft-Gesellschaft.
Oberschlesien im langen
19. Jahrhundert
Marta Baranowska (Toruń) und Paweł Fiktus (Breslau): Analysis and
criticism of
the Slavery Convention of September 25, 1926 in Polish political
and legal
thought of the interwar period
Bartosz Kaliski (Warschau): Das tschechische Schicksal? Journalist
Jiří Lederer
(1922–1983) – Opfer zweier totalitären Systeme
Zitation
Eva Strecker, Tagungsbericht: Freiheit und Unfreiheit in
Mitteleuropa (vom
Frühmittelalter bis 1989), In: H-Soz-Kult, 23.02.2024, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-142091>.
Date: 2024/02/23 11:17:59
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Sehr
geehrte Damen und Herren, das
Saarländische Landesarchiv bringt sich auch in diesem Jahr
wieder mit einem vielfältigen Programm in den bundesweit
veranstalteten „Tag der Archive“ ein, der am Samstag, den 2.
März 2024, stattfinden wird. Unter Titel „MAHL-ZEITEN.
Geschichten vom Essen und Trinken im Saarland“ widmen wir
uns einem historisch wie kulturell ausgesprochen
vielschichtigen Thema, das im Saarland wie kaum ein anderer
Bereich die eigene Identität geprägt hat und noch immer
prägt. Wir
würden uns sehr freuen, wenn Sie den beigefügten Flyer und
das Plakat zu dieser Veranstaltung über Ihren Verteiler
weiterleiten könnten. Für
Ihre Unterstützung danke ich Ihnen herzlich und verbleibe mit
freundlichen Grüßen Christine
Frick
Bitte
bedenken Sie die Auswirkungen auf die Umwelt, bevor Sie
diese E-Mail ausdrucken. |
Attachment:
Flyer A4_Tag der Archive_Landesarchiv_Final.pdf
Description: Adobe PDF document
Attachment:
Plakat A3_Tag der Archive_Landesarchiv_Final.pdf
Description: Adobe PDF document
Date: 2024/02/24 17:39:35
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
„Schwarzrock – Das Leben des Indianermissionars
Joseph Jene“
Referent: Stephan Friedrich.
Joseph Jenes Leben (* 1902 Wustweiler + 1998 Hirzweiler) als
Missionar im
Spannungsfeld zwischen indianischer Tradition, Kulturverlust und
der
Notwendigkeit, die ihm anvertrauten Menschen auf vielfältige Weise
zu
unterstützen, ist sehr ungewöhnlich. Sein Weg als Priester und
Missionar führte
ihn 1933 zu den von der Welt vergessenen Sioux in South Dakota. Er
setzte sich
mit den Menschen auseinander, deren Sprache er nicht sprach und
deren Kultur
ihm zunächst fremd war, doch im Laufe der Jahre lernte er immer
mehr von den
Sioux und erkannte den Wert ihrer Traditionen und die Bedeutung
der Erhaltung
ihres kulturellen Erbes.
Der Vortrag geht über die Biografie Jenes hinaus und befasst sich
mit seinen
Begegnungen mit den alten Kriegern und Häuptlingen, herausragenden
Persönlichkeiten wie Nicolas Black Elk, dem „heiligen Mann“ der
Sioux, dem
Missionar Eugen Buechel und dessen Forschungen zur Rettung
indigener Sprache
und Kultur.
Viele Fotografien aus Jenes Nachlass dokumentieren das Leben auf
der Cheyenne
River Reservation und seine Bemühungen, den Menschen spirituell
und materiell
aus ihrem Elend zu helfen und ihnen den Respekt entgegenzubringen,
den sie
verdienen.
Am Dienstag, 27. Februar 2024, um 17.30 Uhr im Lesesaal des
Landesarchiv
Saarbrücken, Saarbrücken-Scheidt
Eine Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft für Saarländische
Familienkunde
(ASF).
Date: 2024/02/26 08:54:51
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Guten Morgen,
im Wochenblatt für die Kreise St. Wendel und Ottweiler von 1842
fand ich diesen
Artikel:
„Buchbinder Anspach in St. Wendel nimmt
Lehrlinge.
Bei dem Buchbinder Anspach in St. Wendel können sogleich 2 Knaben
in die Lehre aufgenommen
werden
Derselbe empfiehlt sich zugleich mit allen Schul= und
Gebetbüchern, sowohl im Einzelnen,
als in größern Parthien, und unterhält ein wohl assortirtes
Schreibmaterialien=Geschäft,
wobei er prompte Bedienung und die billigsten Preise verspricht.“
Was mich neugierig machte, weil der Name Anspach in St. Wendel
heute unbekannt ist.
Viel habe ich trotz intensiver Suche nicht herausgefunden:
„Andreas Anspach, evangelisch
geb. ? in ?
+ nach 18.04.1858 in Bitburg“
Auf das Datum „18.04.1858“ komme ich durch einen Notariatsvertrag:
„Notar Keller, Nr. 4555 vom 18.04.1858
Philipp Maull, Kataster-Conducteur in Nohfelden, verkauft an
Andreas Anspach, Buchbinder
in St. Wendel, und Ehefrau Christiane Maull ein 3-stöckiges
Wohnhaus in St. Wendel
oben an der Grabengasse neben Wilhelm Lithard, Friedrich Tritsch,
Nikolaus Jochem
und der Straße, Nr. 368 des älteren Kastasters.
Der Verkäufer hat das Wohnhaus vor Notar Artois in Ottweiler am
02.12.1844 von den
heutigen Ankäufern selbst erworben; diese hatten vor Notar
Ackermann vom 24.11.1841
von Anton Koch erhalten.
Übergang bereits erfolgt
Preis 500 Thaler“
Später wird mir klar, ich kann sogar noch einen draufsetzen:
„Notar Euler, Nr. 650 vom 01.10.1858
der Buchbinder Andreas Anspach und seine Ehefrau Christina Maull
aus St. Wendel
verkaufen ein einstöckiges Wohnhaus mit Bering, Flur 6 Nr. 460,
Hausnummer 26, an
den St. Wendeler Kaufmann Nikolaus Jochem
die Verkäufer haben dieses Haus lt. Akt vor Notar Keller vom
18.04.1858 gekauft
von Philipp Maul, Kaster-Condukteur in Nohfelden.“
Also gestorben nach 01.10.1858.
Das gilt auch für Anspachs Ehefrau Christiana Amalia Maul. Auch
sie stammt nicht
aus St. Wendel, und wie ihr Ehemann ist sie auch nicht hier
gestorben, also woanders,
und auch nach 01.10.1858.
