Monatsdigest

[Regionalforum-Saar] Nazis und der Nahe Osten. Wie der islamische Antisemitismus entstand

Date: 2020/04/03 08:32:06
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Nazis und der Nahe Osten. Wie der islamische Antisemitismus entstand

Autor Küntzel, Matthias

Erschienen Leipzig 2019: Hentrich und Hentrich
Anzahl Seiten 269 S.
Preis € 19,90
ISBN 978-3-95565-347-7

Rezensiert für H-Soz-Kult von Philipp Henning, Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin

Die nationalsozialistischen Verbindungen zur arabisch-islamischen Welt sind ein Thema, das in der Debatte um einen islamischen Antisemitismus in der Gegenwart noch immer ideologisch geführte Kontroversen auslöst. Auch in der Forschung ist in einer großen Zahl von Publikationen eine „Vergegenwärtigung der Vergangenheit“[1] zu beobachten, um dieses Thema für den modernen Israel-Palästina-Konflikt – auf beiden Seiten – nutzbar zu machen.

Der Politikwissenschaftler Matthias Küntzel ist durch zahlreiche Veröffentlichungen zur wichtigsten deutschen Stimme auf diesem Gebiet geworden, räumt jedoch gleich zu Beginn ein, das Buch aus einem „gewissen Maß an Parteilichkeit“ geschrieben zu haben. Auch in Bezug auf den Nahostkonflikt bezeichnet er sich als „nicht vollständig neutral“ (S. 17). Für ihn könne es aus historischen Gründen keine andere als die pro-Israel-Position geben.

Im ersten Kapitel definiert Küntzel den islamischen Antisemitismus als Phänomen, das über das islamistische Lager weit hinausgeht und allgemein das religiöse Potential der Judenfeindschaft im Islam mobilisiert. Das Christentum und der Islam unterschieden sich durch einen „Erfolg“ der Juden über Christus gegenüber einem „Misserfolg“ gegen Mohammed (S. 30). Juden seien daher für Muslime feindlich aber ungefährlich, wohingegen sie für Christen eine obskure Gefahr darstellten. Die These von der jüdischen Weltverschwörung, so Küntzel, konnte deshalb nur im christlichen Europa entstehen. Im 20. Jahrhundert hätten auch Muslime begonnen, diese christlich-europäische Vorstellung zu übernehmen. Dabei habe eine „Verquickung“ der „alt-islamischen Bilder von jüdischer Schwäche und Feigheit mit der westlichen Verschwörungsparanoia vom Juden, der heimlich die Fäden zieht“, (S. 34) stattgefunden. Besonders Amin el-Husseini, der Großmufti von Jerusalem, und die Muslimbrüder seien dafür verantwortlich gewesen. Das Judenbild des Koran habe durch das Hinzufügen der Weltverschwörungstheorie eine „eliminatorische Dimension“ (S. 39) erfahren.

Im zweiten Kapitel soll der Beweis dafür geliefert werden, dass der islamische Antisemitismus schon 1937 in Verbindung mit dem ersten Teilungsplan für Palästina (Peel-Plan) entstand, der damals durch die Opposition des Muftis verhindert worden sei. Seither habe sich eine Wende hin zu einem ideologisierten Feindbild vollzogen, das den Koran und das Wirken Mohammeds einzig auf die Feindschaft zu den Juden reduziert. Vor allem die Konferenz von Bludan im September 1937 sei „eine Manifestation der Judeophobie“ (S. 67) gewesen und habe als Verbreitungsplattform für die Hetzschrift „Islam und Judentum“, den „grundlegenden Text“ (S. 70) für den islamischen Antisemitismus – dessen Autorenschaft ungeklärt ist – gedient. „Dieser frühe Zeitpunkt legt nahe,“ so Küntzel, „dass nicht die späteren Zuspitzungen des Nahostkonfliktes den Antisemitismus bewirkt haben, sondern der früh geschürte Antisemitismus jene Zuspitzung“ (S. 66).

Das dritte Kapitel behandelt die nationalsozialistische Rundfunkpropaganda auf Arabisch. Nach Küntzel „verankerte die sechsjährige Dauerbeschallung den islamischen Antisemitismus im Bewusstsein der ‚arabischen Straße‘ und beeinflusste selbst noch die Nachkriegszeit“ (S. 78). Der Mufti sei es gewesen, der ab 1941 den NS-Antisemitismus per Radio in die arabische Welt exportierte und nach 1947 die Araber gegen Israel aufstachelte. Auch wenn der Effekt der Propaganda ansonsten eher gering war, so habe sie bei „Verbreitung und Eskalation von Judenhass in diesem Teil der Welt“ (S. 99) großen Erfolg gehabt. Heute seien Ankara und Teheran die Führungsmächte des Antisemitismus. Mit der Rückwendung zum Religiösen und der Gegnerschaft zum Liberalismus setzte sich „im arabischen Teil der islamischen Welt nicht der Modernismus eines Kemal Atatürk, sondern eine konservative Lesart des Koran und der islamische Antisemitismus durch“ (S. 110).

Küntzels Darstellung ist typisch für die Debatte, die den Mufti, der von 1941 bis 1945 in Berlin residierte, als den Drahtzieher der NS-Rundfunkpropaganda auf Arabisch nennt und sich auf seine Person fokussiert, als sei dieser allein verantwortlich gewesen. Damit bleiben sowohl zahlreiche NS-kritische Stimmen in der arabischen Welt als auch die araberfeindliche Ausrichtung des NS – etwa in Hitlers Buch „Mein Kampf“ – unbeachtet.

Die Hauptthese des Buches bringt Küntzel im vierten Kapitel. Demnach habe die NS-Propaganda den „maßgeblichen Faktor“ (S. 16) dargestellt, der den Krieg der arabischen Staaten gegen Israel 1948 auslöste. Der Krieg sei gar eine „Art Nachbeben“ (S. 16) der Zeit zwischen 1939 und 1945 gewesen. Die Kontinuität dieses antijüdischen Feldzuges verkörperte Amin el-Husseini nach seiner Rückkehr nach Ägypten 1946 zusammen mit einigen geflüchteten NS-Propagandisten. Die gängige Erklärung, dass der arabische Krieg eine Reaktion auf die Gründung des Staates Israel war, hält Küntzel nicht für zwingend. Die arabischen Staaten hätten sich mit dem neuen Staat arrangieren können. Der Auslöser für den Krieg sei einzig der Antisemitismus gewesen.

Somit verflechten sich in Küntzels Buch historisch ausgelegte Kapitel mit Bezügen zu aktuellen politischen Ereignissen, weswegen seine historische Argumentation zuweilen den Eindruck erweckt, vor allem gegenwärtige politische Aussagen stützen zu wollen. So bleibt zum Beispiel unbeachtet, dass in der Anfangszeit (1939–1941) der deutschen Rundfunkpropaganda auf Arabisch die Radikalisierung von Judenhass und Islam noch nicht existierte und die Sendungen eher antibritisch ausgerichtet waren.

Küntzel schließt sein Buch mit dem Blick auf die Gegenwart und den Erfahrungen, die er als Politiklehrer an einer Hamburger Berufsschule im Umgang mit muslimischen Schülern gewonnen hat. Mit Berufung auf Yehuda Bauer sieht er „das Hauptproblem des radikalen Islam darin, dass sich seine Auffassungen im allgemeinen Islam verbreitet haben“.[2] Küntzel wirft der deutschen Politik und Forschung eine „aktive Ignoranz“ (S. 163) gegenüber dem radikalen Islam vor und fordert dazu auf, „die Quellen dieser Hass-Ideologie“ (S. 197) dort einzudämmen, wo sie entspringen: in der islamischen Welt. Dass ein anderes, moderneres Verständnis von Islam möglich sei, hätten die Türkei und der Iran in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gezeigt. Küntzels klare Positionierung, allein die NS-Propaganda habe heutigen Hass der muslimischen Welt auf den Westen und die Juden geschürt, blendet allerdings die Erfahrungen in der Region mit dem Kolonialismus gänzlich aus.

Dennoch liefert Matthias Küntzel mit diesem Buch einen überfälligen Beitrag zur Aufklärung und Bewusstwerdung über ein Thema, das, wie der Autor zu Recht beklagt, zu wenig präsent in wissenschaftlichen und allgemein-öffentlichen Diskursen ist.

Anmerkungen:
[1] Ulrike Freitag / Israel Gershoni, The Politics of Memory. The Necessity for Historical Investigation into Arab Responses to Fascism and Nazism, in: Geschichte und Gesellschaft 37 (2011), S. 311–331, hier S. 312.
[2] Yehuda Bauer, Der islamische Antisemitismus. Eine aktuelle Bedrohung, Berlin 2018, S. 34.




[Regionalforum-Saar] Care-Pakete

Date: 2020/04/06 19:28:56
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Guten Abend,

seit ein paar Jahren übertrage und übersetze ich für eine Amerikanerin aus dem Staate Washington Briefe, die ihre Vorfahren im und gegen Ende des Zweiten Weltkrieges aus Deutschland erhalten haben.

Bei der letzten Ladung ist ein Brief, den "Cousine Emmy" aus Hamburg am 3. Februar 1948 an ihre Cousinen und ihre Tante in Californien geschrieben hat. Meines Wissens haben sich die Briefschreiberin und ihre Verwandtschaft zumindest bis dahin nie getroffen.

Diesen Brief möchte ich Euch zum Lesen geben, weil es darin um die Zusammensetzung von Care-Paketen sowie um Lebensmittelrationen im Nachkriegsdeutschland geht.

„Hamburg den 3. Februar 1948

Liebe Cousinen, liebe Frau Hendel!

Es ist stets eine Freude für uns, wenn von Euch ein so schönes Paket kommt. Wir danken Euch herzlich dafür. Leider kam es dieses Mal beschädigt an. Was nun herausgenommen worden ist, wissen wir ja nicht. Aber die Not ist ja zu groß. So wollen wir Euch wenigstens schreiben, was noch darin war. 1 Dose Kaffee, 1 Paket Pflaumen und 1 Paket Reis, 1 Tüte Zucker, 2 Paar Schuhe, 1 Kleid rot, 1 Kleid dunkelblau, 1 Mantel, 2 Blusen, 1 Schlafanzug, 1 Wäschegarnitur, 1 Knabenbluse. Unsere Post hat es nachgewogen und es fehlten circa 2 Pfund. So wisst Ihr wenigstens, was genommen wurde. Ganz unversehrt waren die Säcke, welche Ihr uns mal geschickt habt, da können Sie nicht so leicht dabei kommen.

Wie geht es sonst bei Euch? Habt Ihr die Weihnachtstage gut verlebt? Und seid gut ins neue Jahr gekommen? Habt Ihr unseren Weihnachtsbrief erhalten? Bei uns war alles so still und so traurig. Wir haben uns einen Kuchen gebacken, natürlich ohne Fett, und von Eurem Kaffee dazu getrunken. Am Sylvester waren Mutter und ich alleine, und was war es sonst bei uns für ein Leben. Und unsre Gedanken gingen immer auf frühere Jahre zurück. Wie schön es bei uns war. Aber wir müssen uns in das Unvermeidliche fügen. Wir leben nur noch von Erinnerungen. Augenblicklich sind unsere Zuteilungen sehr gering, in der letzten Zuteilungsperiode bekamen wir 150 Gramm Fett, 400 Gramm Fleisch, ein Pfund Zucker, mit Brot 10000 Gramm kommen Mutter und ich aus, Nährmittel 2 1/2 Pfund, dann etwas Fleisch und 62,5 Gramm Käse, dieses ist für 4 Wochen berechnet. In der 1. Periode gibt es nur 9000 Gramm Brot, Fleisch und Fett noch weniger und dafür etwas mehr Zucker, wir müssen uns damit abfinden, es hilft ja alles nichts. Wenn wir nur Milch bekämen, um uns jeden Tag eine Milchsuppe zu machen, aber auch das nicht mal. Allerdings gibt es etwas trocken Milch, aber auch nur sehr wenig. Nun habt Ihr so ungefähr einen Überblick über unsere Ernährung, und wir freuen uns sehr, wenn ein Paket von Euch was schönes enthält.

Mutter geht es gesundheitlich so einigermaßen. Auch haben wir bisher in diesem Winter nicht frieren brauchen, der Winter war bisher überaus milde. Wir hatten nur einige kalte Tage.
Wie war der Winter bei Euch, habt Ihr auch Frosttage gehabt?
Nun nochmal herzlichen Dank für alles Schöne.

Es grüßen Euch recht herzlich
Eure Tante Luise und Cousine Emmy.“


Bleibt gesund.

