Date: 2023/02/02 21:14:12
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Deutsche Migranten und Migrationswissen in der
lateinamerikanischen Geschichte
Organisiert von Simone Lässig / Mario Peters, Deutsches
Historisches Institut
Washington; H. Glenn Penny, Universität von Kalifornien, Los
Angeles; Stefan
Rinke, Freie Universität Berlin
Ort: Washington DC
03.11. 05.05.2022
Bewertet von Karina Kriegesmann, Freie Universität Berlin
Lateinamerika war im 19. und 20. Jahrhundert ein wichtiges Ziel
deutschsprachiger Migranten, die Gesellschaft, Wirtschaft, Politik
und
Wissenschaft in den verschiedenen Ländern des Kontinents
nachhaltig geprägt
haben. Durch den Aufbau von Netzwerken und Institutionen, die
Pflege von
Verbindungen zu ihrem Heimatland und den Gastgesellschaften und
die
grenzüberschreitende Kommunikation prägten sie eine Vielzahl
multidirektionaler
Wissensflüsse. Die Konferenz brachte Wissenschaftler aus
Lateinamerika, Nordamerika
und Europa zusammen, die das gemeinsame Ziel hatten, das
Bewusstsein für die
verflochtenen Geschichten deutscher Migranten in Amerika zu
schärfen, indem sie
sich auf ihre Beiträge zur Wissensproduktion konzentrierten.
Anstatt sie als
isolierte ethnische Gruppe in einzelnen lateinamerikanischen
Nationalstaaten zu
betrachten oder lediglich isolierten Wissenstransfers
nachzuzeichnen, lag der
gemeinsame Fokus auf Interaktionen zwischen verschiedenen
Individuen und
Gruppen. Gelehrte, Siedlergemeinschaften und sogar
Medienunternehmer spielten
eine wichtige Rolle bei der Zirkulation von Wissen innerhalb und
zwischen
verschiedenen Sphären.
In seiner Keynote gab JEFFREY LESSER (Atlanta) einen Einblick in
das Leben von
fünf Personen, indem er verschiedene Aspekte der brasilianischen
Migrationsgeschichte und Debatten im Zusammenhang mit der
öffentlichen
Gesundheit hervorhob. Ausgangspunkt seines Vortrags war das von
Einwanderungsbewegungen stark betroffene Viertel Bom Retiro (Gute
Zuflucht) in
São Paulo. In seinen Fallstudien thematisierte er den Diskurs über
Menschen,
die Krankheiten nach Brasilien einschleppten, die lokal
organisierte
„Säuberung“ vermeintlich schmutziger Ausländer im „zentralen
Desinfektionszentrum“ von São Paulo, Patienten-Arzt-Beziehungen,
die Rolle von
Vermittlern sowie psychische Erkrankungen und die Ablehnung und
Gewalt dagegen
gerichtet. Lesser betonte, dass Wissen für jeden der Protagonisten
in den fünf
Geschichten, die er erzählte, eine andere Bedeutung hatte. Anstatt
sie auf ihre
Rolle als Migranten zu reduzieren, diskutierte er, inwieweit
Migrantenwissen in
den vorgestellten Fällen vorhanden war.
IRINA PODGORNY (La Plata) griff diese Idee in ihrem Kommentar auf.
Sie betonte,
dass die Protagonisten in den Episoden nicht auf ihre Nationalität
reduziert
werden könnten. Stattdessen betonte sie ihre Bewegungen in
transkulturellen
Kontexten, die Vielfalt an Kontakten und Identitäten und das
unterwegs geformte
Wissen. Sowohl Lesser als auch Podgorny thematisierten die
Schlüsselkonzepte
der Konferenz: Was ist eigentlich Deutschtum? Was bedeutet
Migration für Ein-
und Auswanderer sowie deren Nachkommen? Auf welches Wissen können
wir uns
beziehen? Dies waren einige der Fragen, die von den Teilnehmern
der Konferenz
an den beiden folgenden Tagen ausführlich diskutiert werden
sollten.
Das erste Panel befasste sich mit indigenem Wissen und damit
zusammenhängender
Forschung, Netzwerken und Repräsentationen. Es konzentrierte sich
auf die
Arbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die
transnational tätig
waren.
SOPHIE BROCKMANNN (Leicester) beleuchtete anschaulich den Beitrag
von Forschern
wie dem Archäologen und Anthropologen Erwin Paul Dieseldorff in
Guatemala, die
in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts eine bedeutende
Rolle bei der
Entwicklung der Maya-Archäologie und der Produktion
archäologischen Wissens
gespielt haben.
Ähnlich verhielten sich die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler, deren
Netzwerke LORENA LÓPEZ JÁUREGUI (Berlin) analysierte. Ihr Vortrag
konzentrierte
sich auf die hochmobilen deutschen Teilnehmer des International
Congress of
Americanists. Sie erklärte, wie einige Mitglieder zur Schaffung
nationaler
Museen und ihrer Sammlungen beigetragen und das Wissen über
indigene Gruppen
übersetzt haben.
Begegnungen mit lokalen indigenen Gemeinschaften standen im
Mittelpunkt der
Präsentation von FELIPE VILO MUÑOZ (Austin). Er beschrieb, wie der
preußische
Naturforscher Rudolph Philippi während seiner vom chilenischen
Staat
finanzierten Forschungsreise in die Atacama-Wüste 1853-1854 zur
Produktion und
Zirkulation von Wissen beitrug. Das Sammeln von lokalem Wissen
über die Wüste
und die Anerkennung lokaler Fähigkeiten und Praktiken waren
grundlegend für die
Erstellung von Publikationen, Karten und Museumssammlungen in den
folgenden
Jahren. H. GLENN PENNY (Los Angeles) verknüpfte die drei Beiträge
in seinem
Kommentar. Anhand der unterschiedlichen Wissenschaftler erläuterte
er, zwischen
welchen nationalen und transnationalen Arenen sie sich bewegten
und wie sie als
Wissensträger und Übersetzer agierten. In der anschließenden
Diskussion
identifizierten die Teilnehmer die Frage des nationalen Erbes,
Profit und
Vorteil, die Rolle des Staates und die Staatsbürgerschaft der
Gelehrten als
Themen, die einer vertieften wissenschaftlichen Aufmerksamkeit
bedürfen.
Zukünftige Forschung muss sich mit indigenem und lokalem Wissen
sowie
unterschiedlichen Epistemologien befassen.
Das zweite Panel konzentrierte sich auf verflochtene
wissenschaftliche
Erkenntnisse. BENJAMIN BRYCE (Vancouver) gab einen Überblick über
einen Aspekt
der argentinischen Einwanderungspolitik zwischen 1880 und 1930. Er
erklärte,
wie Argentinien als Ergebnis rechtlicher Diskussionen und des
Austauschs mit
anderen Staaten Grenzkontrollen entwickelte, um Menschen von
argentinischem
Boden fernzuhalten, die als „ arbeitsunfähig."
BARBARA KIRSI SILVA (Santiago de Chile) konzentrierte sich nicht
auf große
Migrantengruppen, sondern auf die Arbeit einer Einzelperson, die
sie als
Vermittlerin für migrantisches Wissen vorstellte. Der in
Deutschland geborene
Astronom Jürgen Stock von der University of Chicago kam während
des Kalten
Krieges nach Chile, um verschiedene potenzielle Standorte für die
Südsternwarte
der Vereinigten Staaten zu evaluieren. Anstatt Stock einen
„wissenschaftlichen
Pionier“ zu nennen, betonte Silva den Beitrag der Menschen vor
Ort, die später
selbst zu Experten auf dem Gebiet der Astronomie wurden.
Expertenwissen stand auch im Mittelpunkt des Vortrags von NELSON
CHACÓN
(Eichstätt-Ingolstadt) über den „Wissenschaftsmigranten“ Fritz
Müller. Er hob
hervor, wie Müller Wissen über Evolution in einem transkulturellen
Raum
produzierte. Wie Müller nutzten Charles Darwin und andere die
Natur Brasiliens
als Labor und interagierten mit lokalen Wissensproduzenten.
