Monatsdigest

[Regionalforum-Saar] P. O. Heinemann: Rechtsgesch ichte der Reichswehr 1918–1933

Date: 2020/03/04 17:56:18
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Rechtsgeschichte der Reichswehr 1918–1933.

von Heinemann, Patrick Oliver

 

Reihe Krieg in der Geschichte

Erschienen Paderborn 2018: Ferdinand Schöningh

Anzahl Seiten 424 S.

Preis € 89,00

ISBN 978-3-506-78785-9

 

Rezensiert für H-Soz-Kult von Peter Keller, Stadtarchiv Kaufbeuren

Die Rechtsgeschichte gehört nicht gerade zu den beliebtesten Disziplinen, die die akademische Welt zu bieten hat. Nicht selten eilt ihr der Ruf der trockenen und verstaubten historischen Paragraphenreiterei voraus. Die Reichswehr wiederum führt verglichen mit anderen deutschen Armeen noch immer ein historiographisches Nischendasein. Sie stand seit jeher im Schatten der Wehrmacht, die in weit höherem Maße das Interesse der Forschung auf sich gezogen hat als die Streitkräfte der Weimarer Republik. Was also kann herauskommen, wenn sich ein Autor nun ausgerechnet mit der Rechtsgeschichte der Reichswehr befasst? Beeindruckend viel, wie die an der juristischen Fakultät der Universität Bayreuth eingereichte Dissertation von Patrick Oliver Heinemann belegt.

Die Studie bewegt sich auf klassischem Terrain. Heinemann interessiert sich dafür, warum die Reichswehr nie wirklich in der Weimarer Republik ankam, sondern immer ein Fremdkörper im demokratischen Gemeinwesen blieb. Anders als seine Vorgänger – zu denken ist etwa an Otto-Ernst Schüddekopf, Harold J. Gordon oder Francis L. Carsten[1] – konzentriert Heinemann sich jedoch weniger auf die politischen und mentalen als vielmehr auf die rechtlichen Faktoren, die die fatale Entwicklung der Streitkräfte zum „Staat im Staate“ ermöglichten und begünstigten. Konkret geht es also darum, den vielen großen und kleinen juristischen Bausteinen nachzuspüren, die den „paralegalen“ (eine Wortneuschöpfung Heinemanns) Sonderstatus des Militärs in der Weimarer Republik überhaupt erst konstituierten. Dabei unterscheidet Heinemann zwei Untersuchungsebenen: zum einen die misslungene Einbettung der bewaffneten Macht in das republikanische Staats- und Verfassungsgefüge als solches, zum anderen das durch zahlreiche Neben- und Sonderregelungen von den zivilen Verhältnissen abweichende rechtliche Binnengefüge in der Armee selbst.

Heinemanns Argumentation stützt sich im Wesentlichen auf Rechtsquellen wie Gesetzes-, Verordnungs- und sonstige Amtsblätter, Gerichtsentscheidungen, Kommentare sowie zeitgenössische rechtswissenschaftliche Fachzeitschriften. Untermauert und ergänzt werden die Erkenntnisse, die aus den juristischen Texten gezogen werden, durch die einschlägigen Editionen (etwa die „Akten der Reichskanzlei“ und die „Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien“) sowie durch die ebenfalls einschlägigen, durch Kriegsverluste zum Teil leider stark ausgedünnten Überlieferungen im Bundesarchiv-Militärarchiv, dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amts sowie dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv, Abteilung Kriegsarchiv. Alles in allem ergibt sich dadurch ein in sich stimmiges Gesamtkorpus, dessen großer Vorzug darin besteht, den Blick über den bloßen rechtshistorischen Tellerrand hinaus zu gestatten.

Das erste der insgesamt acht Kapitel, in die sich die Studie gliedert, steckt die Leitlinien ab, in denen sich die Untersuchung bewegt. Heinemann geht es hier um die Genese der Weimarer Wehrverfassung. Nachdem er bereits in der Einleitung die historisch gewachsene extrakonstitutionelle Sonderstellung des preußisch-deutschen Militärs herausgearbeitet hat – Heinemann fasst dies in der pointierten Bemerkung zusammen, das kaiserliche Heer sei kaum mehr als eine „persönliche Privatveranstaltung eines niemandem verantwortlichen Monarchen“ (S. 21) gewesen – fragt er nun, wie es gelingen konnte, diesen Status über die revolutionären Wirren von 1918/1919 in die Republik hinüberzuretten.