Das Ehepaar hatte vier Kinder:
i. Eeonora Wilhelmina Carolina Anspach * 31.05.1839 in St. Wendel.
ii. Juliana Maria Katharina Anspach *02.02.1841 in St. Wendel +
.09.1844 in St.
Wendel.
iii. Richard Jakob Anspach *05.02.1843 in St. Wendel + 06.05.1847
in St. Wendel.
iv. Paul Andreas Anspach * 12.03.1845 in St. Wendel + 17.01.1906
in Saarbrücken.
Paul Andreas’ Sterbedaten fand ich in Ancestry mit Scan des
Sterbeeintrags.
Dort steht: „Sohn der Eheleute Andreas Ansprach,
Buchbindermeister, und Amalie geborene
Maul, ohne Stand, beide verstorben, ersterer zu Bitburg, letztere
zu Ottweiler“
[Bei den Mormonen sind die Zivilstandsregister von Ottweiler
abgebildet, aber nur
bis 1875. Dort fand ich die Ehefrau weder unter „Anspach“ noch
unter „Maul“.]
Zu Paul findet sich in Ancestry, diesmal ohne Scan des Eintrags,
daß er am 7 Sep
1869 in Bitburg Elisabeth Justine Gerlach aus Wetzlar heiratete.
Also sind die Anspachs von St. Wendel nach Bitburg verzogen. Ich
suche in google
und finde auf der Website der Stadt Bitburg einen interessanten
Artikel, verfaßt
von „P.N.“:
=>
https://www.bitburg.de/eo/cms?_SID=c8ce4344079e8212f9c3e9e1b52ffda18a9fa63100400508833837&_sprache=de&_bereich=artikel&_aktion=detail&idartikel=208252&_template_variant=
Aus dem Stadtarchiv. 4.4.2019.
In Bitburg wusste man 1869 wenig oder nichts über „Potographie“
Im Februar 1868 stellte sich ein gewisser Paul Andreas Anspach bei
Bürgermeister
Prim vor. Er behauptete, dass er die Kunst der „Potographie“
beherrsche und dass
er sie in der Stadt auszuüben wolle. Offenbar wussten weder der
Bürgermeister noch
die wenigsten Stadtratmitglieder, was „Potographie“ war. In seiner
Sitzung am 2.
März 1869 beriet der Stadtrat und fasste folgenden Beschluss:
„Auf das Gesuch des Potographen Paul Andreas Anspaden um
Überlassung eines Raumes
im Stadthausgarten behufs Aufstellung eines Apparates zu
Potographierung ist Petent
(= Anspach) abschlägig zu bescheiden, da der Platz anderweitige
Bestimmungen hat.“
Anspach nennt sich zwar „Potograph“, aber eindeutig handelt es
sich bei ihm um einen
Photographen/Fotografen, der nach Bitburg kam und der Land und
Leute ablichten wollte.
Trotz des abschlägigen Bescheides blieb er zumindest für einige
Zeit in unserer
Stadt, hier heiratete er 1869 Elisabeth Gerlach, die aus Wetzlar
stammte. Anspach
selbst stammte aus St. Wendel, noch 1871 ist er in Bitburg
nachweisbar, er nannte
sich nun zwar Photograph, aber er war gleichzeitig Buchbinder. Wo
und wann er starb,
ist in Bitburg nicht feststellbar. In einem Verzeichnis aller
Fotografen Mitteleuropas
von 1866 fehlt sein Name. Ob er trotz der Schwierigkeiten, die man
ihm machte, das
alte Stadthaus und die Liebfrauenkirche als Hintergrund für einige
Aufnahmen wählte,
ist leider unbekannt. Mit Bedauern stellen wir heute fest, dass
der Bitburger Stadtrat
nicht erkannte, welche Bedeutung - vor allem für die Nachwelt –
die damals neue
Kunst des Fotografierens hatte.!
Die Kunst des Photographierens hatte seit der 1. Hälfte des 19.
Jahrhunderts immer
mehr an Bedeutung gewonnen. Erste Photographien der Stadt besitzen
wir von Joseph
Lemling, dessen Vater aus Sülm stammte und der bereits kurz vor
1860 erste Aufnahmen
von Bitburg und Prüm machte. P.N.“
Das sah ich als Gelegenheit, sich auszutauschen. Die Bitburger
würden sicher gern
erfahren, daß Paul Andreas Anspach mit Elisabeth Gerlach kurz nach
ihrer Hochzeit
nach Prüm verzog und dann später nach Wittlich:
i. Edmund Wilhelm * 29.01.1871 in Prüm.
ii. Wilhelm * 01.01.1873 in Prüm.
iii. Paul Andreas * 10.04.1874 in Wittlich.
iv. Julius * 1875 in Wittlich + 23.04.1881 in Ottweiler.
Also schickte ich meine damaligen Ermittlungen an das Stadtarchiv
in Bitburg und
bat quasi im Gegenzug um die Mitteilung, wann Andreas Anspach
senior in Bitburg
verstorben sei. Das Archiv zeigte sich sehr dankbar und sandte
heute morgen diese
Antwort:
Am 26.02.2024 um 07:50 schrieb Kreisarchiv Bitburg-Prüm:
„Sehr geehrter Herr Geiger,
Gerne sind wir Ihnen bei der Suche nach Herrn Aspach sen.
behilflich. Hier im Kreisarchiv
werden die Zivil- und Personenstandsregister des gesamten
Eifelkreises Bitburg-Prüm
ab 1798 verwahrt. Wir müssen vorher allerdings noch auf unsere
Gebührenverordnung
hinweisen: Für jeden Auftrag berechnen wir pro angefangene
Viertelstunde mit 13,80
€, Kopien der Urkunden kosten 0,50 €/St. DIN A4 und 1,00 €/St. DIN
A3 (je nach Größe
des Urkundenbuchs), zuzüglich Portokosten, da wir die Urkunden
grundsätzlich nur
in Papierform versenden. Nach unserer Erfahrung sind die Kosten
für Recherchen zeitlich
schwer abzuschätzen, wenn Sie uns eine Preisobergrenze nennen,
können wir dann im
vorgegebenen Rahmen recherchieren, eine Erfolgsgarantie kann
selbstverständlich
nicht gegeben werden. Es ist auch möglich sich persönlich - nach
vorheriger Absprache
- hier bei uns auf die Suche zu machen. Diese Suche ist
kostenfrei, lediglich das
eigenständige Digitalisieren wird mit einer Jahresgebühr von 15,00
€ berechnet.