CARLOS RODRIGO SANHUENZA CERDA (Santiago de Chile) warf in seinem
Kommentar die
Frage auf, ob in den vorgestellten Fällen von einem identischen
Wissensverständnis ausgegangen werden könne oder ob wir uns lieber
auf die
Asymmetrien konzentrieren sollten, die die Wissensproduktion
prägten. Alle drei
Beiträge konzentrierten sich auf Personen, die beispielsweise
gesetzliche und
öffentliche Gesundheitsvorschriften geschaffen, astronomisches
Wissen
hervorgebracht oder die Besonderheiten der brasilianischen Umwelt
studiert
haben. Doch gerade die Verbindungen zu lokalen Gemeinschaften,
Interaktionen
zwischen verschiedenen Individuen und der enge Kontakt mit der
Umwelt
identifizierten die drei Referenten als entscheidend für die
Produktion
wissenschaftlicher Erkenntnisse. In der anschließenden Diskussion
wurde deutlich,
wie zentral Lateinamerika ist und dass wir uns von
diffusionistischen
Narrativen lösen müssen, die davon ausgehen, dass die
Wissensproduktion nur in
Nordamerika und Europa stattfand. Der Fokus auf Lateinamerika kann
dabei
helfen, unsere Perspektiven neu zu orientieren und
unterschiedliche
Wissensbestände zueinander in Beziehung zu setzen.
Im dritten Panel wurden die Wissens- und Migrationsgeschichte mit
Aspekten der
Kolonialisierung, Besiedlung und des Unternehmertums verknüpft.
Der Vorsitzende
Mario Peters (Washington DC) stellte den Fokus auf die Schaffung
von Wissen in
und über fremde Umgebungen vor. JOCHEN KEMNER (Kassel)
konzentrierte sich dann
auf die Karibik, wo Deutsche als tropische
Agribusiness-Unternehmer aktiv
waren. Unternehmerische Aktivitäten müssen im Kontext des
postkolonialen Blicks
auf Arbeitsausbeutung und Philanthropie gesehen werden. Jochen
Kemner betonte,
dass das Wissen von Experten, lokalen Akteuren und Migranten für
die Wirtschaft
gleichermaßen wichtig sei. „Wissen, wie man sich niederlässt“
stand im
Mittelpunkt des Vortrags von CRISTIAN CERCEL (Tübingen). Er
verglich zwei
Beispiele organisierter Migration in den 1940er und 1950er Jahren.
Konkret
konzentrierte er sich auf die Siedlungen jüdischer Flüchtlinge in
der
Dominikanischen Republik und die von donauschwäbischen
Vertriebenen in
Brasilien. Sein Vortrag ging über humanitäre Aspekte hinaus und
verdeutlichte
die Relevanz bisheriger Erfahrungen und des Wissenstransfers für
Landsiedlungen
und Umsiedlungen. Auch CLAUDIO SOLTMANN (Mainz) beschäftigte sich
mit fremden
Lebenswelten, in seinem Fall aber mit Sprache und Kultur. In den
1920er Jahren
leisteten die Kapuziner-Missionare Felix Joseph von Augsburg und
Hieronymus von
Amberg durch ihre Veröffentlichungen einen bemerkenswerten Beitrag
zur
Entwicklung der Mapuche-Studien. Ihre Schriften und
Briefmaterialien sind laut Soltmann
wesentlich für das Verständnis verschiedener Aspekte der
Netzwerkbildung und
der Deutschlandwissenschaft in Chile. STEFAN RINKE (Berlin)
kommentierte die
drei Vorträge und betonte die Relevanz der verschiedenen Orte, an
denen diese
Akteure unterwegs waren, sich trafen und austauschten, sowie die
Vorstellung
von vermeintlich leeren Landschaften in Lateinamerika, in denen
und über welche
Neues Wissen produziert wurde.
Das vierte Panel widmete sich der Wissensproduktion im
öffentlichen Raum.
KARINA KRIEGESMANN (Berlin) verband die Verbreitung von wahren und
falschen
Nachrichten während des Ersten Weltkriegs mit dem Bild, das sich
Brasilianer,
insbesondere von Menschen aus Deutschland, bilden konnten. Sie
lenkte die
Aufmerksamkeit auf umstrittenes Wissen und Zeitungen als
Produzenten von
vernakularisiertem Migrantenwissen. Auch ITZEL TOLEDO GARCÍA
(Berlin) betonte
die Bedeutung der Nachrichtenproduktion in den 1920er Jahren. In
ihrer Studie
über Carl Duems, einen deutschstämmigen Medienunternehmer in
Mexiko-Stadt,
skizzierte sie die Gründung seiner Nachrichtenagentur, die zur
Verbreitung mehr
oder weniger neutraler Nachrichten in Lateinamerika beitrug.
RICARDA MUSSER
(Berlin) verband ihre Recherchen zu Charley Lachmund, der in den
USA geboren
wurde, in Brasilien arbeitete und von 1896 bis 1902 in Leipzig
studierte, mit
kulturhistorischen Fragestellungen. Unter Bezugnahme auf
„musikalische
Migrationen“ ging ihr Beitrag auf einen Vertreter einer
hochmobilen
Berufsgruppe ein, der die Musikentwicklung in Brasilien maßgeblich
beeinflusst
hat. DAVID BLACKBOURN (Nashville) wies in seinem Kommentar darauf
hin, dass
sich gerade um die Wende zum 20. Jahrhundert Informationen viel
schneller
verbreiteten als Menschen und Waren und wesentlich zur Produktion
von Wissen über
Ereignisse und Entwicklungen in fernen Regionen beitrugen. Die
Diskussion der
Vorträge konzentrierte sich auf die Rolle des Ersten Weltkriegs
und die
Aushandlung von Nationalität in den Medien und in der Musik.
Aufgrund ihrer
gemeinsamen Ausrichtung regten die drei Vorträge die Teilnehmer
auch dazu an,
die Schnittmengen und Grenzen zwischen Wissen, Information,
Nachrichten,
Allgemeinwissen, künstlerischen Beiträgen und mündlicher
Kommunikation sowie
Fragen der Identitätsbildung zu diskutieren.
Ein Besuch der argentinischen Botschaft in Washington D.C. und ein
Austausch
über aktuelle Migrations- und Wissenschaftspolitik waren Teil des
Konferenzprogramms. Die Teilnehmer des abschließenden Runden
Tisches
diskutierten drängende Themen in der Geschichte der deutschen
Migration nach
Amerika, die Relevanz der Verbindungen und Verstrickungen
deutscher
Migrantengemeinschaften für historische Erzählungen und
Interpretationen des
Platzes von Migranten in der Dynamik der Wissensproduktion. Die
Diskutanten
waren sich einig, dass wir Annahmen über die Besonderheit des
Deutschseins
hinterfragen müssen. Die Geschichte der Deutschen und der
deutschsprachigen
Welt, die sich tatsächlich über mehr als zwei Jahrhunderte
erstreckt, muss
differenziert betrachtet werden. Die Fokussierung auf Narrative
über Migranten
und die Idee eines „deutschen Atlantiks“ kann dabei helfen,
vielfältige
Verstrickungen zu analysieren, ohne dabei Entflechtungen, einen
möglichen
Wissensverlust und Asymmetrien in der Wissensproduktion zu
vernachlässigen. Um
der Komplexität von Migrationen und Wissen zu begegnen, muss der
Fokus auf
Mediatoren und Übersetzer gelegt werden. Gerade der Fokus auf
Lateinamerika
beweist, wie fruchtbar es ist, nicht nur unterschiedliche
zeitliche und
räumliche Maßstäbe, sondern auch die Diversität der beteiligten,
insbesondere
nicht-westlichen Akteure, sowie indigenes Wissen an
unterschiedlichen Orten zu
untersuchen.