Die einzelnen Faktoren, die Heinemann in diesem Zusammenhang diskutiert, sind nicht unbedingt neu. Der Ebert-Groener-Pakt beispielsweise wurde schon in den 1930er-Jahren von Arthur Rosenberg[2] für die missglückte Integration der Streitkräfte in die Republik verantwortlich gemacht. Auch die bürgerkriegsartigen Kämpfe von 1918/1919 und die dem Versailler Vertrag zuwider laufende Geheimrüstung waren schon mehr als einmal Thema der Forschung. Neu ist allerdings der Maßstab, an dem Heinemann die besagten Aspekte misst. Für ihn steht nicht ihre politische oder gar moralische, sondern primär ihre rechtliche Einordnung im Vordergrund. Das gibt seinen Darlegungen ihre ganz eigene Dynamik. Denn in der Tat ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass eine Armee, die sich einem Staat in einer kritischen Situation als vermeintlich gleichrangiger Partner andient, ihre Einsätze im Innern mehr als nur einmal mit dem Ausnahmezustand rechtfertigt und mit Hilfe zweifelhafter Partner verbindliche Verträge unterläuft, eher schwer an eine normale Existenz in einem bürgerlich-liberalen Verfassungsstaat zu gewöhnen ist.

Durch planvolleres politisches Agieren und durch Förderung der im Militär ebenfalls vorhandenen pragmatisch-prorepublikanischen Ansätze hätten sich diese gefährlichen Tendenzen womöglich noch einfangen lassen. Entscheidender ist also die Frage, wie und warum die extrakonstitutionellen Dispositionen kodifiziert und institutionalisiert wurden. Die Schlüsselfigur war der Chef der Heeresleitung Hans von Seeckt, der nach dem Kapp-Lüttwitz-Putsch von 1920 zur eigentlich dominierenden Figur der deutschen Militärpolitik avancierte. Detailliert legt Heinemann dar, wie Seeckt auf die Wehrgesetzgebung einwirkte, um seine Vision einer Reichswehr, die sich zwar einer abstrakten Staatsidee und einem idealisierten Reichsmythos, nicht aber der konkreten Republik verpflichtet fühlen brauchte, Wirklichkeit werden zu lassen. Zementiert wurden die von Seeckt geschaffenen Fakten – unter anderem die Schwächung des parlamentarisch verantwortlichen Reichswehrministers bei gleichzeitiger starker Aufwertung der Stellung des Chefs der Heeresleitung – schließlich im Wehrgesetz von 1921, das der nunmehr bürgerlich dominierte und militärpolitisch indolente Reichstag ohne große Debatten passieren ließ.

Im Anschluss daran wendet sich die Studie der Frage zu, woraus sich der paralegale Panzer, der die Reichswehr und ihre Angehörigen von der Republik abschirmte, denn eigentlich zusammensetzte. Nacheinander beleuchtet Heinemann die Grundlagen des soldatischen Dienstverhältnisses (Kapitel II), die politischen und bürgerlichen Grundrechte der Soldaten (Kapitel III), das Militärstrafrecht (Kapitel IV), das Disziplinarstrafrecht (Kapitel V) sowie den Ehrenschutz (Kapitel VI) und den Rechtsschutz (Kapitel VII) in den Streitkräften.

Die einzelnen Kapitel sind thematisch strukturiert und in sich abgeschlossen. Das macht es mitunter etwas schwer nachzuvollziehen, welche der von Heinemann geschilderten Entwicklungen sich parallel zueinander vollzogen. Darstellerisch ist die Vorgehensweise aber alternativlos. Anders wäre es kaum möglich gewesen, die Fülle an zum Teil sehr komplexen Informationen, die hier versammelt sind, in lesbarer Form zu präsentieren. Umso mehr taugen die einzelnen Abschnitte als Kompendium für all diejenigen, die sich zielgerichtet in ein bestimmtes Sachgebiet einlesen möchten.

