Monatsdigest

[Regionalforum-Saar] Differenzerfahrung und Adressatenb ezug in Reisedarstellungen des 15.–18. Jahrhunderts

Date: 2022/08/10 09:06:32
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Guten Morgen,

digital ist wohl doch noch nicht so out - hier eine interessante hybride Veranstaltung.

Roland Geiger

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Der Rezipient ist im Werk – Differenzerfahrung und Adressatenbezug in Reisedarstellungen des 15.–18. Jahrhunderts

Veranstalter Forschungsbibliothek Gotha

Veranstaltungsort Schloss Friedenstein, Spiegelsaal

99867 Gotha

29.09.2022 - 30.09.2022

Von Monika Müller, Forschungsbibliothek Gotha

Internationaler Workshop zum Thema Reisedarstellungen im 15.-18. Jahrhundert mit Fokus auf die Art und Weise der Beschreibung des Reisens und des Vorgefundenen, die mutmaßliche Wahrnehmung durch die Rezipienten und die Konsequenzen für die Gestaltung von Reiseberichten

Ferne Länder waren seit jeher das Ziel von Reisen. Berichte darüber, teilweise wunderbar illustriert, haben sich von Reisenden ganz unterschiedlicher sozialer Herkunft und aus verschiedenen Zeiten erhalten – gerade auch in der Forschungsbibliothek Gotha. Bis heute bilden solche Reiseberichte die Grundlage für unsere Vorstellung vom Fremden, Unbekannten und Exotischen, sowie von Europa selbst. Der interdisziplinäre Workshop nähert sich dem Thema nicht wie vor allem die ältere Forschung aus der Perspektive des ersten Beobachters bzw. Autors, sondern fragt in einer medien- und kulturhistorischen Perspektive nach ihrem Adressatenbezug und ihrer Aussageintention. Im Fokus stehen somit Fragen danach, was und warum etwas den Lesern oder Betrachtern durch Text und Bild mitgeteilt werden sollte, was man ihnen zumuten zu können glaubte und welche Annahmen es davon gab, was sie schätzten oder erwarteten.

Ziel des Workshops ist, zu einer differenzierteren Einordnung von Reiseerfahrungen des 15.-18. Jahrhunderts und damit auch der Wahrnehmung Europas und der außereuropäischen Welt zu gelangen. Dazu sind Vorträge sowie eine Diskussion vor Originalen geplant. Das Thema soll aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven beleuchtet und einzigartige, bislang aber noch wenig bekannte historische Handschriften und Drucke der Forschungsbibliothek Gotha einem internationalen und verschiedene Disziplinen vertretenden Fachpublikum bekannter gemacht werden. Der Abendvortrag im Spiegelsaal von Schloss Friedenstein ist öffentlich.

Um Anmeldung zum Workshop und zum Abendvortrag wird gebeten. Die Veranstaltung findet hybrid statt, die Einwahl zu den Vorträgen ist über diesen Link möglich: https://uni-erfurt.webex.com/meet/veranstaltungen.fb. Bitte beachten Sie auch aktuelle Pandemie-Hinweise zu der Veranstaltung auf unserer Homepage.

Dem Freundeskreis Forschungsbibliothek Gotha e.V. danken wir für die großzügige Unterstützung des Workshops.

Programm

29.9.2022

13:00–13:10
Begrüßung durch Kathrin Paasch, Direktorin der Forschungsbibliothek Gotha

13:10–13:30
Einführung durch die Organisatorinnen

13:30–14:15
Susanne Knaeble: Wissen über Gott und Welt- Erfahrungsvermittlung in der Gothaer Handschrift des 'Herzog Ernst D‘

14:15–15:00
Philip Hahn: Exotische Unterhaltung oder Anleitung zur Arbeitsmigration? Intentionen und Wirkungen von deutschsprachigen Reiseberichten über Ostindien im 17. und 18. Jahrhundert

15:00-15:20
Kaffeepause

15:20–16:40
Präsentation und Diskussion von Originalen

16.40–17:00
Kaffeepause

17:00–17:45
Monika Müller: Caspar Schmalkaldens Reisen nach West- und Ostindien - ein Reisebericht?

17.45–18:30
Susanne Friedrich: Johann Wilhelm Vogel und die Goldminen von Sumatra. Eine Reise, zwei Drucke und drei Vorreden

18:30–18.45
Kaffeepause

18:45–19:45
Abendvortrag von Daniela Hacke: „The most delicious fruit that can be found“: Sinne und Wissen in Robert Knox Historical Relation of Ceylon (1681)

20:00
Gemeinsames Abendessen der ReferentInnen

30.9.2022

8:45–9:30
Haruka Oba: Warum veröffentlicht man Reiseberichte über Japan? Überlegungen zu den Paratexten frühneuzeitlicher Publikationen aus dem Heiligen Römischen Reich

9:30–10:15
Annette Kranen: Durch die Augen der Reisenden. Grafiken von Levante-Reisen um 1700 zwischen Autopsie und Kopie

10:15–10:35
Kaffeepause

10:35–11:20
Doris Gruber: Darstellungen osmanischer Fauna in Reiseberichten und ihr (intendiertes) Publikum

11:20–12:05
Julia Böttcher: Integre Reisende und Wissen in vertrauter Form: Adressatenorientierung in Berichten von Forschungsreisen im 18. Jahrhundert

12:05–13:15
Gemeinsames Mittagessen

13:15–14:00
Carsten Eckert: Mit Hammer, Fernglas und Lupe zu Fuß durch Europa - Die Geognostischen Reisen des Leopold von Buch um 1800

14:00–14:30
Abschlussdiskussion

14:30–15:15
Führung durch die historischen Räumlichkeiten der Forschungsbibliothek

Kontakt

PD Dr. Monika Müller
Leiterin der Abteilung Sammlungen und Bestandserhaltung
Forschungsbibliothek Gotha
monika.mueller(a)uni-erfurt.de

PD Dr. Susanne Friedrich
Vertretungsprofessorin
'Geschichte und Kulturen der Räume in der Neuzeit'
Universität Erfurt
susanne.friedrich(a)uni-erfurt.de

https://www.uni-erfurt.de/forschungsbibliothek-gotha/bibliothek/aktuelles/veranstaltungskalender/eventdetail/der-rezipient-ist-im-werk

Zitation
Der Rezipient ist im Werk – Differenzerfahrung und Adressatenbezug in Reisedarstellungen des 15.–18. Jahrhunderts. In: H-Soz-Kult, 09.08.2022, <www.hsozkult.de/event/id/event-128992>.

