Monatsdigest

[Regionalforum-Saar] Sebastianstag 2024

Date: 2024/01/01 19:02:25
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Sebastianstag 2024

Am Samstag, 20. Januar 2024, begeht die St. Sebastianus-Bruderschaft St. Wendel ihren 583. Jahrestag.
Seit dem Jahr 1441 unterstützen die St. Wendeler Bruderschaftsmitglieder, Frauen und Männer, diskret und verschwiegen in Not geratene Mitbürger der Kernstadt St. Wendel, ohne Ansehen sozialer oder konfessioneller Zugehörigkeit. Die Bruderschaft, die über die Mitgliederlisten seit dem Mittelalter verfügt, sieht sich, obwohl von ihrer Gründung her katholisch geprägt, als überkonfessionell. Die am Bruderschaftstag, dem Fest der heiligen Sebastian und Fabian, im „Vaterhaus“, Hotel Angel‘s am Fruchtmarkt, eingesammelten Spendengelder werden ausnahmslos an Bedürftige im Bereich der Stadt St. Wendel verteilt.

Der Patronatstag beginnt um 9.30 Uhr mit einem festlichen Gottesdienst, der für die lebenden und verstorbenen Mitglieder der Bruderschaft in der Basilika St. Wendelin gefeiert wird.

In der Feierstunde, die für 18.00 Uhr im Vaterhaus [Hotel Angel‘s am Fruchtmarkt] vorgesehen ist, hält Brudermeister Anton Stier seinen Jahresbericht und das Totengedenken.

Im Anschluss hält Dr. Franz-Josef Kockler den diesjährigen Festvortrag: „Lohgerbung, ein ausgestorbenes St. Wendeler Handwerk, erzählt am Beispiel der Gerberei Kockler (1750-1962)“. Der Vortrag wird als Powerpoint-Präsentation gehalten und der Festredner zeigt auch etliche Fotos aus der Zeit der Gerberei.

Eine Anmeldung ist nicht notwendig; der Eintritt ist frei. Spenden sind gern gesehen; Mitgliedschaften auch.

Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger


Re: [Regionalforum-Saar] Sebastianstag 2024

Date: 2024/01/01 20:31:48
From: Christa Lippold <franzundchrista(a)t-online.de>

Sehr interessant! Die Bruderschaften waren als Laien- Bewegungen, scheint mir, immer weniger dogmatisch als die offizielle Kirche. Sie wurden öfter misstrauisch angesehen hinsichtlich ihrer Rechtgläubigkeit. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie sich heute als überkonfessionell betrachten.
Der Vortrag ist auch interessant. Meine Vorfahren in Thorn waren Lohgerber. Wie und wann die Gerber die Lohe aufgaben und andere Mittel verwendeten, würde mich sehr interessieren. 
Allen, die hier mitlesen, aber besonders Ihnen, treuer Korrespondent, ein glückliches Neues Jahr! Christa Lippold 



Von meinem/meiner Galaxy gesendet


-------- Ursprüngliche Nachricht --------
Von: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Datum: 01.01.24 19:12 (GMT+01:00)
An: Stefan Reuter via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>, saarland-l(a)genealogy.net, Hunsrueck-L <hunsrueck-l(a)genealogy.net>, Pfalz-L <pfalz-l(a)genealogy.net>
Betreff: [Regionalforum-Saar] Sebastianstag 2024

Sebastianstag 2024

Am Samstag, 20. Januar 2024, begeht die St. Sebastianus-Bruderschaft St. Wendel ihren 583. Jahrestag.
Seit dem Jahr 1441 unterstützen die St. Wendeler Bruderschaftsmitglieder, Frauen und Männer, diskret und verschwiegen in Not geratene Mitbürger der Kernstadt St. Wendel, ohne Ansehen sozialer oder konfessioneller Zugehörigkeit. Die Bruderschaft, die über die Mitgliederlisten seit dem Mittelalter verfügt, sieht sich, obwohl von ihrer Gründung her katholisch geprägt, als überkonfessionell. Die am Bruderschaftstag, dem Fest der heiligen Sebastian und Fabian, im „Vaterhaus“, Hotel Angel‘s am Fruchtmarkt, eingesammelten Spendengelder werden ausnahmslos an Bedürftige im Bereich der Stadt St. Wendel verteilt.

Der Patronatstag beginnt um 9.30 Uhr mit einem festlichen Gottesdienst, der für die lebenden und verstorbenen Mitglieder der Bruderschaft in der Basilika St. Wendelin gefeiert wird.

In der Feierstunde, die für 18.00 Uhr im Vaterhaus [Hotel Angel‘s am Fruchtmarkt] vorgesehen ist, hält Brudermeister Anton Stier seinen Jahresbericht und das Totengedenken.

Im Anschluss hält Dr. Franz-Josef Kockler den diesjährigen Festvortrag: „Lohgerbung, ein ausgestorbenes St. Wendeler Handwerk, erzählt am Beispiel der Gerberei Kockler (1750-1962)“. Der Vortrag wird als Powerpoint-Präsentation gehalten und der Festredner zeigt auch etliche Fotos aus der Zeit der Gerberei.

Eine Anmeldung ist nicht notwendig; der Eintritt ist frei. Spenden sind gern gesehen; Mitgliedschaften auch.

Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger


[Regionalforum-Saar] Der Lothringische Amtmann Payen zu Tholey.

Date: 2024/01/02 12:07:33
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Der Lothringische Amtmann Payen zu Tholey.

Folgender Vorfall, welcher vom Pater Benedikt Burg aus Trier, weiland Profeß der Abtei Tholey und Propst zu Werdenstein, um das Jahr 1775 aufgezeichnet wurde, und demselben mit wenigen Abänderungen hier nacherzählt wird, dürfte für die Leser des Wochenblattes nicht ohne Interesse sein.

„Die Herrschaft Werdenstein, zu welcher Hobstetten, Bleiderdingen, Weiersbach, Leizweiler, Heimbach und früherhin noch viele andere Orte unserer Gegend auf beiden Seiten der Nahe gehörten, besaß im ersten Viertel des vorigen Jahrhunderts Christian von Rossillon als Lothringisches Lehen. In den Jahren 1727 bis 1730 entstanden in der ganzen Herrschaft erstaunliche Grenzstreitigkeiten mit den Nachbarn und Bauernkrieg, also daß auch Einige todt blieben. Herr von Rossillon wehrte sich mit seinen Unterthanen anfänglich rechtschaffen, und, obgleich drei Lothringische und Zweibrückische Commissionen zu Freisen geschahen, so behauptete er sein Land=, sein Holzungs= und Jagdrecht auf dem Früdesweiler Bann. Endlich erhielt der schalklistige Amtskeller Haud von Nohfelden vom Herzog Gustav von Zweibrücken den Befehl, ihn mit List gefangen zu nehmen und zu überliefern, und der Streich wurde folgendermaßen gespielt:
Der Pfarrer Euler zu Wolfersweiler war gut Freund mit Herrn von Rossillon und lud ihn eines Tags höflichst zum Mittagessen ein. Er erschien und zugleich der Amtskeller Haud; man divertirte sich aufs Beste und trieb an zum Trinken bis gegen Abend. Als Christian nun nach Hause wollte, hieß es verstellter Weise: „Noch eins, Herr Nachbar! Sie müssen noch trinken, wir lassen Sie nicht gehen, wir halten Sie hier in Arrest, Sie müssen über Nacht bleiben!“ worauf er jedoch erwiederte; „ich kann nicht, ich muß nach Hause.““. Endlich, da die Wache zur Hand und Alles in Ordnung war, sagte man ihm im Ernst, daß er Arrestant sei, und legte ihm, als er es nicht glaubte und es für Kurzweil hielt, den Herzoglichen Befehl vor und sagte ihm die Ursache. Er gerieth nun in Eifer und sprach: „Das ist kein ehrlicher Streich! gebt mir Papier und Feder her, auf daß ich dem Amtmann Payen und meiner Frau hiervon Nachricht geben kann.“ Dies wurde ihm erlaubt, er schickte noch in der Nacht seinen Bedienten zu Pferde auf das Schloß Schaumburg, und wurde dann einige Stunden nachher auf Nebenwegen und wohl verwahrt nach Cusel geführt.
Des Morgens kam die Antwort des Amtmanns Payen zu Schaumburg, der ein alter Offizier und Lothringer war, auch die Juden zuerst henken ließ, und dann den Prozeß instruirte; er tröstete und munterte Herrn von Rossillon auf, versprach ihm baldige Erlösung und erinnerte ihn besonders einen recht cavaliermäßigen Tisch zu führen, woran täglich 10 bis 12 Personen wären; er wolle ihm in diesen Tagen Geld schicken, um solchen bestreiten zu können. In der That fiel Payen am folgenden Tage mit seinen Hatschieren, und Bauern des Tholeyer und Bliesener Kirchspiels auf den Bann von Eizweiler, Zweibrückischen Gebiets, und nahm die ganze Heerde Kühe jung und alt hinweg, führte Alles nach Freisen und versteigerte es öffentlich, so gut er konnte. Das Geld aber wurde Tags darauf an Herrn von Rossillon geschickt, mit der Zusicherung, wenn dasselbe verzehrt wäre, noch Mehreres senden zu wollen.
Die Lothringischen Berichte gingen nun nach Lüneville, die Nohfeldischen nach Zweibrücken; weil man aber dort den Amtmann Payen und seine Gewalt kannte, so wurde beschlossen, dem Herrn von Rossilon seine Freiheit wieder zu geben, aus Furcht, daß er noch mehrere Heerden Kühe verzehren könnte. Er kam also nach wenigen Tagen nach Schloß Werdenstein zurück, und späterhin wurde 1730 der ganze Grenzstreit— obwohl nicht zu seinem Vortheile— durch Commissarien geschlichtet.

Quelle: Wochenblatt für die Kreise St. Wendel und Ottweiler 9.1.1839

Re: [Regionalforum-Saar] Der Lothringische Amtmann Payen zu Tholey.

Date: 2024/01/02 13:42:46
From: gerald-sabine . linn <gerald-sabine.linn(a)t-online.de>

Hallo Roland,
alles Gute für das Jahr 2024.
Schön, dass du immer wieder über den Tellerrand schaust und wohl an uns denkst.
Danke für den Bericht,
Sabine Linn, Vorsitzende vom Heimatverein Eitzweiler

Am 02.01.2024 12:07 schrieb Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>:

Der Lothringische Amtmann Payen zu Tholey.

Folgender Vorfall, welcher vom Pater Benedikt Burg aus Trier, weiland Profeß der Abtei Tholey und Propst zu Werdenstein, um das Jahr 1775 aufgezeichnet wurde, und demselben mit wenigen Abänderungen hier nacherzählt wird, dürfte für die Leser des Wochenblattes nicht ohne Interesse sein.

„Die Herrschaft Werdenstein, zu welcher Hobstetten, Bleiderdingen, Weiersbach, Leizweiler, Heimbach und früherhin noch viele andere Orte unserer Gegend auf beiden Seiten der Nahe gehörten, besaß im ersten Viertel des vorigen Jahrhunderts Christian von Rossillon als Lothringisches Lehen. In den Jahren 1727 bis 1730 entstanden in der ganzen Herrschaft erstaunliche Grenzstreitigkeiten mit den Nachbarn und Bauernkrieg, also daß auch Einige todt blieben. Herr von Rossillon wehrte sich mit seinen Unterthanen anfänglich rechtschaffen, und, obgleich drei Lothringische und Zweibrückische Commissionen zu Freisen geschahen, so behauptete er sein Land=, sein Holzungs= und Jagdrecht auf dem Früdesweiler Bann. Endlich erhielt der schalklistige Amtskeller Haud von Nohfelden vom Herzog Gustav von Zweibrücken den Befehl, ihn mit List gefangen zu nehmen und zu überliefern, und der Streich wurde folgendermaßen gespielt:
Der Pfarrer Euler zu Wolfersweiler war gut Freund mit Herrn von Rossillon und lud ihn eines Tags höflichst zum Mittagessen ein. Er erschien und zugleich der Amtskeller Haud; man divertirte sich aufs Beste und trieb an zum Trinken bis gegen Abend. Als Christian nun nach Hause wollte, hieß es verstellter Weise: „Noch eins, Herr Nachbar! Sie müssen noch trinken, wir lassen Sie nicht gehen, wir halten Sie hier in Arrest, Sie müssen über Nacht bleiben!“ worauf er jedoch erwiederte; „ich kann nicht, ich muß nach Hause.““. Endlich, da die Wache zur Hand und Alles in Ordnung war, sagte man ihm im Ernst, daß er Arrestant sei, und legte ihm, als er es nicht glaubte und es für Kurzweil hielt, den Herzoglichen Befehl vor und sagte ihm die Ursache. Er gerieth nun in Eifer und sprach: „Das ist kein ehrlicher Streich! gebt mir Papier und Feder her, auf daß ich dem Amtmann Payen und meiner Frau hiervon Nachricht geben kann.“ Dies wurde ihm erlaubt, er schickte noch in der Nacht seinen Bedienten zu Pferde auf das Schloß Schaumburg, und wurde dann einige Stunden nachher auf Nebenwegen und wohl verwahrt nach Cusel geführt.
Des Morgens kam die Antwort des Amtmanns Payen zu Schaumburg, der ein alter Offizier und Lothringer war, auch die Juden zuerst henken ließ, und dann den Prozeß instruirte; er tröstete und munterte Herrn von Rossillon auf, versprach ihm baldige Erlösung und erinnerte ihn besonders einen recht cavaliermäßigen Tisch zu führen, woran täglich 10 bis 12 Personen wären; er wolle ihm in diesen Tagen Geld schicken, um solchen bestreiten zu können. In der That fiel Payen am folgenden Tage mit seinen Hatschieren, und Bauern des Tholeyer und Bliesener Kirchspiels auf den Bann von Eizweiler, Zweibrückischen Gebiets, und nahm die ganze Heerde Kühe jung und alt hinweg, führte Alles nach Freisen und versteigerte es öffentlich, so gut er konnte. Das Geld aber wurde Tags darauf an Herrn von Rossillon geschickt, mit der Zusicherung, wenn dasselbe verzehrt wäre, noch Mehreres senden zu wollen.
Die Lothringischen Berichte gingen nun nach Lüneville, die Nohfeldischen nach Zweibrücken; weil man aber dort den Amtmann Payen und seine Gewalt kannte, so wurde beschlossen, dem Herrn von Rossilon seine Freiheit wieder zu geben, aus Furcht, daß er noch mehrere Heerden Kühe verzehren könnte. Er kam also nach wenigen Tagen nach Schloß Werdenstein zurück, und späterhin wurde 1730 der ganze Grenzstreit— obwohl nicht zu seinem Vortheile— durch Commissarien geschlichtet.

Quelle: Wochenblatt für die Kreise St. Wendel und Ottweiler 9.1.1839


[Regionalforum-Saar] Wer unterschreibt denn da?

Date: 2024/01/02 23:12:10
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Es gehen bei dem Justiz=Minister so viele Vorstellungen, Berichte, Verfügungen, sogar gerichtliche Urkunden ein, deren Unterschriften nicht zu lesen sind, daß sich derselbe genöthigt sieht, sämmtliche Landes=Justiz=Collegien dringend aufzufordern, darauf zu halten, daß die ihnen untergeordneten Beamten nicht die Mühe scheuen, ihre Namen wenigstens leserlich zu schreiben. Es erfordert dies ohnehin die Achtung, die sie ihrer Stellung, ihren Vorgesetzten und dem Publikum schuldig sind; hauptsächlich aber das Interesse des Dienstes, damit die stets wiederkehrende Ungewißheit über die Bedeutung der gewählten Züge, Schnörkel und anderen räthselhaften Zeichen ein Ende nimmt, aus denen sich die verschiedenartigsten Namen herausdeuten lassen.
Berlin den 14. Februar 1839.
Der Justiz=Minister gez. Mühler.

