Date: 2022/08/10 09:06:32
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Guten Morgen,
digital ist wohl doch noch nicht so out - hier eine interessante hybride Veranstaltung.
Roland Geiger
-----------------------
Der Rezipient ist im Werk – Differenzerfahrung
und
Adressatenbezug in Reisedarstellungen des 15.–18. Jahrhunderts
Veranstalter Forschungsbibliothek Gotha
Veranstaltungsort Schloss Friedenstein, Spiegelsaal
99867 Gotha
29.09.2022 - 30.09.2022
Von Monika Müller, Forschungsbibliothek Gotha
Internationaler Workshop zum Thema Reisedarstellungen im 15.-18.
Jahrhundert
mit Fokus auf die Art und Weise der Beschreibung des Reisens und
des Vorgefundenen,
die mutmaßliche Wahrnehmung durch die Rezipienten und die
Konsequenzen für die
Gestaltung von Reiseberichten
Ferne Länder waren seit jeher das Ziel von Reisen. Berichte
darüber, teilweise
wunderbar illustriert, haben sich von Reisenden ganz
unterschiedlicher sozialer
Herkunft und aus verschiedenen Zeiten erhalten – gerade auch in
der
Forschungsbibliothek Gotha. Bis heute bilden solche Reiseberichte
die Grundlage
für unsere Vorstellung vom Fremden, Unbekannten und Exotischen,
sowie von
Europa selbst. Der interdisziplinäre Workshop nähert sich dem
Thema nicht wie
vor allem die ältere Forschung aus der Perspektive des ersten
Beobachters bzw.
Autors, sondern fragt in einer medien- und kulturhistorischen
Perspektive nach
ihrem Adressatenbezug und ihrer Aussageintention. Im Fokus stehen
somit Fragen
danach, was und warum etwas den Lesern oder Betrachtern durch Text
und Bild
mitgeteilt werden sollte, was man ihnen zumuten zu können glaubte
und welche
Annahmen es davon gab, was sie schätzten oder erwarteten.
Ziel des Workshops ist, zu einer differenzierteren Einordnung von
Reiseerfahrungen des 15.-18. Jahrhunderts und damit auch der
Wahrnehmung
Europas und der außereuropäischen Welt zu gelangen. Dazu sind
Vorträge sowie
eine Diskussion vor Originalen geplant. Das Thema soll aus
verschiedenen
wissenschaftlichen Perspektiven beleuchtet und einzigartige,
bislang aber noch
wenig bekannte historische Handschriften und Drucke der
Forschungsbibliothek
Gotha einem internationalen und verschiedene Disziplinen
vertretenden
Fachpublikum bekannter gemacht werden. Der Abendvortrag im
Spiegelsaal von
Schloss Friedenstein ist öffentlich.
Um Anmeldung zum Workshop und zum Abendvortrag wird gebeten. Die
Veranstaltung
findet hybrid statt, die Einwahl zu den Vorträgen ist über diesen
Link möglich:
https://uni-erfurt.webex.com/meet/veranstaltungen.fb.
Bitte beachten Sie auch aktuelle Pandemie-Hinweise zu der
Veranstaltung auf
unserer Homepage.
Dem Freundeskreis Forschungsbibliothek Gotha e.V. danken wir für
die großzügige
Unterstützung des Workshops.
Programm
29.9.2022
13:00–13:10
Begrüßung durch Kathrin Paasch, Direktorin der
Forschungsbibliothek Gotha
13:10–13:30
Einführung durch die Organisatorinnen
13:30–14:15
Susanne Knaeble: Wissen über Gott und Welt- Erfahrungsvermittlung
in der
Gothaer Handschrift des 'Herzog Ernst D‘
14:15–15:00
Philip Hahn: Exotische Unterhaltung oder Anleitung zur
Arbeitsmigration?
Intentionen und Wirkungen von deutschsprachigen Reiseberichten
über Ostindien
im 17. und 18. Jahrhundert
15:00-15:20
Kaffeepause
15:20–16:40
Präsentation und Diskussion von Originalen
16.40–17:00
Kaffeepause
17:00–17:45
Monika Müller: Caspar Schmalkaldens Reisen nach West- und
Ostindien - ein
Reisebericht?
17.45–18:30
Susanne Friedrich: Johann Wilhelm Vogel und die Goldminen von
Sumatra. Eine
Reise, zwei Drucke und drei Vorreden
18:30–18.45
Kaffeepause
18:45–19:45
Abendvortrag von Daniela Hacke: „The most delicious fruit that can
be found“:
Sinne und Wissen in Robert Knox Historical Relation of Ceylon
(1681)
20:00
Gemeinsames Abendessen der ReferentInnen
30.9.2022
8:45–9:30
Haruka Oba: Warum veröffentlicht man Reiseberichte über Japan?
Überlegungen zu
den Paratexten frühneuzeitlicher Publikationen aus dem Heiligen
Römischen Reich
9:30–10:15
Annette Kranen: Durch die Augen der Reisenden. Grafiken von
Levante-Reisen um
1700 zwischen Autopsie und Kopie
10:15–10:35
Kaffeepause
10:35–11:20
Doris Gruber: Darstellungen osmanischer Fauna in Reiseberichten
und ihr
(intendiertes) Publikum
11:20–12:05
Julia Böttcher: Integre Reisende und Wissen in vertrauter Form:
Adressatenorientierung in Berichten von Forschungsreisen im 18.