[Regionalforum-Saar] Die Frauen und Kinder deutscher Kr iegsgefangener. Integriert, ignoriert und instrumentalisier t, 1941–1956

Date: 2022/08/10 09:08:59
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Die Frauen und Kinder deutscher Kriegsgefangener. Integriert, ignoriert und instrumentalisiert, 1941–1956

Autor Ann-Kristin Kolwes,

Erschienen Bielefeld 2021: Transcript – Verlag für Kommunikation, Kultur und soziale Praxis

Anzahl Seiten 322 S.

Preis € 48,00

ISBN 978-3-8376-5464-6

Inhalt=> meinclio.clio-online.de/uploads/media/book/toc_book-59846.pdf

Rezensiert für H-Soz-Kult von Agnes Laba, Bergische Universität Wuppertal

Eine Geschichte der Ehefrauen und Familien von Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges liegt bislang lediglich für Frankreich und Österreich vor.[1] In ihrem Buch „Die Frauen und Kinder deutscher Kriegsgefangener“ widmet sich Ann-Kristin Kolwes nun den Familien von Wehrmachtssoldaten, die in Kriegsgefangenschaft gerieten. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich vom Angriff der Wehrmacht auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941, seit dem überhaupt erst deutsche Soldaten in umfangreichen Zahlen in Kriegsgefangenschaft gerieten, bis zur Ankunft des letzten Heimkehrtransportes aus russischer Gefangenschaft am 16. Januar 1956. Untersucht werden die Lebensumstände von Frauen und Kinder im Nationalsozialismus, in der Britischen sowie der Sowjetischen Besatzungszone, der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Diese Anlage der Arbeit als „asynchrone[r] Vergleich, der die jeweiligen Besonderheiten berücksichtig“ (S. 9), überzeugt, macht er doch nicht nur die systembedingten Unterschiede deutlich, sondern verweist auch auf die Wechselbeziehungen zwischen beiden deutschen Staaten.

Im Zentrum steht die Frage, welche Auswirkungen der Status des Ehemannes und Vaters als Kriegsgefangener auf das Leben seiner Familie vor dem jeweiligen politischen und sozio-kulturellen Kontext hatte. Den Untersuchungszeitraum teilt die Autorin in drei Phasen, die sich auch in der Kapitelstruktur wiederfinden: Die erste Zäsur stellen Kapitulation und Kriegsende im Mai 1945 dar, die zweite wird durch die Meldung der sowjetischen Nachrichtenagentur TASS im Mai 1950 gebildet, mit der das Ende der Repatriierung deutscher Kriegsgefangener bekannt gegeben und die verbliebenen Internierten zu Kriegsverbrechern deklariert wurden. Die Gliederung folgt damit nicht einer gängigen politikgeschichtlich orientierten Periodisierung, die eher die Staatsgründungen in den Fokus gestellt hätte. Der alltags- und erfahrungsgeschichtliche Zugriff macht sie jedoch plausibel und kann zu einer differenzierteren Ausleuchtung der gesellschaftlichen Entwicklungen der „Transformationsphase“ von Krieg in die Nachkriegszeit beitragen. Kolwes arbeitet dabei drei Momente heraus, die Einfluss auf das Leben der Familien von deutschen Kriegsgefangenen hatten: Erstens visiert sie die sozialstaatlichen Versorgungsleistungen an, die diese Familien erhielten, wodurch sie so auch gesellschaftliche Wertebezüge des jeweiligen politischen Systems nachvollzieht. Zweitens werden spezifische Rollen-, Wert- und Normvorstellungen in den Diskursen um Mütterlichkeit, Ehe und Familie untersucht. Drittens zeichnet sie den Umgang von Politik und Gesellschaft mit den Familien nach. Als Quellengrundlage dienen Kolwes neben Verwaltungsakten, anderen offiziellen Dokumenten und dem Pressewesen zahlreiche Ego-Dokumente.

Die nationalsozialistischen sozialstaatlichen Versorgungsleistungen in Form des „Familienunterhalts“, die gemessen am Einkommen der Soldaten direkt an deren Ehefrauen ausgezahlt wurden, diskutiert Kolwes im Zusammenhang mit dem „Ehegesundheitsgesetz“, nach dem nur Frauen Soldaten heiraten durften, die „erbgesund“ waren und somit zur „Volksgemeinschaft“ zählten. Die Legitimität dieser Leistungen hätten sich somit zum einen aus ihrer Ehe mit einem Soldaten ergeben, zum anderen müssten sie auch als Vergütung der Leistungen dieser Frauen für den Erhalt des „Volkskörper“ gesehen werden. Somit waren Familien von Kriegsgefangenen finanziell abgesichert, ideologisch waren sie weiterhin Bestandteil der „Volksgemeinschaft“, was sich wiederum auf das Selbstverständnis der Ehefrauen als „Kriegerfrau“ ausgewirkt habe. Kolwes wertet den „Familienunterhalt“ folglich als „einen Aspekt von staatlicher Beruhigung mit gesellschaftsstabilisierender Wirkung“ (S. 37). Dass die Leistungen direkt an die Frauen gingen, habe für diese eine gewisse Autonomie bedeutet, was von staatlicher Seite gleichzeitig mit Sorge betrachtet wurde. Eine Gesetzesänderung von 1942, die „ehrloses oder unsittliches Verhalten“ dieser Ehefrauen mit Kürzungen sanktionierte, stuft Kolwes als staatlichen Versuch ein, die Autonomie dieser Frauen zu beschneiden. Dass diese durchaus versuchten, ihre eigenen Handlungsspielräume auszuloten, zeigt Kolwes anhand ihrer zum Teil illegalen Strategien, an Information über ihre Ehemänner zu gelangen oder sogar mit diesen Kontakt aufzunehmen, auch dort, wo die nationalsozialistische Informationspolitik diese aus ideologischen Gründen zurückhielt.