Quelle: Wochenblatt für die Kreise St. Wendel und Ottweiler und die umliegenden Orte, St. Wendel den 13. März 1839

[Regionalforum-Saar] Saarland: „Gebietsreform von 1974 im Großen und Ganzen gut gelaufen“

Date: 2024/01/04 07:55:41
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

vorgestern in der SZ:


Saarland: „Gebietsreform von 1974 im Großen und Ganzen gut gelaufen“

Vor 50 Jahren wurden aus 345 Gemeinden im Saarland 50 Landesplaner: „Gebietsreform von 1974 im Großen und Ganzen gut gelaufen“ – es gibt aber Ausreißer

Interview | Saarbrücken · Vor genau 50 Jahren veränderte die große Gebietsreform das Saarland: Aus 345 Gemeinden wurden 50. Professor Peter Moll arbeitete damals an den Plänen mit. Im SZ-Interview gewährt er Einblicke in die damaligen Überlegungen und erklärt, was gut gelaufen ist und was nicht – und was sich heute noch daraus lernen lässt.

Von Daniel Kirch Chefkorrespondent Landespolitik

Vor 50 Jahren, am 1. Januar 1974, trat die bisher größte Strukturreform der Saar-Geschichte in Kraft: Die Gebiets- und Verwaltungsreform, die leistungsfähige kommunale Einheiten schaffen sollte, machte aus 345 Gemeinden nur noch 50. Gegen zum Teil erhebliche Widerstände setzte Innenminister Ludwig Schnur (CDU), der in seinem früheren Leben selbst einmal Bürgermeister war, die Reform durch.

Einer seiner Zuarbeiter damals war Peter Moll. Der Geograf und Landesplaner arbeitete als Beamter in der Abteilung Raumordnung der Obersten Landesbaubehörde, die dem Innenministerium unterstand, am Konzept für die Gebietsreform mit. Im SZ-Gespräch blickt der heute 85-jährige Geografie-Professor und pensionierte Leitende Ministerialrat aus Dudweiler zurück.

Herr Professor Moll, was war damals Ihr Auftrag?

MOLL Wir hatten uns die Gebietszuschnitte und Verwaltungszentren der künftigen Gemeinden zu überlegen, also die räumliche Ordnung der neuen kommunalen Landschaft. Unser Ansatz war, um die zentralen Orte herum die neuen Gemeinden zu bilden. Natürlich überlegten die Parteien auf einer ganz anderen Ebene, wie sich die Zusammenlegung von Gemeinden auf die politischen Mehrheiten auswirken würde. Das war aber nicht unser Geschäft.

MOLL Wir haben in einem Gutachten des Geografischen Instituts der Universität des Saarlandes auf Basis einer groß angelegten Befragung die Einkaufsbeziehungen der saarländischen Bevölkerung untersuchen lassen. Das Ergebnis beantwortete zwar nicht alle Fragen, aber es war eine sehr brauchbare Grundlage, quasi auf der Basis einer Abstimmung der Bevölkerung mit den Füßen die räumlichen Zugehörigkeitszonen zu ermitteln.

Welche Rolle hat die öffentliche Infrastruktur gespielt? Hat man sich auch angeschaut, wo es zum Beispiel schon Turnhallen oder Schulen gab?

MOLL Ja, selbstverständlich. Es wurde außerdem eine Kommission nach dem sogenannten Vorschaltgesetz eingerichtet, die die zahlreichen Infrastruktur-Projekte, die die bisherigen Gemeinden im Vorfeld der vorgesehenen Neuordnung noch schnell realisieren wollten, zu überprüfen hatte. Der Vertreter der Landesplanung in dieser Kommission, ein Volkswirt, kam manchmal mit gesträubten Haaren zurück und berichtete: Überall sollen jetzt noch ein Hallenbad oder eine Mehrzweckhalle oder auch nur Leichenhallen gebaut werden – wenn die Gemeinden berechnen würden, wie hoch die Betriebs- und Unterhaltungskosten dieser Infrastruktur auf Dauer sein werden, würden sie sehen, dass ihre Haushalte daran zugrunde gehen. Es gab vielerorts die politische Überlegung: Die Bevölkerung muss die Neuordnung akzeptieren, und um sie ruhigzustellen, kriegen sie halt ihre Hallen. Dem sollte die Kommission einen Riegel vorschieben. Ihre Voten waren nicht sehr beliebt.

Ein Teil der heutigen finanziellen Probleme der Kommunen hat ihren Ursprung also in der Gebietsreform von 1974, weil überall noch schnell öffentliche Einrichtungen gebaut wurden?

MOLL Ja, so ist es. Es gab Gemeinden mit nur 10000 Einwohnern, die plötzlich ein Hallenbad bauen wollten. Das sieht doch jeder, dass das nicht gut geht, dafür reichen Steueraufkommen und Gebühren auf keinen Fall. Ein weit verbreitetes Rechenkunststück bestand darin, dass die potenziellen Einzugsgebiete großzügig über den tatsächlichen Wirkungsbereich des betreffenden Zentralorts hinaus in die Nachbargemeinden hinein ausgedehnt wurden. Danach hätte das Saarland plötzlich fast eine Verdoppelung seiner Einwohnerzahl gehabt.

Hatten Sie Vorgaben, was die Größe der neu zu bildenden Gemeinden betrifft?

MOLL Innenminister Ludwig Schnur hatte Frido Wagener, Professor an der Verwaltungshochschule Speyer, mit einem Neuordnungs-Gutachten beauftragt. Nach dessen Empfehlung sollten die künftigen Gemeinden im Verdichtungsraum mindestens 15.000 Einwohner haben, damit sie ihre modernen Verwaltungen finanzieren könnten, im ländlichen Raum 8000 Einwohner. Das hat hier und da zu Problemen geführt, zum Beispiel im Falle Friedrichsthal und Quierschied.

Sie hatten empfohlen, Friedrichsthal und Quierschied mit anderen Kommunen zusammenzulegen?

MOLL Wir hatten eine große Stadt „Sulzbachtal“ vorgeschlagen, bestehend aus Sulzbach, Friedrichsthal, Quierschied und Dudweiler. Allerdings war eine politische Vorentscheidung getroffen worden, Dudweiler Saarbrücken zuzuschlagen. Das Ziel war, dass Saarbrücken als Landeshauptstadt mindestens 200.000 Einwohner haben sollte. Dazu brauchte man Dudweiler mit seinen damals 25000 Einwohnern.

Wie wurde entschieden, wie die neuen Gemeinden heißen?

MOLL Grundlage war für uns die zentralörtliche Gliederung: Alle Orte, die von der Bevölkerung als Versorgungsorte genutzt wurden, also wo es zum Beispiel Ärzte, Einzelhandel und weiterführende Schulen gab, sollten Namensgeber der neuen Gemeinden sein. Wo man sich nicht einigen konnte, hat man sich neue Namen ausgedacht, etwa bei der Gemeinde Mandelbachtal. Eine Gemeinde mit diesem Namen gab es ja vorher nicht.

In Rehlingen-Siersburg wurde die Namensfrage über Jahre hinweg emotional diskutiert.

MOLL Das habe ich mit Staunen und innerer Belustigung zur Kenntnis genommen. Dass die Gemeinde so zugeschnitten wurde, war in Ordnung. Man hätte ihr aber auch einen ganz anderen Namen geben können, zum Beispiel Gemeinde Niedtal.

INFO Aus 345 Gemeinden wurden 50, später 52

Die vor der Gebietsreform 1974 bestehenden 345 Gemeinden wurden zu 50 Einheitsgemeinden zusammengeschlossen. Außerdem wurden die Landkreise Homburg und St. Ingbert zum Saarpfalz-Kreis zusammengelegt, der Landkreis Saarbrücken und die damals kreisfreie Stadt Saarbrücken zum Stadtverband Saarbrücken. Der Landkreis Ottweiler wurde in Landkreis Neunkirchen umbenannt.

Mehrere Gemeinden, die ihre Eigenständigkeit verloren, zogen vor das Verfassungsgericht des Saarlandes – ohne Erfolg. Rohrbach (St. Ingbert) kämpfte sogar bis 1999 für seine Eigenständigkeit und scheiterte schließlich vor dem Bundesverfassungsgericht.

In einem Fall wurde die Gebietsreform nachträglich korrigiert: Nach Widerständen in der Bevölkerung wurden 1981 die Gemeindebezirke Bous und Ensdorf aus der Gemeinde Schwalbach ausgegliedert und wieder eigenständig. Somit gibt es seither 52 Kommunen.

Waren Sie mit der Gebietsreform, wie sie beschlossen wurde, zufrieden oder wurde Ihnen zu viel politisch hineingepfuscht?

MOLL Kurz bevor die Gebietsreform in den Ministerrat und dann in den Landtag kam, hat Innenminister Schnur uns alle, die daran mitgearbeitet hatten, zusammengerufen und eine Bitte an uns gerichtet: Jeder sollte sich in sein Kämmerlein zurückziehen und ihm eine persönliche Beurteilung schreiben, was er an der vorbereiteten Reform gut fand und was nicht. Ich habe ihm auf einer Seite geschrieben, dass die Reform insgesamt sehr gut vorbereitet war und meine Hinweise im Großen und Ganzen berücksichtigt waren. So würde ich das auch heute noch sehen. Die saarländische Gebietsreform ist – einschließlich späterer Nachkorrekturen – im Großen und Ganzen tatsächlich gut gelaufen. Es gibt nur wenige Ausreißer. Im Verdichtungsraum haben zum Beispiel Ensdorf nur rund 6000, Bous 7000, Nalbach 9000 Einwohner, Friedrichsthal und Merchweiler je rund 10000 statt der Regelgröße 15000.

Was kann man für die Gegenwart daraus lernen?

MOLL Man sollte sich nach den Erfahrungen, die man mit falschen Standortentscheidungen bezüglich der kommunalen Infrastruktur gemacht hat, damit vertraut machen, die eine oder andere Einrichtung fallen zu lassen, bevor sie mit hohem Aufwand modernisiert oder gar erneuert werden muss. Wenn eine solche Entscheidung ansteht, sollte man sich überlegen: Brauchen wir das alles unbedingt? Das ist eine schwierige Diskussion. Wir haben im Saarland ein sehr aktives Vereinsleben, wofür verständlicherweise zum Beispiel viele Mehrzweck- und Schwimmhallen nachgefragt werden. Man kann aber nicht sagen: Bevor wir finanziell völlig ausbluten, sehen wir zu, dass wir eine tolle kommunale Ausstattung mit Hallen haben. Dafür wäre ein Planungsrahmen, den das Land setzt, zweckmäßig. Ansätze dazu hat es zwar gegeben, sie sind aber nicht zum Abschluss gebracht worden.

[Regionalforum-Saar] Die Abtei Tholei und der Partisan Mentzel während des Oestereichischen Successions= Kriegs .

Date: 2024/01/04 12:33:38
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Die Abtei Tholei und der Partisan Mentzel während des Oestereichischen Successions= Kriegs.

(Nach der gleichzeitigen Erzahlung eines Geistlichen dieses Klosters, P. Benedikt Burg.)

Nach dem Tode Kaisers Karl VI. (1740) begann der Böhmische und Oestereichische Successions=Krieg, an welchem die Franzosen für den Baierischen Kaiser Karl VII. gegen Oestereich Antheil nahmen. Gleich zu Anfang des Frühjahrs marschirten sehr viele derselben theils durch Tholey, theils durch St. Wendel auf Mainz und von da nach Böhmen. Der Marsch gieng hier zwei Jahre lang dann und wann in guter Ordnung vorbei; man mußte Fourage und Quartier liefern, und die Abtei hatte öfters großen Ueberlauf von der Französischen Generalität und Offizieren. Endlich wendete sich das Glück von allen Seiten für Oestereich, besonders durch die außerordentliche Anstrengung der treuen Ungarischen Nation. Die Franzosen und ihre Alliirten verloren eine Schlacht und ein Oestereichisches eingenommenes Land nach dem andern; endlich nach der Schlacht bei Dettingen (27. Juni 1743) retirirten sie über den Rhein und zogen sich in das Elsaß. Die Kaiserlichen rückten langsam auf der andern Seite des Rhein's nach und vereinigten sich mit der Armee des Prinzen Karl von Lothringen und des General Khevenhüller, welche die Franzosen aus Baiern und Schwabenland verjagt hatten.

Den 20. August 1744 kam der Oestereichische Oberst [Johann Daniel von ] Mentzel mit einem Detaschement von ungefähr 600 Mann, wobei Einige von seinem Regimente und ein Oberstlieutenant von den Raizen, so wie die Freicompagnie des Wittenbach waren, Mittags um 12 Uhr ganz unvermuthet in Tholey an. Sie hatten die Nacht zuvor im Oberstein'schen gelegen, und waren jedesmal so vorsichtig, daß sie Niemand, der gen Lothringen oder Frankreich gehen wollte, passiren ließen. Wir saßen noch im alten Refektorium, woraus jetzt die Küche gemacht worden, zu Tische, als des Prälaten d'Hame Bedienter ganz importun [unpassend] anklopfte; Verfasser dieses, der damals Tischmeister war, ging hinzu, da sagte derselbe ganz erschrocken und verwirrt, es sei geheime Nachricht von Gonnesweiler vom Herrn von Feignies eingegangen, daß der genannte Mentzel eben ankommen werde, die Avantgarde sei schon im Dorfe. Alles stand vom Tische auf, wir gingen, wie gewöhnlich nach dem Essen, in die Kirche, aber der Pater Cuno Wolf, damals Prior, sagte zu uns, wir sollten mit ihm gehen, den General zu empfangen.

Als wir eben an die Pforte kamen, sahen wir ihn und neben ihm den Herrn von Feignies [Florentius de Latre de Feignies 1705-1758] ankommen; die Avantgarde stieß in ihre Trompeten, er aber rief: still! stieg an der Pforte vom Pferde, und weil er den P. Theobert Martini für den Herrn Prälaten, der noch nicht gegenwärtig war, versah, so sagte er: „Hochwürdiger Herr Prälat, wir haben ganz Batern ausgeschmauset, jetzt kommen wir ins Lothringische; Fressen und Saufen genug her für meine Leute, denn sie sind von dem schweren Marsche ganz ermattet!“ Der P. Prier, nachdem Mentzel wegen des Fehlers informirt war, nahm das Wort und präsentirte das Möglichste, was Haus und Keller vermöge. Wir giengen neben ihm bis mitten in den Vorhof der Abtei; die Truppen marschierten uns nach herein, er aber wendete sich um und schrie: „Man soll campiren! wo ist der Amtmann hier vom Lande?“ Eben kam er vom Schaumberg herunter. Einige Schritte vor der Abtei trat ihm der Prälat entgegen, er wiederholte sein voriges Compliment;— ich muß von ihm sagen, daß er jedesmal großen Respekt gegen die Geistlichkeit zeigte. Dann schrie er abermals: „Was ist das für ein Teufelsweg! der Amtmann soll (rief er seinem Adjutanten zu,) augenblicklich das ganze Amt commandiren, den Weg so in Stand zu setzen, daß die ganze Armee und Artillerie morgen gemächlich durchpassiren kann; sonst wird er an den ersten Baum gehängt!“ Wahrlich ein Schreier und Bärenhäuter, indem er Jeden glauben machen wollte, als wäre die ganze Oestereichische Armee dicht hinter ihm.