Jahrhundert
12:05–13:15
Gemeinsames Mittagessen
13:15–14:00
Carsten Eckert: Mit Hammer, Fernglas und Lupe zu Fuß durch Europa
- Die
Geognostischen Reisen des Leopold von Buch um 1800
14:00–14:30
Abschlussdiskussion
14:30–15:15
Führung durch die historischen Räumlichkeiten der
Forschungsbibliothek
Kontakt
PD Dr. Monika Müller
Leiterin der Abteilung Sammlungen und Bestandserhaltung
Forschungsbibliothek Gotha
monika.mueller(a)uni-erfurt.de
PD Dr. Susanne Friedrich
Vertretungsprofessorin
'Geschichte und Kulturen der Räume in der Neuzeit'
Universität Erfurt
susanne.friedrich(a)uni-erfurt.de
https://www.uni-erfurt.de/forschungsbibliothek-gotha/bibliothek/aktuelles/veranstaltungskalender/eventdetail/der-rezipient-ist-im-werk
Zitation
Der Rezipient ist im Werk – Differenzerfahrung und Adressatenbezug
in
Reisedarstellungen des 15.–18. Jahrhunderts. In: H-Soz-Kult,
09.08.2022, <www.hsozkult.de/event/id/event-128992>.
Date: 2022/08/10 09:08:59
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Die Frauen und Kinder deutscher
Kriegsgefangener.
Integriert, ignoriert und instrumentalisiert, 1941–1956
Autor Ann-Kristin Kolwes,
Erschienen Bielefeld 2021: Transcript
– Verlag für Kommunikation, Kultur und soziale Praxis
Anzahl Seiten 322 S.
Preis € 48,00
ISBN 978-3-8376-5464-6
Inhalt=> meinclio.clio-online.de/uploads/media/book/toc_book-59846.pdf
Rezensiert für H-Soz-Kult von Agnes Laba, Bergische Universität
Wuppertal
Eine Geschichte der Ehefrauen und Familien von Kriegsgefangenen
des Zweiten
Weltkrieges liegt bislang lediglich für Frankreich und Österreich
vor.[1] In ihrem Buch „Die Frauen
und Kinder
deutscher Kriegsgefangener“ widmet sich Ann-Kristin Kolwes nun den
Familien von
Wehrmachtssoldaten, die in Kriegsgefangenschaft gerieten. Der
Untersuchungszeitraum erstreckt sich vom Angriff der Wehrmacht auf
die
Sowjetunion am 22. Juni 1941, seit dem überhaupt erst deutsche
Soldaten in
umfangreichen Zahlen in Kriegsgefangenschaft gerieten, bis zur
Ankunft des
letzten Heimkehrtransportes aus russischer Gefangenschaft am 16.
Januar 1956. Untersucht
werden die Lebensumstände von Frauen und Kinder im
Nationalsozialismus, in der
Britischen sowie der Sowjetischen Besatzungszone, der
Bundesrepublik
Deutschland und der DDR. Diese Anlage der Arbeit als
„asynchrone[r] Vergleich,
der die jeweiligen Besonderheiten berücksichtig“ (S. 9),
überzeugt, macht er
doch nicht nur die systembedingten Unterschiede deutlich, sondern
verweist auch
auf die Wechselbeziehungen zwischen beiden deutschen Staaten.
Im Zentrum steht die Frage, welche Auswirkungen der Status des
Ehemannes und
Vaters als Kriegsgefangener auf das Leben seiner Familie vor dem
jeweiligen
politischen und sozio-kulturellen Kontext hatte. Den
Untersuchungszeitraum
teilt die Autorin in drei Phasen, die sich auch in der
Kapitelstruktur
wiederfinden: Die erste Zäsur stellen Kapitulation und Kriegsende
im Mai 1945
dar, die zweite wird durch die Meldung der sowjetischen
Nachrichtenagentur TASS
im Mai 1950 gebildet, mit der das Ende der Repatriierung deutscher
Kriegsgefangener bekannt gegeben und die verbliebenen Internierten
zu
Kriegsverbrechern deklariert wurden. Die Gliederung folgt damit
nicht einer
gängigen politikgeschichtlich orientierten Periodisierung, die
eher die
Staatsgründungen in den Fokus gestellt hätte. Der alltags- und
erfahrungsgeschichtliche Zugriff macht sie jedoch plausibel und
kann zu einer
differenzierteren Ausleuchtung der gesellschaftlichen
Entwicklungen der
„Transformationsphase“ von Krieg in die Nachkriegszeit beitragen.
Kolwes
arbeitet dabei drei Momente heraus, die Einfluss auf das Leben der
Familien von
deutschen Kriegsgefangenen hatten: Erstens visiert sie die
sozialstaatlichen
Versorgungsleistungen an, die diese Familien erhielten, wodurch
sie so auch
gesellschaftliche Wertebezüge des jeweiligen politischen Systems
nachvollzieht.
Zweitens werden spezifische Rollen-, Wert- und Normvorstellungen
in den
Diskursen um Mütterlichkeit, Ehe und Familie untersucht. Drittens
zeichnet sie
den Umgang von Politik und Gesellschaft mit den Familien nach. Als
Quellengrundlage dienen Kolwes neben Verwaltungsakten, anderen
offiziellen
Dokumenten und dem Pressewesen zahlreiche Ego-Dokumente.