Mit dem Ende des nationalsozialistischen Regimes sei schließlich „ein Vakuum in der nationalsozialistischen Versorgung“ (S. 83) entstanden, das sowohl in West als auch in Ost erst allmählich geschlossen werden konnte. Kolwes arbeitet dabei heraus, dass sich im Umgang mit den Kriegsgefangenen in den verschiedenen Besatzungszonen, später in der DDR und der Bundesrepublik, der jeweilige Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit widerspiegelte. Ferner müsse er immer auch im Kontext der Abgrenzung zum jeweils anderen Teil Deutschlands gesehen werden. Mehr als die beiden Staatsgründungen war für die Angehörigen von Kriegsgefangenen dabei die TASS-Meldung vom 4. Mai 1950 einschneidend. In der Bundesrepublik wurde die darin kommunizierte Statusverschiebung der internierten Männer von Kriegsgefangenen zu Kriegsverbrechern von Politik und Gesellschaft scharf verurteilt. Innerhalb des bundesdeutschen „Opfer-Diskurses“ der Nachkriegszeit habe es keinen Raum für eine Auseinandersetzung mit der Schuld der Wehrmachtssoldaten gegeben, die als Opfer von Nationalsozialismus und Krieg angesehen wurden. Die Konsequenz war die Einführung eines Unterhaltshilfegesetzes, das die Familien dieser Männer als eigene Statusgruppe anerkannte und finanziell unterstützen sollte. Auf diese Weise wurden nun auch die Angehörigen von Kriegsgefangenen offiziell zu Opfern des Krieges stilisiert, die durch den Unterhalt durch Staat und Gesellschaft entschädigt werden sollten.

Kolwes verweist darauf, dass dies auch dem Selbstverständnis und der Anspruchshaltung der Ehefrauen gegenüber dem Staat entsprochen hätte. Gleichzeitig hätte die Unterhaltsbeihilfe der Aufrechterhaltung des patriarchalen Familienideals zugearbeitet, da sie sie versorgungstechnisch den Kriegerwitwen gleichstellte und somit einer vorzeitigen Toderklärung des Ehemannes entgegenwirken sollte. Auf diese Weise hätte das Bild der patriarchalen Familie als Norm aufrechterhalten werden sollen, für die der Staat (vorübergehend) die Rolle des Familienernährers übernahm – ein Aspekt, den Kolwes als Kontinuität zur nationalsozialistischen Versorgungspolitik sieht. Die Autorin zeigt dabei die Widersprüchlichkeit von öffentlichem Diskurs und Lebensrealitäten der Ehefrauen von Kriegsgefangenen auf: Während öffentlich vor allem durch den politisch einflussreichen Verband der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen Deutschlands e.V. (VdH) das Bild der „treu wartende[n] Ehefrau“ (S. 222) und der weibliche Opferstatus betont wurden, waren es eben diese Frauen, die die „Transformation“ von Krieg zu Frieden in den Familien aktiv voranzutreiben suchten. Noch während der Abwesenheit ihrer Ehemänner bereiteten viele Frauen deren Rückkehr vor, indem sie etwa versuchten, ihre zukünftigen Berufsperspektiven zu regeln oder deren Rolle und Autorität innerhalb der Familie zu stärken. Das dahinterstehende Movens war eine Rückkehr zur familiären Vorkriegsordnung, die von vielen Frauen mit einer Rückkehr zur Normalität gleichgesetzt wurde.

In der DDR habe hingegen auch nach der TASS-Meldung kein Interesse an spezifischen Versorgungsleistungen bestanden; Kriegsgefangene und ihre Familien galten hier nicht als „Opfer“. Auch hätte dies dem neuen sozialistischen Rollenverständnis der Frau widersprochen. Als Folge wurde jeglicher öffentliche Diskurs über die Kriegsgefangenen abgebrochen und an ihrem Status als Kriegsverbrecher öffentlich nicht gezweifelt. Interessant sind die Einsichten in den Umgang der Frauen und Kinder mit der Tatsache, dass Ehemann bzw. Vater nun als Kriegsverbrecher galt. Die Autorin vollzieht dies anhand von Eingaben an Regierungsstellen nach und wertet sie als Strategien, aktiv auf die eigene Situation Einfluss zu zunehmen. So zeigten die ausgewerteten Beispiele, wie die Angehörigen versuchten, einen Ausgleich zwischen der offiziellen Linie der politischen Führung und den eigenen Befindlichkeiten gegenüber Ehemann und Vater zu finden. Dabei arbeitet sie heraus, dass die Kriegsgefangenenfrage nicht nur ein Problem der Angehörigen war, sondern ein weitreichender „schwelender Kritikpunkt an der Politik der Regierung“ (S. 256). Eine systematische Stigmatisierung durch ihr soziales Umfeld erfuhren die Familien von Kriegsgefangenen in der Regel nicht.