Bitte teilen Sie uns die weitere Vorgehensweise und - bei
Auftragserteilung - auch
Ihre vollständige Anschrift mit.
Herzliche Grüße
Tabea Skubski
Kreisverwaltung des Eifelkreises Bitburg-Prüm, Amt 16 – Kultur und
Sport, Trierer
Str. 1 - 54634 Bitburg Tel: 06561/15-1660, Fax: 06561/15-1000,
Zimmer D 166
E-Mail: skubski.tabea(a)bitburg-pruem.de,
Internet: www.bitburg-pruem.de
Eifelkreis Bitburg-Prüm - Aktiv im Klimaschutz. Sparen Sie pro
Seite ca. 200 ml
Wasser, 2 g CO2 und 2 g Holz. Bitte prüfen Sie, ob diese Mail
wirklich ausgedruckt
werden muss!“
Bevor ich auf das Angebot des Kreisarchivs eingehe, wollte ich
doch aber lieber
nochmal fragen, ob mir jemand dazu helfen kann. Ich weiß, ich
sollte besser in
der Eifelliste fragen, aber dort hab ich mich mal angemeldt und
flog am
gleichen Tag wieder raus, als ich ehrlich-dumm in meiner
Vorstellung mitteilte,
daß ich auch genealogische Forschungen gegen Honorar anbiete. Das
ist zwar
schon gut 15 Jahre her, aber seitdem hab ichs dort nicht mehr
versucht.
Mit freundlichen Grüßen
Roland Geiger
Date: 2024/02/26 09:03:52
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
De rebus bellicis. Waffen und Finanzen in der
Spätantike
Herausgeber: Gräf, Stefanie; Meißner, Burkhard
Erschienen Darmstadt 2023: wbg
Philipp von Zabern
Anzahl Seiten 128 S.
Preis € 130,00
ISBN 978-3-8053-5356-4
Inhalt => meinclio.clio-online.de/uploads/media/book/toc_book-79426.pdf
Rezensiert für H-Soz-Kult von Frank Schleicher,
Institut für Altertumswissenschaften,
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Die kleine spätantike lateinische Schrift De rebus bellicis eines
unbekannten
Verfassers hat wohl nicht zuletzt wegen ihrer eindrucksvollen
Illustrationen
seit dem 16. Jahrhundert immer wieder die Aufmerksamkeit der
Gelehrten
gefunden. Sie enthält eine Reihe von mehr oder weniger
praktikablen
Reformvorschlägen zur Behebung der Missstände in Verwaltung,
Münzwesen, Justiz
und Militär im spätantiken Römischen Reich sowie Beschreibungen
von mehr oder weniger
brauchbaren Militärmaschinen. Aufgrund des uneinheitlichen
Charakters des
Werkes wurde es in der Forschung sehr kontrovers diskutiert.
Zuletzt hat sich
Stefanie Gräf in ihrer 2018 erschienenen Dissertation intensiv mit
dem Text
auseinandergesetzt.1 Zusammen mit dem
Spezialisten für antike
Militärtechnik Burkhard Meißner hat Gräf nun die in München
aufbewahrte
Handschrift des Textes als Faksimile mit lateinischem Text und
deutscher
Übersetzung herausgegeben, um ihn einem breiteren Publikum in
anschaulicher
Form zugänglich zu machen.
Das vorliegende Werk wird vom Zabern-Verlag in hochwertiger Form
präsentiert.
Papier, Einband und Druck sind von gewohnter Qualität, ebenso die
zahlreichen
groß- und kleinformatigen Abbildungen. Dem Werk des Anonymus ist
eine
Einleitung von Meißner vorangestellt. Meißner skizziert
anschaulich und leicht
verständlich die Überlieferungs- und Forschungsgeschichte der
Handschrift und
betont besonders – wie später auch Gräf –, dass das Werk in den
Handschriften
zusammen mit der Notitia Dignitatum überliefert ist; dies ist dann
auch für
Gräfs Argumentation zur Intention der Schrift relevant. Dass sich
in den
Codices aber auch eine ganze Reihe anderer Texte mit im weitesten
Sinne
geographischem Inhalt befindet (so etwa die Descriptio urbis Romae
oder die Kosmographia
des Aethicus), Notitia Dignitatum und De rebus bellicis also nicht
unbedingt
eine direkte Zweckgemeinschaft bilden müssen, wird nicht erwähnt.
Besonderer
Wert wird auf die Einordnung der Forschungsmeinungen in den
Kontext ihrer Zeit
gelegt. Meißner geht auch kurz auf Titel, Aufbau und Inhalt der
Handschrift
ein, wobei er die Thesen Gräfs anreißt, ohne ihnen allzu sehr
vorzugreifen.
Der zweite Teil des vorliegenden Buches besteht aus der
Präsentation der
Schrift selbst: Grundlage der Faksimile-Abbildungen ist der Codex
aus München (Codex
Monacensis latinus 102921) aus dem Jahr 1542. Über dessen
Geschichte hätte sich
der Rezensent mehr Informationen gewünscht.2 Die Abbildungen der Seiten
des Münchner
Kodex sind dem parallel gestellten lateinischen Text und der
deutschen
Übersetzung jeweils vorangestellt. Der lateinische Text der
Ausgabe und der
kritische Apparat sind der aktuellen Edition von Philippe Fleury
entnommen. Die
Übersetzung folgt dem Fleury-Text. Wo es Abweichungen zum Text der
Münchner
Handschrift gibt, wird speziell darauf hingewiesen. Der deutsche
Text ist
durchweg gut lesbar und präsentiert sich in moderner Sprache.
Sofern den
einzelnen Kapiteln in der Handschrift Abbildungen vorangestellt
sind, finden
sich diese (in Graustufen) auch vor den entsprechenden Kapiteln
von Text und
Übersetzung in der Edition.
Ein zweiter Satz von Abbildungen, der dem Münchner Kodex
beigegeben ist, wird
nach dem Text präsentiert. Diesem dritten Teil des Buches widmet
Gräf eine
gelungene Einführung, die auch auf Aspekte der antiken Buchmalerei
eingeht.
Besonders aufschlussreich sind die Ausführungen zum Umgang der
antiken und
mittelalterlichen Zeichner mit ihren Vorlagen. Gängige
Forschungsmeinung ist,
dass sich die erhaltenen Illustrationen eng an die karolingischen
Vorlagen und
diese sich wiederum eng an die spätantiken Handschriften halten.