Amtmann Payen kam herbei. Die Reiterei lagerte sich auf unserm Brühl, wo der Grummet noch ungemäht stand, die Infanterie des Wittenbach wurde ins Dorf logirt, Wachen auf allen Straßen doppelt ausgestellt und Ordonnanzen abgeschickt, daß die Alsweilerer, Marpinger, Winterbacher und Bliesthaler Brod, Fleisch und Käse bringen sollten, was auch geschah. Die Abtei mußte, außer dem starken Ueberlauf der Offiziere, 40 Malter Hafer und eine Ohm Wein, so wie das vorräthige Brod, jedoch gegen Quittung des Amtmanns, daß Alles vom Amte vergütet werden solle (was indessen bis zu dieser Stunde nicht geschehen) Herausgeben. Um halb zwei ging der Oberst mit seiner Gesellschaft zu Tisch, alle Trompeter machten unterdessen Musik; er blieb beständig mit unbedecktem Haupte, informirte sich, wie weit es nach Saarlouis sei und von da nach Blombiere, wo damals der aus England zurückgekommene Marschall Bellisle im Bade war. Es war seine Absicht, diesen abermals zu fangen; man mußte ihm eine Landkarte bringen, worauf er sich jedoch von der Unausführbarkeit überzeugte, da seine Leute und Pferde zu einem so weiten Zuge zu sehr ermattet waren.— Mentzel
schmauste und„soff capital“ bis gegen fünf Uhr; da wurde Retraite geblasen und befohlen, daß Alles sich zur Ruhe begeben solle, um daß man um 11 Uhr weiter marschiren könne. Er ging ebenfalls schlafen, würde jedoch um halb zehn Uhr wieder geweckt und setzte sich dann abermals zu Tisch, während dessen er einen von ihm unterschriebenen und besiegelten Schutzbrief für die Abtei expedirte.

Um elf Uhr ward Allarm geblasen; Mentzel ließ sich in der Abtei wohl sein und endlich etwas vor Mitternacht zog Alles wieder ab, und er nahm zwei Bürger aus Tholey als Wegweiser mit, welche beständig neben ihm reiten mußten, während die Infanterie auf Wagen geführt wurde; unterwegs fragte er jene Leute aus, und erklärte, er wolle Saarlouis überrumpeln, was sie ihm, so gut sie konnten, in Betracht seiner wenigen Mannschaft widerriethen. Hinter dem Hotzberg, da ihm „der Dusel““ ein wenig vergangen war, machte er Halt, und hielt Kriegsrath mit seinen Offizieren, worauf beschlossen wurde, 200 Mann sollten gen Saarlouis ziehen, um dortige Magazine anzuzünden, und Er solle mit den andern zu Rehlingen die Saar passiren, um den alten Gallot in Fremersdorf zu fangen. Keines von beiden glückte jedoch.

In Fraulautern erbeutete Wittenbach zwar die Pferde einiger, in die Abtei gepflüchteter Franzosischer Offiziere, aber an der Barriere von Saarlouis fanden sie Alles geschlossen und schon Truppen gegen sie commandirt. Nach einem blinden Feuer zogen sich die Husaren nach Dillingen, ohne verfolgt zu werden. Gallot zeigte dem Obersten Mentzel seine letzte Capitulation als Oestereichischer Gefangener, worauf dieser sich bei ihm lustig machte. Indessen schießen die diesseits der Saar gebliebenen Husaren auf den Französischen Husaren=Rittmeister Jacquot, der ruhig mit seinem Diener von Merzig nach Hause ritt und schossen ihn augenblicklich nieder, was Mentzel sehr missbilligte.

Mentzel zog auf die Nachricht, daß gegen 400 Malter Hafer für die Franzosen zu Ottweiler lägen, noch desselben Tags dorthin, nachdem er vorher etwa 50 Mann nach Nittel an der Mosel detaschirt, um sich mit einigen seiner Truppen, die von Trarbach an Trier vorbei passirt waren, zu vereinigen; diese nahmen daselbst Geiseln und alles königliche und kirchliche Geld, Silber u. s. w. weg und führten sie nach Worms ins kaiserliche Hauptquartier. Den Hafer ließ Mentzel aus Ottweiler sogleich durch Lothringische und Nassauische Fuhrleute nach Trarbach fahren und zog sich nach St. Wendel, wo er einige Tage blieb, während ein Theil seiner Leute in der Gegend von Oberkirchen lag. Er schrieb hier Contributions= Gelder und Fourage=Lieferungen durch ganz Deutsch=Lothringen aus, letztere geschahen täglich, erstere aber verzögerten sich. Da der Fürst von Saarbrücken damals ein Regiment in Französischen Diensten hatte, so beschloß er, sich an demselben zu rächen, was er zu Ottweiler, wo die alte Gräfin von Hanau noch lebte, aus Respekt nicht hatte thun wollen; er marschirte daher gen Saarbrücken, und seine Avantgarde nahm unterwegs in St. Ingbert einige Französische Husaren gefangen, er verweilte sich aber dadurch so, daß er hierher St. Johann, wo der alte Weg im Walde den Berg herunter geht und Alles daher abgestiegen war, plötzlich sich dem Feuer eines Detaschements der Französischen Freicompagnieen ausgesetzt sah, wodurch 8 Raizen, die vor ihm gingen, theils getödtet, theils verwundet wurden.
Mentzel rief augenblicklich: „Zu Pferde! Panduren, avancirt!“ Seine Leute gaben aus den kurzen, vorn sehr weiten Gewehren, in die man 6 bis 8 Kugeln laden kann und die noch jetzt hier zu Lande Mentzel genannt werden, Feuer, und die Franzesen retirirten weiter in das Gebüsch. Er machte nun Halt, ließ ringsher patrouilliren und die Todten und Verwundeten aufpacken, und schickte dann ein Detaschement gegen St. Johann, das indessen, ohne etwas auszurichten, rapportirte, daß Alles von Franzosen besetzt sei, die von Saargemünd aus sich dahin gezogen.
Er kehrte nun nach St. Wendel zurück, arretirte dort die abermals beorderten Haferfuhren und nahm den Lothringischen Bauern 43 der besten Pferde mit Gewalt weg, obwohl unter dem Versprechen, daß die Königin von Ungarn sie bezahlen werde. Dann marschirte er mit einem Detaschement seiner besten Truppen, während die übrigen in dortiger Gegend und in Oberkirchen blieben, gegen Landau, um Magazine zu zerstören; er hatte aber, als er dies Nachts ausführen wollte, das Unglück in einem Laufgraben ein Bein zu brechen und retirirte nun nach Zweybrücken, wo er blieb, bis er durch den alten Meister Nagel aus Bärenbach bei Kirn curirt war. Seine Truppen kamen abermals in St. Wendel zusammen, und da sie nun ohne Haupt und überdies gleichsam eine aus allerlei Nationen zusammengezogene Bande von Spitzbuben waren, so war Jeder vom Größten bis zum Geringsten nur auf Beute und Raub bedacht. Die ausgeschriebenen Contributionen wurden eingetrieben, und namentlich kamen ungefähr 200 Husaren nach Tholey, von denen 25 Mann auf Schloß Schaumburg beordert wurden, um den Amtmann Payen, welcher jedoch, durch seine Bauernwache auf dem alten Schlosse benachrichtigt, schon nach Metnich und Lockweiler geflüchtet war, zu fangen.
Die Uebrigen fielen in die Häuser zu Tholey, raubten was ihnen anstand, rissen den Frauen und Kindern die Kreuze vom Halse, und nahmen den Amtssubstitut Risch im Nachtkleide gefangen. Zwei junge Offiziere kamen mit 4 Mann zum Kloster und begehrten ungestüm zu essen und zu trinken; durch ein Frühstück, das sie auf den Pferden einnahmen, wurde von der Abtei alles weitere Uebel abgewandt, während im Dorfe sehr schlimm gehauset wurde. Als die vergebens nach Schaumburg abgesandten Husaren zurück waren, führte man 3— 4 der besten Bürger mit Herrn Risch als Geiseln nach St. Wendel, wohin auch mehrere Schultheisen der Herrschaft Werdenstein eingebracht wurden. Es mußten nun die Contributions=Gelder für das Schaumburger Amt sofort gezahlt werden, worauf de Bauern loskamen; Herr Risch aber ward nach Worms geführt.
Endlich kam ein Französisches Husaren=Detaschement nach Tholey, zog Erkundigungen ein, und retirirte dann gleich wieder nach Saarlouis. Tags darauf erschlichen die Mentzelschen Husaren den Amtmann Payen auf Schaumburg und brachten ihn gefangen in die Abtei, wo er vom Prälaten d'Hame 10 Louisdor entlieh, die noch ausstehen. Das ganze zu St. Wendel und Oberkirchen etwa 14 Tage gestandene Corps zog hierauf mit dem gefangenen Payen nach Kreuznach, da inzwischen die Umstände durch den abermaligen Einfall des Königs Friedrich II. von Preußen in das Oestereichische Gebiet sich geändert hatten, und Prinz Karl von Lothringen daher über den Rhein zurückging.
Payen und Risch kamen nach etwa zwölftägiger Gefangenschaft zurück, und man sandte nun eine Klageschrift an den Prinzen Karl. Bei Ueberreichung derselben sprach dieser: „Ist der Dieb, der Mentzel, schon im Schaumburger Amt gewesen? (er stand nicht bei seiner, sondern bei des General Stahremberg Armee,) Seid zufrieden, es wird euch aller Schaden ersetzt werden.“ Ob dies geschehen, weiß Gott; daß aber die armen Unterthanen und die Abtei noch nichts bekommen, ist gewiß.
Oberst Mentzel lag lange in Zweibrücken an seinem Beinbruche und ließ sich im Januar des folgenden Jahres mit zwei Maulthieren über den Rhein tragen. Als die Armeen im Frühjahre am Rhein bei Philippsburg einander gegenüber standen, spottete „der tolle Mentzel, zweifelsohne besoffen,“ der Franzosen, unter Zurufen mancher Sottisen, riß seine Brust auf, man solle nur auf ihn schießen; es geschahen einige Fehlschüsse, worauf er noch ärger schrie, endlich aber glückte es einem Soldaten oder, wie Andere sagen, einem Französischen Tambour mit einer Kugelbüchse über den Rhein ihn in die Brust zu treffen. Er lebte noch ungefähr eine Viertelstunde und starb dann „ohne Ehre und Ruhm.“

In Urkund der Wahrheit P. Benedictus Burg, Profeß zu Tholey, Probst zu Werdenstein.

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Raizen, Raitzen oder Rascier sind historische deutschsprachige Begriffe, die bis ins frühe 19. Jahrhundert als Bezeichnung für die orthodoxe serbische Bevölkerung der Habsburgermonarchie verwendet wurden. Die Begriffe beziehen sich auf die historische Region Rascien, die im heutigen serbischen Okrug Raška liegt.

Sottisen = abfällige, stichelnde, verletzende Bemerkungen

Burgs Datierung "20. August 1744" kann nicht stimmen, denn Mentzel starb bereits am 24. Juni 1744.

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Quelle: Wochenblatt für die Kreise St. Wendel und Ottweiler. 1. und 8.5.1839

[Regionalforum-Saar] Die deutsche Gesellschaft der Stad t New=York veröffentlicht folgende Warnung (1868)

Date: 2024/01/07 20:22:22
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Die deutsche Gesellschaft der Stadt New=York veröffentlicht folgende Warnung:

Wir haben schon früher in unseren Jahresberichten auf die große Sterblichkeit hingewiesen, welche häufig auf den hier von Antwerpen und Hamburg ankommenden Segelschiffen sich ereigneten. Wir hatten gehofft, daß die Eigentümer dieser Schiffe dadurch veranlasst würden, künftig dieselben mit gutem Wasser, Proviant und Medikamenten in solchen Quantitäten zu versehen, daß selbst auf verzögerten Reisen kein Mangel an denselben entstehen könnte. Wir glaubten, daß eine Hindeutung von unserer Seite auf verschiedene andere bestehende Übel, zum Beispiel die Abwesenheit eines erfahrenen Arztes, die Überfüllung der vorhandenen Räume, die schlechte Ventilation und die ungenügende Reinigung derselben, hinreichend würden, dieselben zu beseitigen.
Wir haben uns leider in diesen Erwartungen getäuscht. Die Ankunft im vorigen Sommer des von A. Strauß und Comp. in Antwerpen expedirten Schiffes „Giuseppe Baccarich“ mit 18 Todesfällen, sowie die des vor einigen Wochen eingetroffenen, v. N.M. Sloman in Hamburg beförderten Schiffes „Leibnitz“ mit 105 Todesfällen, der Zustand, in welchem die Überlebenden hier ankamen, und die Berichte, welche dieselben über ihre Leiden und Entbehrungen während der Reise erstatteten, haben uns die Überzeugung aufgezwungen, daß es vergeblich ist, an die Menschlichkeit dieser beiden Firmen zu appellieren.
Uns bleibt nur ein Mittel übrig, um, soweit unseren Kräften liegt, für die Zukunft solche Leiden und Verluste von Menschenleben zu verhindern, und ergreifen wir dasselbe hiermit, indem wir die deutschen Auswanderer ernstlich warnen, für Ihre Reise nach den Vereinigten Staaten sich den Schiffen des Herrn R. M. Sloman in Hamburg anzuvertrauen.
Es ist höchstwahrscheinlich, daß diese Leute künftig ihre Schiffe durch Mäkler und Agenten anempfehlen lassen, ohne daß ihren Namen dabei genannt werden.
Soviel hier bekannt ist, controllirt R. M. Sloman alle von Hamburg nach hier abgehenden Segelschiffe, und empfehlen wir deßhalb Auswanderern, solange dies der Fall ist, nicht mit Segelschiffen von Hamburg auszureisen, und wenn sie über Antwerpen gehen wollen, alles Segelschiffe und Dampfer zu vermeiden, mit welchen A. Strauß und Comp. irgendetwas zu thun haben.
Wir machen wiederholt darauf aufmerksam, daß Auswanderer, wenn es ihnen nur irgend möglich ist, besser thun, mit Dampfschiffen zu reisen. Was sie bei Segelschiffen an Geld ersparen, geht durch die längere Zeit, die Reise erfordert, durch die größeren Gefahren, welchen sie sich aussetzen, und durch die Leiden und Entbehrungen, welche sie gewöhnlich erdulden müssen, mehr als verloren.
Schließlich wiederholen wir den oft erteilthen Rath an Auswanderer, sich keine Eisenbahnbillets in Europa zu kaufen; besonders warnen wir deutsche Auswanderer vor J. R. Fraas in Havre und dessen Unteragenten in Süddeutschland.
Wir hoffen, daß die deutsche Presse Obigem die größte Verbreitung geben wird.
New York, 25. Februar 1868.
Philipp Blissinger, Präsident
W. Wallach, Sekretär.

Quelle: Nahe=Blies=Zeitung, Kreisblatt für den Kreis St. Wendel. Nr. 28, Donnerstag, 5. März 1868.

Zu den beiden Schiffen finden sich auf google-books im Annual Report of the Commissioners of Quarantine of New York (State), 1869, zwei Aussagen:

SCHIFF „GIUSEPPE BACCARICH.“ – Das Schiff „Giuseppe Baccarich“ erreichte diesen Hafen am 21. Juli aus Antwerpen nach einer Überfahrt von 28 Tagen. Als das Schiff Antwerpen verließ, verfügte es über acht Kabinen und einhunderteinundsiebzig (171) Zwischendeckpassagiere. Auf der Überfahrt starben siebzehn, und bei ihrer Ankunft waren dreiundzwanzig krank und hatten Symptome, die ein wenig an Cholera erinnerten. In diesem Fall wurde die Krankheit zweifellos durch die Verwendung falscher Nahrungsmittel verursacht. Das Brot und das Fleisch, mit denen die Passagiere versorgt wurden, waren völlig unbrauchbar, und das schlechte Wasser war in Petroleumbehältern aufbewahrt worden. Drei der ins Krankenhaus eingelieferten Patienten starben. Der Rest erholte sich schnell unter Verwendung geeigneter Nahrung.

John Swinburne, Mitarbeiter der Kommission, hat sich in einem Bericht mit der „Leibnitz“ befaßt.