Konferenzübersicht
Jeffrey Lesser (Atlanta): Mehr Geschichten über Leben und Ideen
Irina Podgorny (La Plata): Kommentar
Panel 1: Indigenes Wissen und darüber hinaus: Forschung, Netzwerke
und
Repräsentationen
Nino Vallen (Washington D.C./ Berkeley): Vorsitzender
Sophie Brockmann (Leicester): Deutsche in Guatemala und die
Entstehung der
Maya-Archäologie, 1900-1940
Lorena López Jáuregui (Berlin): Deutsche Wissenschaftsnetzwerke
&
Amerikanistische Museen: Eine verflochtene Geschichte (1884-1914)
Felipe Vilo Muñoz (Austin): Communities on Motion: Die Reise in
die
Atacama-Wüste, 1853-1854
H. Glenn Penny (Los Angeles): Kommentar:
Panel 2: Verschränktes wissenschaftliches Wissen: Medizin, Natur
und Kosmos
Carolin Liebisch-Gümüş (Washington D.C.): Vorsitzende
Benjamin Bryce (Vancouver): Gesundheit und Leistungsfähigkeit an
den Grenzen:
Deutsche und Transitmigranten zwischen Deutschland und
Argentinien, 1890-1930
Barbara Kirsi Silva (Santiago de Chile): Jürgen Stock. Der Fall
eines
Astronomen als Vermittler für migrantisches Wissen
Nelson Chacón (Eichstätt-Ingolstadt): Migranten und Wissen in
Lateinamerika:
Fritz Müller und die brasilianische Natur im 19. Jahrhundert
Carlos Rodrigo Sanhueza Cerda (Santiago de Chile): Kommentar
Panel 3: Schaffung von Wissen in und über fremde Umgebungen:
Kolonialisierung,
Besiedlung und Unternehmertum
Mario Peters (Washington D.C.): Vorsitzender
Jochen Kemner (Kassel): Deutsche Migranten als tropische
Agro-Business-Unternehmer und der postkoloniale Blick auf
Arbeitsausbeutung und
Philanthropie
Cristian Cercel (Tübingen): Wissen, wie man sich niederlässt: Eine
vergleichende Analyse der Umsiedlung jüdischer Flüchtlinge nach
Sosúa,
Dominikanische Republik (1940), und der Umsiedlung
donauschwäbischer
Vertriebener nach Entre Rios, Brasilien (1951/1952)
Claudio Soltmann (Mainz): Kapuzinermissionare und
Deutschlandstipendium in Chile.
Der Fall Felix Joseph von Augsburg und Hieronymus von Amberg
(1900-1920)
Stefan Rinke (Freie Universität Berlin): Kommentar
Panel 4: Wissen für die Öffentlichkeit: Nachrichten, Medien und
Kultur
Simone Lässig (Washington D.C.): Vorsitzende
Karina Kriegesmann (Berlin): Umstrittenes Wissen, Wahrheiten und
Berichterstattung in den Amerikas: Deutsche Migranten und soziale
Vielfalt in
Brasilien während des Ersten Weltkriegs
Itzel Toledo García (Berlin): Agencia Duems und die Verbreitung
von Nachrichten
in Lateinamerika (1920-1932)
Ricarda Musser (Berlin): Musikmigrationen: Deutsche Musiker in
Brasilien und
ihr Einfluss auf die Musikentwicklung. Das Beispiel von Charley
Lachmund
David Blackbourn (Nashville): Kommentar
Abschließender runder Tisch
Barbara Kirsi Silva (Santiago de Chile), Itzel Toledo García
(Berlin), Carlos
Rodrigo Sanhueza Cerda (Santiago de Chile), David Blackbourn
(Nashville)
H. Glenn Penny (Los Angeles), Stefan Rinke (Berlin): Moderation
Zitat: Tagungsbericht: Deutsche Migranten und Migrationswissen in
der
lateinamerikanischen Geschichte, In: H-Soz-Kult, 03.02.2023,
<www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-133543>.
Date: 2023/02/04 21:27:02
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Betreff: | PREMIERE: GERMANS TO THE FRONT - Do, 9.2.23, 20 Uhr Kino 8 1/2, Nauwieserstr. 19, 66111 Saarbrücken |
---|---|
Datum: | Sat, 4 Feb 2023 19:30:50 +0100 |
Von: | Klaus Gietinger <klaus(a)gietinger.de> |
An: | Klaus Gietinger <klaus(a)gietinger.de> |
Liebe Freunde und Freundinnen, sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit weise ich auf
die Premiere meines Kurzfilmes GERMANS TO THE FRONT hin, die
am Donnerstag, den 9.2.2023 um 20 Uhr im Kino Achteinhalb,
Saarbrücken, Nauwiesrstr. 19 stattfindet. Es spielen die
GRENZGÄNGER. Die saarländische Schauspielerin Sophie Roßfeld,
die vier Männerrollen verkörpert und der Regisseur stellen
sich im Anschluss Ihren Fragen. Kartenreservierungen unter 06 81 / 3 90 88 80 oder info(a)kinoachteinhalb.de
. Gäste sind u. a. der Französische Generalkonsul Sébastien
Girard und der Direktor des Historischen Museums Saar, Simon
Matzerath. Ebenso anwesend sind Mitglieder des Teams. Die
Veranstaltung wird von der Heinrich Böll Stiftung Saar in
Zusammenarbeit mit dem Kino 8 1/2 ausgerichtet. Es lebe
die deutsch-französische Freundschaft - Vive l'amitié
franco-allemande!
Synopsis:
Die Geschichte deutsch-französischer und
lothringisch-saarländischer Beziehungen aus zwei
Jahrhunderten, zusammengefasst in 21 Minuten Film, gespielt
von vier jungen Schauspielerinnen, die mittels eines
emotionalen Verfremdungseffekts und vor historischen
Kriegsbildern 13 Männerrollen verkörpern. Witz und Tragik
fehlen nicht, zentrale Figur ist der heute nahezu vergessene
Historienmaler Anton von Werner, von dem jeder ein einziges
Bild kennt (das natürlich erst im Film verraten wird) und der
hier im Saarbrücken plötzlich und zufällig (?) aus der
Versenkung geholt wurde. Keine unwichtigen Rollen spielen sein
Meisterschüler Carl Röchling, die SPD-Gründer August Bebel,
Wilhelm Liebknecht, der braune Freidemokrat Heini Schneider,
der konservative Europäer Johannes Hoffmann („der Dicke“) und
die boxenstarken Chinesen. Eine Tour de Force an der Saar
durch die Jahre 1870/71, 1900, 1914 und 1956. Dazwischen
dreimal Krieg und viermal Frieden. Ein Film ohne Förderung,
ohne Fernsehen produziert, aber vielleicht gerade deswegen
unbeabsichtigt aktueller denn je: GERMANS TO THE FRONT?
Date: 2023/02/04 21:36:31
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
letztens in der Saarbrücker Zeitung:
Früheste Püttlinger Bannbücher sind wieder da
Sie waren lange verschwunden. Nun hat das Landesarchiv zwei der
vier ersten
Püttlinger Bannbücher, die es aus einem Nachlass erhalten hatte,
der Stadt
übergeben. Die Bücher zeigen nicht nur alte Banngrenzen, sondern
auch, dass die
Püttlinger „Freye“ keine Leibeigenen waren.
Von Marco
Reuther
Was für eine sagenhafte Handschrift. Mit schwarzer Tinte
geschrieben,
geschwungen und mit kunstvollen Schnörkeln. Aber die
Rechtschreibung ...? Statt
Püttlingen steht da auch mal „Pittlingen“ oder „Putlingen“. „Das
kann man nicht
als falsch brandmarken“, erklärt David Schnur, stellvertretender
Leiter des
saarländischen Landesarchivs, „damals war die Rechtschreibung
noch nicht
vereinheitlicht.“
„Damals“, das war vor rund 240 Jahren, als die aus heutiger
Sicht historischen
Schätze entstanden, die der Stadt Püttlingen am Montag
zurückgegeben wurden, sehr
zur Freude von Bürgermeisterin Denise Klein und des
ehrenamtlichen
Stadtarchivars Stefan Handfest.
Der Ursprung der beiden dicken Bannbücher: 1766 hatte, im Zuge
von Gebietsbereinigungen,
der französische König Ludwig XV. die Herrschaft über Püttlingen
an Fürst
Wilhelm Heinrich von Saarbrücken abgegeben, das Gebiet gehörte
aber noch Graf
Christian von Wied-Runkel, der seinen Besitz 1778 für 120 000
Gulden an Wilhelm Heinrichs Sohn Fürst Ludwig
verkaufte.
Ludwig wiederum wollte irgendwann – zumal er zunehmend knapp bei
Kasse war –
genau informiert sein, wie er seine Püttlinger Untertanen
besteuern kann, was
sich insbesondere nach deren Besitz an Grund und Boden richtete.
So ließ er die
„Meierei Püttlingen“ – noch ohne Köllerbach – von 1784 bis 1787
genauestens
vermessen, mit allen Bann- und Grundstücksgrenzen, mit Häusern
und
Grenzsteinen. Die „Geometer“ – heute würde man sagen, Experten
im
Vermessungswesen – fertigten aus den Daten eben jene Bannbücher
an, in denen
die Grundstücke und deren Besitzer verzeichnet sind. Die Steuern
richteten sich
nach der Größe, nach den Gebäuden – wie viele Herde sie hatten –
und nach der
Art des Bodens, etwa ob es bejagbarer Wald oder Ackerland war,
oder ob dort ein
Bach floss, der Mühlen betreiben konnte – auch Letztere waren,
als wichtige
Wirtschaftsfaktoren ihrer Zeit, eingetragen.