Mit ihrer Arbeit greift Ann-Kristin Kolwes zentrale Aspekte der deutschen Nachkriegszeit auf: Zum einen den Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit, der sich an der Kriegsgefangenenfrage besonders präsent zeigte, zum anderen die Verwobenheit zwischen Staat und Familien, die am Beispiel der Familien von Kriegsgefangenen besonders zutage tritt. Auch wenn die Autorin explizit formuliert, dass es sich bei ihrer Studie „nicht vorrangig um eine frauen- bzw. geschlechtergeschichtliche Untersuchung“ handle (S. 11), zeigt sie doch auf sehr eindrückliche Art und Weise, wie Familien während des Zweiten Weltkrieges und dessen Nachzeit ein zentrales Aushandlungsfeld von Geschlechterordnungen waren. Vor allem die Passagen des Buches, die die agency der Frauen und Kinder von Kriegsgefangenen herausarbeiten, verleihen der vorliegenden Studie ihre Stärke, bewegen sich doch die vorherrschenden Narrative über deren Erlebnisse meist innerhalb der kollektiven Erinnerung der bundesdeutschen Gesellschaft zu Zweitem Weltkrieg und Nachkriegszeit, innerhalb der die Opfererzählungen von Kriegsgefangenen dominieren. Spezifisch weibliche Erfahrungen dieser Zeit werden darin zumeist mit Opferstatus gleichgesetzt und lassen sich auf Schlagworte wie Vergewaltigungen, Kriegerwitwen, Onkelehen usw. reduzieren. Wie diese Frauen und Kinder die Situation, dass Ehemann bzw. Vater als Kriegsgefangener abwesend war, tatsächlich erlebten, welche Auswirkungen dies auf ihren Alltag hatte und welche Strategien sie anwandten, um diesen zu bewältigen, stellt ein Forschungsdesiderat dar, zu dessen Schließung die vorliegende Studie entscheidend beiträgt.

Anmerkung:
[1] Sarah Fishman, We will wait. Wives of French Prisoners of War, 1940–1945, Yale 1991; Ela Hornung, Warten und Heimkehr. Eine Ehe während und nach dem Zweiten Weltkrieg, Wien 2005.

Zitation

Agnes Laba: Rezension zu: Kolwes, Ann-Kristin: Die Frauen und Kinder deutscher Kriegsgefangener. Integriert, ignoriert und instrumentalisiert, 1941–1956. Bielefeld 2021: ISBN 978-3-8376-5464-6, , In: H-Soz-Kult, 10.08.2022, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-94841>.




[Regionalforum-Saar] Bannbegehung am 15. August 2022, 10 Uhr

Date: 2022/08/13 10:50:26
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Bannbegehung am 15. August 2022, 10 Uhr

Am Montag, dem 15. August 2022, 10 Uhr (Feiertag Mariä Himmelfahrt), veranstaltet der Verein für Heimatgeschichte zusammen mit dem Thalexweiler Obst- und Gartenbauverein eine Bannwanderung über die Thalexweiler Gemarkung. Treffpunkt ist die Dorftafel vor dem Feuerwehrgerätehaus morgens um 10 Uhr. Die Veranstaltung ist kostenlos. Festes Schuhwerk ist für die 3,5 km lange Tour bei Regen angebracht. Wir wandern entlang der Schaumbergerstraße bis zum Scholzenhaus, die Alemaniastraße durch bis zur Nachtweise, von dort über die Scheib bis zur Klepp zu den Wegekreuzen Mertes und Thewes/Ruloff sowie zum Gedenkstein Homes-Millersch-Kreuz. Von dort geht es über den Eichengarten zurück. Die Wanderung endet gegen 12 Uhr am Kelterhaus, wo das neu erschienene Buch über die "Wälder der Abtei Tholey im 18. Jahrhundert" erworben werden kann. Am Kelterhaus bietet der Obst- und Gartenbauverein zum Mittagessen Pute am Spieß an. Wer Interesse daran hat, möge sich bitte vorab bei Klaus Altmeyer vom OGV, Tel. 06888/1063, melden

[Regionalforum-Saar] Buchvorstellung "Wälder der Abtei Tholey im 18. Jahrhundert"

Date: 2022/08/13 10:50:52
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Buchvorstellung "Wälder der Abtei Tholey im 18. Jahrhundert"

Am 16. August 2022, 18 Uhr, findet in Tholey im Pavillon des Klostergartens die Vorstellung des Buches „Wälder der Abtei Tholey im 18. Jahrhundert“ von Maria, Thomas Besse und  Pater Wendelinus Naumann statt. Seit dem Mittelalter wurde der Wald in Deutschland stark abgeholzt und drohte völlig zu verschwinden. Das erkannte die Herrschaft im 18. Jahrhundert und erließ Verordnungen zu seinem Schutz. Die Autoren haben die französischen Vermessungsprotokolle aus dem 18. Jahrhundert erschlossen und anhand der Karten noch zahlreiche historische Grenzsteine in den Wäldern gefunden. Es wurde festgestellt, dass sich der Zuschnitt der Abteiwälder seitdem kaum verändert hat, so dass sie durch diese lothringische Waldreform letztlich gerettet wurden. Untersucht wurden 25 Abteiwälder, z.B. der Homeswald in Thalexweiler und vor allem der Engscheiderwald in Sotzweiler als größter Abtswald. Die Broschüre kann für 10 € in der Abtei Tholey und in der Bücherei Anne Treib in Lebach gekauft werden; das gebundene Buch kostet 20 €.