Es ist wenig sinnvoll, an dieser Stelle im Detail auf die zahlreichen Befunde einzugehen, die Heinemann in den betreffenden Kapiteln darbietet. Aufschlussreich ist in allen Fällen, wie dicht das Geflecht an Sonder-, Neben- und selbst reklamierten Überrechten war, mit der die Reichswehr sich und ihre Angehörigen von der zivilen Republik abschottete. Das durch die Reichsverfassung von 1919 geschützte Recht der Religionsfreiheit etwa scherte die Streitkräfte letztlich nur wenig. Penibel ausgearbeitete Standort-Dienstvorschriften unterminierten wie selbstverständlich das allen Staatsbürgern garantierte Recht, Art und Form der eigenen Religionsausübung selbst zu bestimmen, indem sie die Soldaten dazu zwangen, der Teilnahme an Militärgottesdiensten stets den Vorrang vor der Teilnahme an Zivilgottesdiensten zu geben.

Weit tiefer als der Geist der Verfassung es zuließ, griff die bewaffnete Macht auch in andere Bereiche des privaten Lebens ihrer Angehörigen ein. So waren die Soldaten der Reichswehr auch außerhalb des Dienstes zum Tragen ihrer Uniform verpflichtet. Wer eine Ehe eingehen wollte, musste hoffen, dass seine Vorgesetzten hierzu vorab ihre Einwilligung gaben. Dass der paralegale Status der Reichswehr von den zivilen Stellen nicht nur geduldet, sondern in vielen Fällen, beispielsweise durch diverse Militärverordnungen des sozialdemokratischen Reichspräsidenten Friedrich Ebert, sogar mitgeschaffen wurde, spricht Bände über das Verhältnis zwischen Armee und Republik.

Im abschließenden achten Kapitel verschiebt sich der Blickwinkel der Studie ein letztes Mal. Einführend konstatiert Heinemann, dass die rechtliche Ausgestaltung des Militärs in der Ära von Reichswehrminister Otto Geßler (1920–1928) weitgehend zum Abschluss gelangt sei. Danach habe man allenfalls noch „hie und da […] Veränderungen im Detail“ (S. 353) vorgenommen. Umso mehr geht es Heinemann um die Frage, wie die derart (de-)formierten Streitkräfte in der Endphase der Weimarer Republik agierten.

Das Urteil fällt wenig schmeichelhaft aus. Die Reichswehr – für Heinemann vor allem durch ihre nunmehrige Schlüsselfigur Kurt von Schleicher repräsentiert – habe in der finalen Krise der ersten deutschen Demokratie eine verhängnisvolle Rolle gespielt: Einerseits habe das Militär seit den frühen 1930er-Jahren immer unverhohlener auf seinen selbstreklamierten extrakonstitutionellen politischen Führungsanspruch gepocht und durch Aktionen wie den „Preußenschlag“ von 1932 kräftig zur Destabilisierung der Republik beigetragen. Andererseits habe die Armee nicht die Kraft aufgebracht, die Nationalsozialisten von der Macht fernzuhalten. Als Grund hierfür verweist Heinemann auf die traditionelle Revolutionsfeindlichkeit des preußisch-deutschen Militärs. Diese habe die Reichswehrführung in den entscheidenden Tagen um die Jahreswende 1932/1933 davon abgehalten, nötigenfalls mit Waffengewalt gegen Reichspräsident Paul von Hindenburg und das sich unter seiner Schirmherrschaft formierende Kabinett Hitler vorzugehen.

Heinemanns Buch ist keine leichte Lektüre. Nicht-Juristen dürfte es mitunter schwerfallen, sich durch die vielschichtige Fachmaterie durchzuarbeiten. Nichtsdestoweniger handelt es sich bei der Rechtsgeschichte der Reichswehr um wertvolle historiographische Kärrnerarbeit. So umfassend wie bei Heinemann wurde noch nie nachgezeichnet, wie hoch die aus Gesetzen, Verordnungen, Befehlen, Vorschriften und sonstigen Normen zusammengesetzte Mauer war, die Militär und Republik voneinander trennte. Ein weiteres und hoffentlich bleibendes Verdienst Heinemanns besteht darin, dem tradierten Begriff vom „Staat im Staate“ den weitaus treffenderen Ausdruck „Paralegalität“ an die Seite gestellt zu haben. Erfreulich ist außerdem, dass Heinemann seine Befunde an vielen Stellen in einen größeren historischen Kontext einbettet. Er bleibt eben nicht bei der Rechtsgeschichte stehen, sondern ist bemüht, die von ihm herausgearbeiteten Erkenntnisse in Bezug zur politischen Geschichte der Weimarer Republik zu setzen. Seine Studie leistet dadurch einen Beitrag zum Verständnis des Scheiterns der ersten deutschen Demokratie.