Für die Bürger waren die Bücher ebenfalls von Bedeutung, denn
sie brachten
Rechtssicherheit: Zuvor hatte es oft Streitigkeiten um
Grundstücke gegeben, die
aber nun dank verbindlicher Bannbücher geklärt werden konnten.
Die
Grundstücksgrößen wurden in „Morgen“ und „Ruthen“ angegeben, die
zu zahlende
Grundsteuer in „Gulden“, „Albus“ und „Pfennig“, und wer auch
immer damals die
schwarze Tinte anrührte, verstand sein Handwerk, denn die
Schrift ist recht gut
erhalten (wie in jener Zeit Tinte hergestellt wurde, folgt im
Anschluß).
Einige Skizzen und historisch bedeutende Anmerkungen finden sich
ebenfalls in
den Büchern, zusätzlich wurden etwa 50 Karten gefertigt, von
denen noch zehn
erhalten sind. Vier dicke, auf einer Art Büttenpapier
handgeschriebene
Bannbücher waren so entstanden. Es folgten, gewissermaßen als
zweite
Bannbuch-Generation, ab 1823 und somit schon in der
„Preußen-Zeit“ vier weitere
Bücher, die den Änderungen der vorangegangenen Jahrzehnte
Rechnung trugen.
Doch von den acht Büchern hatte die Stadt Püttlingen nur noch
sechs in ihrem
Besitz gehabt. Zwei der „ersten Generation“ fehlten schon seit
etwa einem
halben Jahrhundert. Eines, aus dem Jahr 1790, enthielt auch
einen bedeutsamen
Eintrag, der zeigte, dass die Püttlinger keine Leibeignen,
sondern freie Bürger
waren: „Die Pittlinger Gemeindsleute sind freyde ohnleibeigene
Unterthanen und
behalten sich vor alle unter Frankreich genossene und an das
nassauische haus
mitgebrachten rechte“ – das bedeutete unter anderem, dass die
Püttlinger Bürger
nicht alles stillschweigend hinnehmen mussten, was das
Saarbrücker Fürstenhaus
verlangte, sondern dagegen Rechtsmittel einlegen konnte.
Wie aber sind die beiden Bücher jetzt wieder aufgetaucht? Wie es
heißt, habe
der Püttlinger Heimatkundler Willibald Meyer (1908-1993) die
Akten, als im
Rathaus aufgeräumt und entrümpelt wurde, vor der Vernichtung
bewahrt. Dessen
Sohn Karl-Michel Meyer übergab die Sammlung seines Vaters Anfang
2014 an das
Landesarchiv.
Dass das Landesarchiv nun die Bücher der Stadt übergeben hat,
ist wohl mit ein
Verdienst von Stefan Handfest. Landesarchivar David Schnur –
„das habe ich so
noch nicht gesehen“ – zeigte sich jedenfalls begeistert von
Handfests
Engagement und dessen Ordnung im Archiv des Püttlinger
Rathauses. Der
ehrenamtliche Archivar, Herr über 220 Regalmeter, verbringt mit
viel Herzblut
Stunde um Stunde im Archiv und hat sogar ein eigenes
Computer-Programm zur
Archivierung entwickelt. „Derzeit werden die wichtigen
Unterlagen
digitalisiert“, so Handfest; das bedeutet: Wenn die alten
Bannbücher
eingescannt sind, dann kann sie jeder via Internet und Computer
durchforsten –
voraussichtlich über die Internetseite www.archive.org. Und die
Bücher selbst,
die man dann nicht mehr im Original einsehen muss, bleiben gut
geschützt in
ihren dicken Kartons.
So machten unsere
Vorfahren „Schwartze
Dinte“
Nicht nur das Püttlinger Bannbuch, auch die Tinte dafür war
Handarbeit. Wir
haben eine Rezeptur aus Saarbrücken gefunden, aufgezeichnet im
„Schreib Buch
vor Georg Jacob Reuther St. Joh. den 15ten November 1774“:
„Von Schwartzer Dinte“ – s
Man nehme: „Erstlich Schwartze Galläpel.
Zweytens Englisch Vitriol oder Kupferwaßer.
Drittens Arabisch Gummi der Hell und Klar it. Viertens Allaun
nicht zu Viel
sonst schlägt die Dinte durch. Fünftens Küchen Saltz. Daß wehret
den Schimmel.
Sechstens ... heller und scharfer Essig, obige Species auf zu
losen, und die
Farbe aus zu ziehen. Siebtens Schnee oder Regen Wasser, welches
die Farbe beßer
annimmbt. Wer nun ein paar Kannen gute schwarze Dinte machen
will, der Nehme 6.
Loth Galäpfel, 4. Loth Englisch Vitriol, 2 Loth arabischen Gumi,
ein wenig
Alaun, ein Pötgen Saltz, ein viertel schopen Essig, 2. Kannen
... Regenwasser.
Harten Species werden in einem Mörsel Zerstosen hernach thue man
sie mit dem
Eßig in einen neuen unglasierten Hafen lasse es recht warm
werden doch nicht
kochen giese es hernach auf die species, und setze es wieder Zum
Feuer laß es
aber nicht Kochen sonst Verliehren die species ihre Farb. Rühre
es braf eine
Viertel stund, als dann setze man den Topf Hinter den ofen und
rühre ... oft um
hast du eine gute Dinte“
„1 Loth“ (Lot) konnte, je Region, 14 bis 18 Gramm sein oder
einfach ein Löffel
voll. Ein Schoppen konnte 0,5 oder 0,4 Liter bedeuten. Mit
„Englisch Vitriol
oder Kupferwasser“ ist vermutlich Kupfervitriol bzw.
Kupfersulfat gemeint, das Kupfersalz
der Schwefelsäure. „Eine Kanne“ war erst im Deutschen
Kaiserreich ein Liter,
davor war es nicht nur ein regional ungleiches Maß, sondern
manchmal auch je
nach Befüllung. So war in Aachen eine Kanne Bier 113,32, eine
Kanne Wein aber
106,7 Zentiliter. Also viel Spaß beim Brauen – wir übernehmen
aber keine
Verantwortung für Fehlschläge und verkleckerte Hemden.
Date: 2023/02/09 19:56:01
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
unter der Leitung von Karl Wesling wurde vor rund zwanzig
Jahren im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts der MAUS zusammen
mit der Bremer Handelskammer und dem Staatsarchiv Bremen die
umfangreiche Datenbank
Auf der IGGC im Jahr 2021 hielt Karl Wesling zwei Vorträge zu
den Bremer Passagierlisten in Deutsch und in Englisch. Beide
Versionen sind jetzt online und können auf unserer Website
angehört und -gesehen werden.
Auch die Vortragstexte stehen ab sofort als PDF in beiden Sprachen als Download zur Verfügung. Informationen zu weiteren Forschungsmöglichkeiten und Auswanderung findet man hier:
https://die-maus-bremen.info/index.php?id=57
Viel Freude beim Forschen wünscht
Freya Rosan (Vorsitzende DIE MAUS)
_____________________________________ International German Genealogy Partnership (IGGP) mailing list Write new topics to IGGP-L(a)genealogy.net Mailing list administration https://list.genealogy.net/mm/listinfo/iggp-l IGGP website https://iggp.org/ IGGP Conference 2023 Crossroads and Connections: Find your Family Story Wo Wege sich kreuzen: Finde Deine Familiengeschichte Find all information here: bit.ly/IGGPConference2023
Date: 2023/02/09 19:57:28
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
|
Date: 2023/02/16 17:25:41
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
_____________________________________ International German Genealogy Partnership (IGGP) mailing list Write new topics to IGGP-L(a)genealogy.net Mailing list administration https://list.genealogy.net/mm/listinfo/iggp-l IGGP website https://iggp.org/ IGGP Conference 2023 Crossroads and Connections: Find your Family Story Wo Wege sich kreuzen: Finde Deine Familiengeschichte Find all information here: bit.ly/IGGPConference2023
Date: 2023/02/17 10:38:04
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Film-Doku über das Ende des Zweiten Weltkriegs
in Namborn
Namborn Für den Dokumentarfilm „Die Amis kommen – Kriegsende in
Namborn“ hat
Filmemacher Joachim Ferrang sieben Zeitzeugen befragt und mehr als
fünf Stunden
Film-Material zusammengetragen. Premiere des rund einstündigen
Werks ist am
Vorabend des Jahrestags.