Gräf vermutet
indes, dass die Zeichnungen häufig zeitgenössisch überarbeitet,
verändert oder
auch ergänzt worden seien (sie nennt dies „darstellerische
Migration“, S. 74).
Im vierten Abschnitt diskutiert Gräf die Struktur der Schrift.
Hier geht es um
Fragen der Textgattung, der Datierung, des Konzepts und der
Textstruktur. Dabei
wird das Werk als Kompilation vorhandener Texte beschrieben, die
durch neue
Passagen aus der Feder des Autors ergänzt wurden (S. 92). Das
Zielpublikum habe
nicht aus Spezialisten, sondern aus Menschen mit einer gewissen
Bildung
bestanden (S. 93). Als Verfasser oder Adressaten der Schrift will
Gräf, auch
wegen der Sorge um die Steuerzahler, am ehesten einen defensor
civitatis sehen
(S. 103). Es handele sich um einen Sammeltext mit Mustercharakter,
der als
Textvorlage für Eingaben an den Kaiser (libelli) gedient habe (S.
103). Hierzu
werden auch die Münzbilder besprochen. Den Rezensenten hätte dabei
interessiert, was es mit den im Text genannten Leder- und
Keramikmünzen auf
sich hat. Dass die Verwendung solcher Zahlungsmittel auch in
anderen Quellen
erwähnt wird, erfahren wir nicht.3
Anzumerken ist zudem, dass die ausführliche Kritik, die von
Brendel und Eich 4 an den in Gräfs
Dissertation formulierten
Thesen zum Autor und zur Intention des Textes geübt wurde, in
diesem Beitrag
nicht berücksichtigt wird. Zwar gibt es in der Forschung zur Natur
der Schrift
bislang keine communis opinio, gerade im Hinblick auf die zu
erwartende
Leserschaft des Buches wäre es aber wichtig gewesen, die gängigen
Forschungsmeinungen stärker zu berücksichtigen. Da Text und
Apparat genutzt
wurden, hätte zumindest auf die ausführliche Einleitung in der
Edition Fleurys
verwiesen werden können. Dass es sich bei dem Werk um einen
libellus, also eine
Eingabe an einen Kaiser handelt, scheint dem Rezensenten eine der
wenigen
weitgehend akzeptierten Thesen zum Zweck der Schrift zu sein.
Das letzte Kapitel, verfasst von Meißner, beschäftigt sich
explizit mit den im libellus
beschriebenen Kriegsmaschinen. Es wird festgestellt, dass der
Autor zwar
technische Details erläuterte, aber kein Erfinder war. Die
Besonderheit der
Darstellung liegt vielmehr darin, dass der Einsatz der Maschinen
im
Heeresverband beschrieben wird (S. 104). Es folgt die Vorstellung
einiger vom
Verfasser rekonstruierter funktionsfähiger Ballisten und eine gut
verständliche
Erläuterung ihrer Funktionsweise sowie die Einordnung der
Beschreibungen in den
jeweiligen historischen Kontext anhand von Vergleichsbeispielen.
Meißner kommt
zu dem Schluss, dass die beschriebenen Geräte keineswegs neu und
zum Teil zur
Zeit der Abfassung der Schrift bereits veraltet waren. Zudem habe
die
Darstellung kaum praktischen Nutzen für einen möglichen Nachbau.
Zwei Dinge
zeichnen den spätantiken Autor jedoch besonders aus: Er ist sehr
an der
Einsparung von Ressourcen und Manpower sowie an militärischen
Wirkungszusammenhängen interessiert.
Ein Anhang mit Anmerkungen zu den einzelnen Kapiteln, einem
knappen Literatur-
und Quellenverzeichnis sowie Bildnachweisen beschließt den Band.
Der Nutzen des
Quellenverzeichnisses für den Leser erschließt sich dem
Rezensenten nicht:
Weder werden die verwendeten Ausgaben und Übersetzungen angegeben,
noch handelt
es sich um ein Verzeichnis der Stellen, an denen die Quellen
verwendet wurden.
Es ist auch fraglich, ob der unvorbereitete Leser die verwendeten
Abkürzungen
der Quellen kennt. Hier wäre etwas mehr Aufwand sinnvoll gewesen.
Im
Literaturverzeichnis fehlen verwendete Werke und Autoren wie die
Dissertation
von Gräf und eine Arbeit von Gérard Genette. Einige kleinere
Druckfehler stören
dagegen kaum (so erscheint öfter „belliciS“).
Alles in allem handelt es sich um ein sehr schönes Buch, das dem
an spätantiker
Militär interessierten Leserinnen und Lesern zu empfehlen ist.
Insbesondere die
Erläuterungen zu den Maschinen und die Abbildungen tragen zum
Verständnis der
Schrift, aber auch der antiken Kriegstechnik bei. Die Aussagen
über den Autor
und den Zweck der Schrift überzeugen den Rezensenten hingegen
nicht, im
universitären Kontext kann die Kommentierung des Textes daher nur
mit
Einschränkungen verwendet werden.
Anmerkungen:
1 Stefanie Gräf, Der Anonymus
de rebus
bellicis. Eine morphologische Untersuchung, Hamburg 2018. Auf das
Werk wird im
vorliegenden Buch nur einmal von Meißner verwiesen (S. 14), obwohl
die
zentralen Argumentationspunkte des Abschnittes über die Struktur
der Schrift
dort ausführlich diskutiert werden.
2 Knapp dazu beispielsweise
Edward A. Thomson,
A Roman Reformer and Inventor. Being a new Text of the Treatise De
Rebus
Bellicis with Translation and Introduction, Oxford 1952, S. 8–10.
3 Suda A 4126.
4 Raphael Brendel, Rez. zu
Gräf, Anonymus de
rebus bellicis, in: Theologische Literaturzeitschrift 145 (2020),
S. 1184–1186;
Armin Eich, Rez. zu Gräf, Anonymus de rebus bellicis, in:
Göttinger Forum für
Altertumswissenschaft 22 (2019), S. 1051–1055.
Zitation
Frank Schleicher, Rezension zu: Gräf, Stefanie; Meißner, Burkhard
(Hrsg.): De
rebus bellicis. Waffen und Finanzen in der Spätantike. Darmstadt
2023 , ISBN 978-3-8053-5356-4,
In: H-Soz-Kult, 26.02.2024, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-139660>.