„Anfang Januar traf das Schiff „Leibnitz“ 69 Tage, nach dem es Hamburg verlassen hatte, mit 9 Kabinen- und 435 Zwischendeckpassagieren und einer Besatzung von 23 Mann in dieser Quarantänestation ein und meldete auf der Überfahrt 105 Todesfälle durch Cholera. Da dieses Schiff keinen Chirurgen an Bord hatte, war es unmöglich, eine korrekte medizinische Anamnese über den Ausbruch und das Fortschreiten der Krankheit zu erhalten, aber soweit die Passagiere dies bestätigen konnten, besteht kein Zweifel daran, dass die Mehrzahl der Todesfälle auf dem Schiff auf die echte asiatische Cholera zurückzuführen war. Die Geschichte der „Leibnitz“ ist in vielerlei Hinsicht identisch mit der des in meinem letzten Bericht erwähnten Schiffes „Lord Brougham“ [383 Passagiere, 75 Tote]. Beide Schiffe fuhren nach Süden und erlebten sehr warmes Wetter mit leichtem Wind und Windstille, und auf keinem von ihnen trat die Cholera bis etwa drei Wochen nach dem Auslaufen aus dem Hafen auf. In beiden Fällen traten die ersten Fälle bei Auswanderern aus dem Herzogtum Mecklenburg auf, wo zum Zeitpunkt ihrer Ausreise Cholera vorherrschte. Bei der Ankunft waren die Passagiere und die Besatzung der „Leibnitz“ außer einigen Patienten mit Typhuserkrankung nach Cholera und einigen Durchfallfällen wohlauf. Während der Quarantänezeit kam es zu vier Todesfällen durch nicht ansteckende Krankheiten, es kam jedoch zu keinem weiteren Auftreten von Cholera. Im Vergleich zu anderen Auswandererschiffen scheint die „Leibnitz“ nicht überfüllt gewesen zu sein. Und obwohl sich die Passagiere über die unzureichende Wassermenge beklagten, die ihnen im letzten Teil der Reise serviert wurde, gab es weder an der Qualität des Wassers noch an den Proviant einen Grund für die besorgniserregende Sterblichkeit unter ihnen.“

=> https://www.google.de/books/edition/Annual_Report_of_the_Commissioners_of_Qu/cj05AQAAMAAJ?hl=de&gbpv=1&dq=leibnitz+cholera&pg=RA4-PA22&printsec=frontcover]


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Robert Miles Sloman (geboren 1812 in Itzehoe, gestorben 1900 in Othmarschen) war ein deutscher Reeder. Die Reederei, die sein Vater 1793 in Hamburg gründete, gibt es heute noch.
Im deutschen wikipedia-Eintrag „Rob. M. Sloman“ finden sich im Kapitel „Verschiffung von Einwanderern“ Bestätigungen zu den im o.a. Artikel gemachten Vorwürfe. Danach verlor die o.a. „Lord Brougham“ 75 ihrer 383 Passagiere. Auch der o.a. Zeitungsartikel wird dort zitiert. Nach Ermittlungen des Hamburger Obergerichts wurde kein Verschulden durch Sloman festgestellt und bemerkt, "die Opfer seien selbst schuld an ihrem Ende".

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[Regionalforum-Saar] Fwd: Online-Talk: Der Iowa Caucus und die Vorwahlen der Republikanischen Partei (17.1.)

Date: 2024/01/11 12:52:10
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Title: Online-Talk: Der Iowa Caucus und die Vorwahlen der Republikanischen Partei (17.1.)
-------- Weitergeleitete Nachricht --------
Betreff: Online-Talk: Der Iowa Caucus und die Vorwahlen der Republikanischen Partei (17.1.)
Datum: Thu, 11 Jan 2024 11:38:39 +0100
Von: Atlantische Akademie Rheinland-Pfalz e.V. <info(a)atlantische-akademie.de>
Antwort an: info(a)atlantische-akademie.de
An: alsfassen(a)web.de


Sehr geehrter Herr Geiger,

gerne laden wir Sie zu folgendem Online-Talk ein:


Photo: Canva

Der Iowa Caucus und die Vorwahlen der Republikanischen Partei

Referent:
Julius van de Laar

Kampagnen- und Strategieberater

im Gespräch mit

Dr. David Sirakov

Mittwoch, 17. Januar, 18.00 Uhr
online via ClickMeeting

Sie können sich hier für die Veranstaltung anmelden


Am 15. Januar 2024 starten die Vorwahlen zur Präsidentschaftskandidatur der Republikanischen Partei. Traditionell beginnt der Bundesstaat Iowa mit einem Caucus und es wird der Lackmustest für den Wahlverlierer von 2020 und die bislang unumstrittene Galionsfigur der Partei, Donald J. Trump. Möchte man den Umfragen Glauben schenken, sollte der Iowa Caucus eine klare Angelegenheit für den ehemaligen US-Präsidenten werden. Laut FiveThirtyEight führt Trump mit 51,2 Prozent deutlich vor dem Gouverneur von Florida, Ron DeSantis (17,2 Prozent), und der ehemaligen Gouverneurin von South Carolina sowie UN-Botschafterin unter Trump, Nikki Haley (15,8 Prozent). Abgeschlagen mit 7,1 Prozent firmiert der Unternehmer Vivek Ramaswamy auf Platz 4. Wie präsentieren sich die Kampagnen in Iowa? Welche Themen stehen im Mittelpunkt und wie positionieren sich die Kandidatin und Kandidaten? Was sagt uns das über den Zustand der Republikanischen Partei? Und was bedeutet das Ergebnis von Iowa für den Fortgang der Vorwahlen?

Der erfahrene Kampagnen- und Strategieberater Julius van de Laar ist zurzeit unterwegs in Iowa und beobachtet die Kampagnen vor Ort. Unser Direktor, Dr. David Sirakov, wird mit ihm über seine Eindrücke und Einschätzungen zum Auftakt der Republikanischen Vorwahlen sprechen.

Weitere Informationen zu dieser Veranstaltung finden Sie
auf der Website der Atlantischen Akademie.

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[Regionalforum-Saar] Priesterehe, eine Ketzerei?

Date: 2024/01/13 18:03:14
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Le mariage des prêtres, une hérésie?. Genése du nicolaïsme I-XI siècle


Autor Isabelle Rosé
Erschienen Paris 2023: Presses Universitaires de France (PUF)
Anzahl Seiten 409 S.
Preis € 28,00
ISBN 978-2-13-085326-8

Inhalt meinclio.clio-online.de/uploads/media/book/toc_book-79051.pdf

Rezensiert für H-Soz-Kult von Eugenio Riversi, Institut für Geschichtswissenschaft, Universität Bonn
Der Entstehungsprozess der Zölibatsverpflichtung in der antiken und frühmittelalterlichen westlichen Kirche sowie des damit verbundenen Verbots des Geschlechtsverkehrs für Bischöfe, Priester und weitere Kleriker stellt ein historisches Problem dar, das in Hinblick auf die alltäglichen Nachrichten über sexuelle Missbräuche in der katholischen Kirche einen gewissen Aktualitätsbezug besitzt. Selbstverständlich können wir keine geradlinige Verbindung zwischen diesen zeitlich entfernten diskursiven Konstruktionen und der heutigen Debatte über Straftaten der vergangenen Jahrzehnte ziehen: Im Verlauf der letzten tausend Jahre gab es weitere wichtige Zwischenetappen in diesem Prozess der Disziplinierung des Klerus’. Allerdings zeigt das zugrundeliegende institutionelle Spannungsfeld in der katholischen Kirche eine strukturelle Kontinuität, insbesondere in Bezug auf den Zusammenhang zwischen hohem Autoritätsanspruch in der Heilsvermittlung seitens des Klerus’ und den sozialen Effekten der mit den Kirchenämtern verbundenen Machtausübung, auch nach dem zweiten Vatikanischen Konzil.[1] Das von Rosé als Einstieg gewählte Beispiel des Rücktritts des Erzbischofs von Paris (2021) zeigt die Auswirkungen der sexuellen Dimension auf die bereits umstrittene Autorität hoher geistlicher Würdenträger. Rosé lädt uns deshalb zu einer „Reise“ (S. 9) ins Frühmittelalter (1.–11. Jahrhundert) ein, um die komplexen Voraussetzungen dieser Konzeption und Disziplinierung der Sexualität der Kleriker sowie die spezifischere Konstruktion einer entsprechenden Häresie der Klerikerehe zu ergründen: den im 19. Jahrhundert gerne sogenannten Nikolaitismus.
Die in drei Teile gegliederte Studie beginnt mit der Betrachtung der Ereignisse eines bestimmten Jahres, das sich am Ende des untersuchten Entstehungsprozesses befindet: 1059, ein „häretisches Jahr“ laut der Verfasserin (S. 24). Der Anfang des Pontifikats Nikolaus’ II. (Januar 1059) wurde von vielen Spannungen geprägt, insbesondere vom Konflikt mit Benedikt X., dem Papst, den der römische Adel unterstützte, sowie von den angespannten Beziehungen zur Mailänder Kirche, die von den Protesten der sogenannten Patarener erschüttert wurde (S. 25–66). Just in diesen turbulenten Monaten wurden die ehelichen und eheähnlichen Beziehungen der Kleriker zu Frauen von der römischen Kirche pointiert und offiziell als Häresie verurteilt: die Häresie der Nikolaiten. Diese klerikale Abweichung, die sich auf sexuelle Verhaltensweisen bezog, wurde zu einem Pendant einer zweiten noch relevanteren klerikalen Häresie: der Simonie, das heißt der entgegen der Gottesgnade erfolgte Erwerb eines Kirchenamtes und dessen oft missbräuchliche Ausübung.
Diese klerikalen Häresien wurden zu Themen des wichtigen römischen Konzils, das Nikolaus II. im April 1059 eröffnete. Dort konzentrierten sich überwiegend italienische Konzilsväter auf die Konturierung des Klerikerstandes, vor allem ausgehend von Missbräuchen in der Amtsausübung. Wie viele Kleriker hätten damals von den spezifischen Maßnahmen gegen die Häresie der Nikolaiten betroffen sein können? Sehr schwierig ist laut Rosé eine auch nur grobe quantitative Einschätzung der verheirateten Bischöfe, Priester und Diakone, aber die Quellen weisen mit regionalen Unterschieden auf ein nicht unbedeutendes Phänomen hin. Sie erwähnen zudem die negativen Reaktionen vor allem von Kanonikern auf das prinzipielle Verbot der Ehe, das mit dem Häresievorwurf verbunden war, insbesondere in Mailand, dem am besten bekannten Kontext. Dort spielte der gelehrte Eremit und Kardinalbischof Petrus Damiani als päpstlicher Legat eine wichtige Rolle, vor allem Anfang 1059. Rosé betrachtet zunächst im zweiten Kapitel (S. 67–98) programmatische Briefe der vorherigen Jahre, die Petrus Damiani verschiedenen abweichenden Verhaltensweisen der Kleriker widmete: den Liber Gomorrhianus über die Sodomie und den Liber gratissimus über die Simonie. Rosé konzentriert sich anschließend auf die wichtigsten Texte aus dem Jahr 1059: die Synodalbeschlüsse über die Keuschheit der Kleriker und zwei Briefe (61 und 65) von Petrus Damiani über seine Delegation nach Mailand. Rosé widmet der damaligen Definition der Häresie der Nikolaiten in diesen Texten noch ein ganzes weiteres Kapitel, in welchem sie auf verschiedene Aspekte der Konzeption von Petrus Damiani eingeht (S. 97–121).
Im zweiten Teil der Studie entwickelt Rosé eine textuelle Archäologie der Häresie der Nikolaiten (1.–11. Jahrhundert). Sie analysiert die facettenreichen Schichten ihrer diskursiven Konstruktion ausgehend von dem Buch der Offenbarung (Apk 2, 6), in dem die Nikolaiten die einzige Gruppe von „bösen“ Christen darstellen, die eine spezifische Bezeichnung bekommen (S. 125–129). Diese Bezeichnung war eine wichtige Voraussetzung für die Weiterentwicklung im Häresiediskurs der Kirchenväter (S. 131–156). Besonders Irenäus von Lyon hielt einige ihrer Merkmale fest: Unter anderem wurde ihnen ein Häresiarch zugewiesen: ein Nikolaus aus der Apostelgeschichte (Apg 6, 5–6), den Irenäus als Diakon bezeichnet; und sie wurden als sexuell ausschweifende Menschen dargestellt. Die nachfolgende lateinische Patristik setzte immer wieder andere Akzente, zum Beispiel die Verbindung zur Simonie. Rosé erkennt keine graduelle und geradlinige Entwicklung des Diskurses über die Häresie der Nikolaiten in frühmittelalterlichen Texten (S. 157–192). Sie betont eher die Veränderungen, Verschiebungen und Auslassungen in den Beschreibungen dieser und anderer Ketzer in polemischen Werken, die in angespannten Kontexten verfasst wurden.
Eine wichtige diskursive Entwicklung stellte die enge Verbindung zwischen der teilweise neu erfundenen Häresie der Neophyten – das heißt nicht ausreichend erfahrenen und deshalb ungeeigneten Kandidaten für Kirchenämter – und der Simonie dar (S. 193–229): im exegetischen Kommentar des Beatus’ Liebana (776), der wahrscheinlich auf die umstrittene Figur Papst Konstantins II. anspielte; in der Vita Gregors des Großen, die Johannes Hymmonides während des Konflikts um den Patriarchen von Konstantinopel Photios verfasste (860er-Jahre); im Brief Guidos von Arezzo über die Simonie (1019–1023), der im Spannungsfeld zwischen dem Kloster Pomposa und dem Erzbischof von Ravenna entstand. Infolge dieser immer wieder variierenden Aktualisierungen und Verdichtungen wurden die Nikolaiten in karolingischer und nachkarolingischer Zeit zu einer Variante der „figure-repussoir“, der Abscheufigur, des häretischen Klerikers: vor allem bei Autoren aus dem monastischen Umfeld.
Im dritten Teil beschäftigt sich Rosé mit dem letzten und wichtigsten der Kontexte dieser Entwicklung: der römischen Kirche zwischen 1049 und 1059, das heißt einer Phase, in der im Rahmen einer neuen Ekklesiologie des römischen Primats der Konnex zwischen klerikaler Heilsvermittlung, Zölibatsverpflichtung und päpstlichem Machtanspruch verquickt wurde. Entscheidend waren die polemischen Auseinandersetzungen mit dem Patriarchat von Konstantinopel während des Pontifikats Leos IX. (1054): Die unterschiedliche Haltung gegenüber der Priesterehe – die die Ostkirche erlaubte – wurde zu einer kennzeichnenden bzw. identitätsstiftenden Differenz (S. 237–264). Petrus Damiani übertrug diese Abgrenzung gegenüber der Ostkirche auf die Mailänder Kirche und schuf dadurch einen Baustein für die Konstruktion einer päpstlichen „Monarchie“ (S. 303–330). Die Polemik von Petrus Damiani bettete sich wiederum in einen in diesen Jahren herrschenden „War on archbishops“ ein (S. 265–301). Der Zentralisierungsanspruch, den die römische Kirche seit den 1050er-Jahren erhob, fand im Häresievorwurf gegen Kleriker eine geeignete und wirksame Waffe. Damit konnte der Papst das übliche institutionelle Verfahren gegen Bischöfe beseitigen, in konfliktgeladenen Situationen unmittelbarer eingreifen und die entsprechenden Widerstände umgehen, so zum Beispiel im Fall des Metropoliten Guido von Velate sowie in dem der Erzbischöfe von Gascogne und Aquitanien. Diese Beispiele zeigen, wie die klerikalen Häresien den Weg zur sogenannten „Häresie des Ungehorsams“ und zur vertikalen Autorität des Papstes in der Kirche eröffneten.
In einem ausblickartigen Epilog (S. 331–334) zeigt Rosé, dass Petrus Damianis Idee einer Häresie der klerikalen Ehe keine breite Rezeption im Hochmittelalter fand. Diese Idee wurde jedoch mit der Entstehung der „dramaturgie grégorienne“ im 19. Jahrhundert, zunächst bei evangelischen deutschen Theologen in den 1820–1830er-Jahren, verallgemeinert und zu einem festen historiographischen Konstrukt gemacht: dem Nikolaitismus.
In diesen wenigen Seiten des Epilogs – tatsächlich zu knapp für die Themen, die dort angerissen werden – und in den folgenden Schlussüberlegungen (S. 335–343) werden rückblickend die Stärken sowie die Schwächen des Buches deutlich. Rosé problematisiert eine historiographische moderne Kategorie „Nikolaitismus“ anhand einer äußerst komplexen historischen Diskursanalyse der Entwicklung der „Häresie der Nikolaiten“. Deswegen verwendet sie in ihrer Erzählstruktur eine komplexe Zeitauffassung: Die Verfasserin kann eine besondere Konstruktion in ihren genauen, krisenbehafteten Entstehungszusammenhängen verorten (1059), in einer bestimmten Konjunktur der Papstgeschichte kontextualisieren (1054–1059) und in längere, miteinander verflochtene, aber nicht kontinuierliche Traditionsstränge einbetten (1.–11. Jahrhundert). Außerdem kann sie einerseits ein wichtiges Untersuchungsobjekt – die „klerikalen Häresien“ – mit zweifelsfreiem Gewinn für die Häresieforschung schärfer umreißen, wenngleich sie erstaunlicherweise einige wichtige Studien von Hans-Werner Goetz nicht berücksichtigt.[2] Andererseits kann sie mit der Verdichtung der klerikalen Häresie in den 1050er-Jahren eine wichtige Facette der für die „papstgeschichtliche Wende“ besser beleuchten, wenngleich ihre Deutung nicht frei von einigen problemreichen Kategorien ist, wie „gregorianische Reform“ oder „monastische Kultur“. Die anregungsvolle Studie von Rosé, die mit der Komplexität der damaligen textuellen Konstruktionen und Kontexte zurechtzukommen versucht, lässt allerdings in der Darstellung bisweilen etwas die Klarheit und Stringenz vermissen.
Anmerkungen:
[1] Alberto Melloni, Quel che resta di Dio. Un discorso storico sulle forme di vita cristiana, Torino 2014.
[2] Zum Beispiel: Hans-Werner Goetz, Wandel des Häresiebegriffs im Zeitalter der Kirchenreform? Eine Betrachtung der Streitschriften Humberts von Silva Candida und Gottfrieds von Vendôme, in: Norman Bade / Bele Freudenberg (Hrsg.), Von Sarazenen und Juden, Heiden und Häretikern. Die christlich-abendländischen Vorstellungen von Andersgläubigen im Früh- und Hochmittelalter in vergleichender Perspektive, Bochum 2013, S. 131–152.
Zitation
Eugenio Riversi, Rezension zu: Rosé, Isabelle: Le mariage des prêtres, une hérésie?. Genése du nicolaïsme I-XI siècle. Paris 2023 , ISBN 978-2-13-085326-8, In: H-Soz-Kult, 11.01.2024, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-137889>.