Von Thorsten
Grim, Redakteur Lokalredaktion St. Wendel
Der Winter war dunkel und kalt. Doch nach und nach hielt im März
endlich der
Frühling Einzug ins St. Wendeler Land. Und so, wie der Lenz unsere
Heimat peu à
peu von Eis und Schnee befreite, bereiteten die Alliierten dem
tausendjährigen
Reich der Nazis ein Ende. Das hatte nach der Machtergreifung nur
zwölf Jahre
überdauert.
Etwas mehr als zehn waren vergangen, seit sich unsere Altvorderen
entschieden
hatten, das Saargebiet trotz Hitler heim ins Reich zu führen –
oder wegen?
Jedenfalls gab es im Landkreis St. Wendel Dörfer, in denen die
heranrückenden
amerikanischen Truppen im März 1945 kaum auf nennenswerten
Widerstand stießen.
In anderen Orten fiel die Gegenwehr umso heftiger aus.
Namborn etwa wehrte sich massiv. Feuer aus vier Geschützstellungen
sollten die
von Güdesweiler her vorrückenden Amerikaner am weiteren Vormarsch
hindern. Die
Amerikaner wiederum sahen sich durch die erbitterte Gegenwehr
veranlasst,
Namborn unter schweren Granat- und Maschinengewehrbeschuss zu
nehmen.
In der Bevölkerung herrschte an jenem 19. März Durcheinander,
Aufregung und
AngSt. In Bergstollen suchten die Menschen Schutz vor den
einschlagenden
Granaten und Gewehrkugeln. Manche Gebäude wurden durch den
Beschuss teils
schwer beschädigt, unter anderem mussten der Kirchturm und das
Schulhaus
einiges einstecken.
Die deutschen Truppen, wozu auch ein zehnköpfiger Volkssturm-Trupp
und ein
Flakhelfer zählten, wichen im Laufe des Tages unter dem Druck der
Angreifer in
Richtung Furschweiler und Eisweiler zurück. So steht es im Buch
„Die Amis
kommen“, eine Dokumentation zum Kriegsende im Landkreis St.
Wendel. Doch wie
die Namborner jenen Frühlingstag im März 1945 und den danach
erlebten, das
steht nicht in dem Buch.
Diese Lücke schließt nun Joachim Ferrang. Der Filmemacher und
gebürtige
Namborner hat in den zurückliegenden Jahren sieben Zeitzeugen
befragt und lässt
sie nun in der 56-minütigen Film-Doku „Die Amis kommen –
Kriegsende in Namborn“
zu Wort kommen. Premiere feiert der Film am Samstag, 18. März, um
19 Uhr in der
Marktschenke in Namborn, also am Vorabend des Jahrestags.
„Diesen Film zu drehen, war mir eine Herzensangelegenheit“,
erzählt Ferrang.
Schon immer habe ihn der Zweite Weltkrieg interessiert. Er wollte
wissen,
welche Spuren er in seinem Heimatdorf hinterlassen hat – im Ort
selbst, aber
auch bei den Menschen, die ihn erlebten. Noch heute fragt er sich,
warum auch
in Namborn mehr als 90 Prozent der Menschen bei der ersten
Saarabstimmung für
den Anschluss an Deutschland votierten. Wie ging es nach der
Rückgliederung ins
Deutsche Reich weiter? Wie wurde der Kriegsausbruch wahrgenommen?
Und wie sein
Verlauf? Und wie war es, als der Krieg schließlich endete? „Doch
niemand wollte
darüber reden. Das ganze Thema wurde mehr oder weniger
totgeschwiegen.“
Auch seine Mutter hätte lange Zeit nicht mit ihm darüber sprechen,
seine Fragen
nicht beantworten wollen oder können. Erst im vorgerückten Alter
habe sie ihm
ihr Herz geöffnet und über die Hitler-Zeit, die Nazis und die
Geschehnisse
während des Zweiten Weltkriegs gesprochen. „Als sie 92 Jahre alt
war, konnten
wir darüber reden. Immer Sonntags, da war Mama-Tag“, erinnert sich
Ferrang,
„ich habe ihr Bücher mitgebracht, und sie hat sie gelesen, sich
Fragen notiert
und auch erzählt, was sie noch wusste.“
2017 suchte er über die Saarbrücker Zeitung weitere Zeitzeugen,
die bereit
waren, mit ihm über den Krieg und vor allem das Kriegsende zu
sprechen. Viele
meldeten sich, sieben erklärten sich bereit, an dem Film
mitzuwirken. „Drei der
Zeitzeugen sind inzwischen verstorben“, erzählt der Filmemacher.
Die
Dokumentation bezeichnet er auch als „Verneigung vor diesen“. Er
sei ihnen sehr
dankbar, dass sie sich ihm – und somit der Nachwelt – geöffnet
hätten.
Und er denkt, dass es den Protagonisten selbst auch gut getan
habe, über das
Erlebte zu sprechen. Teilweise sei ihnen eine Last vom Herzen
gefallen. „Ich
war bei einer Zeitzeugin, deren Mann zunächst nicht an dem Film
mitwirken
wollte.“ Doch dann habe auch dieser angefangen zu erzählen.
Irgendwann sei es
regelrecht aus ihm heraus gesprudelt. „Er sagte zu mir, dass er
gar nicht gewusst
hätte, dass das alles noch da war, weil er so lange nicht darüber
geredet und
alles ganz tief in seinem Innersten verschlossen hatte.“
Aus fünf Stunden Filmmaterial hat Ferrang 56 Minuten destilliert,
die den
Ablauf des 19. und 20. März 1945 nachzeichnen – aus der jeweiligen
Sicht der
Protagonisten. Günter Schönecker führt als Sprecher mit
ergänzenden
Informationen durch den Film. Den „roten Faden“ des Werks hat
Ferrang aus der
Namborner Schulchronik herausgezogen, in der Lehrer Franz Veith
den Einmarsch
der Amerikaner handschriftlich festgehalten hat.
Auch die geplante Sprengung des Namborner Eisenbahntunnels –
Hintergrund war
Hitlers Nero-Befehl – vor dem Einmarsch wird thematisiert. Und
zwei Namborner
berichten von heute noch im Ort zu findenden Kriegsrelikten.
Die letzten zehn Minuten des Films widmet Ferrang den Ereignissen
vom 29.
Januar 1944, als die Namborner Zeugen eines Luftkampfs wurden.
Infolge des
Gefechts am Himmel stürzte ein deutscher Jagdbomber (ME 109) in
der Ortsmitte
ab. Wie durch ein Wunder gab es unter den Einwohnern keine
Verletzten. Wie im
Buch „Die Amis kommen!“ nachzulesen ist, rettete sich der Pilot
mit einem
Fallschirm.
Als Begleitmaterial zur Doku „Die Amis kommen – Kriegsende in
Namborn“ hat
Filmemacher Joachim Ferrang auch eine Info-Broschüre drucken
lassen, die am
Premieren-Abend in Namborn am 18. März ausliegen wird.
Für seine Doku hat Joachim Ferrang sieben Zeitzeugen befragt.
In der Namborner Schulchronik hat der damalige Lehrer den
Einmarsch der
Amerikaner handschriftlich festgehalten. Sie lieferte den Roten
Faden der
Film-Doku „Kriegsende in Namborn – die Amis kommen“.
Das gilt auch für die neunköpfige Besatzung des viermotorigen
alliierten
Bombers, einer sogenannten fliegenden Festung, den der Deutsche
zuvor
abgeschossen hatte und der im Güdesweiler Wald niederging – als
einer von
dreien an diesem Tag im Landkreis St. Wendel. Etwas mehr als ein
Jahr später
war der Krieg für die Namborner dann zu Ende.
Date: 2023/02/17 10:38:46
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Das Buch „Die Amis kommen“ des Landkreises St. Wendel wurde
damals von
Reimund Benoist und mir initiiert. Der Landkreis übernahm die
Drucklegung. Wir
fanden in jedem Ort des Kreise eine Person, die recherchieren und
schreiben
sollte. Im Landesarchiv Saarbrücken lagen Befragungen einer
Kommission zum
Zweiten Weltkrieg, versandt an alle Orte des Saargebiets. Die vom
Kreis St.