Roland Geiger


[Regionalforum-Saar] Care-Pakete

Date: 2020/04/07 19:14:39
From: anneliese.schumacher(a)t-online.de <anneliese.schumacher(a)t-online.de>

 

Was an Verwandte geschickt wurde, weiß ich natürlich im Einzelfall nicht. Es gab aber eine Norm:

 

Ab März 1947 enthielt ein CARE-Paket als Standard-Ausstattung:[6]

1 Pfund Rindfleisch in Kraftbrühe
1 Pfund Steaks und Nieren
½ Pfund Leber
½ Pfund Corned Beef
¾ Pfund „Prem“ (Fleisch zum Mittagessen, ähnlich dem heutigen Frühstücksfleisch)
½ Pfund Speck
2 Pfund Margarine
1 Pfund Schweineschmalz
2 Pfund Zucker
1 Pfund Honig
1 Pfund Schokolade
1 Pfund Rosinen
1 Pfund Aprikosen-Konserven
½ Pfund Eipulver
2 Pfund Vollmilch-Pulver
2 Pfund Kaffee

LG

Anneliese Schumacher




[Regionalforum-Saar] Der Meter wird heute [07.04.2020] stolze 225 Jahre alt.

Date: 2020/04/08 08:54:08
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

gestern in der Saarbrücker Zeitung, Panorama, D6:

"Der Meter wird heute [07.04.2020] stolze 225 Jahre alt."

Paris. Frankreich begeht an diesem Dienstag ein wichtiges Jubiläum: Vor genau 225 Jahren wurde das Längenmaß Meter samt metrischem System gesetzlich eingeführt. Die Französische Revolution von 1789 fegte die Privilegien des Adels hinweg und wollte Maße und Gewichte vereinheitlichen. dpa

Das Gesetz von 1795 war eine Folge. 1875 unterzeichneten 17 Länder einen Staatsvertrag, die sogenannte Meterkonvention, darunter war auch Deutschland. Der Meter ist inzwischen in den meisten Ländern der Welt verbindliches Längenmaß. Die Definition veränderte sich im Laufe der Zeit: Früher war es der zehnmillionste Teil der Entfernung vom Nordpol über Paris zum Äquator. Heute gilt eine Definition, die auf der Lichtgeschwindigkeit beruht.


[Regionalforum-Saar] „Die Glocken sind in Rom “

Date: 2020/04/10 22:09:32
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

„Die Glocken sind in Rom“
nach einer Recherche im Pfarrarchiv St. Wendel
von Roland Geiger, Alsfassen.

„Die Glocken sind in Rom“, so hat man uns - als ich klein war - immer den Umstand erklärt, daß die Kirchturmglocken zwischen Gründonnerstag und Ostersonntag nicht läuten - das galt natürlich nur für die katholischen - was die Protestanten ihren Kindern erzählten, weiß ich nicht. Nach Rom werden die sie nicht schicken, u.a. weil sie ihre Beziehungen mit dem Papst seit dem 15ten Jahrhundert … nun ja, das ist kompliziert und gehört auch nicht hierher.

Damals - als ich klein war - habe ich das natürlich geglaubt. Erst viele Jahre später - und das ist jetzt auch noch keine fünf Jahre her - habe ich erfahren, daß die Geschichte, so unglaublich sie auch klingt, tatsächlich war ist. Als mir Gerd Schmitt den Schlüssel des Pfarrarchivs St. Wendel nicht nur symbolisch übergab, saß ich fast ein ganzes Jahr lang jeden Nachmittag dort unten im Verlies und durchforstete alle Kisten und Kästen und Ordner mit all den Briefen, Verträgen, Urkunden und Rechnungen, die dort unten seit Jahr und Tag, sprich: seit spätestens 1304 nach Christus, aufbewahrt werden. Besonders die Kirchenrechnungen hatten es mir angetan. Eigentlich sind das die Jahresabschlußrechnungen der Pfarrei, die getrennt nach Soll - alle Einkünfte - und Haben - alle Ausgaben - aufgeführt sind und jeweils von Johannis bis Johannis reichten - also von gut Mitte Juni des einen bis gut Mitte Juni des nächsten Jahres. Und dort - natürlich hinten bei den Ausgaben - fand ich nach einigem Suchen und Transkribieren auch das Gesuchte, den Transport der Glocken nach Rom.

Schon in der ersten hier im Archiv vorhandenen Rechnung - der von 1519-20 - geht es los: Auf Seite 66 (moderner Paginierung) erscheint in den „ußgaben pro diversis“ ganz am Ende der langen Liste:

„Item in der Mitnacht
als die klocken herabgenomen
um nacher Rom zu schiken,
haben wir dem leyendeker verdingt
alles in seinen kosten den grosen thurn
zuersteihen, und die drey klocken
abzuneme, wozu fuffzen Mann nothwendig,
also geben   xxvij g 15 alb“

„Item dem furmann Peter Romer verdingt,
die klocken aufladen und gen Rom zu faren,
kam dis Jar bis Otweiler, also geben   xi g 5 alb“

Pfarrer Keller, der 1704 die letzte Wendelslegende verfaßte, hat das genaue Procedere in seinem Protokoll beschrieben, verfaßt im ersten Jahr nach seiner Übernahme der Pfarrei: Die Pfarrei beauftragte den Dachdecker, in den letzten Stunden des Gründonnerstags den Turm zu besteigen, die Glocken auszuhängen und herabzulassen. Vor der Kirche wurden sie auf einen Wagen geladen, der dann durch das Untere Tor (Ecke Brühl-, Luisen- und Kelsweilerstraße) in Richtung Süden losfuhr - in Richtung Rom. Natürlich war jedem der Beteiligten klar, daß sie keine Chance hatten, in drei Tagen Rom zu erreichen und wieder nach hause zu kommen. Deshalb fuhr man so weit, wie es ging, gewöhnlich bis Ottweiler. Es mußte auf jeden Fall ein Ort außerhalb des Amtes sein, um die feste Absicht zu bekunden. In Ottweiler im Gasthaus „Sonne“, das die Fuhrleute am späten Freitagnachmittag erreichten, hielt man an und übernachtete und fuhr am nächsten Morgen wieder zurück nach St. Wendel, wo die Glocken wieder hinaufgezogen und befestigt wurde, um am Ostersonntagmorgen die Auferstehung unseres Herrn zu verkünden.

Die Bevölkerung sollte von dem Treiben natürlich möglichst nichts mitbekommen, weshalb am Gründonnerstag und zwei Tage später am Samstag ab 8 Uhr abends eine allgemeine Ausgangssperre verhängt wurde. Natürlich wußte jeder, was da los war, aber daß die Glocken wirklich nach Rom unterwegs waren, war ja nicht gelogen, und daß sie nie wirklich dort ankamen, nun ja, … heut würde man sagen: ein bißchen Schwund ist immer.

Diese Prozedur wurde danach jedes Jahr an Gründonnerstag wiederholt und findet sich infolgedessen in allen Kirchenrechnungen bis zum heutigen Tag. Im Gegensatz z.B. zur Feier des Wendelskuchentags, an dem die Kirche über die Jahrhunderte hinweg 800 Brötchen backen und an die Bevölkerung verteilen ließ. Dieser schöne Brauch ging im Jahr der Besetzung St. Wendels durch die französischen Revolutionstruppen ein. Während die Glocken bis heute am Karfreitag und dem darauffolgenden Samstag nach Rom unterwegs sind.

Natürlich müssen die Menschen der Stadt an den beiden Tagen nicht auf den gewohnten nützlichen Ton verzichten - diese Aufgabe übernehmen die Meßdiener, die mit Kleppern und Rätschen ihr bestes tun, die Glockenklänge zu ersetzen.

Alsfassen am Karfreitag des Jahres 2020

Roland Geiger

PS: Bitte bis Dienstag nicht bei uns anrufen - ich habe das Telefon auf lautlos gestellt und jedes andere Gerät im Haus, das Geräusche verursacht - bis Dienstag, dann hat meine Frau die Gelegenheit, einen Ohrenarzt aufzusuchen. Ich fand mich heute Abend zu dieser Maßnahme gezwungen, weil sie Geräusche hört, die nicht existieren können. Sie sagte um halb acht, „hör mal, die Kirchturmglocken läuten“. Ich „hörte“ natürlich nicht, weil’s da nichts zu hören gab.

Denn wie sollten heut abend die Kirchturmglocken läuten,
die sind doch bis übermorgen Morgen auf dem Weg nach Rom.


Re: [Regionalforum-Saar] „Die Glocken sind in Rom “ - Nachtrag

Date: 2020/04/11 10:12:47
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

PS2: An meinem Artikel von gestern abend ist natürlich kein Wort wahr. Weder gibt es den beschriebenen Brauch noch die Kirchenglocken-Abnahme-und-Transport-Aktion noch die Position in den Kirchenrechnungen.

Wahr ist allerdings die Frage, die wir uns gestern abend stellten:

Wieso haben um halb acht wie jeden Abend zuvor die Kirchenglocken geläutet?

Am Karfreitag? Und heut abend vermutlich wieder. ???

Schöne Ostern.

Roland Geiger




Am 10.04.2020 um 22:09 schrieb Roland Geiger:

„Die Glocken sind in Rom“
nach einer Recherche im Pfarrarchiv St. Wendel
von Roland Geiger, Alsfassen.

„Die Glocken sind in Rom“, so hat man uns - als ich klein war - immer den Umstand erklärt, daß die Kirchturmglocken zwischen Gründonnerstag und Ostersonntag nicht läuten - das galt natürlich nur für die katholischen - was die Protestanten ihren Kindern erzählten, weiß ich nicht. Nach Rom werden die sie nicht schicken, u.a. weil sie ihre Beziehungen mit dem Papst seit dem 15ten Jahrhundert … nun ja, das ist kompliziert und gehört auch nicht hierher.

Damals - als ich klein war - habe ich das natürlich geglaubt. Erst viele Jahre später - und das ist jetzt auch noch keine fünf Jahre her - habe ich erfahren, daß die Geschichte, so unglaublich sie auch klingt, tatsächlich war ist. Als mir Gerd Schmitt den Schlüssel des Pfarrarchivs St. Wendel nicht nur symbolisch übergab, saß ich fast ein ganzes Jahr lang jeden Nachmittag dort unten im Verlies und durchforstete alle Kisten und Kästen und Ordner mit all den Briefen, Verträgen, Urkunden und Rechnungen, die dort unten seit Jahr und Tag, sprich: seit spätestens 1304 nach Christus, aufbewahrt werden. Besonders die Kirchenrechnungen hatten es mir angetan. Eigentlich sind das die Jahresabschlußrechnungen der Pfarrei, die getrennt nach Soll - alle Einkünfte - und Haben - alle Ausgaben - aufgeführt sind und jeweils von Johannis bis Johannis reichten - also von gut Mitte Juni des einen bis gut Mitte Juni des nächsten Jahres. Und dort - natürlich hinten bei den Ausgaben - fand ich nach einigem Suchen und Transkribieren auch das Gesuchte, den Transport der Glocken nach Rom.

Schon in der ersten hier im Archiv vorhandenen Rechnung - der von 1519-20 - geht es los: Auf Seite 66 (moderner Paginierung) erscheint in den „ußgaben pro diversis“ ganz am Ende der langen Liste:

„Item in der Mitnacht
als die klocken herabgenomen
um nacher Rom zu schiken,
haben wir dem leyendeker verdingt
alles in seinen kosten den grosen thurn
zuersteihen, und die drey klocken
abzuneme, wozu fuffzen Mann nothwendig,
also geben   xxvij g 15 alb“

„Item dem furmann Peter Romer verdingt,
die klocken aufladen und gen Rom zu faren,
kam dis Jar bis Otweiler, also geben   xi g 5 alb“

Pfarrer Keller, der 1704 die letzte Wendelslegende verfaßte, hat das genaue Procedere in seinem Protokoll beschrieben, verfaßt im ersten Jahr nach seiner Übernahme der Pfarrei: Die Pfarrei beauftragte den Dachdecker, in den letzten Stunden des Gründonnerstags den Turm zu besteigen, die Glocken auszuhängen und herabzulassen. Vor der Kirche wurden sie auf einen Wagen geladen, der dann durch das Untere Tor (Ecke Brühl-, Luisen- und Kelsweilerstraße) in Richtung Süden losfuhr - in Richtung Rom. Natürlich war jedem der Beteiligten klar, daß sie keine Chance hatten, in drei Tagen Rom zu erreichen und wieder nach hause zu kommen. Deshalb fuhr man so weit, wie es ging, gewöhnlich bis Ottweiler. Es mußte auf jeden Fall ein Ort außerhalb des Amtes sein, um die feste Absicht zu bekunden. In Ottweiler im Gasthaus „Sonne“, das die Fuhrleute am späten Freitagnachmittag erreichten, hielt man an und übernachtete und fuhr am nächsten Morgen wieder zurück nach St. Wendel, wo die Glocken wieder hinaufgezogen und befestigt wurde, um am Ostersonntagmorgen die Auferstehung unseres Herrn zu verkünden.

Die Bevölkerung sollte von dem Treiben natürlich möglichst nichts mitbekommen, weshalb am Gründonnerstag und zwei Tage später am Samstag ab 8 Uhr abends eine allgemeine Ausgangssperre verhängt wurde. Natürlich wußte jeder, was da los war, aber daß die Glocken wirklich nach Rom unterwegs waren, war ja nicht gelogen, und daß sie nie wirklich dort ankamen, nun ja, … heut würde man sagen: ein bißchen Schwund ist immer.