Die nationalsozialistischen sozialstaatlichen
Versorgungsleistungen in Form des
„Familienunterhalts“, die gemessen am Einkommen der Soldaten
direkt an deren Ehefrauen
ausgezahlt wurden, diskutiert Kolwes im Zusammenhang mit dem
„Ehegesundheitsgesetz“, nach dem nur Frauen Soldaten heiraten
durften, die
„erbgesund“ waren und somit zur „Volksgemeinschaft“ zählten. Die
Legitimität
dieser Leistungen hätten sich somit zum einen aus ihrer Ehe mit
einem Soldaten
ergeben, zum anderen müssten sie auch als Vergütung der Leistungen
dieser
Frauen für den Erhalt des „Volkskörper“ gesehen werden. Somit
waren Familien
von Kriegsgefangenen finanziell abgesichert, ideologisch waren sie
weiterhin
Bestandteil der „Volksgemeinschaft“, was sich wiederum auf das
Selbstverständnis der Ehefrauen als „Kriegerfrau“ ausgewirkt habe.
Kolwes
wertet den „Familienunterhalt“ folglich als „einen Aspekt von
staatlicher
Beruhigung mit gesellschaftsstabilisierender Wirkung“ (S. 37).
Dass die
Leistungen direkt an die Frauen gingen, habe für diese eine
gewisse Autonomie
bedeutet, was von staatlicher Seite gleichzeitig mit Sorge
betrachtet wurde.
Eine Gesetzesänderung von 1942, die „ehrloses oder unsittliches
Verhalten“
dieser Ehefrauen mit Kürzungen sanktionierte, stuft Kolwes als
staatlichen
Versuch ein, die Autonomie dieser Frauen zu beschneiden. Dass
diese durchaus
versuchten, ihre eigenen Handlungsspielräume auszuloten, zeigt
Kolwes anhand
ihrer zum Teil illegalen Strategien, an Information über ihre
Ehemänner zu
gelangen oder sogar mit diesen Kontakt aufzunehmen, auch dort, wo
die
nationalsozialistische Informationspolitik diese aus ideologischen
Gründen
zurückhielt.
Mit dem Ende des nationalsozialistischen Regimes sei schließlich
„ein Vakuum in
der nationalsozialistischen Versorgung“ (S. 83) entstanden, das
sowohl in West
als auch in Ost erst allmählich geschlossen werden konnte. Kolwes
arbeitet
dabei heraus, dass sich im Umgang mit den Kriegsgefangenen in den
verschiedenen
Besatzungszonen, später in der DDR und der Bundesrepublik, der
jeweilige Umgang
mit der nationalsozialistischen Vergangenheit widerspiegelte.
Ferner müsse er
immer auch im Kontext der Abgrenzung zum jeweils anderen Teil
Deutschlands
gesehen werden. Mehr als die beiden Staatsgründungen war für die
Angehörigen
von Kriegsgefangenen dabei die TASS-Meldung vom 4. Mai 1950
einschneidend. In
der Bundesrepublik wurde die darin kommunizierte
Statusverschiebung der
internierten Männer von Kriegsgefangenen zu Kriegsverbrechern von
Politik und
Gesellschaft scharf verurteilt. Innerhalb des bundesdeutschen
„Opfer-Diskurses“
der Nachkriegszeit habe es keinen Raum für eine Auseinandersetzung
mit der
Schuld der Wehrmachtssoldaten gegeben, die als Opfer von
Nationalsozialismus
und Krieg angesehen wurden. Die Konsequenz war die Einführung
eines
Unterhaltshilfegesetzes, das die Familien dieser Männer als eigene
Statusgruppe
anerkannte und finanziell unterstützen sollte. Auf diese Weise
wurden nun auch die
Angehörigen von Kriegsgefangenen offiziell zu Opfern des Krieges
stilisiert,
die durch den Unterhalt durch Staat und Gesellschaft entschädigt
werden
sollten.
Kolwes verweist darauf, dass dies auch dem Selbstverständnis und
der
Anspruchshaltung der Ehefrauen gegenüber dem Staat entsprochen
hätte.
Gleichzeitig hätte die Unterhaltsbeihilfe der Aufrechterhaltung
des
patriarchalen Familienideals zugearbeitet, da sie sie
versorgungstechnisch den
Kriegerwitwen gleichstellte und somit einer vorzeitigen
Toderklärung des
Ehemannes entgegenwirken sollte. Auf diese Weise hätte das Bild
der
patriarchalen Familie als Norm aufrechterhalten werden sollen, für
die der
Staat (vorübergehend) die Rolle des Familienernährers übernahm –
ein Aspekt,
den Kolwes als Kontinuität zur nationalsozialistischen
Versorgungspolitik
sieht. Die Autorin zeigt dabei die Widersprüchlichkeit von
öffentlichem Diskurs
und Lebensrealitäten der Ehefrauen von Kriegsgefangenen auf:
Während öffentlich
vor allem durch den politisch einflussreichen Verband der
Heimkehrer,
Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen Deutschlands e.V. (VdH)
das Bild der
„treu wartende[n] Ehefrau“ (S. 222) und der weibliche Opferstatus
betont
wurden, waren es eben diese Frauen, die die „Transformation“ von
Krieg zu
Frieden in den Familien aktiv voranzutreiben suchten. Noch während
der
Abwesenheit ihrer Ehemänner bereiteten viele Frauen deren Rückkehr
vor, indem
sie etwa versuchten, ihre zukünftigen Berufsperspektiven zu regeln
oder deren
Rolle und Autorität innerhalb der Familie zu stärken. Das
dahinterstehende
Movens war eine Rückkehr zur familiären Vorkriegsordnung, die von
vielen Frauen
mit einer Rückkehr zur Normalität gleichgesetzt wurde.