Date: 2024/02/28 09:03:48
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Guten Morgen,
am Freitag, 8. März, findet im Stadtmuseum
Zweibrücken ein Vortrag mit dem Titel "Geschichte der Stadt
Zweibrücken vom 30-jährigen Krieg bis zur französischen
Revolution" statt.
Beginn ist um 16 Uhr.
Des vorhandenen Raumes wegen wird um vorherige Anmeldung gebeten an Stefan Bender unter "stefan.a.bender(a)gmx.de".
Mit freundlichem Gruß
Roland Geiger
Date: 2024/02/29 14:05:38
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
„Ohne Moos nix los …“ Kirchenfinanzierung im
Wandel der
Zeiten
Organisatoren
Geschichtsverein und Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart
Weingarten
Fand statt in Präsenz
Vom - Bis 14.09.2023 - 16.09.2023
Von Joachim Bürkle, Lehrstuhl für
Kirchengeschichte des
Mittelalters und der Neuzeit, Bayerische
Julius-Maximilians-Universität
Würzburg
Die Finanzen der Kirchen gerieten in der letzten Zeit immer wieder
in den Fokus
des öffentlichen Diskurses. Dabei standen zuletzt insbesondere die
Staatsleistungen an die Kirchen im Zentrum, sahen doch
verschiedene
Gesetzesanträge aus ganz unterschiedlichen politischen Richtungen
eine Ablösung
derselben vor, und auch im Koalitionsvertrag der
Regierungsparteien wurde
zuletzt ein im Dialog mit den Ländern und Kirchen zu erarbeitendes
Grundsätzegesetz anvisiert, das einen fairen Rahmen für diesen
Prozess
gewährleisten solle. Dies trifft sich mit einem fortschreitenden
Verständniswandel im Hinblick auf das Verhältnis von Staat und
Kirche, greift
doch in einer kritisch eingestellten Öffentlichkeit zunehmend ein
Staatsverständnis Raum, das staatliche Finanzleistungen an die
Kirchen trotz
deren historischer Rechtfertigung als Verletzung des prätendierten
Grundsatzes
einer Trennung von Staat und Religion sowie der weltanschaulichen
Neutralität
des säkularen Verfassungsstaates betrachtet.
Die Tagung des Geschichtsvereins und der Akademie der Diözese
Rottenburg-Stuttgart traf insofern genau den Nerv der Zeit, griff
sie doch
zentrale Aspekte der aktuellen Debatte auf und ging unter
historiographischer
Perspektive den komplexen Strukturen der Finanzierung kirchlicher
Grundvollzüge
wie auch kirchlich-gesellschaftlichen Engagements sowie den engen
Verflechtungen
auch noch der heutigen Kirchenfinanzierung mit einer
geschichtlichen
Entwicklung von Jahrhunderten nach.
ANNA OTT (Mainz) ordnete die Einführung von Kirchensteuer(n) im
19. Jahrhundert
auf der Grundlage der im Reichsdeputationshauptschluss
festgelegten
finanziellen Versorgungspflicht des Landesherrn in den Kontext
durch
Vermögenssäkularisation, Pfründverlust und Zehntablösungen (etc.)
veränderter
Kirchenfinanzierungsmöglichkeiten ein. Dabei deutete sie die
Kirchensteuer als
Antwort auf die Finanznot der Kirchen im 19. Jahrhundert, die
jedoch vonseiten
des Staates gegen kirchliche Widerstände durchgesetzt werden
musste. Ausgehend
von der Festschreibung der Kirchensteuer in Art. 137 der Weimarer
Reichsverfassung und im Schlussprotokoll zu Art. 13 des
Reichskonkordats (1933)
wurde deutlich, wie durch die Einführung der Diözesankirchensteuer
das
Kirchensteuerwesen ab den 1950er-Jahren zentralisiert wurde, was
einen
Finanzausgleich zwischen den Pfarreien ermöglichte und zum Aufbau
einer neuen
Verwaltungsstruktur der Diözesen führte.
WINFRIED ROMBERG (Würzburg) zeigte am Beispiel des Bistums und
Hochstifts
Würzburg, wie das aus dem Mittelalter vielgestaltig erwachsene
Abgaben- und
Finanzwesen eines geistlichen Staates im Übergang zum frühmodernen
Steuerstaat
im Dienst der Fürstenherrschaft umgestaltet wurde und es so gerade
im
frühneuzeitlichen fürstbischöflichen Finanzwesen nicht nur zu
einer größeren
Vereinheitlichung, sondern auch zu einem wesentlichen Auftrieb im
planmäßigen
Ausbau der reichsständischen Bistümer zu regelrechten Kleinstaaten
mit
geordnetem und funktionalem administrativen Apparat kam. Dieser
Beitrag ist
deshalb umso erhellender, als das Forschungsgebiet der
historischen Kirchen-
und Bistumsfinanzierung trotz des Quellenreichtums kaum
tiefergehend
erschlossen ist. Da von einer kirchlichen Finanzautonomie auf
interner
Bistumsebene in der Frühneuzeit nicht die Rede sein konnte, zeigte
Romberg für
die geistlichen Staaten auch hinsichtlich des Finanzwesens einen
harmonistischen Entwurf eines symbiotischen Konfessionsstaates, in
dem der
geistliche Staat nach innen die Regierungsautorität gegenüber der
Untertanenschaft verkörperte und in wirtschaftlicher Hinsicht im
Gegenzug
wesentlich auf die Finanzkraft des Klerus, vor allem der Klöster
und Stifte,
angewiesen war. Mit Blick auf die nachtridentinischen
Reformbischöfe wies er
die stärkere Berücksichtigung der materiellen Implikationen einer
erneuerten
geistlichen Disziplin in der Forschung zur katholischen Reform und
Konfessionalisierung als Desiderat auf.