Das Gesamturteil fällt kurz, bündig und positiv aus: Heinemanns Studie stellt für die historische Forschung einen echten Gewinn dar. Wer sich künftig mit der Geschichte der bewaffneten Macht in der Weimarer Republik befasst, wird an seiner Rechtsgeschichte der Reichswehr nicht vorbeikommen.

Anmerkungen:
[1] Otto-Ernst Schüddekopf, Das Heer und die Republik. Quellen zur Politik der Reichswehrführung 1918 bis 1933, Hannover 1955; Harold J. Gordon, Die Reichswehr und die Weimarer Republik. 1919–1926, Frankfurt am Main 1959; Francis L. Carsten, Reichswehr und Politik 1918–1933, Köln 1965.
[2] Arthur Rosenberg, Geschichte der deutschen Republik, Karlsbad 1935.




[Regionalforum-Saar] Das Ende vom Lied - Gedanken zum Krieg in der Heimat.

Date: 2020/03/05 08:14:49
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Das Ende vom Lied - Gedanken zum Krieg in der Heimat.

Am 19. März 1945 - auf Josefstag - besetzten amerikanische Truppen unter General George Patton auf ihrem Weg zum Rhein die Stadt St. Wendel. Das ist in diesem Jahr 75 Jahre her.

Da ich mich seit über 25 Jahren mit diesem Thema beschäftige, versuche ich einen neuen Ansatz: das Kriegsgeschehen aus der Perspektive der unmittelbar Beteiligten betrachten.
Meine Frage: Wie sah es in den Köpfen der Menschen zuhause aus, als im März 1945 nach dem "Luftkrieg" auch der "Krieg zu Lande" den Kreis St. Wendel erreichte?

Ein Vortrag mit Lichtbildern.

Im Anschluß werden drei Filme aus dem amerikanischen Nationalarchiv gezeigt: „18. März 1945 - die Amerikaner auf dem Weg nach St. Wendel“ sowie drei unbearbeitete Filme, aufgenommen bei Kusel, Ottweiler und Selbach.

Ort: in der Geschäftsstelle des Vereins für Landeskunde im Bahnhof St. Wendel. Der Eingang ist an der Vorderseite links des Haupteingangs.
Uhrzeit: 18 Uhr

Der Eintritt ist frei.

[Regionalforum-Saar] 19. März 2020: Vortrag „Das Ende vom Lied - Gedanken zum Krieg in der Heimat “

Date: 2020/03/05 13:59:18
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

19. März 2020: Vortrag „Das Ende vom Lied - Gedanken zum Krieg in der Heimat“

Am 19. März 1945 - auf Josefstag - besetzten amerikanische Truppen unter General George Patton auf ihrem Weg zum Rhein die Stadt St. Wendel. Das ist in diesem Jahr 75 Jahre her.


Da ich mich seit über 25 Jahren mit diesem Thema beschäftige, versuche ich einen neuen Ansatz: das Kriegsgeschehen aus der Perspektive der unmittelbar Beteiligten betrachten.
Meine Frage: Wie sah es in den Köpfen der Menschen zuhause aus, als im März 1945 nach dem "Luftkrieg" auch der "Krieg zu Lande" den Kreis St. Wendel erreichte?


Ein Vortrag mit Lichtbildern.


Im Anschluß werden drei Filme aus dem amerikanischen Nationalarchiv gezeigt: „18. März 1945 - die Amerikaner auf dem Weg nach St. Wendel“ sowie drei unbearbeitete Filme, aufgenommen bei Kusel, Ottweiler und Selbach.


Ort: in der Geschäftsstelle des Vereins für Landeskunde im Bahnhof St. Wendel. Der Eingang ist an der Vorderseite links des Haupteingangs.


Datum: Donnerstag, 19. März 2020


Uhrzeit: 18 Uhr


Der Eintritt ist frei.