[Regionalforum-Saar] Friedrich Wilhelm I.. Die viel en Gesichter des Soldatenkönigs

Date: 2022/08/17 08:17:20
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Friedrich Wilhelm I.. Die vielen Gesichter des Soldatenkönigs

Autor Frank Göse
Erschienen Darmstadt 2020: Wissenschaftliche Buchgesellschaft
Anzahl Seiten 604 S.
Preis € 38,00
ISBN 978-3-8062-4106-8

Rezensiert für H-Soz-Kult von Holger Böning, Deutsche Presseforschung, Universität Bremen

Der zweite preußische König hat hier eine Biographie erhalten, die den Leser mit Gewinn daran teilhaben lässt, welche Urteile über dieses Leben durch Quellen gesichert sind und was tradierte Mutmaßungen und Wertungen bleiben, die zu korrigieren sind. Das beginnt bei der frühesten Kindheit, wo der psychologisch geschulte Blick manches erahnen kann, wenn geschildert wird, wie der Junge in seinen ersten Jahren an einem fremden Hof erzogen wurde und im Alter von drei Jahren, nun zurückgekehrt zu den Eltern, einen vollständigen Wechsel seiner Bezugspersonen erleben musste. Unaufgeregt vermittelt Göse hier, dass solche Erziehungsmethoden an den europäischen Höfen nicht unüblich waren, psychische Abnormalitäten sollten nach Auffassung des Biographen daraus aber nicht abgeleitet werden. Gleichzeitig wird aber deutlich, wie prägend für die Persönlichkeit des späteren Königs – übrigens wie später in anderer Ausformung auch für seinen Sohn – eine religiöse, sorgfältig auf die reformierte Konfession ausgerichtete Erziehung gewesen sein dürfte, die nicht zuletzt davon ausging, dass in der religiösen Bindung für einen der weltlichen Gerichtsbarkeit nur bedingt oder gar nicht unterliegenden Herrscher ein entscheidender Zügel angelegt werden sollte, der eine verantwortungsvolle Herrschaft garantierte. Die Erziehung zur Gottesfurcht und die Vermittlung der reformierten Prädestinationslehre, an der Friedrich Wilhelm I. wie sein Sohn Zweifel entwickelten, habe den Zweck gehabt, dem Prinzen zu vermitteln, dass auch ein Herrscher vor Gott nur „Staub und Asche“ sei. (S. 19, 22)

Es ist kaum zu glauben, dass mit Frank Göses Biographie nach Carl Hinrichs Torso die erste umfassende Darstellung eines Lebens vorliegt, das von der Geschichtsschreibung mit seinen Leistungen bei der preußischen Staatsbildung sehr unterschiedlich bewertet wurde. Abwertungen hatten oft den Zweck, das Wirken seines Sohnes in desto hellerem Licht glänzen zu lassen. Gerne hat man die psychopathischen Züge dieses Menschen und Herrschers in den Vordergrund gestellt, Brüche wurden ebenso überbetont wie manche Berichte in der Autobiographie der Tochter Wilhelmine, so dass ein wichtiges Ergebnis des vorliegenden Werkes darin liegt, dass die Kontinuitäten in den Amtszeiten der drei ersten preußischen Könige im Ganzen wohl schwerer wiegen als die offenen Brüche. Gleichwohl hat der 300. Jahrestag der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms I. 2013 fast kein Echo gefunden, wohingegen das zum 300. Geburtstag seines Sohnes umso dröhnender war.[1] Dabei kann Göse zeigen, dass die Leistungen seines Helden von erheblicher Bedeutung waren und manches erst ermöglichten, was sein Nachfolger in seinen auf öffentliche Wirkung berechneten, seine Vorgänger abwertenden Darstellungen oft erfolgreich als eigenes Verdienst beschrieb.

Ausdrücklich will Göse keine chronikalische Lebenserzählung bieten, sondern ausgewählte Handlungsbereiche vorführen, um so das Agieren Friedrich Wilhelms I. konzise vorstellen, erklären und im Kontext seiner Herrschaftspraxis gewichten zu können. Scheinbar klar auf der Hand liegende Zuweisungen an diese auf den ersten Blick so außergewöhnlich erscheinende und von den zeittypischen Normen so gravierend abstechende Herrscherpersönlichkeit sollen auf den Prüfstand gestellt werden. (S. 14f.)

Manches an den bekannten Urteilen über Friedrich Wilhelm I. kann der Biograph einsichtig und quellennah in die zeitgenössischen Zusammenhänge stellen, um in zuweilen eine harte, aber lohnende Lesekost bietenden Kapiteln über den „Inneren König“ mit seinen Herrschaftsvorstellungen und der Regierungspraxis sowie den Haushälter mit seiner Finanz-, Wirtschafts- und Peuplierungspolitik zu berichten. Auch des Königs Beziehung zu Wissenschaft und Kunst, seine religiöse Orientierung und die Konfessionspolitik, seine Sicht auf das Reich und seine Außenpolitik, seine Stellung zu den Ständen und sein Wirken als „roi sergeante“ im Kontext des altpreußischen Militärsystems sowie zuletzt sein Verhältnis zur Dynastie und Familie haben eigene Kapitel erhalten, in denen durch die Konzentration des Biographen auf die zeitgenössischen Bedingungen, unter denen der König sich entfalten konnte, die Sachpolitik sehr im Mittelpunkt steht und die Person vielleicht manchmal ein wenig weit zurück tritt. Alle Kapitel durchzieht die These Göses, dass die Veränderungen in der Potsdamer und Berliner Residenz bei weitem nicht so spektakulär und einzigartig waren, wie es oft dargestellt wurde. Dies gilt etwa dafür, dass die oft behauptete radikale und dauerhaft Reduktion der Hofausgaben dem Quellenbefund nicht standhält, auch könne von einer drastischen Veränderung der materiellen Hofkultur nicht gesprochen werden, der von Friedrich Wilhelm angehäufte Silberschatz etwa wurde erst in der finanziellen Krise von 1745 durch seinen Sohn vermünzt. (S. 46, 48, 60f.)