DANIEL BERGER (Göttingen) behandelte die mittelalterliche
Kanonikerversorgung
an Stiftskirchen im Erzbistum Köln und skizzierte einige
Entwicklungslinien des
stiftischen Präbendalsystems von den Anfängen der
Kanonikergemeinschaften in
karolingischer Zeit bis ins 14. Jahrhundert. Herausgestellt wurde,
dass die
Kanonikerversorgung ursprünglich aus einer Vielzahl von
Reichnissen in
Naturalien, Viktualien und auch Geld bestand, die den Kanonikern
im
Wochentagsrhythmus und/oder anlässlich besonderer Liturgien
(Kirchen- und
Heiligenfeste, Totengedächtnisse) ausgegeben wurde. Im Zuge des
wachsenden
Geldanteils bei den Reichnissen und dem Aufweichen der vita
communis zugunsten
einer wachsenden Selbstversorgung wurde die Stiftsökonomie im
frühen 14. Jahrhundert
rationalisiert und reformiert (Beginn der Rechnungslegung;
Umstellung der
hochfrequenten Reichnisstruktur auf Auszahlung fixer Geldbeträge
an wenigen
Terminen im Jahr). Dadurch begann sich der ursprünglich enge
Konnex zwischen
leiblicher Versorgung und liturgischem Dienst aufzulösen, wodurch
die
Kanonikerpräbende erst zu einem relativ variabel und auch mehrfach
(Pfründenkumulation) zu nutzenden Versorgungstitel wurde.
NICOLA WILLNER (Würzburg) zeigte am lokalhistorischen Beispiel der
Prädikatur
an St. Jakob in Schwandorf die Transformationen einer
Präbendestiftung vom
Spätmittelalter über die Reformation bis zur katholischen Reform
auf. Dabei
ordnete sie die Entstehung der Prädikaturen als einer klassischen
Institution
des 15. Jahrhunderts in den Kontext der Bildungsreformen im
theologischen
Bereich ein. Als zentrale Entwicklungsmarksteine für die
Prädikaturen in der
Reformationszeit kamen der Wegfall sämtlicher Messtiftungen, der
im Herzogtum
Pfalz-Neuburg mit einem Einzug der Pfründeinkünfte verbunden war,
sowie die
Konzentration der Einnahmen aller Pfründen einer Gemeinde im
‚Gemeinen Kasten‘
in den Blick, sodass es nun zu einer Separation der Einnahmen der
Predigerpfründe und der Besoldung des Prädikanten kam. Dass die
Prädikatur an
St. Jakob nach der Rekatholisierung Schwandorfs ab 1617 nicht mehr
besetzt
wurde, erschien als regionalgeschichtlicher Beleg für eine während
der
Reformationszeit erfolgte protestantische Konnotation der
Prädikaturen,
aufgrund derer diese als Instrumente der Rekatholisierung für
katholische
Landesfürsten ausfielen.
HARM KLUETING (Köln) untersuchte den Diskurs über Kirche und
Kirchenvermögen im
ausgehenden 18. Jahrhundert anhand der Kritik an der „Toten Hand“
sowie den
Amortisationsgesetzen einerseits in Österreich und in den
Österreichischen
Niederlanden, andererseits in Bayern. Dabei zeigte er auf, dass
der
ursprünglich im Feudalrecht entwickelte Terminus der „Toten Hand“
erst
sukzessive mit der Entwicklung des Benefizialwesens nach
lehnsrechtlichen
Formen in den kanonistischen Bereich eindrang, da Inhaber der
„manus mortua“
aufgrund von Stiftungen ad pias causas oder des Besitz- und
Vermögensverzichts
von Ordensmitgliedern fast immer kirchliche Institutionen bzw.
Kleriker waren.
Während sich in einem historischen Überblick über die sukzessive
verstärkten
Versuche der weltlichen Macht, große Vermögenskonzentration in
kirchlicher Hand
zu beschränken, zeigte, dass diese in der städtischen
Amortisationspolitik im
14. und 15. Jahrhundert zu einem ersten Höhepunkt gelangten und
anschließend
auch von den Landesherren übernommen wurden, was theologisch als
Einschränkung
der unzulässigen Vermischung von Seelsorge und Vermögenskumulation
begründet
wurde, kam es in der Aufklärungsepoche zu einer Verschärfung
dieses Vorgehens,
wobei in der kirchenkritischen Literatur ab 1760 antimonastische
Polemik
dominierte. Waren in der älteren Amortisationsgesetzgebung jedoch
primär
Immobilia betroffen, wurde nun sowohl in den österreichischen wie
den
bayerischen Verordnungen auch der Kapitalerwerb eingeschränkt,
wobei die
Initiative nicht mehr vom landständischen Adel, sondern vom
städtischen
Bürgertum ausging. Städtisches Bürgertum, landständischer Adel und
kirchliche
Vermögensträger erscheinen dabei als Parteien eines
Konkurrenzkampfs, als
dessen Ausdruck die Kritik an der kirchlichen „Toten Hand“ im
ausgehenden 18.
Jahrhundert interpretiert werden kann.
DOMINIK BURKARD (Würzburg) deutete den aktuellen Diskurs um die
Staatsleistungen auf der Grundlage des nicht umgesetzten
Verfassungsgebots der
Weimarer Reichsverfassung zur Ablösung derselben als unbewältigtes
historisches
Problem, in dem sich eine kirchen- wie gesellschaftspolitische,
jedoch aufgrund
eines oftmals rein normativen Zugriffs simplifizierte
Stellvertreterdebatte
manifestiere. Mittels einer historischen Analyse der kirchlichen
Finanzierungsentwicklung im katholischen Bereich im Gefolge der
Säkularisation
im Königreich Württemberg anhand von 1) Bistumsdotationen, 2)
Kirchenfonds und
kirchlichen Anstalten sowie 3) Staatsleistungen aus der
Säkularisation von
Klöstern und Stiften zeigte sich einerseits, dass für den Staat
Württemberg der
Stiftungs- und Dotationscharakter der neuen Bistümer von zentraler
Bedeutung
war, da dieser mit dem bischöflichen Ernennungsrecht verbunden
werden konnte,
andererseits hinsichtlich der Kirchenfinanzierung ursprünglich der
Grundsatz
der Realdotation galt. Nachdem jedoch in den Frankfurter
Verhandlungen
stattdessen eine Mischfinanzierung anvisiert wurde und im
Königlichen
Fundationsinstrument von 1828 das Prinzip garantierter Einkünfte
auf Grundlage
der königlichen Regentensorge an die Stelle kirchlicher
Besitzgüter trat,
unterlagen bereits im 19. Jahrhundert die Modelle kirchlicher
Finanzierung
insbesondere angesichts der mit der Auflösung konfessionell
homogener Gebietsumschreibungen
verbundenen pastoralen Problematiken massiven Modifikationen. Da
jedoch gerade
darin der sukzessive Rückzug des Staates aus der
Kirchenfinanzierung bis in die
1920er-Jahre grundgelegt war, lag die argumentative Zielrichtung
des Vortrags
besonders in einer Problematisierung der misslungenen
Realdotation.