[Regionalforum-Saar] KU-Files auf der Website des US-Na tionalarchivs zugänglich.

Date: 2020/03/05 14:35:52
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Salve,

Uwe Benkel hat mir den Link zu einer Website des US-Nationalarchivs zugesandt, auf der die sog. KU-files abrufbar sind. Das Archiv hat wohl die meisten digitalisiert und online gestellt.

Die KU-files (KU = Kampfflugzeuge USA) enthalten die deutschen Unterlagen, die erstellt und gesammelt wurden nach dem Abschuß-Absturz eines amerikanischen Flugzeuges im Zweiten Weltkrieg. Darin finden sich Dokumente unterschiedlichster Art - von Telegrammen über Registrierungen über Papiere zum Verbleib der Gefallenen. Ich habe darin Papiere gefunden, die die Flugzeugbesatzungen bei sich trugen und die man ihnen abnahm, als sie bei der Gefangennahme gefilzt wurden. Das waren Ausweise, Briefe, Bescheinigungen (es gab zwar einen Befehl, daß solche Sachen nicht mitzunehmen seien, aber wer rechnet schon mit einem Abschuß - das passiert doch nur anderen). Einmal war ein Blatt dabei, auf das nebeneinander die amerikanischen Erkennungsmarken gepinnt waren (die nahm man den GIs ab und ersetzte sie durch spezielle Gefangenenhundemarken).

Ich vermute - bin aber nicht sicher - daß die Papiere in der sog. Auswertestelle West in Oberursel sichergestellt wurden.

Die KU-files gibt es einmal im Original und zum zweiten als übersetzte englische Ausgaben, die meistens den Vermißtenberichten (MACR) beigefügt wurden. Für uns sind natürlich die originalen Unterlagen viel interessanter.
Vom ersten Augenschein her sind hier die Originale gescannt.

Die Unterlagen wurden von den Amerikanern bei der Eroberung Deutschlands im Frühjahr 1945 beschlagnahmt und landeten im Nationalarchiv in Washington, wo sie seit über 20 Jahren der Öffentlichkeit zugänglich sind.

Eine tolle Quelle. Hier ist der Link:  https://catalog.archives.gov/id/643795
--
Mit freundlichen Grüßen
 
Roland Geiger
 
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Roland Geiger
Historische Forschung
Alsfassener Straße 17, 66606 St. Wendel
Tel. 06851-3166
email alsfassen(a)web.de
www.hfrg.de


[Regionalforum-Saar] Veranstaltung des Landkreises und des LHV am 17ten März im Cusanusgymnasium fällt aus

Date: 2020/03/05 19:07:02
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Den Grund werdet Ihr nicht erraten.
Aber ich bin ja gar nicht so - es fängt mit "C" an und hört mit "oronavirus" auf.
Na? Na?


Mit freundlichen Grüßen
Roland Geiger

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Roland Geiger
Historische Forschung
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[Regionalforum-Saar] T. Grotum (Hrsg.): Die Gestapo Trier

Date: 2020/03/05 19:34:43
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Die Gestapo Trier. Beiträge zur Geschichte einer regionalen Verfolgungsbehörde
Herausgeber Grotum, Thomas


Reihe Gestapo – Herrschaft – Terror. Studien zum nationalsozialistischen Sicherheitsapparat

Erschienen Köln 2018: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten 365 S.
Preis € 30,00
ISBN 978-3-412-50914-9

Rezensiert für H-Soz-Kult von Elisabeth Boeckl-Klamper, Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wien

Der vorliegende Band ist das vorläufige Ergebnis eines mehrjährigen Forschungsprojektes zur Geschichte der Gestapo Trier, das 2011 in enger Kooperation zwischen der Universität Trier/Fach Geschichte und der Trierer Staatsanwaltschaft begonnen wurde. Neben zwei Beiträgen des Herausgebers, der das Forschungsprojekt auch leitet, enthält die Publikation 14 Beiträge, die auf Staatsexamens- bzw. Masterarbeiten basieren, die in diesem wissenschaftlichen Arbeitszusammenhang entstanden sind. Da die Quellenlage zur Geschichte der einzelnen Gestapodienststellen äußerst lückenhaft ist – relevante Schriftstücke wurden bei Kriegsende entweder von Angehörigen der Gestapo systematisch vernichtet oder durch Bombenschäden zerstört –, bauen die studentischen Arbeiten in erster Linie auf Dokumenten auf, die im Zuge der Forschungsarbeiten erst in mehr als 35 in- und ausländischen Einrichtungen erschlossen werden mussten.[1]