[Regionalforum-Saar] Fwd: [IGGP-L] Einladung zum kostenlosen virtuellen Vortrag "Was ist das Salzkammergut? ", Mittwoch, 17. Jänner 2024, 18 Uhr

Date: 2024/01/16 11:16:47
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

-------- Weitergeleitete Nachricht --------
Betreff: [IGGP-L] Einladung zum kostenlosen virtuellen Vortrag "Was ist das Salzkammergut?", Mittwoch, 17. Jänner 2024, 18 Uhr
Datum: Tue, 16 Jan 2024 10:48:11 +0100
Von: Günter Ofner via IGGP-L <iggp-l(a)genealogy.net>
Antwort an: guenter.ofner(a)chello.at, iggp-l(a)genealogy.net
An: 1 - IGGP-L <iggp-l(a)genealogy.net>


Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Jeden Mittwoch um 18 Uhr gibt es einen Vortrag über das Internet.
Dieses Mal wird uns Herr Dr. Kurz das Salzkammergut vorstellen.

17. Jänner 2024, 18 Uhr
Was ist das Salzkammergut?
Vortragender: Dr. Michael KURZ
Bitte hier anmelden:
(https://us06web.zoom.us/meeting/register/tZcqcO-upzwtHdQ2nvABagY1-U2c7sIGiFlj)

Hier finden Sie alle Themen unseres 4. Jahreskurses 2023/2024 und die links
zur Anmeldung bei Zoom.
(https://www.familia-austria.at/index.php/termine/1808-einladung-zum-4-virtuellen-jahreskurs-2023-2024-bei-familia-austria-vortraege-schulungen-und-analyseabende)
Die Teilnahme ist kostenlos und für alle interessierten Forscher, egal ob
sie Mitglieder unserer Familia Austria sind oder nicht, offen.
Bitte geben Sie diese Einladung an andere Interessierte, Vereine,
Mail-Listen, Foren usw. weiter.

Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Brunner, Dr. Peter Haas, Günter Ofner, Angelika Schmalbach,
Gabriele Stark, Dr. Alexander Weber und Claudia Weck
(der Vereinsvorstand)

_____________________________________
International German Genealogy Partnership (IGGP) mailing list
Write new topics to IGGP-L(a)genealogy.net
Mailing list administration
https://list.genealogy.net/mm/listinfo/iggp-l

IGGP website https://iggp.org/

[Regionalforum-Saar] Dorpat/Tartu. Geschichte einer E uropäischen Kulturhauptstadt

Date: 2024/01/18 16:11:51
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Autor(en) Selart, Anti; Laur, Mati
Erschienen Wien 2023: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten 217 S., 28 farb. Abb.
Preis € 28,00
ISBN 978-3-205-21826-5


Rezensiert für H-Soz-Kult von  Jonathan Schilling, Historisches Seminar, Universität Münster

Beim Verfassen populärer Überblicksdarstellungen zur Geschichte der historischen Region Livland ist die Gefahr groß, auf der einen oder der anderen Seite vom Pferd zu fallen, wie man immer wieder beobachten kann: Entweder neigt man zu einer Überbetonung des deutschbaltischen Einflusses und vernachlässigt darüber die estnische und lettische Perspektive, oder man schreibt die Geschichte als Vorgeschichte der modernen Nationalstaaten, in denen der so prägende deutschbaltische Einfluss nur am Rande als die Geschichte einer fremden „Besatzung“ vorkommt. Die Autoren der vorliegenden Stadtgeschichte von Dorpat (estnisch Tartu) – das sei gleich vorweggenommen – bleiben bei ihrem Ritt durch mehr als 1.000 Jahre fest im Sattel sitzen.

Anti Selart und Mati Laur sind Professoren für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Tartu und haben sich durch zahlreiche Publikationen als Kenner der Geschichte Livlands und Dorpats hervorgetan. Zwar sind beide Autoren Esten, doch handelt es sich bei dem Buch nicht um eine Übersetzung aus dem Estnischen. Vielmehr wurde es speziell im Hinblick auf eine deutsche Leserschaft verfasst. Der Böhlau-Verlag gibt seit Jahren Stadtgeschichten der Europäischen Kulturhauptstädte heraus. Schon 2011, als die estnische Hauptstadt Reval/Tallinn Europäische Kulturhauptstadt war, erschien eine vergleichbare, allerdings um einiges umfangreichere Stadtgeschichte bei Böhlau, damals aber noch von einem deutschen Autorenduo.1 Das vorliegende Buch nun geht auf die Initiative des „Deutschen Kulturforums östliches Europa“ zurück, das sich die verdienstvolle Aufgabe gesetzt hat, die osteuropäischen Kulturhauptstädte dem deutschen Publikum näherzubringen.

Die Geschichte Dorpats wird im Buch streng chronologisch erzählt, was sich als gute Entscheidung erweist: Die Stadt entstand um eine Burg aus dem 8. Jahrhundert und wurde erstmals im 11. Jahrhundert ständig besiedelt. Über die frühe, altrussisch geprägte Geschichte ist nur wenig bekannt; überhaupt sind die überlieferten Quellen zur mittelalterlichen Geschichte der Stadt ziemlich rar, weshalb das entsprechende Kapitel im Buch knapper ausfällt als die anderen. Leider bleiben die Akteure und Abläufe in der Schilderung manchmal etwas unklar. Im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts wurde die ganze Region von deutschen Kreuzfahrern eingenommen, Dorpat wurde Sitz eines Bistums. Nach Riga und Reval gehörte Dorpat zu den größten und einflussreichsten Städten des Ordensgebiets. Zur Mitte des 16. Jahrhunderts war es flächenmäßig etwas größer als Riga, hatte allerdings nur wenige tausend Einwohner, von denen die meisten deutscher Abkunft waren. Als Mitglied der Hanse spielte die Stadt zu dieser Zeit eine nicht unwesentliche Rolle für den livländischen Handel, die sie später allerdings wieder einbüßte. Eine relativ frühe Reformation „von unten“ erlebte die Stadt 1524, als die Bevölkerung unter dem Einfluss eines Laienpredigers den Dom und die Wohnungen der Domkapitulare plünderte und der Stadtrat eine evangelische Kirchenordnung einführte. Aufgrund seiner Lage geriet Dorpat immer wieder zwischen die Fronten von Ost und West, Nord und Süd. Wie auch im übrigen Livland wechselte in Dorpat mehrfach die Herrschaft zwischen dem Deutschen Orden, dem Moskauer Reich, Polen und Schweden. Dabei wurde die Stadt mehrfach zerstört und ihre Einwohner deportiert. Außerdem konkurrierten der Rat und die Zünfte um die kommunale Vorherrschaft.

Unter polnischer Regierung schufen Jesuiten erstmals die Möglichkeiten zu höherer Bildung in der Stadt, als sie 1585 ein Dolmetscherseminar für Missionare und ein Jesuitenkolleg errichteten, die allerdings nur für wenige Jahre bestanden. In dieser Zeit entstanden in Dorpat auch die ersten estnischsprachigen Publikationen, katholische Katechismen. Als Livland 1629 an Schweden und damit unter lutherische Dominanz fiel, fand diese religiöse Bildung eine Fortsetzung, die sogar gezielt auf den Bauernstand ausgedehnt wurde. Am folgenreichsten für die Entwicklung und Bedeutung der Stadt wurde die von Gustav II. Adolf 1632, mitten im Dreißigjährigen Krieg, gegründete Universität Dorpat, die jedoch unter schwedischer Regierung keine allzu große Blüte erleben konnte. Obwohl es erst die zweite schwedische Universitätsgründung nach Uppsala war, stand Dorpat weit hinter dieser 1477 gegründeten Alma Mater zurück: Während in Uppsala mehr als 1.000 Studenten gleichzeitig immatrikuliert waren, waren es in Dorpat zunächst nur 65, später wenig mehr als 100 – hauptsächlich Deutsche, anfänglich mehr Schweden, noch keine Esten. Um Kriegswirren zu entgehen, musste die Universität mehrfach nach Reval oder Pernau/Pärnu verlegt werden, sodass kaum Stabilität und Kontinuität entstehen konnten; 1708 wurde die Stadt im Zuge des Großen Nordischen Krieges (1700–1721) von den Truppen des Zarenreichs dem Erdboden gleich gemacht und blieb für Jahrzehnte ein Ruinenfeld. So begann die eigentliche Blütezeit der Universität Dorpat erst nach der Neugründung unter Alexander I. (1777–1825) im Jahr 1802. Im 19. Jahrhundert stieg auch der Anteil der Esten im „Embach-Athen“ rapide an, mit der Zeitschrift „Eesti Postimees“ und anderen Institutionen wurde Dorpat auch ein zentraler Ort der estnischen Nationalbewegung.

Das wechselvolle 20. Jahrhundert nimmt mit knapp 60 Seiten den größten Raum im Buch ein, rund doppelt so viel wie jeweils das 17., 18. und 19. Jahrhundert. Zwei Weltkriege, mindestens drei Revolutionen (1905, 1917/18, 1989), mehrere kürzere oder längere Zeitabschnitte militärischer Besatzung durch bolschewistische und sowjetische Regimes und die Deutschen Reiche sowie zwei Phasen unabhängiger estnischer Staatlichkeit – allein die Politikgeschichte liefert für eine Dorpater Geschichte des letzten Jahrhunderts viel Stoff. In der ersten estnischen Republik, die von 1918 bis zur Annexion durch die Sowjetunion 1939 bestand, bildete Dorpat das Zentrum der Opposition zur Regierung. Als einzige Universitätsstadt des jungen Staates war Dorpat auch der wichtigste Wissenschaftsstandort mit zahlreichen akademischen und kulturellen Einrichtungen. In der sowjetischen Zeit blieb der rebellische Geist der Stadt erhalten, gerade von der Universität gingen manche regimekritischen Impulse aus.

Auch wenn das Buch eher populär gehalten ist, ist es eine grundsolide kleine Stadtgeschichte, die nicht der in solchen Büchern so oft vorherrschenden unseligen Neigung verfällt, Kuriositäten und historisches Marktplatzgetratsche hervorzuheben. So wird beispielsweise die Tatsache, dass bereits 1534 in Dorpat ein Kamel und ein Truthahn als Geschenke getauscht wurden (S. 37), nicht als „Fun Fact“ mitgeteilt, sondern im Rahmen der Dorpater Handelsverbindungen in der Frühen Neuzeit gedeutet; dass der erste Rektor der Universität ein 19-jähriger Student war (S. 71), wird ins größere Ganze der Universitätsämter und ihrer Bedeutung eingebettet. Ein angenehm sachlicher Tonfall durchzieht das ganze Buch, gelegentlich von einem geistreichen Augenzwinkern begleitet, aber stets frei von Floskelhaftigkeit, Übertreibung, Polemik, vorschnellen Deutungen oder nationaler Parteilichkeit.

Politik- und ereignisgeschichtliche Themen bilden den Schwerpunkt der von den Verfassern angestellten Fragen. Daneben werden auch Aspekte der Sozial- und Kultur- sowie der Alltagsgeschichte beleuchtet, aber merklich zurückgenommen gegenüber politischen Entwicklungen und Ereignissen. Uneinheitlich ist das Vorgehen der beiden Autoren im Nachweisen von Quellen: Während im ersten, von Anti Selart geschriebenen Teil Quellen im Fließtext auf Deutsch wiedergegeben werden und in den Fußnoten jeweils das zugrundeliegende lateinische, mittelhochdeutsche oder französische Original in voller Länge abgedruckt wird, verzichtet Mati Laur in den späteren Kapiteln ganz auf Belege. Ein Mittelweg, etwa die wichtigsten Zitate und Informationen knapp in Endnoten nachzuweisen, wäre zielführender gewesen. Sehr gut zusammengestellt ist dagegen die Auswahlbibliographie.

Sehr zu begrüßen ist, dass geographische Bezeichnungen wie Orts- und Flussnamen bei der ersten Nennung zweisprachig deutsch/estnisch, dann nur noch in der deutschen Form angegeben werden. Die Zeiten, in denen der Ortsname als politisches Statement missbraucht wurde (S. 11), sind ja gottlob längst vorbei. Orte und Personen sind dankenswerterweise auch in einem Register verzeichnet. Die Bebilderung ist sehr geschmackvoll und angemessen, wenn auch nicht alle Bilder in gleich guter Qualität abgedruckt sind. So hätte das verpixelte Bild der Domruine auf S. 29 durch eine moderne Rekonstruktion des mittelalterlichen Doms, wie sie das heute dort untergebrachte Universitätsmuseum zeigt, ersetzt werden sollen. Eine Rarität sind die aus Privatbesitz reproduzierten Münzen aus dem 16. Jahrhundert (S. 16). Die Bildunterschrift auf S. 88 ist lückenhaft entziffert, dort müsste es heißen: „bey dem Daseyn Ihro Kayserl. Majestaet“. Angesichts der komplizierten politischen Verhältnisse Livlands in der Frühen Neuzeit wären einige Karten zur Veranschaulichung für die Leserinnen und Leser, die mit der Geschichte der baltischen Länder weniger vertraut sind, sicherlich hilfreich gewesen. Gerade für ein breites Publikum sollte man im Übrigen auch den Quellenbegriff „Literaten“ (S. 55 und öfters), mit dem im baltischen Deutsch die akademisch Gebildeten bezeichnet wurden, besser umschreiben (oder für das 19. Jahrhundert durch „Bildungsbürgertum“ ersetzen), da man heute bei dem Begriff unbedarft an Romanschriftsteller denkt.