Wendel schrieb ich ab, und wir verteilten sie an die Leute vor
Ort. Das Buch
war damals up-to-date, aber schon ein Jahr später nicht mehr. Das
zweite
Kapitel hatte ich aus dem zusammengestellt, was ich damals über
Bücher etc.
ermitteln konnte (das war prä-Internet). Im Sommer 1995 brachte
ich
After-Action-Reports der beteiligten amerikanischen Streitkräfte
aus den USA mit
nachhause, damit war das zweite Kapitel in großen Teilen
widerlegt. Der Rest
des Buches sind in der Hauptsache Augenzeugenberichte. Die waren
zeitlich näher
dran als die Leute von heute. Aber ihre Erinnerungen waren meist
nicht besser
als heute.
Roland Geiger
Date: 2023/02/21 10:06:11
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Guten Morgen,
Vor zwei Wochen, am 9. Februar 2023 (für mich war es Freitagmorgen
um 1 Uhr
morgens) zeigte das Max Kade Institut eine sehr interessante
Präsentation mit
dem Titel „Comanches, Captives, Germans: Transactions on the Texas
Frontier,
1847“ mit Christopher Wickham und Daniel Gelo.
Dr. Wickham und Gelo präsentierten drei Zeichnungen, die die
Interaktionen
zwischen deutschen Siedlern und Comanchen zeigen. Die Bilder
zeigen viele
Menschen, eine Jagdszene, einen Wagenzug, hauptsächlich Männer und
nur zwei
Frauen. Einer von ihnen - ein Comanche-Mädchen - wurde einem der
Deutschen von
einem Comanche übergeben.
Die Forscher erklärten, wer diese Leute waren und wie sie es
herausfanden. Eine
sehr interessante Recherche und Präsentation.
Hier können Sie es online ansehen:
=> https://www.youtube.com/watch?v=nGbbT3q2YCY
Die Präsentation ist in englischer Sprache.
Roland Geiger
------------
Antje Petty, Associate Director
Max Kade Institute for German-American Studies
University of Wisconsin
432 East Campus Mall
Madison, WI 53706
608-262-7546
Date: 2023/02/25 10:09:55
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Guten Morgen,
am kommenden Dienstag, 28. Februar, hält René Weisslinger,
Association
Généalogique de Hambach, im Rahmen des Monatstreffens der
Arbeitsgemeinschaft
für Saarländische Familienkunde (ASF) einen PowerPoint-Vortrag zum
Thema „Ahnenforschung
in Frankreich“.
Der Vortrag findet im Lesesaal des Landesarchivs Saarbrücken statt
und beginnt
um 17.30 Uhr.
Einlaß zum Monatstreffen ab 16 Uhr.
Jederman (für die, die gern dschändern: alle natürlichen Personen
jederlei
Geschlechts) ist eingeladen. Der Eintritt ist wie immer frei.
Bis am Dinnschdaach.
Roland Geiger
PS: Außerdem gibt’s am Dienstag für alle Mitglieder den ersten
InfoDienst des
Jahres. éss widda scheen woa.
Date: 2023/02/26 20:46:15
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Organisatoren:
AG Landesgeschichte im Verband der Historiker und Historikerinnen
Deutschlands
(VHD);
Institut für Landesgeschichte am Landesamt für Denkmalpflege und
Archäologie
Sachsen-Anhalt
Ausrichter:
Oliver Auge, Abteilung für Regionalgeschichte der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; Michael Hecht, Institut
für
Landesgeschichte am Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie
Sachsen-Anhalt
Halle an der Saale vom 21.09.2022 - 23.09.2022
Von Felicia Elisa Engelhard, Abteilung für
Regionalgeschichte, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Die goldene Herbstsonne ließ die Mauern der Franckeschen Stiftung
erstrahlen,
als sich Ende September die Gäste des geschichtlichen Symposiums
HOLGER
ZAUNSTÖCK (Halle) zu einer kleinen Führung über das Gelände
anschlossen.
Während die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter anderem die
Fassade des
Waisenhauses, die Bibliothek sowie die Kunst- und Naturalienkammer
besichtigten
und die steilen Stufen zum Altan bestiegen, erhielten sie auf
diese Weise noch
vor dem offiziellen Beginn der Vorträge einen ersten Eindruck von
dem
beeindruckenden Veranstaltungsort, seiner Geschichte und der damit
verknüpften
Bedeutung für Halle. Begleitet durch ein kurzes digitales Grußwort
von KARAMBA
DIABY (Halle) eröffneten im Anschluss an diesen breiten Streifzug
durch die
Stiftungsgeschichte MICHAEL HECHT (Halle) und OLIVER AUGE (Kiel)
im
Freylinghausen-Saal die bereits vierte Tagung der AG
Landesgeschichte. Wie Auge
in seinen einleitenden Worten betonte, galt es bei dieser
Veranstaltung nicht,
den Begriff und das Konzept „Heimat“ als solche in den Fokus zu
stellen, das
Ziel sei vielmehr, sich dem Verhältnis von Heimatforschung und
Landesgeschichte
zu widmen und aus unterschiedlichen Perspektiven und Regionen
diese Beziehung
sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart und Zukunft
näher in den
Blick zu nehmen. Diesem Aufruf folgend, bot Hecht zunächst eine
kurze
Einführung in die bisherige Heimatforschung in Sachsen-Anhalt und
gab einen
kurzen Ausblick auf die in den nächsten Tagen zu erwartenden
Vorträge und
Zugänge.
Als Auftakt zur ersten Sektion „Heimatdiskurse, Heimatkonzepte und
Heimatverbände“ sprach Oliver Auge sodann über „die
Regionalgeschichte als
wichtigste Begleiterin von Heimatgeschichte“, wobei er am Beispiel
der
Entwicklungen in Schleswig-Holstein vom Ende des 19. Jahrhunderts
bis heute
nachzeichnete, wie wenige Berührungsängste immer wieder zwischen
den beiden
Parteien herrschten und wo sie voneinander profitierten. Ohne den
Blick für die
Schwierigkeiten und Herausforderungen zu verlieren, sprach er sich
somit auch
künftig für epochen- und methodenübergreifende Arbeitsansätze aus
und rief zur
Kontaktaufnahme und Pflege von Verbindungen von Regional- und
Heimatforschung
zum Gewinn für beide Seiten auf, um in Zukunft zu erreichen, dass
die
Heimatgeschichte Identität nicht schaffe oder propagiere, dafür
aber
wissenschaftlich begleite und moderiere.
MICHAEL KIßENER (Mainz) wandte sich in seinen Ausführungen einer
anderen Region
zu und zeichnete die unterschiedlichen Argumentationslinien in den
Neugliederungsdebatten der Jahre 1945–1947 in Rheinland-Pfalz
nach. Dabei
fragte er sowohl nach den bestehenden regionalen
Identitätskonstruktionen als
auch nach der künstlichen Produktion von Heimatgefühl und stellte
die besondere
Rolle der Historiker in den Auflösungsdebatten heraus, deren
historische
Hilfestellung in diesem Diskurs nach seinem Dafürhalten durchaus
ausschlaggebend war.
Die nachmittäglichen Vorträge eröffnete MATHIAS BEER (Tübingen)
mit einer
Darlegung des Problems des Landes- und Heimatverlusts vieler
Deutscher nach dem
Zweiten Weltkrieg. So konnte er nachweisen, dass eine ostdeutsche
Landesgeschichtsforschung in der Bunderepublik in den Historischen
Kommissionen
weiterwirkte, eingebunden in den 1950er Jahren in das
Herder-Institut als
Dachorganisation, während die Kommissionen in der DDR aufgelöst
wurden. Zudem
ging Beer auf das Heimatbuch als einem wichtigen Medium
heimatgeschichtlicher
Auseinandersetzung ein, das, obschon bereits im 19. Jahrhundert
entwickelt,
nach dem Zweiten Weltkrieg erneut eine Konjunktur erlebte und
identitätsstiftende Züge für die Erlebnisgeneration der Autoren
zeitigte. In
den Heimatbüchern erkennt Beer umfangreiche
mentalitätsgeschichtliche Quellen.
