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2022/03/08 14:23:20
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Pocken, Masern und die Spanische Grippe. Seuchen in St. Wendel 1793-1919
Datum 2022/03/15 10:15:17
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Online Konferenz Genealogica 2022 - Programm / Agenda
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[Regionalforum-Saar] Fwd: Einwohnerbuch zu den V ölklinger Stadtteilen Fenne - Fürstenhausen
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Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Pocken, Masern und die Spanische Grippe. Seuchen in St. Wendel 1793-1919
Autor 2022/03/15 10:15:17
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Online Konferenz Genealogica 2022 - Programm / Agenda

[Regionalforum-Saar] Frauenrevolte in St. Wendel - wi e man sich die Geschichte schönredet

Date: 2022/03/09 23:16:11
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Gestern morgen in der Saarbrücker Zeitung, St. Wendeler Teil:

„Als St. Wendeler Frauen das Gefängnis stürmten

1757 hat das vermeintlich schwache Geschlecht Courage bewiesen. Als Frauenrevolte ist die Befreiungsaktion in die Stadtgeschichte eingegangen. Anlässlich des Weltfrauentags hat die SZ zurückgeschaut auf das Ereignis und mit der Frauenbeauftragten den Bogen geschlagen zwischen damals und heute.

Von Evelyn Schneider

16 Jahre lang regierte Angela Merkel als Bundeskanzlerin, Annalena Baerbock vertritt aktuell die Interessen Deutschlands als Außenministerin, und Christine Lambrecht hat den Posten der  Verteidigungsministerin inne. Eines ist den dreien gemein. Sie sind Frauen in wichtigen politischen Ämtern. In der heutigen Zeit ist dies, zumindest hierzulande, ein vertrautes Bild. Doch das war nicht immer so.

„Im 18. Jahrhundert ging die politische Macht von den Männern aus“, sagt Andrea Recktenwald vom St. Wendeler Stadtarchiv. Frauen kümmerten sich um Haus und Hof sowie um die Erziehung der Kinder. Sie sollten tüchtig, tugendhaft und zurückhaltend sein.

Letzteres traf auf eine Gruppe St. Wendeler Frauen allerdings nicht zu. Ihr resolutes Auftreten im Jahr 1757 sorgte nicht nur damals für Aufsehen, sondern brachte ihnen zudem  einen Platz in der Geschichte der Stadt ein. Die Rede ist von der sogenannten Frauenrevolte, bei der das vermeintlich schwache Geschlecht sich für sieben Deserteure stark machte.

Am 2. April 1757 trafen die Männer in St. Wendel ein. Sie hatten das Regiment Royal Deux Ponts in Zweibrücken unerlaubt verlassen. Dieses Regiment, so erläutert die Historikerin Recktenwald, war ein Jahr zuvor durch ein Abkommen zwischen König Ludwig XV. von Frankreich und Herzog Christian IV. von Pfalz-Zweibrücken entstanden und Frankreich unterstellt. Im Mai 1757 verließ das Regiment die Region um Zweibrücken und stieß zur französischen Armee, um im Siebenjährigen Krieg (1756  bis 1763) zu kämpfen. Warum die Gruppe der Soldaten desertierte, ist nicht bekannt. „Vielleicht sollten die Männer eingezogen werden und wollten dem entgehen. Das könnte man vermuten“, sagt Recktenwald.

In der Kreisstadt blieben die Männer nicht unbemerkt. Sie wurden verhaftet und sollten am folgenden Tag nach Zweibrücken zurückkehren. Doch zunächst weigerte sich Amtmann Franz Ernst von Hame, die Deserteure Hauptmann Wimpfen ohne kurfürstlichen Befehl zu übergeben. Doch dann wurden sich die beiden einig, von Hame willigte in den Abtransport ein.

„Ein Gruppe von St. Wendeler Frauen hat davon Wind bekommen“, berichtet Recktenwald. Sie fassten daraufhin den Entschluss, den Inhaftierten zur Hilfe zu eilen. „Sie schlossen sich mit einigen Männern zusammen und befreiten die Deserteure aus dem Gefängnis.“ Dem Stadtarchiv liegt über das Geschehen der Bericht des kurtrierischen Korporals Breithecker vor, in dem es heißt: „Das bürgerliche Wachthauß (wurde) angefallen, gestürmet, die wachtstubben Thür zerschmettert, die Trierischen Soldaten in Schach gehalten, gewachet, gehalten, und denen Arrestaten die Fenster aufgemachet“.

Die Deserteure ergriffen die Chance und flohen. „Zwei von ihnen wurden angeschossen“, berichtet die Historikerin, wobei einer der Verletzten von einer Frau im Schwanenhaus in Sicherheit gebracht wurde. Dieses befindet sich neben dem alten Rathaus, in dem heute das Stadtarchiv untergebracht ist. „Was aus den Deserteuren wurde, ist nicht bekannt“, sagt Recktenwald. Aber die St. Wendeler Frauen hatten ihr Ziel, die Männer aus dem Gefängnis zu befreien, erreicht.