Der Untertitel „Geschichte einer Europäischen Kulturhauptstadt“ lässt das Buch etwas zeitgebunden wirken, was hoffentlich seine Rezeption nicht behindert. Denn nicht nur kulturbeflissene Dorpatreisende, die 2024 das reichhaltige Programm des Festjahres genießen, werden den Autoren für ihre Stadtgeschichte danken, sondern auch Fachhistorikerinnen und -historikern kann die Darstellung bei aller Knappheit des Raumes einen fundierten Überblick ermöglichen.

Anmerkung:

1 Karsten Brüggemann / Ralph Tuchtenhagen, Tallinn. Kleine Geschichte der Stadt, Köln 2011.

Zitation

Jonathan Schilling, Rezension zu: , ISBN 978-3-205-21826-5, In: H-Soz-Kult, 18.01.2024, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-137692>.




[Regionalforum-Saar] Itinerarius – die Wallfahr t und Hofesreise Kurfürst Ludwigs III. von der Pfalz nac h Jerusalem (1426/27)

Date: 2024/01/18 20:22:41
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Findet statt  Hybrid am 26.01.2024 -
Website https://ag-landeskunde-oberrhein.de/

Itinerarius – die Wallfahrt und Hofesreise Kurfürst Ludwigs III. von der Pfalz nach Jerusalem (1426/27)

Prof. Dr. Gerhard Fouquet, Kiel, referiert am 26. Januar 2024 über „Itinerarius – die Wallfahrt und Hofesreise Kurfürst Ludwigs III. von der Pfalz nach Jerusalem (1426/27)". Die Veranstaltung beginnt um 19 Uhr im Generallandesarchiv Karlsruhe (Nördliche Hildapromenade 3, 76133 Karlsruhe).

Anschließend lädt der Veranstalter – Arbeitsgemeinschaft für geschichtliche Landeskunde am Oberrhein e. V. – zu einem Umtrunk in den Räumen des Generallandesarchivs ein.

Der Vortrag findet hybrid statt. Details zur Online-Teilnahme finden Sie auf der Seite der Arbeitsgemeinschaft: https://ag-landeskunde-oberrhein.de/event/itinerarius/

Kontakt
Viktor Fichtenau, M. A.
viktor.fichtenau(a)web.de
https://ag-landeskunde-oberrhein.de/

Zitation
Itinerarius – die Wallfahrt und Hofesreise Kurfürst Ludwigs III. von der Pfalz nach Jerusalem (1426/27)., In: H-Soz-Kult, 18.01.2024, <www.hsozkult.de/event/id/event-141303>.


[Regionalforum-Saar] u.a. Luthers Thesenanschlag

Date: 2024/01/21 17:06:04
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Salve,

Am Dienstag, 30. Januar, halte ich einen Vortrag mit dem Titel „Zahlen und Zeichen und die Kammer des Schreckens“, worin es eben um Zahlen und Zeichen um die und in der St. Wendeler Wendalinusbasilika geht.
Der Vortrag beginnt um 17.30 Uhr im Lesesaal des Landesarchivs Saarbrücken-Scheid und findet statt im Rahmen des Monatstreffens der Arbeitsgemeinschaft für Saarländische Familienkunde (ASF).
Der Eintritt ist frei, und jederman ist willkommen.

Wie im letzten Jahr bei den Notariaten ist der Vortrag in Saarbrücken die Generalprobe für die Online-Version des gleichnamigen Vortrags im Rahmen der virtuellen Genealogica 2024 am Sonntag, 11.02.2024, morgens um 11 Uhr [woraus man sehen kann, daß ich nicht überziehen werde, weil ich mittags um 14.11 Uhr am St. Wendeler Fastnachtsumzug teilnehme - dann aber nicht virtuell!]

Im Zuge des Vortrages werde ich kurz Luthers Thesenanschlag erwähnen, von dem ich in letzter Zeit der Meinung war, er sei nur legendär und habe nie stattgefunden.

Ein 18-minütiges Plädoyer (unterbrochen von mindestens einer Werbepause, die sich nach fünf Sekunden wegdrücken läßt) für die Autentizität des Thesenanschlages hält der Historiker Dr. Benjamin Hasselhorn in einem youtube-Video, das ich jedem Interessierten wärmstens empfehlen kann - ob er jetzt meinen Vortrag sich anhört-schaut-tut oder auch nicht:

https://www.youtube.com/watch?v=0XrV5Z77SJM

Ergebenst

Roland Geiger

[Regionalforum-Saar] morgen abend: Vortrrag über historische Wetter- und Klimaverhältnisse

Date: 2024/01/23 11:48:00
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

-------- Weitergeleitete Nachricht --------
Betreff: [IGGP-L] Einladung zum kostenlosen virtuellen Vortrag "..ach wie gut, dass niemand weiß, ...Klimacharakterisierung ...", Mittwoch, 24. Jänner 2024, 18 Uhr
Datum: Mon, 22 Jan 2024 19:32:51 +0100
Von: Günter Ofner via IGGP-L <iggp-l(a)genealogy.net>






Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Jeden Mittwoch um 18 Uhr gibt es einen Vortrag über das Internet.
Dieses Mal wird uns Herr Dr. Besser über historische Wetter- und
Klimaverhältnisse informieren.

24. Jänner 2024, 18 Uhr
...ach wie gut, dass niemand weiß, ... Klimacharakterisierung mit
Archivmaterialien
Wenn wir heute von Klimaschwankungen, ja oft vom Klimawandel, sprechen, dann
brauchen wir zur Abschätzung des Ausmaßes verlässliche Quellen aus der
Vergangenheit. Aber woher beziehen wir unser Wissen über das Wetter bzw.
Klima aus (vor-)industrieller Zeit. Durchgehende Wetteraufzeichnungen gibt
es (für Österreich) erst seit ca. 1765. All diese Phänomene hatten Einfluss
auf die Entwicklung der Bevölkerung, die Ernährungslage, die Gesundheit, die
Besitzverteilung und andere soziale Fragen. Als Quellen stehen uns neben
den Matriken Tagebüchern, lokalen Aufzeichnungen, Pläne von
Flussregulierungen, usw. zur Verfügung. Dabei kann es sich sowohl um
Informationen des Einsetzens der frühjährlichen Pflanzenblüte oder
herbstlicher Ernteergebnisse, und/oder um Erwähnungen von Naturereignissen
handeln, aus denen auf das damalige Wetter zurückgeschlossen werden
kann/muss.
Vortragender: Mag. Dipl.-Ing. Dr. Bruno BESSER, Institut für
Weltraumforschung, ÖAW, Graz (URANIA Steiermark)

Bitte hier anmelden:
(https://us06web.zoom.us/meeting/register/tZIudeiprjouG9QhbA6566QKeEKsR79ZXCjE)



Re: [Regionalforum-Saar] u.a. Luthers Thesenanschlag

Date: 2024/01/24 11:06:31
From: Dr. Max Lindemann via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Sehr geehrter Herr Geiger,
mit Interesse habe Ihren Artikel gelesen und ergänzende Video von Hasselhorn. 
Leider bin ich in den nächsten Wochen im Urlaub (eigentlich Erholungsurlaub nach 2 Operationen, anschließend starke Coronainfektion); deshalb kann leider Ihren Vortrag nicht anhören. 
St. Wendel war mir immer interessant. Als ganz junger Arzt (Medizinalassistent) war ich einige Zeit im St. Wendetet Krankenhaus tätig. Ich war als Protestant bei den Nonnen sehr gelitten und wurde geradezu hofiert. Die übrigen Ärzte waren Muslime oder geschiedene Deutsche. 
Zu Luther:
Er ist ein „Verwandter“ von mir. Seine Mutter war Margarethe Lindemann. Sie war die Cousine meines Altvorderen. Beider Großvater Hans od. Johannes Lindemann, geb. 1320 ist der älteste nachweisbare Lindemann-Vorfahre. Es kommt selten vor, dass der Nachname sich nicht ändert. 
Ich hoffe, ich habe Sie nicht genervt!
Mit freundlichen Grüßen 
Max Lindemann

Dr. M. Lindemann, Behringstraße 25, 66386 St. Ingbert

Gesendet mit der mobilen Mail App

Am 21.01.24 um 16:06 schrieb Roland Geiger via Regionalforum-Saar

Von: "Roland Geiger via Regionalforum-Saar" <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Datum: 21. Januar 2024
An: "Hunsrueck-L" <hunsrueck-l(a)genealogy.net>,
"Pfalz-L" <pfalz-l(a)genealogy.net>,
"KENT CUTKOMP via IGGP-L" <iggp-l(a)genealogy.net>,
saarland-l(a)genealogy.net,
"Stefan Reuter via Regionalforum-Saar" <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Cc:
Betreff: [Regionalforum-Saar] u.a. Luthers Thesenanschlag

Salve,

Am Dienstag, 30. Januar, halte ich einen Vortrag mit dem Titel „Zahlen und Zeichen und die Kammer des Schreckens“, worin es eben um Zahlen und Zeichen um die und in der St. Wendeler Wendalinusbasilika geht.
Der Vortrag beginnt um 17.30 Uhr im Lesesaal des Landesarchivs Saarbrücken-Scheid und findet statt im Rahmen des Monatstreffens der Arbeitsgemeinschaft für Saarländische Familienkunde (ASF).
Der Eintritt ist frei, und jederman ist willkommen.

Wie im letzten Jahr bei den Notariaten ist der Vortrag in Saarbrücken die Generalprobe für die Online-Version des gleichnamigen Vortrags im Rahmen der virtuellen Genealogica 2024 am Sonntag, 11.02.2024, morgens um 11 Uhr [woraus man sehen kann, daß ich nicht überziehen werde, weil ich mittags um 14.11 Uhr am St. Wendeler Fastnachtsumzug teilnehme - dann aber nicht virtuell!]

Im Zuge des Vortrages werde ich kurz Luthers Thesenanschlag erwähnen, von dem ich in letzter Zeit der Meinung war, er sei nur legendär und habe nie stattgefunden.

Ein 18-minütiges Plädoyer (unterbrochen von mindestens einer Werbepause, die sich nach fünf Sekunden wegdrücken läßt) für die Autentizität des Thesenanschlages hält der Historiker Dr. Benjamin Hasselhorn in einem youtube-Video, das ich jedem Interessierten wärmstens empfehlen kann - ob er jetzt meinen Vortrag sich anhört-schaut-tut oder auch nicht:

https://www.youtube.com/watch?v=0XrV5Z77SJM

Ergebenst

Roland Geiger

[Regionalforum-Saar] Fotos, Bildern, Karten, Arti keln und privaten Beiträgen zum Thema Tholey

Date: 2024/01/27 21:25:33
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Der Historische Verein zur Erforschung des Schaumberger bietet eine große Sammlung von Fotos, Bildern, Karten, Artikeln und privaten Beiträgen zum Thema Tholey an.

Bisher gab es einen Teil davon als CD „Geschichte - Heimatbuch - Dokumente“.

Inzwischen sind die Daten so umfangreich geworden, dass sie auf einem USB-Stick im Museum Theulegium angeboten werden.

Sonst liegen mir dazu keine Daten vor.

Bitte kontaktieren Sie bei Interesse:

Museum Theulegium
Rathausplatz 6
66636 Tholey
 
Telefon: 06853-50880

E-Mail: info(a)theulegium.de
Internet: www.theulegium.de


[Regionalforum-Saar] Das Wissen vom Erben und Vererben. Perspektiven und Quellen seit 1800

Date: 2024/01/28 22:40:27
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Organisatoren DFG-Netzwerk „Erbfälle und Eigentumsordnungen seit 1800“ (Simone Derix, Jürgen Dinkel)

Universität Leipzig, Schillerstr. 6, Raum S 202

Förderer Deutsche Forschungsgemeinschaft

Fand leider nur in Präsenz statt.

Vom - Bis 15.03.2023 - 17.03.2023

Von Martin Lutz, Institut für Geschichtswissenschaften / Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Humboldt-Universität zu Berlin

 

Die Abschlusstagung des DFG-Netzwerks „Erbfälle und Eigentumsübertragungen – Erbpraktiken im Spannungsfeld von Staat und Familie seit 1800“ wurde um Forschende aus anderen Disziplinen wie der Rechts- und Literaturwissenschaft, der Soziologie sowie Akteure aus der Praxis der Vererbungsberatung ergänzt. In dieser Zusammensetzung fokussierte die Tagung auf wissenshistorische Perspektiven auf das Phänomen Erben/Vererben mit besonderem Augenmerk auf Quellen.

In seinem Einführungsbeitrag umriss JÜRGEN DINKEL (aktuell München) die allgemeine Forschungsagenda des Netzwerks und stellte die Erträge der bisherigen Treffen vor. Deutlich wurde, dass ein Erbfall kein fest eingrenzbares Moment darstellt, sondern als Prozess anzusehen ist. Erben/Vererben basiert immer auch auf Aushandlungsprozessen, die einen breiten Kreis an Akteuren auch über die Kernfamilie hinaus betreffen können, sozial- und geschlechterspezifische Merkmale aufweisen, lange historische Kontinuitäten (wie Familienprinzip) beinhalten und gleichzeitig gesamtgesellschaftlichen Wandlungsprozessen (wie Verhältnis Staat-Individuum) unterworfen sind. Im zweiten Teil der Einführung skizzierte SIMONE DERIX (Erlangen-Nürnberg) den konkreten Rahmen der Tagung, die auf das Wissen über Erben und Vererben fokussierte. Im besonderen Blickpunkt standen hier die relevanten historischen Quellen und die Frage, welches Wissen in diesen Quellen dokumentiert wurde. Ziel der Tagung sei es, eine möglichst große Bandbreite unterschiedlicher Quellen zu erfassen und darüber die Vielfalt von Erbpraktiken im 19. und 20. Jahrhundert in den Blick zu bekommen. Das stringente Tagungsprogramm bildete in fünf Sektionen den Erbprozess als Ganzes ab. Ebenso stringent waren die insgesamt 14 Vorträge aufgebaut, die jeweils eine besondere Quellengattung in den Fokus rückten und anhand dieser exemplarisch eine breitere epistemologische Einordnung vornahmen.

Die von THOMAS URBAN (Leipzig) moderierte erste Sektion widmete sich dem Thema „Erbstück, Erzählung und Erbenermittlung“ und umfasste zwei Vorträge. Die Literaturwissenschaftlerin ULRIKE VEDDER (Berlin) begann ihren Vortrag mit einer konzeptionellen Einordnung zu literarischen Texten als Quellengattung. Sie betonte die Prominenz vom Erben/Vererben als Erzählmotiv und insbesondere die daraus resultierenden Konflikte bzw. die Diskfunktionalität und Destruktivität des Vererbens als zentrale Topoi in Romanen. Dies führte Vedder konkret aus am Beispiel des Schriftstellers Thomas Bernhard, der sich sowohl in seinen Dramen als auch in seinem eigenen Testament intensiv mit der Zwiespältigkeit und den konfliktreichen Verstrickungen des Erbes auseinandersetzte. Sein Werk veranschaulicht auch die Verknüpfung von Familiengeschichte und Nationalgeschichte, wie sie sich im Prozess des Erbens/Vererbens manifestiert. DIRK VAN LAAK (Leipzig) wiederum näherte sich in seinem Vortrag über Erbenermittlung einem nur vermeintlich randständigen Phänomen der bürgerlichen Gesellschaft an: dem „herrenlosen Besitz“. Wie van Laak hervorhob, produzierte das Zeitalter der Extreme massenhaft herrenlosen Besitz infolge von Enteignungen, Flucht und Vertreibung. Erbenermittler können in diesen Fällen nach berechtigten Erben recherchieren und im Erfolgsfall eine Provision einstreichen. Deren Nachforschungen basieren auf einer Vielzahl von Quellen, die sich auch hervorragend für Provenienzforschung heranziehen lassen.