In der DDR habe hingegen auch nach der TASS-Meldung kein Interesse
an
spezifischen Versorgungsleistungen bestanden; Kriegsgefangene und
ihre Familien
galten hier nicht als „Opfer“. Auch hätte dies dem neuen
sozialistischen
Rollenverständnis der Frau widersprochen. Als Folge wurde
jeglicher öffentliche
Diskurs über die Kriegsgefangenen abgebrochen und an ihrem Status
als
Kriegsverbrecher öffentlich nicht gezweifelt. Interessant sind die
Einsichten
in den Umgang der Frauen und Kinder mit der Tatsache, dass Ehemann
bzw. Vater
nun als Kriegsverbrecher galt. Die Autorin vollzieht dies anhand
von Eingaben
an Regierungsstellen nach und wertet sie als Strategien, aktiv auf
die eigene
Situation Einfluss zu zunehmen. So zeigten die ausgewerteten
Beispiele, wie die
Angehörigen versuchten, einen Ausgleich zwischen der offiziellen
Linie der
politischen Führung und den eigenen Befindlichkeiten gegenüber
Ehemann und
Vater zu finden. Dabei arbeitet sie heraus, dass die
Kriegsgefangenenfrage
nicht nur ein Problem der Angehörigen war, sondern ein
weitreichender
„schwelender Kritikpunkt an der Politik der Regierung“ (S. 256).
Eine
systematische Stigmatisierung durch ihr soziales Umfeld erfuhren
die Familien
von Kriegsgefangenen in der Regel nicht.
Mit ihrer Arbeit greift Ann-Kristin Kolwes zentrale Aspekte der
deutschen
Nachkriegszeit auf: Zum einen den Umgang mit der
nationalsozialistischen
Vergangenheit, der sich an der Kriegsgefangenenfrage besonders
präsent zeigte,
zum anderen die Verwobenheit zwischen Staat und Familien, die am
Beispiel der
Familien von Kriegsgefangenen besonders zutage tritt. Auch wenn
die Autorin
explizit formuliert, dass es sich bei ihrer Studie „nicht
vorrangig um eine
frauen- bzw. geschlechtergeschichtliche Untersuchung“ handle (S.
11), zeigt sie
doch auf sehr eindrückliche Art und Weise, wie Familien während
des Zweiten
Weltkrieges und dessen Nachzeit ein zentrales Aushandlungsfeld von
Geschlechterordnungen waren. Vor allem die Passagen des Buches,
die die agency
der Frauen und Kinder von Kriegsgefangenen herausarbeiten,
verleihen der
vorliegenden Studie ihre Stärke, bewegen sich doch die
vorherrschenden
Narrative über deren Erlebnisse meist innerhalb der kollektiven
Erinnerung der
bundesdeutschen Gesellschaft zu Zweitem Weltkrieg und
Nachkriegszeit, innerhalb
der die Opfererzählungen von Kriegsgefangenen dominieren.
Spezifisch weibliche
Erfahrungen dieser Zeit werden darin zumeist mit Opferstatus
gleichgesetzt und
lassen sich auf Schlagworte wie Vergewaltigungen, Kriegerwitwen,
Onkelehen usw.
reduzieren. Wie diese Frauen und Kinder die Situation, dass
Ehemann bzw. Vater
als Kriegsgefangener abwesend war, tatsächlich erlebten, welche
Auswirkungen
dies auf ihren Alltag hatte und welche Strategien sie anwandten,
um diesen zu
bewältigen, stellt ein Forschungsdesiderat dar, zu dessen
Schließung die
vorliegende Studie entscheidend beiträgt.
Anmerkung:
[1] Sarah Fishman, We will wait.
Wives of French
Prisoners of War, 1940–1945, Yale 1991; Ela Hornung, Warten und
Heimkehr. Eine
Ehe während und nach dem Zweiten Weltkrieg, Wien 2005.
Zitation
Agnes Laba: Rezension zu: Kolwes, Ann-Kristin: Die Frauen und
Kinder deutscher
Kriegsgefangener. Integriert, ignoriert und instrumentalisiert,
1941–1956. Bielefeld
2021: ISBN 978-3-8376-5464-6, , In: H-Soz-Kult,
10.08.2022, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-94841>.
Date: 2022/08/13 10:50:26
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Date: 2022/08/13 10:50:52
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Date: 2022/08/17 08:17:20
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Friedrich Wilhelm I.. Die vielen Gesichter des
Soldatenkönigs
Autor Frank Göse
Erschienen Darmstadt 2020: Wissenschaftliche
Buchgesellschaft
Anzahl Seiten 604 S.
Preis € 38,00
ISBN 978-3-8062-4106-8
Rezensiert für H-Soz-Kult von Holger Böning, Deutsche
Presseforschung,
Universität Bremen
Der zweite preußische König hat hier eine Biographie erhalten, die
den Leser
mit Gewinn daran teilhaben lässt, welche Urteile über dieses Leben
durch
Quellen gesichert sind und was tradierte Mutmaßungen und Wertungen
bleiben, die
zu korrigieren sind. Das beginnt bei der frühesten Kindheit, wo
der
psychologisch geschulte Blick manches erahnen kann, wenn
geschildert wird, wie
der Junge in seinen ersten Jahren an einem fremden Hof erzogen
wurde und im
Alter von drei Jahren, nun zurückgekehrt zu den Eltern, einen
vollständigen
Wechsel seiner Bezugspersonen erleben musste. Unaufgeregt
vermittelt Göse hier,
dass solche Erziehungsmethoden an den europäischen Höfen nicht
unüblich waren,
psychische Abnormalitäten sollten nach Auffassung des Biographen
daraus aber
nicht abgeleitet werden. Gleichzeitig wird aber deutlich, wie
prägend für die
Persönlichkeit des späteren Königs – übrigens wie später in
anderer Ausformung
auch für seinen Sohn – eine religiöse, sorgfältig auf die
reformierte
Konfession ausgerichtete Erziehung gewesen sein dürfte, die nicht
zuletzt davon
ausging, dass in der religiösen Bindung für einen der weltlichen
Gerichtsbarkeit nur bedingt oder gar nicht unterliegenden
Herrscher ein
entscheidender Zügel angelegt werden sollte, der eine
verantwortungsvolle
Herrschaft garantierte. Die Erziehung zur Gottesfurcht und die
Vermittlung der
reformierten Prädestinationslehre, an der Friedrich Wilhelm I. wie
sein Sohn
Zweifel entwickelten, habe den Zweck gehabt, dem Prinzen zu
vermitteln, dass
auch ein Herrscher vor Gott nur „Staub und Asche“ sei. (S. 19, 22)
Es ist kaum zu glauben, dass mit Frank Göses Biographie nach Carl
Hinrichs
Torso die erste umfassende Darstellung eines Lebens vorliegt, das
von der
Geschichtsschreibung mit seinen Leistungen bei der preußischen
Staatsbildung
sehr unterschiedlich bewertet wurde. Abwertungen hatten oft den
Zweck, das
Wirken seines Sohnes in desto hellerem Licht glänzen zu lassen.