Die Themenauswahl der einzelnen Aufsätze erfolgte daher, wie Thomas Grotum im Vorwort schreibt, nach den „zu diesem Zeitpunkt ermittelten und erschlossenen Quellen“ sowie den „inhaltlichen Interessen der Beteiligten“. Diese pragmatische Vorgehensweise mag der Grund dafür sein, dass der Band keine thematische Gliederungsstruktur aufweist.

Eine Stärke der Beiträge liegt darin, dass es den Autoren gelungen ist, die spezifischen Kompetenzbereiche der Gestapo Trier zu rekonstruieren, die maßgeblich von der Grenzlage der Stadt zum Saarland sowie zu Luxemburg, Belgien und Frankreich geprägt und eng mit der nationalsozialistischen Expansionspolitik nach Westeuropa verbunden waren.

Bereits vor der Saarlandabstimmung war die Abteilung III („Abwehr“) der Trierer Staatspolizeistelle, wie Justus Jochmann in seinem Artikel darlegt, durch das Einschleusen von Spitzeln am Ausspionieren der deutschen Exilorganisationen im Saarland und in Luxemburg ebenso federführend beteiligt wie am Ausforschen von Luxemburger Antifaschisten. Die so gewonnenen Informationen ermöglichten es der Staatspolizei Trier nach der Besetzung des Großherzogtums, sowohl bei umfangreichen Verhaftungen Luxemburger Antifaschisten maßgeblich mitzuwirken als auch nach jenen Deutschen zu fahnden, die in Luxemburg für den französischen Geheimdienst („Poste d’Alerte Luxembourg“, abgekürzt „Polux“) gearbeitet hatten. Diese staatspolizeilichen Erfahrungen waren wohl auch ausschlaggebend dafür, dass die Gestapo Trier einen Großteil der Angehörigen des Einsatzkommandos Luxemburg (EKL) stellte, das am 16. August 1940 gegründet und ab dem Frühjahr 1941 vom Chef der Staatspolizeistelle Trier geleitet wurde. Enge personelle Verflechtungen bestanden auch, wie Katharina Klasen in ihrem Beitrag aufzeigt, mit dem SS-Sonderlager/Konzentrationslager Hinzert, in dem ab Sommer 1940 vor allem politische Gefangene aus den Beneluxländern und Frankreich interniert waren.[2] Das Lagerpersonal wählte der Trierer Gestapochef und Leiter des EKL aus, wobei er es teilweise auch aus der Gestapo Trier selbst rekrutierte.

Im Fokus der meisten Beiträge steht die Tätigkeit der Gestapo Trier im Bereich der Verfolgung und Überwachung von Personengruppen, denen das nationalsozialistische Regime eine Gegnerschaft bzw. Gefährdung seiner Herrschaftsstabilität zuschrieb.

Zu diesen Gruppen zählten, wie der Beitrag von Ksenia Stähle zeigt, auch die nach Deutschland zurückgekehrten ehemaligen Angehörigen der Fremdenlegion, die von der Gestapo Trier zwar überprüft und eine Zeitlang überwacht, aber dennoch erstaunlich rasch in die Wehrmacht integriert wurden. Ein Spezifikum der Gestapo Trier stellte, wie der Artikel von Felix Klormann belegt, die Begutachtung von „Wiedereindeutschungsanträgen“ dar. Derartige Anträge konnten polnische Zwangsarbeiter, die wegen ihrer Beziehungen zu „deutschblütigen“ Frauen straffällig geworden waren, an die Gestapo stellen. Wie relevant dieser Kompetenzbereich angesichts der drakonischen Strafen, die „Ostarbeiter“ im Verlauf des Krieges bei kleinsten Vergehen zu erwarten hatten, letztlich war, ist fraglich, zumal Klormann in seinem Beitrag nicht angibt, wie viele derartige Fälle die Gestapo Trier innerhalb welchen Zeitraums tatsächlich bearbeitete.