Die Sektion 2 (Moderation STEFAN BRAKENSIEK, Duisburg Essen) widmete sich mit zwei Vorträgen dem Thema „Vertrag und Inventar“. Die Sozial- und Wirtschaftshistorikerin MARGARETH LANZINGER (Wien) lenkte den Blick in „Ehevertrag und Inventar. Aushandeln, dokumentieren und absichern“ auf eine Quellengattung, die im Gegensatz zur Frühen Neuzeit für das 19. und 20. Jahrhundert kaum historiographische Beachtung gefunden hat. Am Beispiel Niederösterreich zeigte Lanzinger anschaulich lange Kontinuitätslinien über die Epochenschwelle zur Moderne auf und verdeutlichte, wie Ehegüterregime Erbpraktiken beeinflussten. Der Unternehmenshistoriker YASSIN ABOU EL FADIL (Göttingen) stellte den Gesellschaftsvertrag ins Zentrum seiner Überlegungen. Deutlich wurde hierbei, wie Gesellschaftsverträge als Resilienzinstrument gedeutet werden können, die in hohem Maße über Erfolg und Misserfolg von Familienunternehmen entscheiden. Ebenso wurde deutlich, dass solche vertraglichen Arrangements immer vom spezifischen Kontext der jeweiligen Familie abhängen, im Vortragsbeispiel erläutert am Papiergroßhandelsunternehmen C. Müller. Abou El Fadil hob hervor, dass hierbei hidden helpers1 eine zentrale Rolle spielen, indem sie spezialisierte Beratungsleistungen in solchen spezifischen Familienkontexten erbringen.

Den zweiten Konferenztag eröffnete die von JULIA SCHMIDT-FUNKE (Leipzig) geleitete Sektion 3 zu „Fideikommiss, Stiftung, Testament“. In dem gemeinsamen Vortrag von KERSTIN BRÜCKWEH (Frankfurt/Oder) und CHRISTINE FERTIG (Münster) ging es zunächst um Grundbücher und Grundakten. Zurecht betonten die Referentinnen die Bedeutung des Grundbuchs als essentielles Strukturmerkmal des kapitalistischen Wirtschaftssystem mit einer hohen Relevanz für dessen Akteure, da Eigentümer:innen selbst direkt mit dem Grundbuch in Berührung kommen. Freilich veränderte sich der Charakter des Grundbuchs infolge der rechtlichen Fixierung im BGB und in der Grundbuchordnung von 1900, während es im 19. Jahrhundert noch stärker als praxisrelevantes Rechtsinstrument genutzt wurde.

MONIKA WIENFORT (Potsdam) wiederum zeigte in „Fideikommiss. Großgrundbesitz, Familie und ungeteiltes Erbe im 19. Jahrhundert“ die Bedeutung einer besonderen europäischen Institution auf, in der freies Vermögen als unteilbares Sondervermögen gebunden wurde. Diese Institution wurde vorwiegend vom Adel genutzt und umfasste zumeist Landbesitz, Immobilien wie Schlösser und Gutheißer und teils auch Schmuck, Kunst und landwirtschaftliche Maschinen. Wienfort zeigte anschaulich auf, wie Fideikommisse auch als wichtige Quellengattung für Familienforschung genutzt werden können, in dem sich beispielsweise Zukunftserwartungen und familiale Motive von Stiftern in ihnen nachvollziehen lassen. Besonders repräsentieren Fideikommisse eine kollektive und vertikale (dynastische) Vorstellung des Adels von Eigentum, dessen familiales Perpetuieren quasi durch ein Einfrieren bestehender Verhältnisse gesichert wurde. SIMONE DERIX schloss an Wienforts Vortrag an und lenkte den Blick auf Stiftungen. Die Weimarer Verfassung schaffte Fideikommisse ab uns so war es kein Zufall, dass seit den 1920er Jahren zunehmend Stiftungen genutzt wurden, um Familienvermögen institutionell zu binden. Dieses Instrument wurde besonders auch von Unternehmerfamilien genutzt, doch in der Forschung bilden Familienstiftungen immer noch ein Desiderat. Anhand mehrerer Beispiele (u.a. anhand der Dr. Carl Duisberg’schen Familienstiftung) zeigte Derix die große Bandbreite von Familienstiftungen auf und betonte, dass diese nicht nur als Instrument zur Steuervermeidung interpretiert werden dürfen. Familienstiftungen bildeten vielmehr auch ein Instrument, das Familie mit konstituiere und deren Bezug zu Zeitlichkeit und Gesellschaft herstelle.

Vervollständigt wurde die Sektion 3 durch JÜRGEN DINKELS Vortrag über Testamente. Auch Dinkel konstatierte eine Vernachlässigung von Testamenten als Quelle für das 19. und 20. Jahrhundert, im Unterschied zu tiefgehenden Forschungen für die Frühe Neuzeit und das Mittelalter. Desiderate seien außerdem Erbpraktiken in der DDR sowie transnationale Forschungen zum Vererben in Migrationskontexten. Anhand verschiedener Typen von Testamenten zeigte er Funktionsveränderungen von Testamenten in der Moderne auf. Durch den Ausbau des Sozialstaats rückten Altersvorsorge und Pflege in den Hintergrund, wobei Pflegeleistungen bis in die Gegenwart einen Hauptgrund für Erbstreitigkeiten darstellen. In einer kurzen vergleichenden Perspektive zu Testierpraktiken in Deutschland, in den USA sowie in der Sowjetunion bzw. Russland hob Dinkel auch hervor, wie in allen diesen nationalen Kontexten die Persistenz des Familienprinzips nachzuweisen sei. 2 Testamente bildeten demnach auch ein Spiegelbild des gesellschaftlichen Denkens über Familie.

Die von MICHAEL ZWANZGER (Leipzig) moderierte Sektion 4 eröffnete disziplinübergreifende Perspektiven auf „Recht und politische Debatte“. Den Sektionsauftakt machte die Rechtswissenschaftlerin und Direktorin des Notarrechtlichen Zentrums Familienunternehmen an der Bucerius Law School ANNE RÖTHEL (Hamburg) mit „Testamente vor Gericht. Das Wissen vom Erben und Vererben aus richterlicher Inhaltskontrolle“. Als Quellengattung stellte sie die richterlichen Inhaltskontrollen von Testamenten (z.B. richterliche Urteile und deren Begründungen) in den Fokus. Testamente unterliegen dem Verbot von Sittenwidrigkeit und somit bilden Konfliktfällte und deren juristische Lösung eine Möglichkeit, die gesellschaftliche Vorstellungen von Moral bei Erbpraktiken zu untersuchen. Mit übergreifenden Thesen endete Röther und betonte den Übergang der Testamentsfunktion vom Schutz der rechtlich generalisierten Familie zum Schutz singulärer Persönlichkeiten. Der Soziologe JENS BECKERT (Köln) schloss an mit einem Vortrag über „Politische Debatte. Parlamente und öffentliche Debatte zur Vermögensvererbung“. Als Quellen rückte Beckert Parlamentsdebatten, intellektuelle Debatten in den Wissenschaften und Debatten in der Medienöffentlichkeit in den Blick, und veranschaulichte dies an einem Beispiel aus der Französischen Revolution.

War die gesamte Tagung gekennzeichnet durch stringente, anregende Vorträge und eine überaus positive Diskussionsatmosphäre, so bildete ANATOL DUTTAS (München) Vortrag über das Erbrecht des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs den rhetorischen Höhepunkt. Er präsentierte die nur scheinbar trockene juristische Materie mit großer Begeisterung, Humor und auch für Fachfremde anschaulich. Dutta führte chronologisch durch die historische Entwicklung des Erbrechts im 19. und 20. Jahrhundert. Das fünfte Buch des BGB bilde den „stabilsten Teil des deutschen Privatrechts“ und Teile des Erbrechts hätten gar Verfassungsrang, was Änderungen der Gesetzeslage erschweren würde. Hier sei Deutschland ein Sonderfall, denn im internationalen Vergleich würden durchaus grundlegende Reformen des Erbrechts ins Auge fallen.

ANTJE DIETZE (Leipzig) leitete die abschließende Sektion 5 „Erbschaftssteuer und Sozialstaat“ mit drei historischen Vorträgen. RONNY GRUNDIG (ZZF Potsdam, jetzt: Greifswald) begann mit „Steuerakten. Ansatzpunkte zur Rekonstruktion von Vermögensstrukturen im Todesfall“. Am Beispiel eines konkreten Todesfalls erläuterte er, wie Steuerakten als historische Quelle Auskunft über Familienbeziehungen und Vermögensungleichheit geben können. Auch Grundig hob die Bedeutung von hidden helpers hervor, wie auch die Funktion von Steuerbeamten als zentrale Akteure in Erbschaftsangelegenheiten. Auch zu diesem Themenkomplex sei der Forschungsstand ungenügend, obgleich Steuerakten in großer Zahl archiviert vorliegen. MARC BUGGELN (Flensburg) schloss mit seinem Vortrag über Erbschaftsteuerstatistiken an und stellte wie Grundig eine Quellengattung vor, die bislang so gut wie gar nicht von der historischen Forschung berücksichtigt wurde. Mit Rückgriff auf Foucaults Konzept der Gouvernementalität stellte Buggeln Erbschaftssteuerstatistiken in den Kontext eines sich entwickelnden modernen Regierungshandelns, für das Statistiken eine zunehmende Bedeutung einnahmen. Anschaulich erläuterte er die Entwicklung für Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert und wies abschließend mit Bezug auf Thomas Piketty3 darauf hin, dass Wissen über Reichtum entscheidend für den Umgang mit Armut sei.

NICOLE KRAMER (Köln) schloss die Sektion mit einem Vortrag zu Pflegeversicherungen. Anhand von Leserbriefen u.a. an die FAZ ging sie mit dieser besonderen Quellengattung dem Zusammenhang von Pflegen und Erben nach. Damit konnte sie das Spannungsfeld von Familienvorstellungen und Ansprüchen an den Wohlfahrtsstaat nachzeichnen. Einen entscheidenden Einschnitt erkannte sie in der Einführung der Pflegeversicherung, auch wenn ein traditionelles Familienbild weiterhin gesellschaftlich wirksam blieb. Abschließend forderte Kramer nachdrücklich dazu auf, das Idealbild der „glücklichen Großfamilie“ stärker historisch zu dekonstruieren, als es die bisherige Forschung geleistet hat.

Die angeregte Abschlussdiskussion griff nicht nur die Tagungsbeiträge auf, sondern reflektierte breiter über die Erträge des DFG-Netzwerks. Einhellig wurde großes Potential für weitere Arbeit und Zusammenarbeit am Thema Erben/Vererben konstatiert. Regionale Varianz sei stärker in den Blick zu nehmen wie auch unterschiedliche Familienstrategien oder andere Rationalitäten beim Vermögenserhalt. Ebenso sei es wichtig, Traditionslinien seit der Frühen Neuzeit stärker zu berücksichtigen, um eine vermeintliche Vereinheitlichung von Erbpraktiken infolge von Modernisierungsprozessen kritisch zu hinterfragen.

Mit der Tagung über das „Wissen vom Erben und Vererben“ ist Simone Derix und Jürgen Dinkel als Organisationsteam sowie den Teilnehmer:innen ein ausgezeichneter Abschluss des DFG-Netzwerks „Erbfälle und Eigentumsübertragungen – Erbpraktiken im Spannungsfeld von Staat und Familie seit 1800“ gelungen. Es wurde deutlich, wie Eigentum und damit auch die Erbmasse immer sozialen Ordnungsvorstellungen unterworfen ist und damit ein historisch spezifisches und kontingentes Phänomen darstellt. Die interdisziplinären Perspektiven erwiesen sich als ungemein produktiv, ebenso der systematische Ansatz, je eine besondere Quellengattung in den Vortragsfokus zu rücken und daran Perspektiven der Erkenntnisgewinnung aufzuzeigen. Die Vorgabe wurde in allen Vorträgen stringent umgesetzt, was wiederum eine zentrale Grundlage für die intensiven und produktiven Diskussionen darstellte. Übergeordnete Referenzpunkte bildeten durch die Tagung hindurch Anlehnungen an die aktuelle Diskussion zu Ungleichheit (Piketty) sowie das Sichtbarmachen von bislang vernachlässigten Akteuren als hidden helpers (Derix). Deutlich wurde, dass die historische Forschung zum Erben/Vererben für das 19. und 20. Jahrhundert noch in den Anfängen steckt, eine große Vielfalt von Quellen (darunter auch Massenquellen) jedoch den empirischen Zugriff ermöglicht. Wie dieser Schatz zu heben sei, solle nun in weiteren Gesprächen sondiert werden. Die Tagung und die gesamten Erträge des DFG-Netzwerks bilden dafür eine exzellente Grundlage.

Konferenzübersicht:

Eva Inés Obergfell: Grußwort
Simone Derix (Erlangen)/Jürgen Dinkel (Duisburg-Essen): Einführung

Panel 1: Erbstück, Erzählung und Erbenermittlung
Moderation: Thomas Urban (Leipzig)

Ulrike Vedder (Berlin): Erzählungen. Das Wissen der Literatur vom Erben und Vererben
Charlotte Zweynert (Hannover): Erbstücke. Vermögens- und Beziehungstransformationen beim (Ver-)Erben (Vortrag entfallen)
Dirk van Laak (Leipzig): Erbenermittlung. Die Bemühungen um eine Zuordnung herrenlosen Besitzes

Panel 2: Vertrag und Inventar
Moderation: Stefan Brakensiek (Duisburg-Essen)

Margareth Lanzinger (Wien): Ehevertrag und Inventar. Aushandeln, dokumentieren und absichern
Yassin Abou El Fadil (Göttingen): Gesellschafterwille vs. Letzter Wille. Gesellschafterverträge als Quellen unternehmerischer Kontingenzbewältigung im Erbprozess

Panel 3: Fideikommiss, Stiftung, Testament
Moderation: Julia Schmidt-Funke (Leipzig)

Kerstin Brückweh (Berlin)/Christine Fertig (Münster): Übergabeverträge und Grundbuch. Familiäre Aushandlungsprozesse und rechtliche Fixierung, 1820-1900
Monika Wienfort (Potsdam): Fideikommiss. Großgrundbesitz, Familie und ungeteiltes Erbe im 19. Jahrhundert
Simone Derix (Erlangen): Stiftung. Das Wohl der Familie, das Wohl der Anderen und die Zeitlichkeit von Vermögen
Jürgen Dinkel (Duisburg-Essen): Testament. Eigentum dokumentieren, legitimieren und übertragen

Panel 4: Recht und politische Debatte
Moderation: Michael Zwanzger (Leipzig)

Anne Röthel (Hamburg): Testamente vor Gericht. Das Wissen vom Erben und Vererben aus richterlicher Inhaltskontrolle
Anatol Dutta (München): Das Erbrecht des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs – ein Kodex für die Ewigkeit?
Jens Beckert (Köln): Politische Debatte. Parlamente und öffentliche Debatte zur Vermögensvererbung

Panel 5: Erbschaftssteuer und Sozialstaat
Moderation: Antje Dietze (Leipzig)

Ronny Grundig (Potsdam): Steuerakten. Ansatzpunkte zur Rekonstruktion von Vermögensstrukturen im Todesfall
Marc Buggeln (Berlin): Erbschaftsteuerstatistik. Strategische Ignoranz im Wandel der Zeit
Nicole Kramer (Köln): Die Pflegeversicherung als Erbenschutz? Intergenerationelle Beziehungen im bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat

Abschlussdiskussion

Anmerkungen:
1 Simone Derix, Hidden Helpers: Biographical Insights into Early and Mid-Twentieth Century Legal and Financial Advisors, in: Jahrbuch für Europäische Geschichte 16 (2016), S. 47-62.
2 Jürgen Dinkel, Alles bleibt in der Familie: Erbe und Eigentum in Deutschland, Russland und den USA seit dem 19. Jahrhundert (=Industrielle Welt 104), Wien 2023.
3 Thomas Piketty, Capital in the Twenty-First Century, Cambridge, Mass. 2014.