Gerne hat man
die psychopathischen Züge dieses Menschen und Herrschers in den
Vordergrund
gestellt, Brüche wurden ebenso überbetont wie manche Berichte in
der
Autobiographie der Tochter Wilhelmine, so dass ein wichtiges
Ergebnis des
vorliegenden Werkes darin liegt, dass die Kontinuitäten in den
Amtszeiten der
drei ersten preußischen Könige im Ganzen wohl schwerer wiegen als
die offenen
Brüche. Gleichwohl hat der 300. Jahrestag der Thronbesteigung
Friedrich
Wilhelms I. 2013 fast kein Echo gefunden, wohingegen das zum 300.
Geburtstag
seines Sohnes umso dröhnender war.[1] Dabei kann Göse zeigen,
dass die
Leistungen seines Helden von erheblicher Bedeutung waren und
manches erst
ermöglichten, was sein Nachfolger in seinen auf öffentliche
Wirkung
berechneten, seine Vorgänger abwertenden Darstellungen oft
erfolgreich als
eigenes Verdienst beschrieb.
Ausdrücklich will Göse keine chronikalische Lebenserzählung
bieten, sondern
ausgewählte Handlungsbereiche vorführen, um so das Agieren
Friedrich Wilhelms
I. konzise vorstellen, erklären und im Kontext seiner
Herrschaftspraxis
gewichten zu können. Scheinbar klar auf der Hand liegende
Zuweisungen an diese
auf den ersten Blick so außergewöhnlich erscheinende und von den
zeittypischen
Normen so gravierend abstechende Herrscherpersönlichkeit sollen
auf den
Prüfstand gestellt werden. (S. 14f.)
Manches an den bekannten Urteilen über Friedrich Wilhelm I. kann
der Biograph
einsichtig und quellennah in die zeitgenössischen Zusammenhänge
stellen, um in
zuweilen eine harte, aber lohnende Lesekost bietenden Kapiteln
über den
„Inneren König“ mit seinen Herrschaftsvorstellungen und der
Regierungspraxis
sowie den Haushälter mit seiner Finanz-, Wirtschafts- und
Peuplierungspolitik
zu berichten. Auch des Königs Beziehung zu Wissenschaft und Kunst,
seine
religiöse Orientierung und die Konfessionspolitik, seine Sicht auf
das Reich
und seine Außenpolitik, seine Stellung zu den Ständen und sein
Wirken als „roi
sergeante“ im Kontext des altpreußischen Militärsystems sowie
zuletzt sein
Verhältnis zur Dynastie und Familie haben eigene Kapitel erhalten,
in denen
durch die Konzentration des Biographen auf die zeitgenössischen
Bedingungen,
unter denen der König sich entfalten konnte, die Sachpolitik sehr
im
Mittelpunkt steht und die Person vielleicht manchmal ein wenig
weit zurück
tritt. Alle Kapitel durchzieht die These Göses, dass die
Veränderungen in der
Potsdamer und Berliner Residenz bei weitem nicht so spektakulär
und einzigartig
waren, wie es oft dargestellt wurde. Dies gilt etwa dafür, dass
die oft
behauptete radikale und dauerhaft Reduktion der Hofausgaben dem
Quellenbefund
nicht standhält, auch könne von einer drastischen Veränderung der
materiellen
Hofkultur nicht gesprochen werden, der von Friedrich Wilhelm
angehäufte
Silberschatz etwa wurde erst in der finanziellen Krise von 1745
durch seinen
Sohn vermünzt. (S. 46, 48, 60f.)
Wie so oft, klebt an Legenden zumeist ein zutreffender Kern,
manchmal zeigt ein
genauerer Blick aber, dass es hinter den Legenden eine tiefere
Wahrheit gibt.
Keine Etikettierung Friedrich Wilhelms haftet so fest wie die des
„Soldatenkönigs“, kaum eine andere erscheint einsichtiger. Wenn
man nun aber
genauer auf dieses Leben schaut, dann könnte die aktive Teilnahme
des
Zwanzigjährigen an der Schlacht von Malplaquet und die
Zeugenschaft des
Blutzolls von 35.000 Verwundeten dazu beigetragen haben, dass
dieser König so
verantwortungsvoll war, niemals als Feldherr einen zweifelhaften
Ruhm zu
suchen. Offenbar liebte er seine Offiziere und Soldaten mehr als
seinen Sohn.