Diese Prozedur wurde danach jedes Jahr an Gründonnerstag wiederholt und findet sich infolgedessen in allen Kirchenrechnungen bis zum heutigen Tag. Im Gegensatz z.B. zur Feier des Wendelskuchentags, an dem die Kirche über die Jahrhunderte hinweg 800 Brötchen backen und an die Bevölkerung verteilen ließ. Dieser schöne Brauch ging im Jahr der Besetzung St. Wendels durch die französischen Revolutionstruppen ein. Während die Glocken bis heute am Karfreitag und dem darauffolgenden Samstag nach Rom unterwegs sind.

Natürlich müssen die Menschen der Stadt an den beiden Tagen nicht auf den gewohnten nützlichen Ton verzichten - diese Aufgabe übernehmen die Meßdiener, die mit Kleppern und Rätschen ihr bestes tun, die Glockenklänge zu ersetzen.

Alsfassen am Karfreitag des Jahres 2020

Roland Geiger

PS: Bitte bis Dienstag nicht bei uns anrufen - ich habe das Telefon auf lautlos gestellt und jedes andere Gerät im Haus, das Geräusche verursacht - bis Dienstag, dann hat meine Frau die Gelegenheit, einen Ohrenarzt aufzusuchen. Ich fand mich heute Abend zu dieser Maßnahme gezwungen, weil sie Geräusche hört, die nicht existieren können. Sie sagte um halb acht, „hör mal, die Kirchturmglocken läuten“. Ich „hörte“ natürlich nicht, weil’s da nichts zu hören gab.

Denn wie sollten heut abend die Kirchturmglocken läuten,
die sind doch bis übermorgen Morgen auf dem Weg nach Rom.



--
Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

--------------------

Roland Geiger
Historische Forschung
Alsfassener Straße 17, 66606 St. Wendel
Tel. 06851-3166
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Re: [Regionalforum-Saar] „Die Glocken sind in Rom “ - Nachtrag

Date: 2020/04/11 14:24:18
From: Stefan Reuter via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Hallo zusammen,

ist das des Rätsels Lösung: ökumenisches Glockenläuten als Zeichen der Zuversicht in Zeiten der Corona-Pandemie?

Gruß, Stefan

Am 11.04.2020 um 10:12 schrieb Roland Geiger:

PS2: An meinem Artikel von gestern abend ist natürlich kein Wort wahr. Weder gibt es den beschriebenen Brauch noch die Kirchenglocken-Abnahme-und-Transport-Aktion noch die Position in den Kirchenrechnungen.

Wahr ist allerdings die Frage, die wir uns gestern abend stellten:

Wieso haben um halb acht wie jeden Abend zuvor die Kirchenglocken geläutet?

Am Karfreitag? Und heut abend vermutlich wieder. ???

Schöne Ostern.

Roland Geiger




Am 10.04.2020 um 22:09 schrieb Roland Geiger:

„Die Glocken sind in Rom“
nach einer Recherche im Pfarrarchiv St. Wendel
von Roland Geiger, Alsfassen.

„Die Glocken sind in Rom“, so hat man uns - als ich klein war - immer den Umstand erklärt, daß die Kirchturmglocken zwischen Gründonnerstag und Ostersonntag nicht läuten - das galt natürlich nur für die katholischen - was die Protestanten ihren Kindern erzählten, weiß ich nicht. Nach Rom werden die sie nicht schicken, u.a. weil sie ihre Beziehungen mit dem Papst seit dem 15ten Jahrhundert … nun ja, das ist kompliziert und gehört auch nicht hierher.

Damals - als ich klein war - habe ich das natürlich geglaubt. Erst viele Jahre später - und das ist jetzt auch noch keine fünf Jahre her - habe ich erfahren, daß die Geschichte, so unglaublich sie auch klingt, tatsächlich war ist. Als mir Gerd Schmitt den Schlüssel des Pfarrarchivs St. Wendel nicht nur symbolisch übergab, saß ich fast ein ganzes Jahr lang jeden Nachmittag dort unten im Verlies und durchforstete alle Kisten und Kästen und Ordner mit all den Briefen, Verträgen, Urkunden und Rechnungen, die dort unten seit Jahr und Tag, sprich: seit spätestens 1304 nach Christus, aufbewahrt werden. Besonders die Kirchenrechnungen hatten es mir angetan. Eigentlich sind das die Jahresabschlußrechnungen der Pfarrei, die getrennt nach Soll - alle Einkünfte - und Haben - alle Ausgaben - aufgeführt sind und jeweils von Johannis bis Johannis reichten - also von gut Mitte Juni des einen bis gut Mitte Juni des nächsten Jahres. Und dort - natürlich hinten bei den Ausgaben - fand ich nach einigem Suchen und Transkribieren auch das Gesuchte, den Transport der Glocken nach Rom.

Schon in der ersten hier im Archiv vorhandenen Rechnung - der von 1519-20 - geht es los: Auf Seite 66 (moderner Paginierung) erscheint in den „ußgaben pro diversis“ ganz am Ende der langen Liste:

„Item in der Mitnacht
als die klocken herabgenomen
um nacher Rom zu schiken,
haben wir dem leyendeker verdingt
alles in seinen kosten den grosen thurn
zuersteihen, und die drey klocken
abzuneme, wozu fuffzen Mann nothwendig,
also geben   xxvij g 15 alb“

„Item dem furmann Peter Romer verdingt,
die klocken aufladen und gen Rom zu faren,
kam dis Jar bis Otweiler, also geben   xi g 5 alb“

Pfarrer Keller, der 1704 die letzte Wendelslegende verfaßte, hat das genaue Procedere in seinem Protokoll beschrieben, verfaßt im ersten Jahr nach seiner Übernahme der Pfarrei: Die Pfarrei beauftragte den Dachdecker, in den letzten Stunden des Gründonnerstags den Turm zu besteigen, die Glocken auszuhängen und herabzulassen. Vor der Kirche wurden sie auf einen Wagen geladen, der dann durch das Untere Tor (Ecke Brühl-, Luisen- und Kelsweilerstraße) in Richtung Süden losfuhr - in Richtung Rom. Natürlich war jedem der Beteiligten klar, daß sie keine Chance hatten, in drei Tagen Rom zu erreichen und wieder nach hause zu kommen. Deshalb fuhr man so weit, wie es ging, gewöhnlich bis Ottweiler. Es mußte auf jeden Fall ein Ort außerhalb des Amtes sein, um die feste Absicht zu bekunden. In Ottweiler im Gasthaus „Sonne“, das die Fuhrleute am späten Freitagnachmittag erreichten, hielt man an und übernachtete und fuhr am nächsten Morgen wieder zurück nach St. Wendel, wo die Glocken wieder hinaufgezogen und befestigt wurde, um am Ostersonntagmorgen die Auferstehung unseres Herrn zu verkünden.

Die Bevölkerung sollte von dem Treiben natürlich möglichst nichts mitbekommen, weshalb am Gründonnerstag und zwei Tage später am Samstag ab 8 Uhr abends eine allgemeine Ausgangssperre verhängt wurde. Natürlich wußte jeder, was da los war, aber daß die Glocken wirklich nach Rom unterwegs waren, war ja nicht gelogen, und daß sie nie wirklich dort ankamen, nun ja, … heut würde man sagen: ein bißchen Schwund ist immer.

Diese Prozedur wurde danach jedes Jahr an Gründonnerstag wiederholt und findet sich infolgedessen in allen Kirchenrechnungen bis zum heutigen Tag. Im Gegensatz z.B. zur Feier des Wendelskuchentags, an dem die Kirche über die Jahrhunderte hinweg 800 Brötchen backen und an die Bevölkerung verteilen ließ. Dieser schöne Brauch ging im Jahr der Besetzung St. Wendels durch die französischen Revolutionstruppen ein. Während die Glocken bis heute am Karfreitag und dem darauffolgenden Samstag nach Rom unterwegs sind.

Natürlich müssen die Menschen der Stadt an den beiden Tagen nicht auf den gewohnten nützlichen Ton verzichten - diese Aufgabe übernehmen die Meßdiener, die mit Kleppern und Rätschen ihr bestes tun, die Glockenklänge zu ersetzen.

Alsfassen am Karfreitag des Jahres 2020

Roland Geiger

PS: Bitte bis Dienstag nicht bei uns anrufen - ich habe das Telefon auf lautlos gestellt und jedes andere Gerät im Haus, das Geräusche verursacht - bis Dienstag, dann hat meine Frau die Gelegenheit, einen Ohrenarzt aufzusuchen. Ich fand mich heute Abend zu dieser Maßnahme gezwungen, weil sie Geräusche hört, die nicht existieren können. Sie sagte um halb acht, „hör mal, die Kirchturmglocken läuten“. Ich „hörte“ natürlich nicht, weil’s da nichts zu hören gab.

Denn wie sollten heut abend die Kirchturmglocken läuten,
die sind doch bis übermorgen Morgen auf dem Weg nach Rom.



--
Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

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Historische Forschung
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[Regionalforum-Saar] Schüler und Lehrer der Saarbr ücker Bergschule 1816 – 1906

Date: 2020/04/19 19:05:04
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Neuerscheinung bei der Arbeitsgemeinschaft für Saarländische Familienforschung (ASF)

Schüler und Lehrer der Saarbrücker Bergschule 1816 – 1906
von Karl Ludwig Jüngst

In mehreren Tabellen, die nach verschiedenen Kriterien sortiert sind, hat Karl Ludwig Jüngst in diesem Buch die Namen der 1730 Schüler mit den Daten zu ihrer schulischen Laufbahn an der Bergschule Saarbrücken erfasst, soweit sie diese zwischen 1822 und 1904 besucht haben.

In weiteren Tabellen sind die 182 Lehrer der Bergschule Saarbrücken und der Steigerschulen Neunkirchen, Altenkessel/Luisenthal, Dudweiler, Merchweiler, Heusweiler, Ensdorf/Derlen, Völklingen, Sulzbach und Bildstock erfasst, die an diesen Schulen in der Zeit von 1816 – 1906 gewirkt haben.

Da es sich bei dem Werk im Wesentlichen um Tabellen handelt, hat der Vorstand der ASF beschlossen, dieses auf der Homepage der ASF frei zugänglich zu machen.
=> http://saar-genealogie.de/karl-ludwig-juengst-schueler-und-lehrer-der-saarbruecker-bergschule-1816-1906/

Für diejenigen, die ein gedrucktes Buch der im Internet zugänglichen, digitalen Version vorziehen, besteht die Möglichkeit es im Online-Shop zum Preis von 25.00 € zu erwerben – für Mitglieder zu einem Sonderpreis von 20.00 €. Das Buch - A4 quer, fester Einband - wiegt 1,1 kg, deshalb erfolgt der Versand als Päckchen (3,79 Euro).
=> https://asf-onlineshop.de/product_info.php?products_id=47

Bestellungen bitte entweder über den Online-Shop oder direkt an mich: „alsfassen(a)web.de“.


[Regionalforum-Saar] das Landesarchiv Saarbrücken hat ab heute wieder geöffnet

Date: 2020/04/20 10:11:22
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

aber nur unter besonderen Bedingungen

=>

https://www.saarland.de/254281.htm

der Besuch des Lesesaals ist unter Beachtung folgender Hygiene- und Verhaltensregeln möglich:

  • Bitte schütteln Sie keine Hände zur Begrüßung.

  • Halten Sie bitte 1,5 – 2 m Abstand zu anderen Besucher/innen und sowie zum Archivpersonal.

  • Beachten Sie bitte die Husten-und Niesetikette, sowie die Handhygiene (einen Spender mit Handdesinfektionsmittel finden Sie in der Garderobe im 3. Obergeschoss).

  • Im Lesesaal dürfen sich max. 6 Besucher/innen gleichzeitig aufhalten.
    Ein Besucherarbeitsplatz kann für max. 2 Tage pro Woche und 14 Tage im Voraus reserviert werden. Für Forschungsaufenthalte außersaarländischer Besucher/innen können nach Absprache längerfristigere Reservierungen vereinbart werden. Ggf. werden Arbeitsplätze im Lesesaal anhand einer Warteliste vergeben.

  • Barzahlungen sind momentan nicht möglich, Sie erhalten die Gebührenrechnungen per Post/Mail.

  • Bitte reduzieren Sie die Beratungsgespräche vor Ort auf ein absolutes Minimum und max. 15 min pro Gespräch. Unsere Mitarbeiter/innen stehen Ihnen darüber hinaus gerne telefonisch für Auskünfte und Beratungen zur Verfügung.

  • Liegen bei Ihnen grippeähnliche Symptome vor, bitten wir Sie, von einem Besuch abzusehen.

  • [Regionalforum-Saar] H. Arendt: Wir Juden. Schriften 1932 bis 1966

    Date: 2020/04/21 21:54:48
    From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

    H. Arendt: Wir Juden. Schriften 1932 bis 1966

    Wir Juden. Schriften 1932 bis 1966.

    Zusammengestellt und herausgegeben von Marie Luise Knott und Ursula Ludz

     

    Reihe „Übungen im politischen Denken 3“

     

    Erschienen München 2019: Piper Verlag

    Anzahl Seiten 464 S.