Zitation
Martin Lutz, Tagungsbericht: Das Wissen vom Erben und Vererben. Perspektiven und Quellen seit 1800, In: H-Soz-Kult, 29.01.2024, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-141432>.


[Regionalforum-Saar] "Forum WND"

Date: 2024/01/29 12:14:05
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Betreff:
Einladung zum ersten "Forum WND" mit Eberhard Zorn
Von:
info(a)wendelinusstiftung.de
Datum:
29.01.2024, 11:28
An:
info(a)wendelinusstiftung.de

Sehr geehrte Damen und Herren,

zwei Jahre Krieg in Europa und kein Ende in Sicht. Was bedeutet dies für Deutschland, welche Auswirkungen hat es für uns und unser Land?

Eberhard Zorn, ehemals ranghöchster Soldat der Bundeswehr und Saarländer diskutiert diese und weitere Fragen rund um die aktuelle internationale politische Situation im Gespräch mit dem Journalisten Klaus Brill.

Zu dieser Veranstaltung laden wir Sie herzlich ein.

 

 

Krieg in Europa
– Deutschland in Gefahr?

 

Ein Gespräch mit Eberhard Zorn,
Generalinspekteur der Bundeswehr a.D.

 

Wann:       Freitag, 23. Februar 2024

Uhrzeit:     19.00 Uhr

Wo:            Eventatrium der Kreissparkasse St. Wendel
                   Bahnhofstr. 21-25, 66606 St. Wendel
                 (Einlass über den Haupteingang in der Bahnhofstraße)

Eine Teilnahme an der Veranstaltung ist sowohl vor Ort als auch online möglich, eine persönliche Anmeldung ist erforderlich. 

Anmeldung für die Teilnahme vor Ort: Bitte melden Sie sich über diesen Link  https://events.sparkasse.de/s/Netzwerk-Event persönlich an. (bei Anmeldung mehrerer Personen, bitte den Link mehrmals anklicken und jede Person einzeln anmelden).

Anmeldung für die Online-Teilnahme: Bitte senden Sie eine Mail an info(a)wendelinusstiftung.de mit der Überschrift „Zorn“.
Der Webex-Link zum Live-Streaming der Veranstaltung wird Ihnen dann rechtzeitig vorab zugeschickt. 

Bei weiteren Fragen wenden Sie sich bitte direkt an die obenstehende Emailadresse der Wendelinus Stiftung.

Wir freuen uns auf Ihr Kommen!

Mit freundlichen Grüßen

 

Josef Alles
Vorstand
Wendelinus Stiftung

Dr. Uta Bastian
Präsidentin Rotary Club
St. Wendel Stadt

Gemeinsam Gutes tun und Zukunft gestalten!

Wendelinus Stiftung
Bahnhofstraße 21-25
66606 St. Wendel
Telefon: 06851 15-427

[Regionalforum-Saar] Jahrestag

Date: 2024/01/29 21:30:21
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Hallo,

ich schicke diesen Text als angehängte pdf. Für ne Email ist er etwas zu lang.

--
Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

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Roland Geiger
Historische Forschung
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Tel. 06851-3166
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Attachment: Jahrestag.pdf
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Re: [Regionalforum-Saar] Jahrestag

Date: 2024/01/30 08:10:43
From: Pater Wendelinus <p.wendelinus(a)abtei-tholey.de>

Sehr interessant!

Gruß      PW

 

Von: regionalforum-saar-bounces+p.wendelinus=abtei-tholey.de(a)genealogy.net <regionalforum-saar-bounces+p.wendelinus=abtei-tholey.de(a)genealogy.net> Im Auftrag von Roland Geiger via Regionalforum-Saar
Gesendet: Montag, 29. Januar 2024 21:30
An: Stefan Reuter via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Betreff: [Regionalforum-Saar] Jahrestag

 

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Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

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Re: [Regionalforum-Saar] Jahrestag

Date: 2024/01/30 09:03:37
From: Stefan Reuter via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Moin Roland,

vielen Dank für Deinen Aufsatz, der auch in mir viele Erinnerungen an die 1990er u. die oftmals sehr emotionalen Kontakte über den "Großen Teich" zu den ehem. Kriegsteilnehmern mit der "anderen Feldpostnummer" geweckt hat.

Meine Frau hatte mich in den späten 1990ern nach einem Telefonat mit dem in Neuseeland lebenden Neffen eines bei Dillingen abgeschossenen u. gefallenen Lancaster-Piloten gefragt, ob ich noch ganz bei Trost sei, nach so langer Zeit bei mir wildfremden Menschen solche alten Wunden wieder aufzureißen?
Ganz unrecht hatte sie damit sicher nicht, wobei die Erfahrung letztlich aber zeigte, dass die Betroffenen froh darüber waren, nach all der vergangenen Zeit noch Hintergründe u. Details zu den damaligen Ereignissen zu bekommen.

Gruß, Stefan 

Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net> schrieb am Mo., 29. Jan. 2024, 21:30:

Hallo,

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Roland Geiger

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[Regionalforum-Saar] Die unsichtbare Guillotine. Das Fallbeil der Weißen Rose und seine Geschichte

Date: 2024/01/31 22:37:45
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Die unsichtbare Guillotine. Das Fallbeil der Weißen Rose und seine Geschichte
von Ulrich Trebbin
Erschienen Regensburg 2023: Pustet
Anzahl Seiten 232 S.
Preis € 24,95
ISBN 978-3-7917-3387-6

Rezensiert für H-Soz-Kult von Hans Günter Hockerts, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München

Mindestens 1.180 Menschen sind in der NS-Zeit im Gefängnis München-Stadelheim mit der Guillotine hingerichtet worden – Zeugnis der barbarischen Strafjustiz im nationalsozialistischen Deutschland. Nach 1945 hielt sich lange das Gerücht, das Gerät sei bei Kriegsende in die Donau versenkt worden. Im Jahr 2013 stieß der Journalist Ulrich Trebbin jedoch auf eine andere Spur, die zum Bayerischen Nationalmuseum führte. Der dort zuständige Referent nahm die Anfrage zum Anlass für eine intensive Recherche – mit dem Zwischenergebnis, dass es sich bei den im Depot verwahrten Einzelteilen sehr wahrscheinlich um die in München-Stadelheim verwendete Guillotine handele.

Diese Meldung, von Trebbin 2014 veröffentlicht, fand ein starkes mediales Echo, sogar in der internationalen Presse.1 Dabei sorgte der Prominenz-Faktor für einen hohen Nachrichtenwert. Denn zu den Opfern des Stadelheimer Fallbeils zählten auch die Geschwister Scholl und mehrere Mitstreiter aus dem Kreis der Weißen Rose. Sogleich entbrannte eine Debatte über den richtigen Umgang mit der Tötungsmaschine: Sollte man sie ausstellen? Auf das Votum eines Runden Tischs gestützt, entschied der bayerische Kultusminister, dass die Guillotine bis auf weiteres nicht öffentlich ausgestellt werden dürfe. Allerdings ist zu vernehmen, dass einige Beteiligte sich in der Beratung überrumpelt fühlten. Neuerdings bekräftigte der Nachfolger des Ministers die ablehnende Entscheidung, mit der Ulrich Trebbin jedoch ganz und gar nicht einverstanden ist. Daher möchte er eine öffentliche Debatte entfachen, für die das vorliegende Buch eine Grundlage bilden soll.

Der Autor greift bis zum Jahr 1854 zurück. Damals entschied der bayerische König Maximilian II, künftige Exekutionen nicht mehr mit Schwerthieben, sondern mit einer „Fallschwertmaschine“ durchführen zu lassen – den Begriff „Guillotine“ vermied man wohlweislich, weil er an die Terrorphase der französischen Revolution erinnerte. Den Konstruktionsauftrag erhielt der Münchner Turmuhrfabrikant Johann Mannhardt, der zwei vollständige Guillotinen (für München und Würzburg) lieferte und außerdem fünf Unterbauten für weitere Städte, zu denen die Scharfrichter dann mit dem „Fallbeilrahmen“ anzureisen hatten. Trebbin folgt den Spuren ihrer Verwendung und nimmt dabei auch übergreifende Zusammenhänge in den Blick, insbesondere die Geschichte der Todesstrafe, den Wandel des Zeremoniells der Enthauptung und den zunehmenden Ausschluss der Öffentlichkeit. Er erläutert die Funktionsweise der Apparatur und ihre Veränderungen und flicht immer wieder Fallbeispiele ein, die ein beklemmendes Licht auf das Schicksal der Verurteilten werfen.

Bis 1932 starben unter der Münchner Guillotine 124 Männer und eine Frau. Der weibliche Sonderfall datiert aus der frühesten Phase (1857); danach wurden zum Tode verurteilte Frauen durchweg begnadigt. Die gewaltige Steigerung in der NS-Zeit verweist, wie Trebbin zeigt, auf die völkische Ideologie, den zertrümmerten Rechtsstaat und den Justizterror der Kriegsjahre. Zu Recht betont er, dass mit den Enthauptungen gleichwohl nur ein Teil der Vernichtungspolitik in den Blick kommt: Hinzu kamen mehr und mehr Hinrichtungen durch den Strang und die Erschießung verurteilter Gefangener sowie das Morden, das sich gar nicht mehr um einen justizförmigen Anschein bemühte. Trebbin berichtet über die wachsende Zahl der Hinrichtungsstätten und der eingesetzten Guillotinen (elf wurden im Gefängnis Berlin-Tegel hergestellt), er fasst die Scharfrichter ins Auge und stellt die Opfergruppen vor. Fast die Hälfte der Stadelheimer Opfer waren Ausländer, darunter Zwangsarbeiter und Widerstandskämpfer aus den annektierten Gebieten. Soweit es sich bei den Todesurteilen auch nach heutiger Rechtsauffassung um Straftaten handelte, reicht das Spektrum von Bagatelldelikten bis zum Mord. In dieser Hinsicht trifft Trebbin eine klare Unterscheidung: Wir erinnern uns an Mörder „nicht in ihrer Eigenschaft als Gewalttäter, sondern als Opfer der Todesstrafe“ (S. 106). Vor allem aber geht es ihm um die Gruppe der politisch Verfolgten, deren Anteil er auf 27 Prozent beziffert: „Die allermeisten von ihnen sind heute weitgehend unbekannt“ (S. 124).

Bei Kriegsende wurde die Stadelheimer Guillotine in die Strafanstalt Straubing ausgelagert und 1949 zur Überprüfung ihrer Verwendungsfähigkeit – es handelte sich noch immer um die Mannhardt-Maschine von 1855 – nach Regensburg gebracht. Im bayrischen Justizministerium rechnete man also noch mit dem Fortbestand der Todesstrafe, die jedoch im selben Jahr mit der Einführung des Grundgesetzes abgeschafft wurde. Danach verstaubte das in Einzelteile zerlegte Gerät auf dem Speicher des Regensburger Gefängnisses, bis es 1974 – vermittelt vom Justizministerium – in das Depot des Bayerischen Nationalmuseums kam. Die Öffentlichkeit erfuhr von alldem nichts, und auch im Museum befasste man sich nicht näher mit diesem Depotbestand. Nur gerüchteweise blieben dort die Stichworte „Stadelheim“ und „Geschwister Scholl“ im Umlauf. Erst 2013 begann ein neuer Referent, Sybe Wartena, mit der gründlichen wissenschaftlichen Aufarbeitung, und er konnte die Sachverhalte, die 2014 als wahrscheinlich eingestuft worden waren, inzwischen eindeutig klären.2 Im Kontakt mit ihm informierte Ulrich Trebbin eine breite Öffentlichkeit zunächst mit journalistischen Berichten, nun auch mit diesem Buch.

Man kann es auf zweierlei Weise lesen. Zum einen als wissenschaftlich fundierte Studie, die sich weitgehend auf die maßgebliche Forschung stützt, darunter das grundlegende Werk von Richard Evans über die Todesstrafe in der deutschen Geschichte3, aber mit Archivrecherchen auch eigene Akzente setzt. Zum anderen als erinnerungspolitische Streitschrift. Dem Freistaat Bayern wirft der Autor vor, die Münchner Guillotine „jahrzehntelang versteckt“ zu haben, und er hegt den Verdacht, dass damit womöglich auch die Geschichte der NS-Todesurteile aus dem Blick gerückt werden sollte. Zweifelsfrei belegbar ist dieses Motiv, das zeitweise eine Rolle gespielt haben mag, bisher allerdings nicht. Die Entscheidung des bayerischen Kultusministers, die Guillotine bis auf weiteres unter Verschluss zu halten, lehnt Trebbin als Akt der „Zensur“ ab. Zwar hält er manche Einwände für bedenkenswert – so die Gefahr des Voyeurismus und die Entwürdigung der Opfer, sofern die Aura eines Objekts aus der Sphäre der Täter nicht gebrochen wird. Doch argumentiert er mit gutem Grund, dass es eben auf die Präsentationsweise ankommt, auf Sensibilität und Kontextualisierung. So könnte dieser schreckliche Gegenstand zum Mahnmal werden; er könnte besonders wirkungsvoll zur kritischen Auseinandersetzung mit der Justiz in der NS-Zeit anregen und an ihre Opfer erinnern. Das Buch gibt Hinweise darauf, wie das möglich wäre. Den vielleicht besten Vorschlag hat indes der Leiter der Gedenkstätte Flossenbürg, Jörg Skriebeleit, an anderer Stelle ins Gespräch gebracht: „Das fände ich einen Kniff: die Frage, ob man diese Guillotine ausstellen darf, zum Thema einer Ausstellung zu machen. Dann könnte man das Objekt verwenden, zum Beispiel in einem zerlegten Zustand“.4

Anmerkungen:

1 Vgl. zum Beispiel den Bericht in The New York Times, 10.01.2014, https://www.nytimes.com/2014/01/11/world/europe/a-guillotine-in-storage-bears-signs-of-a-role-in-silencing-nazis-critics.html (27.01.2024).

2 Vgl. die prägnante Darstellung seiner Forschungsergebnisse: Sybe Wartena, Die Fallschwertmaschine in Bayern. Zwischen Humanisierung der Justiz und nationalsozialistischem Terrorregime, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 85 (2022), S. 411–473. Dort wird auch ein Grundproblem der Recherche verdeutlicht: Es war „unmöglich, die Wahrscheinlichkeit einzuschätzen, ob die 1974 aus Regensburg übertragene Teile aus Stadelheim stammen könnten, solang das System der Ober- und Unterteile und die Gesamtzahl der Guillotinen nach dem Modell Mannhardts nicht bekannt waren“ (S. 457). Trebbins Buch konnte sich bereits auf diese Abhandlung stützen.

3 Richard J Evans, Rituale der Vergeltung. Die Todesstrafe in der deutschen Geschichte, 1532 – 1987, Berlin 2001. An Trebbins Kurzdarstellung der Weiße Rose ist zu korrigieren, dass Sophie Scholl „den Vervielfältigungsapparat“ der Gruppe beschafft habe (S. 129). Es gab vielmehr zwei Apparate, die von Hans Scholl und Alexander Schmorell besorgt wurden.

4 Zitiert bei Josef Wirnshofer, Hier gibt es nichts zu sehen, in: Süddeutsche Zeitung, 21.02.2023.

Zitation

Hans Günter Hockerts, Rezension zu: Trebbin, Ulrich: Die unsichtbare Guillotine. Das Fallbeil der Weißen Rose und seine Geschichte. Regensburg 2023 , ISBN 978-3-7917-3387-6, In: H-Soz-Kult, 01.02.2024, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-141633>.