(S. 28) Ähnlich verhält es sich mit seinem Regierungs- und
Herrschaftsstil, der
nach Beobachtungen von Zeitgenossen darauf ausgerichtet war, alles
selbst und
allein tun zu wollen, mit seiner Sparsamkeit und der angeblich
radikalen und
dauerhaften Reduktion der Hofausgaben, die einhergegangen sei mit
einer
drastischen Veränderung der materiellen Hofkultur, der Distanz zur
höfischen
Etikette, der Bedeutungssteigerung des Militärischen im Hofleben,
dem
antihöfischen Politikstil, der asketischen Genussfeindschaft oder
der Aversion
gegen höfische Lustbarkeiten. (S. 40, 45f., 48, 53, 55f. 60, 129)
Göse zeigt
instruktiv und sehr überzeugend, was davon dem Quellenbefund
standhält oder was
mit dem Maßstab des an anderen europäischen Höfen Üblichen nicht
so
außergewöhnlich war wie oft dargestellt.
Zu den Leistungen des Monarchen zählt Göse, dass den von ihm
initiierten
Veränderungen eine große Nachhaltigkeit innewohnte, die von ihm
implementierten
Strukturen hätten größtenteils bis zum Ende des altpreußischen
Staats Bestand
gehabt. Zu den bleibenden Veränderungen seien jährliche
Haushaltsetats und eine
regelmäßige Rechnungskontrolle zu zählen. Die jährlichen
Staatseinnahmen
vergrößerten sich bis zum Tod Friedrich Wilhelms I. von 4,8 auf 7
Millionen
Taler. Dass sich am Ende seiner Regierungszeit 70 Prozent der
preußischen
Gesamtausgaben auf die Heereskosten bezogen und das Heer sich
während seiner
Regierungsjahre von 38.000 auf 71.000 Soldaten vergrößerte, kam
seinem Sohn
zustatten, der sich sogleich in kriegerische Abenteuer stürzen
konnte. Man
könne, so Göse, auf Friedrich Wilhelm anwenden, was Johann Gottlob
Heinrich von
Justi mit seinem Vergleich der Bewirtschaftung eines Staatswesens
durch einen
Fürsten mit dem ein großes Landgut verwaltenden „guten Wirth“ als
Ideal der
jungen Kameralwissenschaften propagiert habe. (S. 126, 131, 133,
151, 205)
Kritisieren könnte man, dass immer noch Biographien von Königen
geschrieben
werden, in denen deren Umgang mit den Medien weitgehend
ausgeblendet wird und
die Mitteilsamkeit sich darauf begrenzt, dass im Tabakskollegium
Zeitungen
gelesen bzw. vorgelesen wurden, inklusive eines sich daran
anschließenden
Diskurses mit dem König, dass die „Tabagie“ eine Nachrichtenbörse
gewesen sei
und dass der König ungnädig auf Berichte reagiert habe, die im
Potsdammischen
Staats- und gelehrten Mercurius erschienen waren (S. 65, 124).
Dies erscheint
etwas wenig an Information angesichts des Umstands, dass dieser
König mit dem
ganz Preußen überziehenden Intelligenzwesen seiner Herrschaft die
modernsten
Kommunikationsmittel dienstbar machte. Gerne hätte man etwas mehr
darüber erfahren,
dass Friedrich Wilhelm I. es nicht schätzte, wenn von seinen
Untertanen über
politische Angelegenheiten nachgedacht und räsonniert wurde, worin
sich sein
Sohn – trotz seines berühmten Wortes über die Gazetten, die,
sollten sie
interessant sein, nicht geniert werden dürften – mit dem Vater
vollständig
einig war. Eingeleuchtet aber hatten Friedrich Wilhelm die dem
Intelligenzwesen
zugrundeliegenden Ideen, auch erhoffte er sich eine Einnahmequelle
für die
Waisen seiner Soldaten im Potsdamer Militärwaisenhauses, dem die
aus dem
Intelligenzwesen erwirtschafteten Überschüsse zugutekommen
sollten. Endlich
erwartete er eine Verbesserung der innerstaatlichen Kommunikation.
Seine an den
Generalpostmeister Friedrich von Görne und den Geheimen
Oberfinanzrat Samuel von
Marschall gerichtete Kabinettsorder vom 6. Januar 1727 befahl die
Herausgabe
von Intelligenzblättern, die von den beiden Genannten als den
Verantwortlichen
für das Postwesen bewerkstelligt werden sollte. An diesem Projekt
lässt sich
manches zeigen, was Göse auch für andere Felder feststellt, dass
nämlich
nirgendwo sonst der Zeitraum zwischen einem königlichen Befehl und
der
Realisierung eines Projekts so kurz war wie in Preußen, dass bei
der Umsetzung
mit Einsicht Änderungen vorgenommen wurden, wenn bestimmte
Anordnungen sich als
untauglich erwiesen, und dass endlich solche Anordnungen nicht
unbedingt mit
der Realität übereinstimmen mussten. Vier Wochen dauerte es von
der
Kabinettsorder, damit es auf effektiv funktionierenden
administrativen Wegen am
Montag, den 3. Februar 1727, zum Erscheinen des ersten Berliner
Intelligenzblattes kam. Bereits nach einem Monat erkannte man,
dass
Intelligenzblätter auf eine lokale Orientierung und Verankerung
angewiesen waren.