    Preis € 34,00

    ISBN 978-3-492-05561-1


    Inhalt meinclio.clio-online.de/uploads/media/book/toc_book-58036.pdf

     

    Rezensiert für H-Soz-Kult von  Annette Vowinckel, Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam

    Hannah Arendt interessierte sich nicht übermäßig für das Judentum. Sie las kein Hebräisch (stattdessen Griechisch und Latein), sie besuchte nicht regelmäßig die Synagoge, und über den Staat Israel äußerte sie sich mitunter sehr abfällig. Ihr Bezug war ein existenzieller, gar existenzphilosophischer: An ihrer jüdischen Herkunft war weder zu rütteln noch unternahm sie je einen Versuch, ihr (durch Konversion, durch Leugnung, durch Heirat) zu „entkommen“. Wer als Jude angegriffen werde, das war ihre Überzeugung, müsse sich auch als Jude verteidigen – und nicht mit Verweis auf die allgemeinen Menschenrechte. Dass die Juden „in das Sturmzentrum der Ereignisse des 20. Jahrhunderts“[1] geworfen wurden, verlange zudem nach einer politischen Auseinandersetzung mit ihrer besonderen Rolle in der jüngeren europäischen Geschichte.

    In Arendts Werk spielen jüdische Geschichte, die Geschichte von Antisemitismus und Zionismus dementsprechend eine nicht unerhebliche Rolle. Der erste für dieses Feld relevante Text aus ihrer Feder – zugleich der erste Text in der vorliegenden Sammlung – war ein 1932 unter dem Titel „Aufklärung und Judenfrage“ in der „Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland“ veröffentlichter Essay, in dem sie die Juden wegen ihres aufklärerischen und rationalistischen Engagements als die „Geschichtslosen“ (S. 29) unter den Europäern darstellte und von ihnen forderte, sich ihre distanzierte Perspektive auf die Mehrheitsgesellschaft für Auseinandersetzungen mit der Vergangenheit zunutze zu machen.

    Eben dieser Idee folgte Arendt in ihrem eigenen Werk – nicht nur mit Blick auf die Anderen, sondern auch auf das eigene Volk. In den 1940er-Jahren, nach ihrer Flucht in die USA, beschäftigte sie sich verstärkt mit jüdischer Kulturgeschichte, zum Beispiel in einem Essay über „Die verborgene Tradition“. Darin beschrieb sie Kafka als einen „Paria“ – im Unterschied zu den „Parvenus“, die ihre jüdische Herkunft für den gesellschaftlichen Aufstieg verleugneten. In dem von Marie Luise Knott und Ursula Ludz herausgegebenen Band „Wir Juden“ sind diese und einige weitere Texte im ersten Themenkomplex unter dem Stichwort „Für ein neues kulturelles Selbstbewusstsein“ versammelt.

    Der zweite Themenkomplex trägt den Titel „Für ein neues politisches Selbstbewusstsein“; er enthält zwischen 1942 und 1950 publizierte Texte zum Zionismus, zur Gründung einer jüdischen Armee (die Arendt forderte) und zur Rolle der Juden bzw. später Israels im Nahen Osten. Der dritte und letzte Themenkomplex ist Texten zur „Erforschung des Holocaust“ gewidmet, die von 1945 bis 1966 erschienen. Als Epilog ist dem Band der 1964 verfasste Essay „Persönliche Verantwortung unter diktatorischer Herrschaft“ in überarbeiteter Übersetzung des englischen Originals beigefügt.

    Viele der hier abgedruckten Texte erscheinen heute geradezu visionär – zum Beispiel einige derjenigen, die die Entwicklungen im Nahen Osten zum Gegenstand haben. In einem Essay für die US-amerikanische Zeitschrift „Commentary“ schrieb Arendt im Mai 1948, die Unabhängigkeit Palästinas könne nur „auf einer tragfähigen Grundlage jüdisch-arabischer Zusammenarbeit erreicht werden. Solange jüdische wie arabische Führer behaupten, dass es ‚keine Brücke’ zwischen Juden und Arabern gebe“, könne „das Land nicht der politischen Weisheit seiner eigenen Bewohner überlassen werden“ (S. 258). In dem Text „Frieden oder Waffenstillstand im Nahen Osten?“ wies sie 1950 nachdrücklich darauf hin, dass eine positive Entwicklung der Region nur zu erwarten sei, wenn sie ihre wirtschaftlichen Probleme lösen könne.

    So visionär Arendts politische Schriften waren, so wegweisend waren diejenigen zur Geschichte des Holocaust – nicht zuletzt deshalb, weil die Autorin sie explizit mit moralphilosophischen Fragen verband. Eben dies fiel ihr im Kontext des Jerusalemer Eichmann-Prozesses von 1961 auf die Füße – und veranlasste sie dazu, noch einmal nachzulegen. Der Essay „Die Vernichtung von sechs Millionen. Warum hat die Welt geschwiegen?“ (1964) gibt davon ein eindrückliches Zeugnis.

    Als dritter und letzter Teil der bei Piper erscheinenden Reihe „Übungen im politischen Denken“, die Arendts essayistische Arbeiten präsentiert, richtet sich das vorliegende Buch vor allem an eine gebildete Öffentlichkeit, die sich einen Eindruck von der Breite des Arendt’schen Werks und in diesem Fall von ihren Schriften zur jüdischen Geschichte und Politik verschaffen möchte. Die Texte sind knapp kommentiert, kontextualisiert und mit bibliografischen Detailangaben versehen. Die Herausgeberinnen schließen den Band mit einer editorischen Erklärung von Ursula Ludz („Zu dieser Ausgabe“, S. 403–416), in der gelegentlich auch auf Kritik an Arendts Texten verwiesen wird, und einem Postskriptum von Marie Luise Knott (S. 417–422), in dem die Auswahl der Texte begründet wird. Während Ludz betont, dass der Band „Vollständigkeit“ beanspruche, indem er „alle jüdischen Schriften größeren Umfangs aus Arendts veröffentlichtem Werk“ berücksichtige (S. 415), räumt Knott ein, dass auch „andere editorische Ansätze denkbar gewesen“ wären (S. 417).

    Die hier besprochene Auswahl gibt einen guten Einblick in Arendts essayistisches Werk. Sie versammelt eine Reihe von Texten, die so aktuell zu sein scheinen, dass sie sich zum Teil sogar einzeln auf dem Buchmarkt verkaufen.[2] Tatsächlich lief Arendt im Genre des Essays stets zur Hochform auf, und man könnte gut argumentieren, dass auch ihr Hauptwerk „The Origins of Totalitarianism“ (deutsch: „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“) ein Essay in Buchlänge ist. Dass dessen Absatz im Monat nach der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der Vereinigten Staaten auf das Sechzehnfache der vorherigen Verkaufszahlen anstieg[3], zeigt zudem eindrücklich, dass Arendts Schriften auch Jahrzehnte später noch Antworten geben auf drängende Fragen der Zeit – und dass sie auf dem Buchmarkt eine stetige Nachfrage finden.

    Für das breite Lesepublikum ist der Band „Wir Juden“ ein valides Angebot. Für die wissenschaftliche Community ist der Anspruch auf Vollständigkeit indes nicht unproblematisch, zumal alle in diesem Band versammelten Texte bereits anderweitig, zum Teil sogar mehrfach nachgedruckt wurden. „Die verborgene Tradition“ erschien zuerst 1948 in einem von Dolf Sternberger herausgegebenen Sonderband der Zeitschrift „Die Wandlung“ und 1976, zusammen mit sieben anderen Texten, bei Suhrkamp.[4] Die Texte zu Zionismus und Nahostkonflikt wurden mehrheitlich bereits in dem von Eike Geisel und Klaus Bittermann herausgegebenen Band „Die Krise des Zionismus“ wieder abgedruckt (1989), in dem sich auch kürzere Texte aus dem jüdischen Monatsmagazin „Aufbau“ finden.[5] Zudem überschneidet sich das Buch teilweise mit Band 3 der zweisprachigen Kritischen Gesamtausgabe der Werke von Hannah Arendt im Wallstein-Verlag – 2019 unter dem Titel „Sechs Essays. Die verborgene Tradition“ von Barbara Hahn unter Mitarbeit von Barbara Breysach und Christian Pischel ediert.[6]

    Auf diese Weise entsteht eine geradezu babylonische Verwirrung, die indes nicht nur Nachteile hat. Wer sich im akademischen Kontext mit Arendts Werken beschäftigt, sollte sich an die Kritische Gesamtausgabe halten, von der bereits zwei Bände vorliegen und die bis 2031 in 17 Bänden und einer digitalen Version erscheinen soll.[7] Wer unbelastet von zu viel wissenschaftlichen Informationen Arendts Texte lesen möchte, ist gut beraten, sich an den von Marie Luise Knott und Ursula Ludz sorgfältig edierten, vom Piper-Verlag in ansprechender Aufmachung verlegten Themenband zu halten.

    Anmerkungen:
    [1] Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, Frankfurt am Main 1955, S. 392.
    [2] Zum Beispiel: Hannah Arendt, Wir Flüchtlinge. Aus dem Englischen übersetzt von Eike Geisel. Mit einem Essay von Thomas Meyer, Stuttgart 2016.
    [3] Sean Illing, A 1951 book about totalitarianism is flying off the shelves. Here’s why, in: Vox, 28.06.2017, updated 30.01.2019, https://www.vox.com/conversations/2017/6/28/15829712/hannah-arendt-donald-trump-brexit-totalitarianism (18.03.2020).
    [4] Hannah Arendt, Sechs Essays. Schriften der Wandlung Bd. 3, hrsg. von Dolf Sternberger unter Mitwirkung von Karl Jaspers, Werner Krauss und Alfred Weber, Heidelberg 1948; Hannah Arendt, Die verborgene Tradition. Acht Essays, Frankfurt am Main 1976.
    [5] Hannah Arendt, Die Krise des Zionismus. Essays und Kommentare 2, hrsg. v. Eike Geisel und Klaus Bittermann, Berlin 1989.
    [6] Hannah Arendt, Sechs Essays. Die verborgene Tradition, Kritische Gesamtausgabe Bd. 3, hrsg. v. Barbara Hahn unter Mitarbeit von Barbara Breysach und Christian Pischel, Göttingen 2019.
    [7] Vgl. https://www.arendteditionprojekt.de (18.03.2020). Die Rezensentin ist Mitherausgeberin dieser Edition.




     

    [Regionalforum-Saar] Saarländische Staatsangeh örigkeitsfragen im Vorfeld der Saarabstimmung 1935.

    Date: 2020/04/25 21:55:04
    From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

    Guten Abend,

    gestern mußte ich mal raus. Das Landesarchiv Saarbrücken hat wieder auf, also hab ich dort ein paar Akten bearbeitet, an denen ich seit Jahren sitze. Nichts Notwendiges, aber es war notwendig.

    Dabei stieß ich in einer Akte aus dem Depositum Sulzbach über Auswanderungen (F7 Nr. 1) auf diesen interessanten Text, der sich recht einfach in Word umsetzen ließ.

    Eine schöne Woche wünsche ich - und bleibt gesund.

    Roland Geiger

    ---------------------

    Saarländische Staatsangehörigkeitsfragen im Vorfeld der Saarabstimmung 1935.
    von Regierungsrat Dr. Dr. Heißmann in Trier.

    I.
    Laut Art. 43 des Versailler Vertrages mußte Deutschland zugunsten des Völkerbundes auf die Regierung des Saargebietes für fünfzehn Jahre verzichten. Da der Versailler Vertrag am 11. Januar 1920 in Kraft getreten ist, läuft diese Frist am 10. Januar 1935 ab. Bis zu diesem Tage muß im Saargebiet eine allgemeine Volksabstimmung stattfinden. Durch diese soll festgestellt werden, ob die Saarbevölkerung die Beibehaltung des gegenwärtigen Zustandes oder die Vereinigung mit Frankreich oder die Wiedervereinigung mit Deutschland wünscht. Die endgültige Entscheidung über die Regelung steht nach dieser Abstimmung dem Völkerbund zu. Diese Abstimmung ist von größter Bedeutung, da sie die letzte ist, die auf Grund des Versailler Diktats hinsichtlich deutschen Bodens noch vorgenommen werden muß.

    Abstimmungsberechtigt ist ohne Unterschied des Geschlechts jede zur Zeit der Abstimmung über zwanzig Jahre alte Person, die am Tage der Unterzeichnung des Versailler Vertrages, dem 28. Juni 1919, im Saargebiet gewohnt hat. Unerheblich ist also, wo die betreffende Person geboren ist und wo sie zur Zeit der Abstimmung wohnt. Da die Abstimmung am 10. Januar 1935 erfolgen muß, sind nur die Personen abstimmungsberechtigt, die vor dem 10. Januar 1915 geboren sind.

    Obwohl die Saareinwohner bereits durch die letzten Gemeindewahlen im November 1932 ein unerschütterliches Treuebekenntnis zum Deutschen Reiche abgelegt haben, indem 99, 6 v. H. der Bevölkerung zu erkennen gaben, daß sie keinen sehnlicheren Wunsch kennen, als umgehend mit dem deutschen Mutterlande vereint zu werden, bringt die Abstimmung noch mancherlei Gefahren mit sich.