THOMAS RICHTER (Aachen) gab einen Forschungsüberblick über die
Zehntablösungen
im 19. Jahrhundert und untersuchte in vergleichender Perspektive
die Situation
im Großherzogtum Baden, im Königreich Württemberg, in der
Landgrafschaft
Hessen-Kassel, im Herzogtum Nassau sowie im Königreich Hannover.
Weiterführende
Bedeutung hatte in diesem Zusammenhang die Frage nach den
Zehntablösungen als
Modernisierungselement sowie als Entlastungsinstrument in
agrarökonomischer
Perspektive, wobei Richter gegenläufige Elemente im Ablöseprozess
identifizierte und dabei aufzeigte, dass Widerstand gegen
derartige Ablösungen
oftmals nicht nur von Zehntberechtigten, sondern auch von
Zehntverpflichteten
kam. Das bereits zeitgenössisch narrativ vermittelte
Entlastungsargument wurde
dabei vor dem Hintergrund einer Kontinuität der Abgabeleistungen
der Bauern
sowie deren finanzieller Überforderung mit Ablösezahlungen und
kurzen
Zahlungszeiträumen hinterfragt, wobei der Analyse der Motivationen
hinter dem
Verzicht auf Ablöseleistungen weiteres Forschungspotential
zugeschrieben wurde.
GERHARD DEISSENBÖCK (München) stellte die historische Entwicklung
der Liga Bank
und damit zusammenhängend des Klerusverbandes als Zusammenschluss
der
Diözesanklerikervereine der bayerischen (Erz-)Diözesen dar.
Ausgehend von der
Erstgründung 1917 als Verband der katholischen Ökonomiepfarrer
Bayerns in
Regensburg, der zur Verhinderung einer finanziellen Abhängigkeit
der Kleriker
von nicht-kirchlichen Institutionen diente, sowie der Neugründung
1919 als
wirtschaftlicher Verband der katholischen Geistlichen Bayerns
erschien die
Entwicklung von Bank und Verband im Vortrag dabei in weiten Teilen
als
„Erfolgsgeschichte“, nicht nur aufgrund der verhältnismäßig großen
wirtschaftlichen Stabilität während der Bankenkrise und der
NS-Zeit, sondern
auch mit Blick auf die Expansion des Geschäftsgebiets wie auch der
Geschäftssektoren seit der Nachkriegszeit. Als Desiderat wurde die
überregionale Kontrastierung mit andersartigen Konzeptionen von
Klerikerlohnsystemen aufgezeigt.
Im Rahmen eines Podiumsgesprächs gab Generalvikar CLEMENS STROPPEL
(Rottenburg)
Einblicke in die aktuellen Gespräche zwischen Kirchen, Bund und
Ländern
hinsichtlich der im Koalitionsvertrag der derzeitigen
Bundesregierung
anvisierten Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen. Als ein
Hauptproblem
erschienen die Orientierungs- und Bemessungsfaktoren des darin
ausgewiesenen
„fairen Ausgleichs“. Ausgehend von der These eines kirchlichen
Rechtsanspruchs
auf eine dem Wert der regelmäßigen staatlichen Leistung
gleichgeordnete
Entschädigung plädierte er für ein Bundesgrundsätzegesetz, das bei
der Ablösung
der Staatsleistungen das Äquivalenzprinzips berücksichtigt und so
die Kirchen
in die Lage versetzt, mit den Erträgen aus der Entschädigung
langfristig auch
ihren gesellschaftlichen Aufgaben nachkommen zu können. Die
anschließende
öffentliche Diskussionsrunde wurde unter reger Beteiligung des
Auditoriums
mitunter emotional geführt und spiegelte damit die enorme
Aktualität wie auch
das Konfliktpotential des Tagungsthemas wider.
PETER FLECK (Aachen) stellte anhand des 1930 errichteten Bistums
Aachen die
Problematiken der Bistumsfinanzierung in wirtschaftlich wie
politisch
angespannten Zeiten heraus, in die auch staatliche Interessenlagen
eingeflochten waren. Neben der Gründungsgeschichte des Bistums
sowie der
Regelung der Staatsleistungen im Preußischen Konkordat von 1929
war hierbei
insbesondere der Blick auf die Finanzauseinandersetzung mit der
Kölner
Mutterdiözese und die vermögensrechtliche Teilung als
wirtschaftliche Grundlage
der neuen Diözese aufschlussreich. Entscheidend war hier die
Erkenntnis, dass –
ausgehend von der administrativen Notwendigkeit der Ergänzung der
Kölner
Erzdiözese durch ein weiteres Westbistums – im Rennen
verschiedener
potentieller Bistumssitze (Essen, Xanten) letztlich wiederum die
Dotationsfrage
das größte Hindernis im Vorfeld darstellte: Der wesentliche Grund
für die
Errichtung des Bistums Aachen lag darin, dass Aachen mit seinen
bereits
bestehenden Einrichtungen – Dom, Stiftskapitel und Dotation des
Stiftspropstes
als Kölner Weihbischof – die Finanzierungsfrage für sich entschied
und die
finanziellen Mehrbelastungen für den preußischen Staat somit in
Grenzen gehalten
werden konnten. Nicht theologische oder pastorale, sondern
funktionale
Gesichtspunkte gaben hier den Ausschlag.
CHRISTOPH KÖSTERS (Bonn) zeigte die Finanzierung der in einer
doppelten
Diaspora-Situation befindlichen katholischen Kirche in der DDR als
eng mit den
politischen Weichenstellungen der BRD zusammenhängende
Verflechtungsgeschichte.
Während es dabei etwa ab 1966 mit dem über das Bonifatiuswerk
realisierten
„Kirchengeschäft C“ offizielle, durch die DBK und die BRD
unterstützte
Finanzierungsformen kirchlicher Existenz in der DDR gab, zeigte
der Vortrag
bislang weitgehend unbekannte Wege der Kirchenfinanzierung auf
Grundlage der
Unterstützung kleinerer Akteure auf. Methodisch stand dabei der
exemplarische
Blick auf die Spendentätigkeit der deutsch-niederländischen
Unternehmerfamilie
Brenninkmeijer für die katholische Diaspora in der DDR im Zentrum.