In kürzester Frist – noch während des ersten Halbjahres 1727 –
wurden Blätter
in Stettin, Königsberg, Duisburg, Minden und Magdeburg gegründet,
aber
Jahrzehnte waren nötig, um gegen zähen Widerstand wenigstens
halbwegs das
Anzeigenmonopol der Intelligenzblätter gegenüber den Zeitungen und
den Bezugszwang
für bestimmte Behörden und Personengruppen durchzusetzen.
Ermahnung um
Ermahnung ließ Friedrich Wilhelm I. ergehen, aber nur wenig
änderte sich.[2] Hier ist zu beobachten,
was Göse mehrfach
konstatiert, dass es nämlich trotz markiger Resolutionen und
Kabinettsordren in
dem scheinbar so auf Effizienz getrimmten Räderwerk der
preußischen Verwaltung zu
Reibungsverlusten, Redundanzen und all den anderen Symptomen
frühneuzeitlicher
Regierungs- und Herrschaftspraxis kam. (S. 82–87) Zu Recht weist
der Autor
darauf hin, dass das Agieren des Königs entgegen dem oft
kolportierten Bild
nicht auf das rigide Einfordern der von ihm gewünschten
Amtsauffassung
beschränkt werden könne, vielfach sei auch eine gewisse Konzilianz
und ein
erstaunlicher Langmut angesichts der Praxis des „Aussitzens“
belegt, immer
wieder stoße man auf ein Amalgam aus strukturellen und
individuellen Grenzen,
die der Realisierung der königlichen Vorstellungen Grenzen
setzten, dies auch
etwa in seinem Verhältnis zu den Ständen und seiner Adelspolitik.
Ähnlich habe
auch das Schuledikt von 1717 für den Zustand des Niederen
Schulwesens kaum praktische
Konsequenzen gehabt, selbst bei der inneren Organisation und der
Professionalisierung der Armee seien trotz der königlichen
Detailversessenheit
solche Diskrepanzen feststellbar. (S. 98, 100, 111, 166–169, 202,
253)
Am Ende ist sich der Leser nicht ganz sicher, ob es sich bei
Friedrich Wilhelm
I. nach einem Wort Theodor von Schöns tatsächlich um den „größten
inneren
König“ handelte. Interessant bleibt, dass ihm nach Göse eine
ausgesprochen
adelsfreundliche Haltung wie seinem Sohn und Nachfolger nicht
nachgesagt werden
könne. (S. 177) Der Person des Königs kommt der Leser bei einer
Biographie, die
die Sachthemen so sehr in den Mittelpunkt stellt, nicht gerade
sehr nahe, am
ehesten vielleicht noch bei der Betrachtung des eindrucksvollen,
leider nicht farbig
abgebildeten Selbstporträts des Monarchen aus dem Jahre 1737 (S.
155), das viel
von dem Zustand des an seinen Krankheiten und Selbstmarterungen
Leidenden
zeigt, der nur 51 Jahre alt werden sollte. Man glaubt trotz aller
in
traditionellen Darstellungen in den Mittelpunkt gestellten
familiären
Konflikte, dass der Familienvater durchaus auch liebevoll mit
seinen vielen
Kindern und seiner Gattin umgehen konnte. Allerdings spricht Göse
hier wie an
zahlreichen weiteren Stellen seiner Biographie von kaum
bestreitbaren
Übergriffen und einzelnen menschlichen Tragödien, um dennoch den
mit solchen
Übergriffen verbundenen, vielfach tradierten Bildern zu
widersprechen, indem er
behauptet, der persönliche Anteil des Königs daran sei nicht immer
genau
bestimmbar. (S. 224) Insbesondere scheint dem Rezensenten das
letzte Wort der
Quellenkritik zu den Memoiren seiner Tochter Wilhelmine noch nicht
gesprochen
zu sein. In Göses Buch scheint etwas willkürlich, was davon als
Untermalung
oder Unterstreichung genutzt und was als von der Forschung
widerlegt
vorgestellt wird. (S. 425, 455; siehe des Weiteren das
Personenregister)
Ähnlich lautet die Bilanz des königlichen Agierens aus
moralisch-rechtlicher
Perspektive, aus der heraus Göse erkennbare Härte und
Rücksichtslosigkeit einräumt,
aber auch viele Belege findet, die auf eine aus seinem
christlichen
Menschenbild herrührende ausgleichende Rolle hindeuten und das
Bild eines
inhumanen Leuteschinders und prügelnden Korporals „doch erheblich
zu revidieren
vermögen“. (S. 253, 431) Immer wieder hat der Rezensent sich
gefragt, ob der
Biograph – eigentlich unvermeidbar – Sympathie für den von ihm
erforschten
Menschen empfunden hat.
Als Bilanz weist Göse auf einen in der Regierungszeit Friedrich
Wilhelms I.
beträchtlich gesteigerten und real wahrgenommenen Spielraum des
Monarchen hin,
auf eine höhere Professionalität in der Bürokratie, den starken
Ausbau des
Heeres sowie die Verfolgung finanz- und wirtschaftspolitischer
Neuansätze unter
Berücksichtigung der kameralistischen Praxis. Friedrich Wilhelms
Regierungszeit
war also weit mehr als Vorgeschichte der auf Ruhm setzenden
Herrschaft seines
Sohnes. Wie in einem Lehrstück, so der Biograph, führe sein Wirken
die große
Bedeutung der Einzelpersönlichkeit an der Spitze eines
monarchischen Staatswesens
vor Augen. (S. 472, 477)
Interessant vielleicht, dass Friedrich II. sich an den Ratschlag
seines Vaters
gehalten hat, die Juden aus dem Lande zu jagen, da diese
Heuschrecken eines
Landes seien und die Christen ruinierten, nicht aber an jenen, der
die
außenpolitische Zurückhaltung und eine Politik der
Kriegsvermeidung Friedrich
Wilhelms charakterisiert: „Bettet zu Gott und fanget niemahlen
einen
ungerechten Krieg an“, Gott habe die ungerechten Kriege verboten.