    Die Abstimmung erfolgt an sich nach Gemeinden oder Bezirken. Ungewißheit herrscht noch darüber, ob sich diese Bezirkseinteilung an die bereits bestehende Verwaltungsgliederung anlehnt oder ob besondere Abstimmungsbezirke gebildet werden. Wenn auch willkürliche Trennungen oder Zusammenfassungen der Gemeinden zu Abstimmungszwecken unzulässig sind, ist doch zu beachten, daß der Verbleib des betreffenden Gebietsteils auf Grund des Abstimmungsergebnisses dem Völkerbund vorbehalten ist. Der Versailler Vertrag sieht ausdrücklich die Möglichkeit einer Teilung des Saargebiets vor.

    II.
    Um ein möglichst günstiges Abstimmungsergebnis zu Gunsten Frankreichs zu schaffen, sind gewisse Erleichterungen für die Einbürgerung von Saareinwohnern in den französischen Staatsverband gegeben. Der § 27 des Saarstatuts sieht vor, daß niemand gehindert ist, eine andere Staatsangehörigkeit zu erwerben. In einem solchen Falle soll der Erwerb der neuen Staatsangehörigkeit den Verlust jeder anderen ohne weiteres zur Folge haben. Wir werden weiter unter sehen, daß dies nicht der Fall ist.

    Grundsätzlich kann ein Ausländer erst nach vollendetem 18. Lebensjahre die französische Staatsangehörigkeit erwerben. Voraussetzung ist, daß er den Nachweis eines ununterbrochenen Aufenthalts von drei Jahren in Frankreich erbringt. Zu beachten ist, daß der Aufenthalt im Auslande zur Ausübung eines von der französischen Regierung übertragenen Amtes oder der Aufenthalt in einem mit Frankreich in Zollunion stehenden Lande dem ständigen Aufenthalt in Frankreich gleichgestellt ist. Letzteres trifft für das Saargebiet zu. Die deutschen Saareineinwohner können somit die französische Staatsangehörigkeit auf Antrag erwerben. In bestimmten Fällen wird nur eine Aufenthaltsdauer von einem Jahr gefordert (§ 6 a. a. O. ).

    Zweifellos wird es eine Reihe von Personen, deren Zahl nicht bekannt ist, geben, die aus persönlichen Gründen oder unter dem Druck der wirtschaftlichen Verhältnisse oder dem der französischen Bergwerksdirektion von diesem Recht Gebrauch gemacht haben. Von Bedeutung sind diese Maßnahmen insbesondere für die gemeindeweise Abstimmungen,  die von französischer Seite für die Grenzgrubengemeinden geplant sind. Dies aber nur dann, wenn die Abstimmungsberechtigung selbst nicht davon abhängig ist, an welchem Orte der Abstimmungsberechtigte am 28. Juli 1919 im Saargebiet gewohnt hat, sondern wenn sie auf den Wohnsitz des Abstimmungsberechtigten zur Zeit der Abstimmung bezogen wird. Praktisch stößt die hiermit verbundene französische Absicht auf Schwierigkeiten, weil es wenige Grenzgruben gibt, die eine derartige Siedlungspolitik ermöglichen.

    Wichtig ist, daß die Einbürgerung eines Saarländers in den französischen Staatsverband trotz der Bestimmung des § 27 des Saarstatuts den Verlust der deutschen Reichsangehörigkeit nicht ohne weiteres nach sich zieht. Dies ergibt sich aus § 25 des Reichs— und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1913, wonach nur ein Deutscher, der im Inlande weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden Aufenthalt hat,  seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit auf Antrag verliert. Da die Deutsche Regierung nur zeitweilig zugunsten des Völkerbundes auf die Regierung des Saargebiets verzichten mußte, nicht aber auf seine Souveränität, gilt das Saargebiet als Deutsches Inland. Wenn also ein Deutscher nach der erfolgten Einbürgerung in Frankreich weiterhin im Saargebiet verbleibt, verliert er trotz des Erwerbs der französischen Staatsangehörigkeit die deutsche Reichangehörigkeit nicht. Dies gilt auch im allgemeinen dann, wenn das Inland, wie beispielsweise das Saargebiet,  Zollausland ist.

    In diesem Zusammenhange taucht die Frage auf, ob in den Fällen die deutsche Reichsangehörigkeit verloren geht,  in denen die betreffende Person um Entlassung aus dem deutschen Staatsverbande nachsucht. Wenn auch derartige Fälle äußerst selten sind, so ist doch darauf hinzuweisen, daß das dadurch erstrebte Ziel auch auf diesem Wege grundsätzlich unerreichbar ist. Nach § 22 des Reichs— und Staatsangehörigkeitsgesetzes darf allerdings die Entlassung nur den Mannschaften und Unteroffizieren der Reichwehr (Reichsheer und Reichsmarine), solange sie der Reichswehr angehören, verweigert werden; außerdem den zur Zeit eines Krieges oder Kriegsgefahr aufgebotenen oder freiwillig eintretenden Mannschaften bis zur Entlassung sowie den Beamten und Offizieren.

    Allen übrigen Deutschen steht ein Rechtsanspruch auf die von ihnen beantragte Entlassung zu. Wird aus andern Gründen der Entlassungsantrag abgelehnt, steht dem Nachsuchenden der Rekurs nach § 40 a. a. 0. offen. Diese Rechtsvorschriften werden aber in den vorliegenden Fällen in der Regel keine Anwendung finden können. Denn nach § 24 a. a. O. gilt die Entlassung als nicht erfolgt, wenn der Entlassene beim Ablauf eines Jahres nach der Aushändigung der Entlassung seinen Wohnsitz oder seinen Aufenthalt noch im Inlande hat. Die Entlassung gilt selbst dann als nicht erfolgt, wenn der . Entlassene beispielsweise nach Frankreich übersiedelt, aber innerhalb der Jahresfrist wieder in das Inland zu dauerndem Aufenthalt oder zur Begründung eines Wohnsitzes zurückkehrt. Aufgabe aller maßgebenden Stellen ist es, auf diese Vorschriften zu achten. Vielfach wird durch einen solchen Hinweis erreicht werden, daß sich der Abstimmungsberechtigte in dem entscheidenden Augenblick der Abstimmung mit Deutschland voll verbunden fühlt.

    III.
    Das Saargebiet als Grenzland bringt es weiterhin mit sich, daß sich in ihm noch eine große Anzahl Elsaß—Lothringer befinden. Ihre jetzige Staatsangehörigkeit festzustellen, ist in den meisten Fällen äußerst schwierig. Vielfach sind diese Personen durch den Versailler Vertrag staatenlos geworden. Dies ist dann der Fall, wenn ihre Reichsangehörigkeit nur durch den Besitz der elsaß—lothringischen Landesangehörigkeit vermittelt wurde. Zum Liedererwerb der deutschen Reichsangehörigkeit bedürfen sie daher der Einbürgerung.
    Eine nicht geringe Anzahl dieser Personen besitzt die deutsche Reichs— und die französische Staatsangehörigkeit, obwohl es ihnen nicht immer bekannt ist. Die bevorstehende Abstimmung im Saargebiet verlangt auch hier eine genaue Feststellung der Staatszugehörigkeit im allseitigen Interesse. Ebenso notwendig ist aber eine Nachprüfung, weil oft die männlichen Nachkommen Alt—Elsaß—Lothringer, obwohl sie inzwischen vielfach die deutsche Reichangehörigkeit erworben haben, Gestellungsbefehle französischer Militärbehörden erhalten. Dies ist auf ihre Doppel—Staatsangehörigkeit zurückzuführen.
    Die erwünschte Klarheit in dieser Hinsicht ist auch vielfach bei den aus Elsaß—Lothringen stammenden Beamten und ihren Angehörigen noch nicht vorhanden. Da nach der deutschen Beamtengesetzgebung nur Pensionsbezüge an die Hinterbliebenen von Beamten deutscher Reichsangehörigkeit zu zahlen sind, ist auch hier eine Klärung notwendig.
    Vorweggenommen sei, daß die notwendige Einbürgerung von solchen Beamten durch eine Anstellung oder Beförderung, die nach dem 11. November 1918 im Gemeinde—, Staats— oder Reichsdienst erfolgt ist, ersetzt werden kann. Diese Maßnahme muß aber gemäß g 14 oder 15 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vorgenommen worden sein; d. h. es muß sich um einen Akt handeln, zu dem zumindest eine deutsche höhere Landesbehörde oder eine ebensolche Zentralbehörde oder die Reichsregierung selbst ihre Zustimmung gegeben hat. Eine Anstellung oder Beförderung durch die Regierungskommission allein ersetzt also die Einbürgerung nicht. Wäre dies der Fall, dann müßten auch die ausländischen Beamten, die von der Regierungskommission des Saargebiets ernannt oder befördert worden sind, ohne weiteres Deutsche geworden sein.

    IV.
    Der Versailler Friedensvertrag sieht vor, daß mit Wirkung vom 11. November 1918 von Rechts wegen die französische Staatsangehörigkeit wieder erlangen:
    1. diejenigen Personen, die durch den französisch-deutschen Vertrag vom 10. Mai 1871 die französische Staatsangehörigkeit verloren und seitdem keine andere als die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben:
    2. die ehelichen und unehelichen Nachkommen der vorgenannten Personen mit Ausnahme derer, die unter ihren Vorfahren väterlicherseits einen nach dem 15. Juli 1870 nach Elsaß-Lothringen eingewanderten Deutschen haben;
    3. alle in Elsaß -Lothringen von unbekannten Eltern Geborenen und die Personen, deren Staatsangehörigkeit unbekannt ist.

    Hiernach haben die Nachkommen der Alt-Elsaß-Lothringer, d. h. diejenigen Landeseinwohner, die durch den Frankfurter Frieden Deutsche geworden waren, ohne weiteres die französische Staatsangehörigkeit wieder erworben. Unerheblich ist, ob sie unter ihren Vorfahren mütterlicherseits einen eingewanderten Deutschen haben oder nicht. Nur diejenigen Nachkommen, deren Vorfahren väterlicherseits erst nach dem 15. Juli 1870 nach Elsaß-Lothringen eingewandert sind, besitzen nach wie vor die deutsche Reichsangehörigkeit. Obwohl der Versailler Friedensvertrag diese klare Fassung aufweist, hält die französische Rechtsprechung daran fest, daß auch die ehelichen Abkömmlinge von Alt-Elsaß-Lothringern selbst dann als Franzosen anzusehen sind, wenn sich ihre Väter niemals in Elsaß-Lothringen niedergelassen haben.

    Nach der französischen Verwaltungspraxis haben ferner auch die Nachkommen einer Alt-Elsaß-Lothringerin die französische Staatsangehörigkeit erworben, wenn ihr nach dem 15. Juli 1870 nach Elsaß‑Lothringen eingewanderter väterlicher Vorfahr wohl am 10. Januar 1920 und am 11. November 1918, aber nicht im Zeitpunkte der Einwanderung die deutsche Reichsangehörigkeit besaß. Ebenso hat der franz. Kassationshof wiederholt die Auffassung vertreten, daß ein Alt Elsaß-Lothringer ohne weiteres die französische Staatsangehörigkeit erworben hat, wenn er nach dem Inkrafttreten des Frankfurter Friedensvertrages eine dritte Staatsangehörigkeit erworben hatte, sofern er nur am 11. November 1918 im Besitze der deutschen Reichsangehörigkeit war. In allen vorgenannten Fällen wird davon ausgegangen werden müssen, daß diese Personen ausschließlich die franz. Staatsangehörigkeit besitzen. Ihre Einbürgerung in Preußen kann unbedenklich erfolgen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür gegeben sind. Dies ist dann der Fall, wenn der Nachsuchende über 21 wahre alt ist, sich in Preußen niedergelassen hat, einen unbescholtenen Lebenswandel nachweisen kann und sich und seine Angehörigen am Orte seiner Niederlassung zu ernähren imstande ist.

    In vielen Fällen besitzt zunächst die eingebürgerte Person neben der preußischen oder bayerischen Staatsangehörigkeit noch die französische Staatsangehörigkeit. Der Verlust der französischen Staatsangehörigkeit richtet sich nach dem französischen Gesetz über die Staatsangehörigkeit vom 10. August 1927. Hiernach verliert die französische Staatsangehörigkeit der Franzose, der nach Vollendung des 21. Lebensjahres im Auslande eingebürgert wird oder auf seinen Antrag eine ausländische Staatsangehörigkeit auf Grund gesetzlicher Vorschriften erwirbt. Für minderjährige Franzosen beiderlei Geschlechts ist also der Verlust der französischen Staatangehörigkeit grundsätzlich ausgeschlossen.