Wie so oft, klebt an Legenden zumeist ein zutreffender Kern, manchmal zeigt ein genauerer Blick aber, dass es hinter den Legenden eine tiefere Wahrheit gibt. Keine Etikettierung Friedrich Wilhelms haftet so fest wie die des „Soldatenkönigs“, kaum eine andere erscheint einsichtiger. Wenn man nun aber genauer auf dieses Leben schaut, dann könnte die aktive Teilnahme des Zwanzigjährigen an der Schlacht von Malplaquet und die Zeugenschaft des Blutzolls von 35.000 Verwundeten dazu beigetragen haben, dass dieser König so verantwortungsvoll war, niemals als Feldherr einen zweifelhaften Ruhm zu suchen. Offenbar liebte er seine Offiziere und Soldaten mehr als seinen Sohn. (S. 28) Ähnlich verhält es sich mit seinem Regierungs- und Herrschaftsstil, der nach Beobachtungen von Zeitgenossen darauf ausgerichtet war, alles selbst und allein tun zu wollen, mit seiner Sparsamkeit und der angeblich radikalen und dauerhaften Reduktion der Hofausgaben, die einhergegangen sei mit einer drastischen Veränderung der materiellen Hofkultur, der Distanz zur höfischen Etikette, der Bedeutungssteigerung des Militärischen im Hofleben, dem antihöfischen Politikstil, der asketischen Genussfeindschaft oder der Aversion gegen höfische Lustbarkeiten. (S. 40, 45f., 48, 53, 55f. 60, 129) Göse zeigt instruktiv und sehr überzeugend, was davon dem Quellenbefund standhält oder was mit dem Maßstab des an anderen europäischen Höfen Üblichen nicht so außergewöhnlich war wie oft dargestellt.

Zu den Leistungen des Monarchen zählt Göse, dass den von ihm initiierten Veränderungen eine große Nachhaltigkeit innewohnte, die von ihm implementierten Strukturen hätten größtenteils bis zum Ende des altpreußischen Staats Bestand gehabt. Zu den bleibenden Veränderungen seien jährliche Haushaltsetats und eine regelmäßige Rechnungskontrolle zu zählen. Die jährlichen Staatseinnahmen vergrößerten sich bis zum Tod Friedrich Wilhelms I. von 4,8 auf 7 Millionen Taler. Dass sich am Ende seiner Regierungszeit 70 Prozent der preußischen Gesamtausgaben auf die Heereskosten bezogen und das Heer sich während seiner Regierungsjahre von 38.000 auf 71.000 Soldaten vergrößerte, kam seinem Sohn zustatten, der sich sogleich in kriegerische Abenteuer stürzen konnte. Man könne, so Göse, auf Friedrich Wilhelm anwenden, was Johann Gottlob Heinrich von Justi mit seinem Vergleich der Bewirtschaftung eines Staatswesens durch einen Fürsten mit dem ein großes Landgut verwaltenden „guten Wirth“ als Ideal der jungen Kameralwissenschaften propagiert habe. (S. 126, 131, 133, 151, 205)

Kritisieren könnte man, dass immer noch Biographien von Königen geschrieben werden, in denen deren Umgang mit den Medien weitgehend ausgeblendet wird und die Mitteilsamkeit sich darauf begrenzt, dass im Tabakskollegium Zeitungen gelesen bzw. vorgelesen wurden, inklusive eines sich daran anschließenden Diskurses mit dem König, dass die „Tabagie“ eine Nachrichtenbörse gewesen sei und dass der König ungnädig auf Berichte reagiert habe, die im Potsdammischen Staats- und gelehrten Mercurius erschienen waren (S. 65, 124). Dies erscheint etwas wenig an Information angesichts des Umstands, dass dieser König mit dem ganz Preußen überziehenden Intelligenzwesen seiner Herrschaft die modernsten Kommunikationsmittel dienstbar machte. Gerne hätte man etwas mehr darüber erfahren, dass Friedrich Wilhelm I. es nicht schätzte, wenn von seinen Untertanen über politische Angelegenheiten nachgedacht und räsonniert wurde, worin sich sein Sohn – trotz seines berühmten Wortes über die Gazetten, die, sollten sie interessant sein, nicht geniert werden dürften – mit dem Vater vollständig einig war. Eingeleuchtet aber hatten Friedrich Wilhelm die dem Intelligenzwesen zugrundeliegenden Ideen, auch erhoffte er sich eine Einnahmequelle für die Waisen seiner Soldaten im Potsdamer Militärwaisenhauses, dem die aus dem Intelligenzwesen erwirtschafteten Überschüsse zugutekommen sollten. Endlich erwartete er eine Verbesserung der innerstaatlichen Kommunikation. Seine an den Generalpostmeister Friedrich von Görne und den Geheimen Oberfinanzrat Samuel von Marschall gerichtete Kabinettsorder vom 6. Januar 1727 befahl die Herausgabe von Intelligenzblättern, die von den beiden Genannten als den Verantwortlichen für das Postwesen bewerkstelligt werden sollte. An diesem Projekt lässt sich manches zeigen, was Göse auch für andere Felder feststellt, dass nämlich nirgendwo sonst der Zeitraum zwischen einem königlichen Befehl und der Realisierung eines Projekts so kurz war wie in Preußen, dass bei der Umsetzung mit Einsicht Änderungen vorgenommen wurden, wenn bestimmte Anordnungen sich als untauglich erwiesen, und dass endlich solche Anordnungen nicht unbedingt mit der Realität übereinstimmen mussten. Vier Wochen dauerte es von der Kabinettsorder, damit es auf effektiv funktionierenden administrativen Wegen am Montag, den 3. Februar 1727, zum Erscheinen des ersten Berliner Intelligenzblattes kam. Bereits nach einem Monat erkannte man, dass Intelligenzblätter auf eine lokale Orientierung und Verankerung angewiesen waren. In kürzester Frist – noch während des ersten Halbjahres 1727 – wurden Blätter in Stettin, Königsberg, Duisburg, Minden und Magdeburg gegründet, aber Jahrzehnte waren nötig, um gegen zähen Widerstand wenigstens halbwegs das Anzeigenmonopol der Intelligenzblätter gegenüber den Zeitungen und den Bezugszwang für bestimmte Behörden und Personengruppen durchzusetzen. Ermahnung um Ermahnung ließ Friedrich Wilhelm I. ergehen, aber nur wenig änderte sich.[2] Hier ist zu beobachten, was Göse mehrfach konstatiert, dass es nämlich trotz markiger Resolutionen und Kabinettsordren in dem scheinbar so auf Effizienz getrimmten Räderwerk der preußischen Verwaltung zu Reibungsverlusten, Redundanzen und all den anderen Symptomen frühneuzeitlicher Regierungs- und Herrschaftspraxis kam. (S. 82–87) Zu Recht weist der Autor darauf hin, dass das Agieren des Königs entgegen dem oft kolportierten Bild nicht auf das rigide Einfordern der von ihm gewünschten Amtsauffassung beschränkt werden könne, vielfach sei auch eine gewisse Konzilianz und ein erstaunlicher Langmut angesichts der Praxis des „Aussitzens“ belegt, immer wieder stoße man auf ein Amalgam aus strukturellen und individuellen Grenzen, die der Realisierung der königlichen Vorstellungen Grenzen setzten, dies auch etwa in seinem Verhältnis zu den Ständen und seiner Adelspolitik. Ähnlich habe auch das Schuledikt von 1717 für den Zustand des Niederen Schulwesens kaum praktische Konsequenzen gehabt, selbst bei der inneren Organisation und der Professionalisierung der Armee seien trotz der königlichen Detailversessenheit solche Diskrepanzen feststellbar. (S. 98, 100, 111, 166–169, 202, 253)