Das Verdienst
jedenfalls, der wohl friedfertigste preußische Herrscher des
Ancien Régime
gewesen zu sein, kommt dem Soldatenkönig sicherlich zu.
Beeindruckend auch,
dass er sich in den Leichenpredigten nach seinem Tod jedes Lob
verbittet, dem
Volk solle gesagt werden, „daß Ich als ein großer und armer Sünder
stürbe, der
aber Gnade bei Gott und seinem Heiland gesuchet“. (S. 259, 367,
370, 468)
Anmerkungen:
[1] Siehe dazu Holger Böning, 300
Jahre
Friedrich II. Ein Literaturbericht zum Jubiläumsjahr 2012.
Eingeschlossen
einige Gedanken zum Verhältnis des großen Königs zu seinen kleinen
Untertanen,
zu Volksaufklärung und Volkstäuschung sowie zur Publizistik
(Presse und
Geschichte. Neue Beiträge 75), Bremen 2013.
[2] Beispielhaft: Friedrich
Wilhelm I., Edikt
vom 14.4.1729, in: GSTA Dahlem, I. HA, Rep. 103, Nr. 992, Bl. 11b.
Die
Ermahnungen sind immer wieder auch in den Intelligenzblättern
selbst
abgedruckt.
Zitation
Holger Böning: Rezension zu: Göse, Frank: Friedrich Wilhelm I..
Die vielen
Gesichter des Soldatenkönigs. Darmstadt 2020: ISBN 978-3-8062-4106-8, , In: H-Soz-Kult,
17.08.2022, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-128545>.
Date: 2022/08/23 08:54:37
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Guten Morgen,
In der nächsten Woche halte ich zwei Vorträge mehr oder minder
genealogischer
Art, d. h., eigentlich ist es nur ein Vortrag, aber den halte ich
zweimal:
Am Montagabend um 19 Uhr in St. Wendel auf dem Rasen vor dem
Hospital (Marienstraße
bzw. Alter Woog) im Rahmen der „Gartengespräche“ der katholischen
Pfarrei Sankt
Wendelin in St. Wendel.
Und am Dienstagabend um 16 Uhr 30 in Saarbrücken-Scheidt im
Lesesaal des
Landesarchivs Saarbrücken im Rahmen der Monatstreffen der
Arbeitsgemeinschaft
für Saarländische Familienkunde (ASF).
Zu beiden Veranstaltungen ist der Eintritt frei.
Der Vortragstitel lautet: „Ein apartes Loch. Friedhöfe in St.
Wendel“ und lehnt
sich an einen etwas längeren Artikel an, den ich jüngst in unserem
Buch „Pocken,
Masern und die Spanische Grippe“ veröffentlicht habe. Damit sehen
Sie auch schon,
worum es geht.
Ich werde zunächst die ehemaligen und jetzigen Friedhöfe
vorstellen, die um St.
Wendel herum liegen (zwei davon knapp hinter der Grenze zu
Urweiler):
=> Der Friedhof bei der Sankt Annenkapelle auf dem heutigen
Golfplatz
=> der Friedhof in Alsfassen in unserem Garten
=> der Friedhof in der Kaserne
=> der jüdische Friedhof bei Urweiler
=> der Friedhof beim jüdischen Friedhof bei Urweiler
=> der Friedhof am Galgen
=> der Friedhof der Steyler
Missionare hinter dem Missionshaus
=> der Friedhof in der Magdalenenkapelle
=> der Friedhof hinter der Magdalenenkapelle
=> der Friedhof in der katholischen Pfarrkirche
Anschließend werde ich mein Hauptaugenmerk legen auf den
katholischen Friedhof
um die katholische Pfarrkirche und seine beiden Nachfolger im
Bereich des
heutigen Saalbaus und außerhalb an der Straße nach Werschweiler.
Der Vortrag am Montag wird etwas mehr Fantasie benötigen als am
Dienstag, weil
ich am Dienstag die Gelegenheit haben werde, auf Fotos zu zeigen.
Das geht am
Montag auf der Wiese nicht.
Eigentlich fällt dieser Vortrag aus meinem normalen Rahmen, weil
hier mit Humor
nicht viel zu machen ist. Nun ja, sollte man meinen. Aber was ich
bei der
Vorbereitung des Artikels wie des Vortrages in den einschlägigen
Quellen
gefunden habe, nun ja, manchmal musste ich schon lachen, auch wenn
das Thema
per se nicht zum Lachen war.
Lassen Sie sich überraschen; bringen Sie aber auf jeden Fall
schönes Wetter mit.
Mit freundlichem Gruß
Roland Geiger
Date: 2022/08/31 23:23:28
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Guten Abend,
in einer Akte der Waisenschreiberei Ottweiler im Landesarchiv
Saarbrücken stieß
ich auf diesen Eintrag:
„Es ist vor einigen Jahren Theobald Scherer von Oberbexbach mit
seiner zweiten
Frau und Kindern heimlich entwischen und nach dem sogenannten
französischen
neuen Land gezogen; deßwegen dann auch sein Vermögen
confiscirt erklärt worden.“
Das Schreiben ist leider nicht datiert, muß aber in der Zeit
zwischen 1764 und
1770 geschrieben worden sein. Kann sich jemand etwas unter diesem
„französischen
neuen Land“ vorstellen?
--
Mit freundlichen Grüßen
Roland Geiger