    Mit voller Absicht wird aber auch weiterhin den männlichen Franzosen, die bereits 21 Jahre alt sind, die Ablegung der französischen Staatsangehörigkeit in den nächsten 10 Jahren erschwert. Diese Bestimmung ist für uns Deutsche besonders beachtenswert. Durch sie sollen nämlich diejenigen Deutschen, die durch den Versailler Vertrag Zwangs—Franzosen geworden sind, zur Erfüllung der Militärpflicht im französischen Heere angehalten werden. Um dieses Ziel zu erreichen, schreibt das französische Gesetz vor, daß die Erwerbung einer fremden Staatsangehörigkeit den Verlust als Franzose nur dann nach sich zieht, wenn die französische Regierung den Erwerb der deutschen Reichangehörigkeit (soll heißen, den Eintritt der an diesen Erwerb nach französischem Recht geknüpften Rechtsfolge) bis zum Ablauf einer Frist von 10 Jahren, sei es von der Einreihung in die Aktive Armee, sei es von der Einschreibung in die Rekrutierungslisten im Falle der Befreiung vom aktiven Dienst ab gerechnet, ausdrücklich genehmigt hat.
    Die Eintragung in die Stammrolle erfolgt in dem Jahre, in dem der Betreffende das 19. Lebensjahr vollendet. Die Einziehung zum aktiven Militärdienst soll erst nach Vollendung des 20. Lebensjahres erfolgen. Sie erfolgt für die Personen, die zwischen dem 1. Mai und dem 31. 0ktober geboren sind, im November, für die zwischen dem 1. November und dem 30. April Geborenen im Mai des betreffenden Jahres.

    Bei Personen, deren rechtzeitige Eintragung in die Stammrolle unterblieben ist, beginnt die 10jährige Frist erst mit dem Tage, an dem die Eintragung nachgeholt wird, und zwar unabhängig von dem Lebensalter des Betreffenden, es sei denn, daß dieser das 49. Lebensjahr bereits überschritten hat. Wird die Einbürgerung von einer über 49 Jahre alten Person nachgesucht, dann bedarf es zum Erwerbe der deutschen Reichsangehörigkeit der französischen Genehmigung nicht mehr.

    Besonders zu beachten ist ferner, daß in allen Fällen, in denen zwar eine Eintragung in die Stammrolle erfolgt ist, der Betreffende aber eine Aufforderung zur Musterung oder zum Eintritt in das Heer nicht nachgekommen ist, die 10jährige Frist nicht in Lauf gesetzt wird. Diejenigen männlichen Franzosen, deren Militärpflicht also keinerlei Regelung erfahren hat, bei denen also die 10jährige Frist nicht in Lauf gesetzt worden ist, müssen also in allen Fällen um Genehmigung zum Erwerbe der deutschen Reichsangehörigkeit bei der französischen Regierung nachsuchen, es sei denn, daß sie bereits das 49. Lebensjahr überschritten haben. Nur dadurch können diesen Personen unliebsame Weiterungen beim Überschreiten der deutschen Reichsgrenze erspart bleiben. Bis zur Genehmigung, die von dem französischen Justizminister erteilt wird, besitzen sie nämlich neben der deutschen Reichangehörigkeit im Falle ihrer bereits erwirkten Einbürgerung auch noch die französische Staatsangehörigkeit.
    Von zuständiger französischer Stelle ist wiederholt erklärt worden, daß die Genehmigung zur Einbürgerung in Deutschland dann nicht mehr versagt werden wird, wenn diese Personen das 32. Lebensjahr bereit überschritten haben.

    Die Genehmigung kann auch nach erfolgtem Erwerb der deutschen Reichsangehörigkeit, und das geschieht in der Regel mit Erfolg, nachgesucht werden. Der Verlust der französischen Staatsangehörigkeit tritt aber erst mit dem Tage des den Erwerb der deutschen Reichsangehörigkeit genehmigenden französischen Dekrets ein, also nicht rückwirkend mit dem Zeitpunkte des Erwerbs der deutschen Reichsangehörigkeit.

    Weibliche Personen, die die französische Staatsangehörigkeit besitzen, verlieren diese ebenfalls erst dann, wenn sie am Tage der Einbürgerung bereits das 21. Lebensjahr überschritten haben. Dasselbe gilt auch beispielsweise bei einer Verheiratung mit einem Deutschen. Aber auch hier muß besonders beachtet werden, daß eine mehr als 21 Jahre alte Ehefrau nicht ohne weiteres die französische Staatsangehörigkeit verliert. Sie muß neben dem Antrage ihres Mannes auf Einbürgerung einen besonderen Einbürgerungsantrag stellen.

    Die minderjährigen Kinder aus solchen Ehen, das sind also solche, die das 21. Lebensjahr noch nicht überschritten haben, können auf Grund einer Ausnahmevorschrift die französische Staatsangehörigkeit durch ihren gesetzlichen Vertreter aufgeben—die entsprechende Vorschrift besagt nämlich, daß der Franzose, und zwar auch der minderjährige Franzose, der ohne eigene Willenserklärung eine ausländische Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes erworben hat, die französische Staatsangehörigkeit verliert, wenn er auf seinen Antrag von der französischen Regierung ermächtigt wird, die neuerworbene Staatsangehörigkeit beizubehalten. Da nach deutschem Recht die gesetzliche Vertretung minderjähriger Kinder den Eltern zusteht, ist es zweckmäßig, die Entlassung der Kinder zugleich mit der des Vaters nachzusuchen.

    Anträge auf Einbürgerung sind bei der zuständigen Ortspolizeibehörde zu stellen. Maßgebend ist hierfür der Wohnsitz des Nachsuchenden. Die Einbürgerung selbst wird für den preußischen Teil des Saargebiets von dem Regierungspräsidenten in Trier im vereinfachten Verfahren gebührenfrei vorgenommen.


    [Regionalforum-Saar] Geisterführung durch den St . Wendeler Dom am Sonntag, 26.04.2020

    Date: 2020/04/26 21:59:30
    From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

    Guten Abend.

    Seit Juni 2019 nehme ich an einer Maßnahme der ev. Rheinischen Landeskirche teil, die nennt sich „Kirchenführerausbildung“. Im Februar war der letzte Unterrichtstag, dann begannen die Probeführungen. Ich wäre gestern, Samstag, 25. April, in St. Wendel mit der Basilika an der Reihe gewesen, aber die Planung geschah in prae-coronarer Zeit. Und so wie es aussieht, ist in nächster Zeit nichts mehr mit Führungen egal wo - und auch nicht in St. Wendel.

    Also kam die Gruppenleitung auf die Idee, eine Führung online durchzuführen. Wie genau, das überließ man unserer Phantasie. Ich merkte schnell, daß es keine Online-Führung, sondern analog der Geisterspiele im Fußball eher eine Geisterführung sein müßte - ich rede und zeige, und jemand nimmt das auf.

    Meine Frau Anne hatte die Idee, bei wndn.de nachzufragen, ob man dort interessiert sei. Oh, man war, und so verabredete ich mich mit Frau Lena Holzer für heute, Sonntag, 26.04.2020, um halb zwölf für eine Führung um und durch den St. Wendeler Dom.

    Vorab mein Dank an meine Kollegen vom Kirchenführerkurs unter der Leitung von Pfarrerin Margit Büttner und Dr. Claudia Schittek, Pfarrer Klaus Leist für die Erlaubnis, in der Kirche drehen zu dürfen, Lena Holzer von wndn.de für die spontane Bereitschaft und die technische Umsetzung, meiner Frau Anne für ihre tollen Ideen in der Vorbereitung und dem hl. Wendelin für das prachtvolle Wetter heute morgen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Roland Geiger



    Geisterführung (= Kirchenführung ohne Publikum) am Sonntag, 26.04.2020
    Ort: Wendalinusbasilika, St. Wendel

    Ausführende:
    Führung, Script, Nummerngirl: Roland Geiger

    Kamera, Ton, Bearbeitung, Regie: Lena Holzer, St. Wendeler Land Nachrichten, wndn.de
    Ausstrahlung ausschließlich über die facebook-Seite von wndn.de (den Link findet Ihr ganz unten)

    --------------------

    Vorgedanken:
    Ich hatte mir nicht wirklich viele Vorgedanken gemacht, sondern bin der Meinung gewesen, ich könnte die Führung mit der Kamera so durchführen wie die „normale“ mit leiblichen Besuchern.

    Ins Grübeln kam ich, als Claudia Schitteck in unserer Runde die potentielle Länge der Führung bemängelte. Nun bin ich kein Fan des Zeitungsverlegers Pulitzer (Zitat: „Schreibe kurz – und sie werden es lesen. Schreibe klar – und sie werden es verstehen. Schreibe  bildhaft – und sie werden es im Gedächtnis behalten.“), jedenfalls, was das erste Axiom angeht. Weniger ist m.E. nicht mehr, sondern halt weniger. Sachverhalte kürzen, heißt, sie ungenau wiedergeben. Mir ist klar, daß ungenau und oberflächlich heute „in“ sind, aber so arbeite ich nicht. Mir ist auch klar, daß ich als Fremdenführer in erster Linie ein Unterhalter bin - wurscht, ob ich durch die Stadt oder nur durch den Dom führe. Wenn ich die Leute zum Lachen kriege, merken sie nicht, wie lange sie unterwegs sind (funktioniert fast immer). Daß die meisten Leute das Wenigste davon sich merken, ist auch nicht tragisch, solange sie gut unterhalten wurden. Ggf. hören sie irgendwo anders noch mal dasselbe, da wird es bei dem ein oder anderen „klick“ machen, „Moment mal, das habe ich doch schon mal gehört oder gesehen.“

    Ins Grübeln kam ich, als mir klar wurde, daß mein Publikum nicht leiblich da war, sondern mich erst mit zeitlicher Verzögerung wahrnehmen würde - und ohne Möglichkeit einer Rückfrage. Die Idee, die Führung auf 15 min zusammenzufassen, verwarf ich, weil ich das aus geschilderten Gründen nicht mag. In 15 min durch den Dom, das ist nix halbes und nix Ganzes.

    Statt dessen baute ich die Filmklappe ein, wie man sie von Dreharbeiten-Dokus kennt. In Ermangelung einer solchen kam meine Frau auf die Idee, ein uraltes Waschbrett, das wir mal auf dem Flohmarkt gekauft hatten, und einfache Kreide zu verwenden.

    Dann stellte ich das folgende Konzept zusammen, das die Führung in zwölf Teile zerbrach. Bei Beginn eines jeden Teils würde ich das Waschbrett mit der jeweiligen Nummer hochhalten, so daß der Zuschauer ggf. bei einer Station ab- oder unterbrechen und später weitermachen könnte, wenn er will.

    Die einzelnen Teile sind mehr oder minder autark, wobei es sinnvoll ist, sie sequenziell zu schauen, weil doch das eine auf dem anderen aufbaut.

    Zusammen gehören Klappen 2-3 sowie teilweise 6-8-10.

    Das schwerste Kapitel ist Klappe 6 - und ich befürchte, auch das am wenigsten gelungene, denn da geht es schon sehr ins Eingemachte. Da ist Konzentration gefordert, und der Zuschauer hat dann schon einiges hinter sich. Andererseits gehört es mit zu den interessantesten Themen in der Kirche überhaupt - so etwas wie das Cusanische Wappenensemble gibt es in keiner anderen Kirche auf der Welt: Politische Bildung im ausgehenden Mittelalter. Bei der Führung mit Publikum lasse ich sie meistens weg. Außer wenn jemand danach fragt …

    Frau Holzer hat das fehlende Publikum mehr als wettgemacht. Sie filmte mit ihrem Handy, das sie in einem Handkamerastabilisator (bitte googlen) befestigt hatte. An diesem saß auch das Mikrofon. Mit den Bedienelementen dieser Einrichtung kann sie das Handy = die Kamera in verschiedenen Richtungen bewegen, ohne ihre Grundposition zu verändern. Feine Sache, wenn’s z.B. senkrecht nach oben geht. Das Ding ist nicht wirklich groß, und so konnte ich durch die Konstruktion hindurch ihr Gesicht sehen - und sie lachte resp. schmunzelte, wenn sie das sollte. So kam doch etwas Feedback wieder zurück.

    Das Handy funktionerte als Camera sehr gut, hat aber manche Probleme bei wechselnden oder schwierigen Lichtverhältnissen. Deshalb ließen wir die vorgesehenen Aufnahmen in der Kammer vorm Hauptportal sein, weils dort zu dunkel gewesen wäre (gestrichen in Klappe 6). Mit dem Ton klappte das gut, wenn ich genau draufgucke. Drehe ich mich mit dem Kopf weg, um was zu zeigen, wird’s ein wenig leiser.

    Bei der „üblichen“ Führung kommt wegen Zeitdrucks nicht zur Sprache Klappe 5 (Schrotig), 6 und 9.

    => Klappe 1
    Begrüßung vorm Dom

    => Klappe 2
    vor der Eisdiele
    - Tür im 1. Stock: 1710
    - nicht mehr vorhandene Treppe
    - tiefergelegter Boden
    - Friedhof um die Kirche

    => Klappe 3
    Südseite der Kirche
    - Appolonia Printemps
    - Steinhauer Johann Nikolaus Lenz
    - Zahlen und Buchstaben
    - die Frau auf dem Grab.