Am Ende ist sich der Leser nicht ganz sicher, ob es sich bei Friedrich Wilhelm I. nach einem Wort Theodor von Schöns tatsächlich um den „größten inneren König“ handelte. Interessant bleibt, dass ihm nach Göse eine ausgesprochen adelsfreundliche Haltung wie seinem Sohn und Nachfolger nicht nachgesagt werden könne. (S. 177) Der Person des Königs kommt der Leser bei einer Biographie, die die Sachthemen so sehr in den Mittelpunkt stellt, nicht gerade sehr nahe, am ehesten vielleicht noch bei der Betrachtung des eindrucksvollen, leider nicht farbig abgebildeten Selbstporträts des Monarchen aus dem Jahre 1737 (S. 155), das viel von dem Zustand des an seinen Krankheiten und Selbstmarterungen Leidenden zeigt, der nur 51 Jahre alt werden sollte. Man glaubt trotz aller in traditionellen Darstellungen in den Mittelpunkt gestellten familiären Konflikte, dass der Familienvater durchaus auch liebevoll mit seinen vielen Kindern und seiner Gattin umgehen konnte. Allerdings spricht Göse hier wie an zahlreichen weiteren Stellen seiner Biographie von kaum bestreitbaren Übergriffen und einzelnen menschlichen Tragödien, um dennoch den mit solchen Übergriffen verbundenen, vielfach tradierten Bildern zu widersprechen, indem er behauptet, der persönliche Anteil des Königs daran sei nicht immer genau bestimmbar. (S. 224) Insbesondere scheint dem Rezensenten das letzte Wort der Quellenkritik zu den Memoiren seiner Tochter Wilhelmine noch nicht gesprochen zu sein. In Göses Buch scheint etwas willkürlich, was davon als Untermalung oder Unterstreichung genutzt und was als von der Forschung widerlegt vorgestellt wird. (S. 425, 455; siehe des Weiteren das Personenregister) Ähnlich lautet die Bilanz des königlichen Agierens aus moralisch-rechtlicher Perspektive, aus der heraus Göse erkennbare Härte und Rücksichtslosigkeit einräumt, aber auch viele Belege findet, die auf eine aus seinem christlichen Menschenbild herrührende ausgleichende Rolle hindeuten und das Bild eines inhumanen Leuteschinders und prügelnden Korporals „doch erheblich zu revidieren vermögen“. (S. 253, 431) Immer wieder hat der Rezensent sich gefragt, ob der Biograph – eigentlich unvermeidbar – Sympathie für den von ihm erforschten Menschen empfunden hat.

Als Bilanz weist Göse auf einen in der Regierungszeit Friedrich Wilhelms I. beträchtlich gesteigerten und real wahrgenommenen Spielraum des Monarchen hin, auf eine höhere Professionalität in der Bürokratie, den starken Ausbau des Heeres sowie die Verfolgung finanz- und wirtschaftspolitischer Neuansätze unter Berücksichtigung der kameralistischen Praxis. Friedrich Wilhelms Regierungszeit war also weit mehr als Vorgeschichte der auf Ruhm setzenden Herrschaft seines Sohnes. Wie in einem Lehrstück, so der Biograph, führe sein Wirken die große Bedeutung der Einzelpersönlichkeit an der Spitze eines monarchischen Staatswesens vor Augen. (S. 472, 477)