Eine solche Aktion, so sagt die Historikerin, sei auch heute noch eine Meldung wert. „Dass in der damaligen Zeit aber Frauen einen solchen Aufstand anzettelten, war außergewöhnlich.“ Sie kenne nichts Vergleichbares.

Der Befreiungsschlag hatte übrigens Konsequenzen für die Beteiligten. Es kam zu einem Gerichtsverfahren, in dessen Folge 22 Frauen und drei Männer zu einer Geldstrafe von insgesamt 100 Goldgulden und zu dreiviertel der Gerichtskosten verurteilt wurden. Später hat Kurfürst Johann Philipp von Walderdorff den Frauen einen Teil der Geldstrafe erlassen.

Hintergrund

St. Wendeler Frauenrevolte. Die Befreiung der Deserteure aus dem Gefängnis hatte Folgen für die Beteiligten. Es kam zu einer Gerichtsverhandlung. Wie Akten zu entnehmen ist, wurden dabei folgende Personen zu Geldstrafen verurteilt: Georg Adam Franz, Johann Georg Clomen, Johann Henrich Riott[e], Clara Jungs, Clara Lauers, Agnes Angel, Margaretha Rioth, Catharina Schue, Susanna Humes, Christina Breiniger, Anna Maria Hallauer, Magdalena Ri[ef]er, Barbara Keller, Barbara Thulle; Johannetta Weber, Johannetta Lion, Elisabetha Mons, Catharina Frans, Margaretha Liser, Angela Knoll, Dorothea Schwang, Catharina Becker, Elisabetha Angel, Maria Catharina Keller, und Maria Catharina Wagner.

Internationaler Frauentag: Der Aktionstag wird jährlich am 8. März begangen. Das feste Datum gibt es seit dem Jahr 1921, der erste Frauentag fand aber bereits 1911 statt. Er entstand als Initiative verschiedener sozialistischer Organisationen in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg im Kampf um die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das Wahlrecht für Frauen sowie die Emanzipation von Arbeiterinnen.

Das Stadtarchiv hat die Ereignisse der Frauenrevolte anhand von Akten aus dem Landeshauptarchiv Koblenz rekonstruiert. Außerdem sind zu dem Thema ein Artikel von Klaus Jung im Heimatbuch des Kreises St. Wendel aus dem Jahr 1950 erschienen sowie ein Aufsatz von Max Müller im St. Wendeler Volksblatt vom 26. August 1936.

Warum die Frauen sich so für die Deserteure einsetzten, ist nicht überliefert. „Möglicherweise haben die Frauen mit den Männern mitgefühlt und sich gefragt, wie es wäre, wenn ihre Söhne und Männer in deren Haut steckten“, sagt Recktenwald und betont, dass dies allerdings nur eine Vermutung sei.

Was immer letztlich der Auslöser gewesen sein mag. „Die Frauen haben mutig gehandelt und Zivilcourage bewiesen, davon können wir auch heute noch etwas lernen“, ist Melanie Laub, Frauenbeauftragte der Stadt St. Wendel, überzeugt. Die Aktion zeige, dass ein Miteinander wichtig ist – zwischen den Frauen, aber auch zwischen Frau und Mann. Von damals bis heute habe sich unglaublich viel getan, was die Rechte des vermeintlichen schwachen Geschlechts betrifft. Seit 1918 gibt es beispielsweise das Frauenwahlrecht, seit den 1970er-Jahren dürfen Frauen ohne die Erlaubnis ihres Gatten einen Beruf ausüben.

Doch gerade in der Arbeitswelt zeigt sich auch: „An einigen Stellen sind wir von Gleichberechtigung noch weit entfernt“, sagt Laub. Stichwort: Bezahlung. „Der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern liegt etwa bei 19 Prozent“, rechnet die Frauenbeauftragte vor. Dabei würden Frauen in der Regel, um anerkannt zu werden, eher mehr arbeiten, sich mehr engagieren als ihre männlichen Kollegen. Am vergangenen Montag, 7. März, war der sogenannte Equal Pay Day. Dieser Aktionstag, so erläutert Laub, markiere den Moment, von dem an Frauen Geld für ihre Arbeit bekommen. Zuvor haben sie quasi ihren Job unbezahlt erledigt. Damit wird auf den angesprochenen Gehaltsunterschied zwischen den Geschlechtern aufmerksam gemacht.

Auch innerhalb der Familie gebe es auch heute noch klassische Rollenmodelle. Mit der Elternschaft ginge oft die Frage einher, wer steckt beruflich zurück, arbeitet möglicherweise in Teilzeit. Oft seien dies die Frauen.

Für Melanie Laub ist es wichtig, das Thema Gleichberechtigung immer wieder anzusprechen. Dafür ist der Weltfrauentag, der am heutigen 8. März, zelebriert wird, ein guter Anlass. Als „feministischer Kampftag“ 1911 initiiert, würde der Tag heute eher zum Anlass genommen, die Frauen zu feiern. Gerne werden auch mal Blumen verteilt. „Das ist eine schöne Geste“, findet Laub. „Aber wir sollten auch wichtige Themen ansprechen.“