In der Folge nahm JOHANNES SCHÜTZ (Dresden) die Umstände
laienhistorischer
Forschung in den Blick, die sich mit einer Auflösung der
herkömmlichen
Landesstrukturen und einer Instrumentalisierung der
professionellen
Geschichtswissenschaft konfrontiert gesehen hätten. Auf lokaler
Ebene und in
der Regel vor einer Mikroöffentlichkeit hätten Ortschronisten
zunächst
lediglich die Zeitgeschichte dargelegt, um sich später doch auch
weiteren
historischen Zusammenhängen ihrer Gemeinden zuzuwenden. Eine Art
methodischer
Hilfestellung für die Laienforschung sei in der institutionellen
Regionalgeschichte zu suchen gewesen. Dazu brachte Schütz das
Beispiel der
Burkauer Chronik, deren zuerst niederschwellig dargebotenen
Aufzeichnungen nach
der politischen Wende zu einem Heimatbuch zusammengefügt wurden.
Den öffentlichen Abendvortrag gestaltete ANDREAS RUTZ (Dresden)
durch die
Veranschaulichung der gegenwärtigen Instrumentalisierung des
Heimatbegriffs
durch völkische Strömungen, die über eine bewusste
Kolonialisierung kleiner
Räume wirke. Heimat sei jedoch das Ergebnis eines aktiven
Prozesses, so Rutz,
und somit durchaus nicht eine an den Raum gebundene historische
Konstante.
Ferner warb er in seinem Beitrag für eine wissenschaftliche
Entlarvung
vermeintlicher Traditionen und verwies stattdessen auf eine neue
europäische
und globale Landesgeschichte bei einem Bruch mit nationalen
Perspektiven.
Heimat müsse als historisch dynamisches Konstrukt verstanden
werden und auf inkludierende
Weise an Legitimität gewinnen.
Zu Beginn des zweiten Tages stellte CHRISTOPH JAHN (Schleswig),
auch
stellvertretend für seinen Projektpartner MARKUS HARTMANN (Kiel),
das Vorhaben
zur digitalen Erfassung und musealen Aufbereitung der ostdeutschen
Heimatstuben
in Schleswig-Holstein vor. Die nach dem Zweiten Weltkrieg
eingerichteten Orte
einer heimatlichen Erinnerung und Verbundenheit stünden seit den
1990er Jahren
vor dem Verschwinden, dem durch die neue Aufbereitung
konservatorisch
entgegengewirkt werde. Zudem legte Jahn die Bedeutung der
Heimatstuben als
Speicher lokalen Wissens über Ausgrabungen in einst ostdeutschen
Gebieten dar,
was heute von der Archäologie zur neuerlichen Fundplatzauswertung
genutzt
werden könne.
Den Horizont der Tagung auf Aspekte der geografischen Landeskunde
erweiterten
HAIK THOMAS PORADA (Leipzig) und PATRICK REITINGER (Leipzig).
Porada führte in
die Geschichte der außergewöhnlich langlebigen, 1957 begründeten
Buchreihe Werte
der deutschen Heimat, die seit 2022 Landschaften in Deutschland
heißt, ein und
erklärte zugleich deren Erfolg unter bürgerlichen Amateurforschern
an der
Akademie der Wissenschaften, ohne dass die Staatsführung der DDR
allzu großen
Einfluss hätte gewinnen können. Reitinger lenkte das Augenmerk
anschließend auf
die verschieden gelagerten Traditionsstränge landeskundlicher
Geografie, die in
der BRD spätestens seit 1969 als veralteter Ansatz abgelehnt, in
der DDR jedoch
unter einem anderen, sozialistisch geprägten Heimatbegriff
fortgesetzt worden
sei. Untersucht werde derzeit, wie die oben genannte
Schriftenreihe den
Systemwechsel überstehen konnte.
Die Wechselwirkung von Geschichte, Heimat und Politik beleuchtete
FERDINAND
KRAMER (München) in seinen Ausführungen zur Entwicklung der
bayerischen
Landesgeschichte im Kontext ihrer Institutionalisierung und
Etablierung in der
Geschichtswissenschaft, wobei er auch den Blick auf den Kontakt
und die
Beziehungen zu Heimatbewegungen richtete. Die Rolle des Münchener
Bürgertums
und historischer Vereine kamen dabei ebenso zur Sprache, wie die
Ziele der
Heimatbewegung und der Einfluss der Presse auf die Expansion des
Heimatgedankens sowie die politischen Erwartungen und
Einflussnahmen auf die
Landesgeschichte an den Universitäten.
WILFRIED SETZLER (Tübingen) führte das Auditorium mit seinem
Vortrag im
Anschluss an die Schnittstelle zwischen Heimatvereinen und
Landesgeschichte,
indem er über den Schwäbischen Heimatbund und dessen Beziehungen
zur
württembergischen Landesgeschichte referierte. Dafür zeichnete er
chronologisch
die Entwicklungen des Heimatbundes nach, ordnete anhand der
Mitgliederzahlen
die gesellschaftliche Bedeutung und den Zuspruch ein, zeigte aber
auch interne
Spannungen und Paradigmenwechsel im Laufe der Jahrzehnte auf, um
in seinem
Resümee schließlich auf die gegenwärtige Arbeit des Heimatbundes
und die
zukünftigen Herausforderungen bei sinkenden Mitgliederzahlen
hinzuweisen.
Die zweite Sektion unter dem Titel „Medien der Konstruktion von
Heimat und
Landesgeschichte“ eröffnete MARTINA STEBER (München) mit ihrem
Vortrag über
Heimatbücher. Ausgehend von bayerischen Heimatbüchern rief sie
dabei zunächst
die hohe Verbreitung von Heimatbüchern in nicht-universitären
Bevölkerungsschichten in Erinnerung und erläuterte, wie wenige
konkrete
Forschungsergebnisse zu dieser Gattung trotz des hohen
öffentlichen Interesses
an diesen Werken vorliegen. Anhand von fünf Punkten zeigte Steber
sodann die
Besonderheiten der Heimatbücher auf und charakterisierte sie als
„Kontinuitätskonstruktionen in einer Welt der Diskontinuität“.
Dem Zusammenhang von Heimatvereinen und dem Denkmalschutz bzw. der
Denkmalpflege wandte sich schließlich LIOBA KELLER-DRESCHER
(Münster) zu, indem
sie am Beispiel Württembergs nachvollzog, wie dort durch
Heimatvereine ab dem
19. Jahrhundert erste Listen zur Erfassung von Denkmälern erstellt
wurden, ohne
jedoch zunächst den Impuls zum Schutz und zur Bewahrung zu
enthalten. Erst
später habe sich der Gedanke und Wunsch entwickelt, die Sammlungen
und
Denkmäler zu erhalten, was schließlich zu einer Zentralisierung
und
Institutionalisierung geführt habe, die in die Gründung des
Denkmalschutzamtes
als Behörde gemündet habe.
EVA BENDL (Oberschönenfeld) erörterte die Geschichte der
Heimatmuseen in
Bayerisch-Schwaben, beginnend mit den Sammlungen honoriger Bürger
im 19.
Jahrhundert, die zu Beginn der 20. Jahrhunderts meist zu
agrarromantischen
Stuben, oft in Ablösung älterer Museen für Altertumskunde,
geworden seien. Ein
nationalistischer, bisweilen völkischer Einfluss sei dort bereits
seit den späten
1920er Jahren verstärkt spürbar gewesen, um im NS-Staat endgültig
eine
Politisierung und Erziehung zur Heimatliebe zu erfahren. Nach dem
Zweiten
Weltkrieg lasse sich weiterhin eine große Beliebtheit der
Heimatmuseen
beobachten, jedoch habe es in der zweiten Jahrhunderthälfte
etliche
Umbenennungen gegeben. Am Konzept des Museums Oberschönenfeld
zeigte Bendl
einen möglichen Ansatz einer pluralistischen Auseinandersetzung
mit Heimat über
Schwaben hinaus.
Indem sie sich dafür aussprach, Trachten als Ausdruck von
Identität mit zu
erforschen, zeigte LENA KRULL (Münster) einen weiteren Weg der
interdisziplinären Zusammenarbeit von heimatgeschichtlich
ausgerichteter
Volkskunde und Landesgeschichte auf. Dazu nahm sie nicht nur die
Trachten und
Trachtenbücher als solche in den Blick, sondern nutzte die
Kartografie als
zentrale Methode der Kulturraumforschung und Volkskunde, um das
Potential einer
derartigen Verknüpfung der Forschungsbereiche zu demonstrieren.
Abschließend
wandte sie sich dem Stammesgedanken als Konzept zu und erläuterte
ebenfalls von
Karten ausgehend, wann und auf welche Weise der Rassegedanke im
20. Jahrhundert
Einzug in die Trachtenforschung erhielt.