Interessant vielleicht, dass Friedrich II. sich an den Ratschlag seines Vaters gehalten hat, die Juden aus dem Lande zu jagen, da diese Heuschrecken eines Landes seien und die Christen ruinierten, nicht aber an jenen, der die außenpolitische Zurückhaltung und eine Politik der Kriegsvermeidung Friedrich Wilhelms charakterisiert: „Bettet zu Gott und fanget niemahlen einen ungerechten Krieg an“, Gott habe die ungerechten Kriege verboten. Das Verdienst jedenfalls, der wohl friedfertigste preußische Herrscher des Ancien Régime gewesen zu sein, kommt dem Soldatenkönig sicherlich zu. Beeindruckend auch, dass er sich in den Leichenpredigten nach seinem Tod jedes Lob verbittet, dem Volk solle gesagt werden, „daß Ich als ein großer und armer Sünder stürbe, der aber Gnade bei Gott und seinem Heiland gesuchet“. (S. 259, 367, 370, 468)

Anmerkungen:
[1] Siehe dazu Holger Böning, 300 Jahre Friedrich II. Ein Literaturbericht zum Jubiläumsjahr 2012. Eingeschlossen einige Gedanken zum Verhältnis des großen Königs zu seinen kleinen Untertanen, zu Volksaufklärung und Volkstäuschung sowie zur Publizistik (Presse und Geschichte. Neue Beiträge 75), Bremen 2013.
[2] Beispielhaft: Friedrich Wilhelm I., Edikt vom 14.4.1729, in: GSTA Dahlem, I. HA, Rep. 103, Nr. 992, Bl. 11b. Die Ermahnungen sind immer wieder auch in den Intelligenzblättern selbst abgedruckt.

Zitation

Holger Böning: Rezension zu: Göse, Frank: Friedrich Wilhelm I.. Die vielen Gesichter des Soldatenkönigs. Darmstadt 2020: ISBN 978-3-8062-4106-8, , In: H-Soz-Kult, 17.08.2022, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-128545>.




[Regionalforum-Saar] Vortrag „Ein apartes Loch . Friedhöfe in St. Wendel“ nächste Woche in St. Wendel und in Saarbrücken

Date: 2022/08/23 08:54:37
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Guten Morgen,

In der nächsten Woche halte ich zwei Vorträge mehr oder minder genealogischer Art, d. h., eigentlich ist es nur ein Vortrag, aber den halte ich zweimal:

Am Montagabend um 19 Uhr in St. Wendel auf dem Rasen vor dem Hospital (Marienstraße bzw. Alter Woog) im Rahmen der „Gartengespräche“ der katholischen Pfarrei Sankt Wendelin in St. Wendel.

Und am Dienstagabend um 16 Uhr 30 in Saarbrücken-Scheidt im Lesesaal des Landesarchivs Saarbrücken im Rahmen der Monatstreffen der Arbeitsgemeinschaft für Saarländische Familienkunde (ASF).

Zu beiden Veranstaltungen ist der Eintritt frei.

Der Vortragstitel lautet: „Ein apartes Loch. Friedhöfe in St. Wendel“ und lehnt sich an einen etwas längeren Artikel an, den ich jüngst in unserem Buch „Pocken, Masern und die Spanische Grippe“ veröffentlicht habe. Damit sehen Sie auch schon, worum es geht.

Ich werde zunächst die ehemaligen und jetzigen Friedhöfe vorstellen, die um St. Wendel herum liegen (zwei davon knapp hinter der Grenze zu Urweiler):

=> Der Friedhof bei der Sankt Annenkapelle auf dem heutigen Golfplatz
=> der Friedhof in Alsfassen in unserem Garten
=> der Friedhof in der Kaserne
=> der jüdische Friedhof bei Urweiler
=> der Friedhof beim jüdischen Friedhof bei Urweiler
=> der Friedhof am Galgen
=> der Friedhof der Steyler Missionare hinter dem Missionshaus
=> der Friedhof in der Magdalenenkapelle
=> der Friedhof hinter der Magdalenenkapelle
=> der Friedhof in der katholischen Pfarrkirche

Anschließend werde ich mein Hauptaugenmerk legen auf den katholischen Friedhof um die katholische Pfarrkirche und seine beiden Nachfolger im Bereich des heutigen Saalbaus und außerhalb an der Straße nach Werschweiler.

Der Vortrag am Montag wird etwas mehr Fantasie benötigen als am Dienstag, weil ich am Dienstag die Gelegenheit haben werde, auf Fotos zu zeigen. Das geht am Montag auf der Wiese nicht.

Eigentlich fällt dieser Vortrag aus meinem normalen Rahmen, weil hier mit Humor nicht viel zu machen ist. Nun ja, sollte man meinen. Aber was ich bei der Vorbereitung des Artikels wie des Vortrages in den einschlägigen Quellen gefunden habe, nun ja, manchmal musste ich schon lachen, auch wenn das Thema per se nicht zum Lachen war.

Lassen Sie sich überraschen; bringen Sie aber auf jeden Fall schönes Wetter mit.

Mit freundlichem Gruß

Roland Geiger

[Regionalforum-Saar] das "französische neue Land " 1766

Date: 2022/08/31 23:23:28
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Guten Abend,
in einer Akte der Waisenschreiberei Ottweiler im Landesarchiv Saarbrücken stieß ich auf diesen Eintrag:

„Es ist vor einigen Jahren Theobald Scherer von Oberbexbach mit seiner zweiten Frau und Kindern heimlich entwischen und nach dem sogenannten französischen neuen Land gezogen; deßwegen dann auch sein Vermögen confiscirt erklärt worden.“

Das Schreiben ist leider nicht datiert, muß aber in der Zeit zwischen 1764 und 1770 geschrieben worden sein. Kann sich jemand etwas unter diesem „französischen neuen Land“ vorstellen?

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Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger




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Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

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Roland Geiger
Historische Forschung
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