Als
spendentransferierende Schleuse fungierte die Hauptvertretung des
Deutschen
Caritasverbandes in Berlin, für die auch die staatlich gewährten
Beihilfen der
Adenauer-Regierung essentiell waren, die sich dabei jedoch
gegenüber einer
politischen Vereinnahmung durch den offensiven Antisozialismus
derselben
zurückhielt. Mehr noch als in der westdeutschen Diaspora trugen
die
weltanschaulich konnotierten politischen Leitbilder hier zu einem
Aushandlungsprozess über die Nähe und Distanz zu den
Regierungssystemen auf
beiden Seiten bei. Von entscheidender Bedeutung war der Hinweis
auf den
sukzessiven Wandel in der Motivation dieser umfänglichen
Spendentätigkeit von der
ursprünglich leitenden Absicht, materielle Not zu lindern, hin zur
Zielsetzung,
der geistigen Armut der Zeit missionarisch entgegenzuwirken.
Zum Abschluss der Tagung gab HARTMUT BENZ (Köln) einen
informierten Überblick
über die Finanzpolitik des Heiligen Stuhls, in dem er methodisch
von der
Doppelstruktur der in zwei Hierarchien separierten
Finanzverwaltung von Vatikan
und Heiligem Stuhl ausging, dabei jedoch auch ein Schlaglicht auf
das Istituto
per le Opere di Religione (IOR) warf. Während er dabei die
Entwicklung der 1929
eingerichteten Amministrazione Speciale della Santa Sede (ASSS)
unter
Bernardino Nogara mit seiner konservativen Anlagestrategie und
umsichtigen
Finanzpolitik als Erfolgsmodell zeichnete, unterzog er die
radikale
Neuausrichtung der aus der Güterverwaltung des Heiligen Stuhls
hervorgegangenen
Amministrazione del Patrimonio della Sede Apostolica unter Paul
VI. auf
Grundlage der Enzyklika Populorum progressio einer
wirtschaftspolitisch
motivierten Kritik, die er insbesondere an der Begrenzung von
Kapitalbeteiligungen von IOR und ASSS, einer klientelistischen
Amtsführung und
einer undurchsichtigen Art der Entscheidungsfindung festmachte.
Als
„Lichtblicke“ im Gefolge massiver Kritik am Missmanagement der
vatikanischen
Finanzverwaltung erschienen bereits im Pontifikat Benedikts XVI.
erste Ansätze
zur Transparenzförderung, wie die Einrichtung der
Finanzaufsichtsbehörde
Autorità di Supervisione e Informazione Finanziaria 2010. Dabei
wurde für den
Pontifikat Papst Franziskus‘ eine Tendenz zur Zentralisierung der
Finanzverwaltung als charakteristisch konstatiert, die im
Zusammenhang mit der
Kurienreform mit einer Entmachtung des Staatssekretariats im
Bereich der
vatikanischen Finanzpolitik einhergehe.
Systeme der Kirchenfinanzierung, dies machte die Tagung deutlich,
sind stets
nur aus ihrem jeweiligen historisch-sozialen Kontext heraus zu
begreifen. Da
die immer weiter gewachsene Distanz insbesondere gegenüber
staatlich-kirchlichen Kooperationsformen und die damit
zusammenhängende
Verschiebung auch des politischen Diskurses somit nicht zuletzt
ein Problem
historischer Informiertheit darstellt, bot die sehr breit
gestaltete
Tagungskonzeption, die von der Mediävistik bis zur Zeitgeschichte
und von der
Kanonistik bis zu zentralen Fragen der Wirtschafts- und
Gesellschaftspolitik
reichte, eine auch grundlagenbezogene Orientierung in einem
hochaktuellen sowie
stark umkämpften Diskursfeld. Gerade der Blick auf historische
Entwicklungs-
und Übergangsprozesse zeigte hier, dass die in ein umfängliches
Geflecht aus
gewachsenen politischen wie gesellschaftlichen Faktoren
eingebettete
Finanzierung des kirchlichen Bedarfs letztlich auf eine organische
Fortentwicklung und Adaption bestehender Systeme an gewandelte
staats- wie
gesellschaftspolitische Umstände angewiesen ist, wobei sich
Theologie, Pastoral
und somit kirchliche Existenz auch in ihrer gesamtgesellschaftlich
relevanten
Dimension nicht von elementar funktionalen Finanzierungsgrundlagen
trennen
lassen.
Konferenzübersicht:
Dominik Burkard (Würzburg): „Ohne Moos nix los…“. Eine Einführung
Anna Ott (Mainz): Die Kirchensteuer. Entstehung und Wandel, Nutzen
und Probleme
Kirchenfinanzierung in der Vormoderne
Winfried Romberg (Würzburg): Das kirchliche Finanzwesen in der
Frühen Neuzeit.
Ein Forschungsaufriss (am Beispiel Würzburg)
Daniel Berger (Göttingen): Das Pfründenwesen im Mittelalter. Ein
Blick auf die
Stiftskirchen im Erzbistum Köln
Nikola Willner (Würzburg): Schicksal und Transformationen einer
mittelalterlichen Präbendestiftung
Harm Klueting (Köln): Die „tote Hand“. Kritik an Kirche und
Kirchenvermögen im
ausgehenden 18. Jahrhundert
Transformation der Kirchenfinanzierung im 19. und 20. Jahrhundert
Dominik Burkard (Würzburg): Der lange Atem der Säkularisation. Die
„Staatsleistungen“ als historisches Problem
Thomas Richter (Aachen): Zehntablösungen im 19. Jahrhundert.
Versuch eines
Überblicks
Gerhard Deißenböck (München): LIGA Bank eG und Klerusverband e. V.
Aus der Zeit
gefallen oder eine irdische Notwendigkeit ...?
Podiumsgespräch Generalvikar Clemens Stroppel (Rottenburg) im
Gespräch mit Paul
Kreiner (Stuttgart): Verfassungsvorgabe und politischer Wille. Zum
Stand der
von der Bundesregierung angestrebten Ablösung der Staatsleistungen
Peter Fleck (Aachen): Neue Staatsleistungen trotz Weimarer
Ablösungspostulat?
Die Finanzierung des Bistums Aachen 1929/30
Christoph Kösters (Bonn): Stille Wege von West nach Ost.
Unbekannte
Kirchenfinanzierung in der DDR
Hartmut Benz (Köln): „I can't run the Church with Hail Marys“.
Finanzen und
Finanzpolitik des Heiligen Stuhls
Zitation
Joachim Bürkle, Tagungsbericht: „Ohne Moos nix los …“
Kirchenfinanzierung im
Wandel der Zeiten, In: H-Soz-Kult, 29.02.2024, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-142343>.