    => Klappe 4
    Nordostseite der Kirche
    - Peststein
    - Übersetzung
    - Chronogram
    - Bogen in der Wand

    Eingang
    - Beim Eintritt in dies Gotteshaus, die Herrn ziehn alle Hüte aus

    [Wir betreten die Kirche und gehen durch den Chor und das Schiff in die Südwestecke]

    => Klappe 5
    zwei Einzelstücke - Martin und von Hame

    Südwestecke - Martinsrelief
    - die Figuren des Reliefs
    - warum Martin den Mantel durchschneiden muß

    am Haupteingang
    - Familie Schrotig
    - lateinischer Text und Bedeutung

    => Klappe 6
    zwei Einzelstücke - Taufkapelle und Haupteingang

    die ehem. Taufkapelle in der Nordwestecke
    - die Engel an der Wand
    - der Baumeister
    - Josef
    - die häßlichen Heiligen
    - der ehemalige Eingang

    Haupteingang
    - die Baumeister
    - Bruder Tuck ist Wendelin
    - die Amtmänner an der Wand

    => Klappe 7
    vorm Haupteingang mit dem Blick Richtung Chor
    - warum der Dom kein Dom und doch ein Dom ist
    - warum die Basilika keine Basilika und doch eine Basilika ist

    => Klappe 8
    mitten im Schiff vor der Kanzel
    - Schallöcher in der Decke
    - Umbau der Kirche
    - die Kanzel des Cusanus

    => Klappe 9
    mitten im Schiff an der Kanzel
    - das Heilige Römische Reich Deutscher Nation
    - Kaiser, Kurfürsten und Amtmänner
    - Papst, Bischof und Priester - Besonderheit Cusanus
    - die Wappen an der Decke

    => Klappe 10
    im Chor
    - die Tumba

    => Klappe 11
    - der Altar und die Wendelslegende
    - Reliquie und Knochen
    unter dem Grab
    - wie die Kirche funktoniert

    => Klappe 12
    Grablegungsgruppe
    - wer das ist und was das ist
    - Kopfbedeckungen für Männer und Frauen
    - der Bogen in der Wand = die Tür für den Pfarrer
    - 1487

    vorm Altar
    - Kirchenmäuse
    - Abgang

    Ergebenst

    Roland Geiger, St. Wendel.

    ----------------------

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    [Regionalforum-Saar] Geisterführung kann man auch ohne Facebook-Account anschauen

    Date: 2020/04/27 10:08:37
    From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

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    --
    Mit freundlichen Grüßen
    
    Roland Geiger
    
    --------------------
    
    Roland Geiger
    Historische Forschung
    Alsfassener Straße 17, 66606 St. Wendel
    Tel. 06851-3166
    email alsfassen(a)web.de
    www.hfrg.de
    

    [Regionalforum-Saar] Briefe des nach Cserwenka in Niede rungarn ausgewanderten Friedrich Schäffer aus Fürth i m Ostertal, 1797-1798.

    Date: 2020/04/29 09:30:51
    From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

    Briefe des nach Cserwenka in Niederungarn ausgewanderten Friedrich Schäffer aus Fürth im Ostertal, 1797-1798.

    aufbewahrt im Landesarchiv Saarbrücken
    Bestand Nachlass Kurt Hoffstaedter Nr. 20, 6 Seiten, 1797-1798

    Transkription: Roland Geiger, 26.04.2020

    -------------------

    genealogische Vorbemerkung:

    Der Verfasser der Briefe ist

    Friedrich Wilhelm Schäfer
    * 26.03.1764 in Fürth
    S.v. Johann Leonhard Schäfer und Salome Koch

    Auf des Vaters Tod am 28.04.1797 in Fürth wird in den Briefen eingegangen.

    siehe Familienbuch Fürth im Ostertal, Band 1, Seite 247, Eintrag 948.

    Werner Hacker, „Auswanderungen aus Rheinpfalz und Saarland im 18. Jahrhundert“, Seite 645, Nr. 13001. Dort wird der Ort „Tscherwenka“ genannt.
    Hacker gibt an, daß weitere Briefe Schäfers im Heimatbuch Tscherwenka: 85, 101-103 veröffentlicht seien. Leider gibt er in seinem Literaturverzeichnis keine genaueren Quellen an.

    Auf der Website “privat.genealogy.net/flacker/omoc.htm“ fand ich diese Aufstellung:

    YU-25200     CRVENKA  -  TSCHERWENKA  (6969)

    Keck, Siegmund: Die Entstehung und weitere Entwicklung der reformierten Kirchengemeinde in Cservenka 1784-1904. Cservenka 1904. 94 S.
    Albrecht, Johannes: Tscherwenka. Werden und Vergehen einer batschkadeutschen Gemeinde. Heimatbuch. Freilassing 1955. 117 S.
    Vetter, Roland: Tscherwenka, das Herz der Batschka. Lampertheim 1976. 90 S.
    Vetter, Roland; Keiper, Hans et al.: Unser Tscherwenka. Heimatbuch. Hrsg. HOG. Tuttlingen 1980. 672 S.
    Albrecht, Johannes: Tscherwenka, Sittenbild einer Dorfgemeinde. Sandhausen Jahr? 313 S.
    Hefner, Angela: Tscherwenka in der Batschka 1785-1944. Ort? Jahr?

    Um welches dieser Bücher es sich bei Hackers „Heimatbuch“ handelt, weiß ich nicht (wüßte ich gern, aber weiß ich nicht).

    -------------------


    (Seite 2 unten)

    An
    Herrn Förster Schäffer
    in Fürth

    (1)

    Vielgeliebte Eltern und Geschwister

    Wann euch dieses mein Schreiben bey Güter Gesundheit
    antrift wird mir sehr Lieb sein Ich und meine frau sind
    Gott sey danck noch Gesund unsere Kinder aber haben den
    blauen Husten schon eine lange Zeit, auch hat meine frau
    den Vergangene winter samt dem kleinen Kind eine Schwehre
    kranckheit ausgestanden Vom Lauter Kummer wegen meinem
    ausbleiben, weil es nun unmöglich ist diß Jahr hinauß Zu
    kommen und mit krancken Kindern so eine Weite Reise Zu machen
    so bin ich sehr bekümert wie es mit euch aus sieht  Dan der Hopp
    Vom münster hat wieder ein fuhr wein hinaus gefahren dieser hat
    gesagt daß der Vatter gestorben sey Welches ich bald nicht glauben
    kan weil er nicht einmahl drey wochen nach meiner abreise drausen
    war und Weil er auch diesen Vergangenen Herbst bey seiner ankunft
    für meiner frau ihren Kumer nur größer gemacht in dem er gesagt
    hat er hätte Von gewissen Leuten gehört die franZosen hätten euch
    gefangen und forth geführt  darum (?) bitte mir mit dieser schönen
    gelegenheit gleich wieder Zu schreiben wie es mit euch ist und
    ob der buch meinen geschwister daß Geld geben hat und wann er es
    ihnen nicht geben hat und auch nicht geben will so schreibet mir nur gleich
    so will ich auch eine Vollmacht Von hiesiger Herschafft schicken dan die
    Franzosen laßen daß geld herein folgen es sind kürtzlich Leute Von
    hier drausen gewesen und haben ihr Vermögen gehabt bey Kaysers Lautern
    in niederkirchen diesem haben sie auf befehl des französischen frieden
    Richters in Otterberg ihr Geld in Zeit drey dägen geben müssen, wan
    es möglich ist komme ich diesen Herbst Vieleucht selbst hinan wan ich
    noch etwas Geld kann geliehen bekomen so will ich und noch einer eine fuhr
    wein hinaus fahren aber es [ist] halt hart Geld zu bekomen dan die Leute
    geben Vom hundert Zwantzig Gulden Intresse nur auf  9 oder 10 wochen
    bieß sie eine fahrt gethan haben es wird auch Jetzt sehr Viel Rind Vieh
    hinaus getrieben es ist dahir wolfeil dan daß heu und die frucht
    ist in unserer gegend gäntzlich gefehlt und grund birn sind noch biß dato
    teier (?) an den stöck weil es den gantzen sommer bald nicht geregnet hat

    (2)
    Es sind dahier bey hundert mann die mit wein und RindVieh
    hinaus fahren und gewinnen schönes geld darum meine ich könte
    nicht mehr Zusehen daß unser Geld drausen steht und Jetz könte
    ich mir damit helfen der Schwager Löw Von Saarbrücken
    ist auch abermahl Zum lügner geworden wie alle mahl er hat
    meiner frau kein geld geschickt so ist ihm auch sein Kamrath der
    mit im war nichts schuldig sondern er sagt der Löw sey ihm
    noch 8 Gulden schuldig und er ist Jetzt schon wieder Zum
    Zweiten mahl hinaus gefahren, der Löw ist mir also noch 23 Gulden
    schuldig und 27 hat er an mich beZahl Laut meiner quittung
    welche ich in sein eigenhändiches Schreiben so er dem Vatter
    gegeben hat geschrieben habe ihr werdet mich also darnach
    Zu Richten wissen   übrigens seid ihr Von uns allen Viel
    Tausend mahl Gegrüsset und im Schutz Gottes befohlen.

    Grüsset uns alle freunde und bekanten

    friederich Willhelm
    Schäffer

    Cservenka d 20ten August 1797 

    ------------------------

    (6)
    An
    Herrn Schulmeister
    Groß in fürth
    Franckfurt am Mayn
    Nassau Saarbrücken
    Ottweiler
    in fürth
    bey Ottweiler

    (3)
    Lieber Herr und freund

    Wann mein Schreiben sie bey guter Gesundheit
    an trift wird mir sehr lieb seyn was uns anbe-
    langt sind wir Gott sey Danck noch alle gesund.
    Weil ich hoffe daß die briefe nun wieder Richtig
    fort kommen will ich sie berichten daß ich mit dem
    Jacob Schneider von Bulkäst (?) gesprochen Von
    wegen seiner Erbschaft aber kein aCort mit
    ihm treffen können weil er im sinn hätte selbst
    hinaus Zu gehen ich habe schon ein mahl ein brief
    durch einen man der in Saarbrücken zu Hauß ist
    an meine Eltern geschickt dieser aber hat ihn
    meinem Schwager in Saarbrücken geben der den
    selben schwerlich für über liefert haben dann ich hatte
    ihnen geschrieben daß er meiner Frau kein Geld geschickt
    hat wie er mich berichtet hat und solten sie ihn all so die
    23 f die er mir noch schuldig ist ab Ziehen wann er noch
    Etwas bey meinem Vatter Zu bekommen hat dann
    diese Saarbrücker mann hatt mir die nachricht gebracht
    daß mein Vatter gestorben sey weil ich dann nicht weiß
    ob meine mutter und geschwister noch in fürth sind so
    muß ich meinen brief an sie attressiren und bitte
    sie diesen brief sogleich meinen bruder Philipp
    Zu über lieffern.


    (4)
    Lieber Bruder
    Weilen der Reformirte Schuldienst hier Vacant ist
    schreibe ich hier daß wann du noch keinen schul dienst
    hast so, ohne bedenken herein dieses ist eine
    gelegen hait Vor dich und wird auch Vor dich auf
    gehoben dann ich habe mit Herrn Pfarren Von
    hir gesprochen und von deiner fähigkeit Versichert
    so sagte er ich solte dir schreiben wan Lust darZu
    hätte es soltst du nur kommen ich solte deine stelle
    biß du kämest  Versehen ich wurde Zwar Von der
    Reformirten gemeinde wie auch mit Verwilligung des
    Herrn Pfarrers Zum schulmeister erwählet
    Weil ich habe von deiner fähigkeit überZeugt bin
    so mögte ich dir da zu helfen dan du hättes brod
    Vor dein leben lang die besoldung ist Zwar kleine
    aber die gemeinde ist groß gegen bey auch dann
    die Refomirte gemeine ist ohn gefehr 80 biß 90
    mann starck und muß ein Jeder dem schulmeister
    ein faß Korn geben nebst dem schuldgeld und
    accidentia es ist auch ein schul guth darbey Welches
    ohn gefehr bestehet in 25 morgen ackerland und
    17 Morgen Wiesen welches so wohl Zehnden als
    alles andere frey ist, wann du nun lust hast zu

    (5)
    kommen so schreibe mir gleich wieder dann bis Georgi
    ist dem Jetzigen schul meister seine Zeit aus und so
    du auch nicht kommen wilt, so schreibe mir doch in aller
    Geschwindigkeit wieder damit ich mich darauf Zu Richten
    weiß schreibe mir auf alles wie es mit einen Jedem
    unter euch allen stehet dann ich habe gehöret daß der
    Vatter gestorben sey darum mögte ich gerne wissen ob
    die Sache mit dem geld so ich bekommen alles in Rich=
    tigkeit gebracht ist und berichte mich auch Von allen
    umständen auf das beste und auch wie es mit dem
    Krieg abgelauffen es ist Zwar der frieden am neuen
    Jahrs tag in den kirchen Vermeldet worden aber
    wie und auf was art weis man nicht überigens
    seyd ihr Von uns allen gegrüsset und in dem Schutz
    Gottes befohlen grüse mir alle freunde und bekander
    C Sewenka d 25ten Jan 1798       Friederich Schäffer

    wan du mir wieder schreibst so mache die attres folgender
    weise
    Nieder ungarn
    Sombor
    in Cserwenka

    Nb. Weilen wir hier mit den
    Evangelischen Vermischt sein und auch
    mit der Zeit eine Orgel zu hoffen
    haben welcher der Reformirte Schul
    meister so wohl wie der Evangelische
    muß Spielen können; so hab ich dich
    aller meist ReCommediren wollen.