Die Neuprägung des Typus Heimatfest um 1900 vor allem in kleinen
industrialisierten Städten präsentierte ANTJE REPPE (Dresden). Im
Rahmen der
Heimatschutzbewegung entwickelte sich nach Reppe eine
Repräsentationsmöglichkeit für die städtischen Gemeinden sowohl in
der
Verwaltung als auch der gesamten Bevölkerung, die zudem eine
Nivellierung der
Klassenunterschiede für die Zeit des Festes zugunsten einer
vorgestellten
Gemeinschaft mitgebracht habe. Zugleich hätten die Heimatfeste
durch ihre
Begleiterscheinungen wie Gedichte und Festkarten Geschichte
reproduziert und
gar produziert. Zuletzt betonte Reppe den hohen Nutzen
heimatgeschichtlich
ausgerichteter Privatsammlungen für die Erforschung dieses
Phänomens.
Eine profunde Übersicht über die Geschichte der Sächsischen
Heimatblätter
lieferte ENNO BÜNZ (Leipzig). Hervorgegangen aus den
Heimatkundlichen Blättern
für Karl-Marx-Stadt, Dresden und Leipzig in den 1950er Jahren,
hätten die Sächsischen
Heimatblätter ein weites thematisches Konglomerat aus Landes- und
Kulturpflege,
Naturschutz, Volkskunde und Landesgeschichte bedienen müssen, das
insgesamt
einem in der DDR propagierten sozialistischen Heimatgefühl dienen
mochte.
Zunächst eingeforderte Themen hätten kaum eingelöst werden können,
sei das
Periodikum doch traditionell geblieben. Bei einst geringerer Zahl
eigentlicher
Forschungsbeiträge neben Heimatkundlichem seien die Blätter
inzwischen ein
Organ des Vereins für Sächsische Landesgeschichte.
Im abschließenden Vortrag bot ARND REITEMEIER sodann anhand von
vier Phasen
einen chronologischen Überblick über den Umgang mit dem
Heimatbegriff in den Blättern
für Deutsche Landesgeschichte. Beginnend mit der Gründung des
Gesamtvereins der
deutschen Geschichts- und Altertumsvereine im Jahr 1852 legte er
dazu dar,
inwiefern der Heimatbegriff ab den 1880er Jahren zunehmend eine
Rolle zu
spielen begann, wie er vermehrt von außen an den Gesamtverein
herangetragen
wurde und wie schließlich eine Professionalisierung und Hinwendung
zur
Landesgeschichte einsetzte. Besonderes Augenmerk legte er auf die
Entwicklungen
in der vierten Phase nach 1949, indem er die Differenzierung
zwischen
Heimatgeschichte und professioneller Geschichtswissenschaft
charakterisierte,
bei welcher der Heimatbegriff jedoch bis heute nicht als
Analysekategorie
berücksichtigt werde, sich die Blätter für Deutsche
Landesgeschichte jedoch zum
„Flaggschiff der wissenschaftlichen Publikation innerhalb der
Landesgeschichte“
entwickelt hätten.
Insgesamt gelang es den enthusiastischen Veranstaltern, inhaltlich
breit
gefächerten Vorträgen und angeregten Diskussionen des Symposiums,
das
Verhältnis von Landesgeschichte und Heimatforschung aus den
unterschiedlichsten
Perspektiven und im Hinblick auf verschiedene Regionen
herauszuarbeiten.
Ausgehend von detaillierten Ausführungen über die jeweiligen
Entwicklungen und
Brüche der letzten rund 200 Jahre wurden dabei die gegenwärtige
Beziehung von
Heimatforschung und professionalisierter Geschichtswissenschaft
auch immer
wieder kritisch diskutiert sowie Ansätze und Wünsche für eine
gewinnbringende
Zusammenarbeit in der Zukunft postuliert. Dennoch bestünde laut
Abschlussdiskussion eine besondere Herausforderung in der
Erforschung der
außerwissenschaftlichen Heimatkonzepte, da der Heimatbegriff
selbst kaum
offizielle Verwendung erfahre und zugrunde liegende Heimatkonzepte
zumeist erst
dann zu erkennen wären, wenn der Blick über die Semantik hinaus
gewagt werde.
Darüber hinaus müssten in Zukunft und über die Tagung hinaus zudem
die
europäische Perspektive jenseits der deutschen Grenzen
berücksichtigt, auf der
pädagogischen Ebene Heimatkonzepte im Schulkontext untersucht
sowie die ikonografische
Perspektive von Heimat(erzählungen) erforscht werden. Das
Symposium konnte
somit nicht nur inhaltlich eine gelungene Übersicht über das
Tagungsthema
bieten, sondern förderte nicht zuletzt durch die regen
Fachdiskurse im
Anschluss an jeden einzelnen Vortrag viele offene Fragen und
zahlreiche Ansätze
für neue Projekte und Forschungsvorhaben zu Tage, die eine
Fortsetzung der
Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Heimat- und
Landesgeschichte
unbedingt notwendig erscheinen lassen. Einen Anfang dafür soll der
geplante
Tagungsband bieten, der sich bereits in Vorbereitung befindet.
Konferenzübersicht:
Karamba Diaby, (Halle): Grußwort
Oliver Auge (Kiel) / Michael Hecht (Halle): Einführung in das
Tagungsthema
Sektion I: Heimatdiskurse, Heimatkonzepte und Heimatverbände
Oliver Auge (Kiel): „… vor Borniertheit und Ideologie … bewahren“
–
Regionalgeschichte als wichtigste Begleiterin von
Heimatgeschichte?
Michael Kißener (Mainz): Regionale Identitätskonstruktionen und
die Produktion
von Heimatgefühl. Die Historiker und das Land Rheinland-Pfalz in
den
Neugliederungsdebatten nach 1945
Mathias Beer (Tübingen): Landes- und Heimatgeschichte ohne Land.
Spezifische
Formen des Zugangs zur Vergangenheit nach Flucht und Vertreibung
Johannes Schütz (Dresden): Landesgeschichte – Regionalgeschichte –
Heimatgeschichte. Spannungsfelder laienhistorischer Forschungen in
der DDR
Andreas Rutz (Dresden): Heimat-Renaissance und Landesgeschichte.
Zur
(De-)Kolonialisierung kleiner Räume; öffentlicher Abendvortrag
Christoph Jahn (Schleswig): Online zwischen Elchen, Erbe und
Erinnerung. Das
digitale Potential der Heimatsammlungen in Schleswig-Holstein
Haik Thomas Porada (Leipzig) / Patrick Reitinger (Leipzig): Von
den „Werten der
deutschen Heimat“ 1957 zu den „Landschaften in Deutschland“ 2022.
Zur
Entwicklung des Heimatbegriffs in der geographischen Landeskunde
Ferdinand Kramer (München): Geschichte – Heimat – Politik
Wilfried Setzler (Tübingen): „Die Heimat in ihrer geschichtlich
gewordenen
Eigenart zu erhalten und gestalten…“ Der Schwäbische Heimatbund
und die
württembergische Landesgeschichte
Sektion II: Medien der Konstruktion von Heimat und
Landesgeschichte
Martina Steber (München): Übersichtlichkeit zwischen zwei
Buchdeckeln.
Heimatbücher in der frühen Bundesrepublik
Lioba Keller-Drescher (Münster): Vom Vaterländischen Verein zum
behördlichen
Denkmalschutz. Das Beispiel Württemberg
Eva Bendl (Oberschönenfeld): Heimatliebe in Vitrinen. Das
Heimatkonzept und die
historischen Museen in Bayerisch-Schwaben
Lena Krull (Münster): „Tracht“ als Thema der Landesgeschichte.
Wissenshistorische Erkundungen zwischen 1890 und 1945
Antje Reppe (Dresden): Mit und in Heimatfesten Heimatgeschichte(n)
schreiben? –
Perspektiven für die Landesgeschichte Sachsen-Anhalts
Enno Bünz (Leipzig): Die Sächsischen Heimatblätter in der DDR
Arnd Reitemeier (Göttingen): „Heimat“ in den Blättern für Deutsche
Landesgeschichte – der Gesamtverein und sein Heimatbegriff
Michael Hecht (Halle): Abschlussdiskussion und Tagungsende
Zitation
Tagungsbericht: Jenseits von Ideologie und Borniertheit? Zum
Verhältnis von
Landesgeschichte und Heimatgeschichte (19. bis 21. Jahrhundert),
In:
H-Soz-Kult, 27.02.2023, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-134061>.