    [=> Philipp Gottfried Schäfer, * 30.09.1767 Fürth]

    [Regionalforum-Saar] Geschichte auf YouTube. Neue Her ausforderungen für Geschichtsvermittlung und historische B ildung

    Date: 2020/04/30 11:10:54
    From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

    Geschichte auf YouTube. Neue Herausforderungen für Geschichtsvermittlung und historische Bildung

    Herausgeber Christian Bunnenberg; Nils Steffen
    Reihe Medien der Geschichte 2
    Erschienen Berlin 2019: De Gruyter Oldenbourg
    Anzahl Seiten VII, 347 S.
    Preis € 89,95
    ISBN 978-3-11-059682-3

    Inhalt siehe meinclio.clio-online.de/uploads/media/book/toc_book-54854.pdf

    Rezensiert für H-Soz-Kult von Nils Theinert, Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin

    Das Videoportal YouTube ist längst ein zentrales Medium für Geschichte im Netz geworden. Dabei ist die ganze Bandbreite von Videos mit History-Content kaum noch zu überblicken: Neben Erklärvideos zu allen möglichen Epochen gesellen sich Special-Interest-Angebote zu Nischenthemen (vor allem Militärgeschichte), Aufnahmen von Re-Enactments, „Let’s Play“-Videos von Computerspielen mit historischem Inhalt und nicht zuletzt auch historische TV-Aufnahmen, Musik und sogar alte Werbeblöcke, die Nutzer/innen für eigene lebensgeschichtliche Erinnerungen konsumieren. Die Forschung zur Geschichtsvermittlung ist somit zu einer eingehenderen Analyse dieser neuen Formen von Geschichtskultur aufgefordert.

    Darauf reagiert der nun vorliegende Tagungsband, der auf dem Nachwuchsworkshop „Digital Native (Hi)stories“ in Heidelberg 2016 basiert und von „Studierenden und Young Professionals der AG Angewandte Geschichte/Public History im VHD“ organisiert worden war. Ziel ist es, „sehr gute Forschungsarbeiten des Nachwuchses [...] mit Beiträgen von etablierten Praktikerinnen und Praktikern sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern“ zusammenzuführen (S. 18). Der Band gliedert sich in die Unterkapitel „Kontexte“, „Narration und Authentizität“, „Produktion und Praxis“, „Partizipation“ sowie „YouTube und historische Bildung“ mit insgesamt 16 Beiträgen.

    Wie die Herausgeber eingangs betonen, wurde das Videoportal von der Forschung bisher meist übersehen, obwohl viele Jugendliche es besonders für schulisches Lernen nutzen. Digitale Medien hätten „enormes Potential für die historisch-politische Bildung“ (S. 16), da es sich um „partizipative Wissensräume digitaler Netzkultur“ handele, in denen „formelles und informelles Wissen ohne (Hemm-)Schwelle“ (S. 17) ausgetauscht würde. Es fällt auf, dass sich die zitierte Literatur bei der diagnostizierten Forschungslücke auf die Geschichtswissenschaft beschränkt und zum Beispiel gedächtnissoziologische Arbeiten nicht hinzugezogen worden sind.[1] Bei diesem Thema besteht jedoch großes interdisziplinäres Vernetzungspotenzial, daher wäre ein Blick über das eigene Fach hinaus wünschenswert. Im Folgenden werden einige Beiträge beispielhaft vorgestellt.

    Im Kapitel „Kontexte“ stellt Judith Uebing ein hilfreiches Analyseraster für Erklärvideos vor, das geschichts- und medienwissenschaftliche Methodik vereint. Sie weist jedoch auch auf die Notwendigkeit der Reflexion hin, da die Analyse der Videos nach allein wissenschaftlichen Maßstäben „eigene Logiken der Wissensvermittlung (nicht Wissenschaftsvermittlung) und Authentizitätszuschreibung“ (S. 89) auf YouTube übersehen könne.

    Der Abschnitt „Narration und Authentizität“ beginnt mit Hannes Burkhardts Beitrag über den YouTube-Auftritt des DDR-Museums in Berlin. Er moniert, dass dort das „totalitäre[] System der DDR“ (S. 104) in einer „unverantwortbaren Weise bagatellisiert“ (S. 114) werde. Das Museum biete größtenteils „geschlossene Masternarrationen“ (ebd.), vor allem im YouTube-Format „Frag Dr. Wolle“, in dem der Leiter des Museums vom DDR-Alltag berichtet. Burkhardt bemängelt zu Recht, dass Wolle zu einem Hybrid aus Zeitzeugen und Experten verschmilzt und nie ganz klar wird, was historische Einordnung und was eigene Erfahrung ist. Es entsteht bisweilen jedoch der Eindruck, dass Burkhardts Bewertung der Videos, der darin enthaltenen Zeitzeug/innenaussagen und auch der Nutzer/innenreaktionen selbst von einer totalitarismustheoretischen (Master-)Narration des DDR-Alltags beeinflusst ist.[2] Benjamin Roers untersucht die Authentifizierungsstrategien des Kanals „MrWissen2go“. Das in den Videos präsentierte Wissen zeichne sich durch eine scheinbare Nicht-Kontroversität aus. Dies und die „amateurhafte Videoproduktion, das Bemühen um eine hierarchiefreie Vermittlung […] sowie die persönliche Kommunikationsebene“ (S. 157) würden mit einer Komplexitätsreduktion einhergehen.

    Einen interessanten Blick auf „Produktion und Praxis“ liefern zwei Interviews mit Mirko Drotschmann (MrWissen2go) und Florian Wittig, einem der Produzenten des YouTube-Kanals „The Great War“ (1,16 Millionen Abonnent/innen). Wittig nennt drei Erfolgsfaktoren für seinen Kanal: „Serialität, Production Value und den globalen Bedarf nach History Content“ (S. 180). Eine Herausforderung sei die YouTube-Aufmerksamkeitsökonomie, der „The Great War“ als kommerzieller Kanal Rechnung tragen müsse. Sie erhöhe die Spannung zwischen Kultur- und Militärgeschichte, da Inhalt mit Gewalt und Kriegsgerät mehr Klicks bekomme. Für die Zukunft wünscht er sich eine stärkere Vernetzung von Wissenschaftler/innen und Produzent/innen.

    Einen wichtigen Aufschlag für die Nutzungsanalyse liefern die Beiträge im Abschnitt „Partizipation“. Moritz Hoffmann plädiert für die „Einführung der analytischen Kategorie ‚Historische Hassrede‘“ (S. 212) im Internet. Diese umfasse die Gesamtheit von „Abwertungsmechanismen“ gegen bestimmte Gruppen in der Geschichte und zeichne sich durch eine spezifische Ausdrucksform in sozialen Medien aus: „schnell, häufig anonym, meist unsanktioniert und global abrufbar“ (S. 214). Die rechtsextremen Topoi seien dabei selten neu, nun stoße die Agitation aber auf ein großes, meist im Schulalter befindliches Publikum. Doch diese Öffentlichkeit biete auch Chancen. So könnten „Diskurse und Argumentationsmuster […] ‚revisionistischer‘ Subkultur in ihrer Entstehung, Vernetzung und Verbreitung“ wie selten zuvor beobachtet werden und somit auch Lehrkräfte und andere historische Bildner/innen auf Provokationen bei bestimmten Themen und eigene Gegenrede vorbereitet werden. Christopher Friedburg analysiert YouTube-Beiträge mit Blick auf verschiedene Nutzer/innenrollen: Rezipient/innen, Bewertende sowie Produzent/innen. Im Fokus stehen dabei die Reaktionen auf eine kontrovers diskutierte, auf YouTube hochgeladene alte TV-Dokumentation über Hitler. Ernüchternd muss er feststellen, dass auch in den Kommentaren unter diesem Video „Holocaustleugner und Verschwörungstheoretiker die Deutungshoheit“ (S. 253) übernommen hätten. Diese zweifellos überzeugend dargelegten Befunde sind allerdings wenig überraschend. Die Analyse von nur einer Handvoll von Videos in beiden Beiträgen zeigt zudem auf, dass die Geschichtsdidaktik für eine weitergehende Untersuchung solcher Phänomene wie Hassreden und historischer Verschwörungstheorien in bestimmten Fällen gut daran täte, sich kommunikationswissenschaftlicher Methoden und Werkzeuge zu bedienen, die es erlauben, größere Datenkorpora zu analysieren und Vernetzungsprozesse sichtbar zu machen.[3]

    Im Unterkapitel „YouTube und historische Bildung“ widmet sich Anja Neubert in geschichtsdidaktischer Perspektive dem Kanal „TheSimpleClub“, dem mit 204.000 Abonnent/innen reichweitenstärksten deutschen Geschichtslernkanal „als Herausforderung historischer Nonsensbildung“ (S. 261). Historischen Sinn „negiert [der Kanal] offensiv […] in der Herablassung gegenüber Vergangenheit und Geschichte“ (S. 274). Der Konstruktionscharakter von Geschichte werde nicht ansatzweise thematisiert. Das einzige Ziel bestehe in der Vermarktung des Produkts. Anja Neubert schlägt eine dekonstruierende Thematisierung der Videos im Unterricht „im Sinne der Vermittlung geschichtskultureller und narrativer Kompetenz“ (S. 279) vor. „Durch eine konsequente Umsetzung eigener Ansprüche an zeitgemäßes historisches Lernen“ müsse die Geschichtsdidaktik TheSimpleClub „die Geschäftsgrundlage […] entziehen“ (S. 281). Im gleichen Unterkapitel stellen Bernhard Linke und Marie Föllen eine Übung vor, in der Bachelor-Studierende die didaktischen Potenziale und qualitativen Einschränkungen des medialen Formats „Erklärvideo“ für Unterricht und Lehre erarbeiteten. Den Autor/innen fiel dabei besonders auf, dass die Studierenden aufgrund eigener langjähriger Rezeption von YouTube und anderer digitaler Medien „eine bemerkenswerte kritische Distanz“ sowie „ein hohes methodisches Reflexionspotential“ (S. 291) bei der Bewertung der Videos an den Tag legten; ein auffälliger Unterschied zur Nutzung von Forschungsliteratur, die „häufig unreflektierter rezipiert“ (S. 292) werde. Schließlich widmet sich Jens Crueger der Frage des Webs als kulturellem Gedächtnis. Dabei kommt er zu der folgenden Erkenntnis, der man nur zustimmen kann: „Der Verlust von Dokumenten […] hat längst ein Ausmaß erreicht, dass die Rede von ‚Dark Ages of Internet History‘ gerechtfertigt erscheinen lässt“ (S. 299f.).

    Wie die Herausgeber im Ausblick selbst schreiben, kann ein Tagungsband ein Forschungsgebiet nicht vollumfänglich abdecken, so werden beispielsweise nur deutschsprachige Angebote behandelt. Eingehende Analysen von Agenda-Setting, Zielgruppen, wissenschaftlicher Einbindung, Professionalisierungs- und Monetarisierungsprozessen sowie Nutzungsverhalten stehen noch aus. Zudem müsse YouTube als „globales Medienphänomen“ (S. 318) analysiert werden. Insgesamt bietet der Tagungsband trotzdem eine wichtige erste geschichtsdidaktische Erkundung von Geschichte auf YouTube und mit der umfangreichen Bibliografie und vor allem den verschiedenen methodischen Zugängen eine Inspirationsgrundlage für weitere Untersuchungen.

    Anmerkungen:
    [1] Siehe etwa: Vivien Sommer, Erinnern im Internet. Der Online-Diskurs um John Demjanjuk, Wiesbaden 2018.
    [2] Als differenziertere Ansätze seien hier genannt: Martin Sabrow, Sozialismus als Sinnwelt. Diktatorische Herrschaft in kulturhistorischer Perspektive, in: Potsdamer Bulletin für Zeithistorische Studien 40–41 (2007), insb. S. 10; Mary Fulbrook, Ein ganz normales Leben. Alltag und Gesellschaft in der DDR, Darmstadt 2008; sowie Thomas Lindenberger, Das Land der begrenzten Möglichkeiten. Machträume und Eigen-Sinn der DDR-Gesellschaft, in: Deutschland Archiv, 10.8.2016, https://www.bpb.de/232099 (26.02.2020).
    [3] Ein Beispiel für eine solche Analyse: Jan Tereick, Die „Klimalüge“ auf YouTube. Eine korpusgestützte Diskursanalyse der Aushandlung subversiver Positionen in der partizipatorischen Kultur, in: Claudia Fraas u.a. (Hrsg.), Online-Diskurse. Theorien und Methoden transmedialer Online-Diskursforschung, Köln 2013, S. 226–257.