Der Untersuchung des kommunistischen Widerstandes und dessen Verfolgung durch die Gestapo widmen sich zwei weitere Beiträge. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass dieser Widerstand bereits im Jahr 1936 zerschlagen wurde. In weiteren Artikeln werden zwar die Ahndung von Rundfunkverbrechen sowie die Überwachung der katholischen Kirche und der Bauernschaft zwischen 1934 und 1938 durch die Gestapo beschrieben, doch eine Zusammenschau sämtlicher Beiträge lässt darauf schließen, dass es aufgrund des weitgehenden Konsenses der einheimischen Bevölkerung mit dem NS-Regime kaum organisierten Widerstand in der Region Trier gab. Als Erklärung für diesen Umstand werden sowohl historische als auch soziologische Gegebenheiten wie beispielsweise die weitgehend agrarischen Strukturen der Region sowie die starke Bindung der Einwohner an die einflussreiche katholische Kirche angegeben.

Die Tätigkeit der Gestapo Trier erfuhr jedoch mit der massiven Ausweitung der Zwangsarbeit von verschleppten ausländischen Arbeitskräften sowie Kriegsgefangenen eine gravierende Veränderung. Deren Überwachung und Verfolgung machte, wie Martin Spira anhand der Tagesrapporte der Gestapo Trier aufzeigt, den „Hauptanteil“ der alltäglichen staatspolizeilichen Tätigkeit aus.

Spira orientierte sich bei der Kategorisierung der in den Tagesberichten erwähnten Personen nach eigenen Angaben an der (online zugänglichen) Datenbank der Tagesberichte der Gestapoleitstelle Wien. Diese basiert allerdings auf der von der Staatspolizei vorgenommenen Kategorisierung und spiegelt nicht nur die Aufgabenbereiche der Gestapoleitstelle Wien, sondern auch die Feindbilder der nationalsozialistischen Ideologie wider.[3] Indem Spira die in den Tagesberichten getroffene Kategorisierung nach eigenen Angaben „verfeinert“, verzerrt er sie nicht nur, sondern bewirkt auch, dass in dieser Jüdinnen und Juden, die Hauptopfer der nationalsozialistischen Verfolgung, nicht mehr repräsentiert sind.

Es ist ein Defizit des vorliegenden Bandes, dass zwar in drei Beiträgen die Geschichte der Trierer Jüdinnen und Juden besprochen wird, nicht aber die Rolle der Gestapo bei deren Verfolgung und Beraubung. Dadurch blenden die Autorinnen und Autoren die Rolle der Gestapo als „Rassepolizei“, eine ihrer wichtigsten Funktionen, aus. Lediglich Benjamin Koerfer erwähnt diese Tätigkeit kurz in seinem Beitrag über die Deportation der Trierer Jüdinnen und Juden in das Ghetto Litzmannstadt.

Den Autoren des vorliegenden Bandes gelingt es zwar, einzelne Aspekte der alltäglichen Tätigkeit der Gestapo Trier zu beleuchten, ihre Konturen als nationalsozialistischer Behördenapparat bleiben jedoch unscharf, da weder die Organisationsstrukturen noch der personelle Aufbau behandelt werden. Grundlegende Merkmale, beispielsweise die personelle Dynamik, die wesentlich zur Effizienz der Gestapo beitrug, da personelle Ressourcen je nach Arbeitsanfall sowohl innerhalb der Abteilungen einer Gestapo(-leit-)stelle als auch zwischen einzelnen Gestapo(-leit-)stellen hin- und hergeschoben werden konnten, bleiben unberücksichtigt.

Trotz dieser Schwächen ist der vorliegende Band ein für die zeitgeschichtliche Forschung wertvoller Beitrag, dem hoffentlich wie angekündigt weitere Arbeiten folgen werden.

Anmerkungen:
[1] Als besonders relevant erwiesen sich die 3.533 Personenakten der Gestapo Trier aus dem französischen Militärarchiv in Vincennes.
[2] Später wurden im SS-Sonderlager/ Konzentrationslager Hinzert Gefangene aus ganz Europa interniert.
[3] Elisabeth Boeckl-Klamper / Thomas Mang / Wolfgang Neugebauer, Gestapo-Leitstelle Wien 1938–1945, Wien 2018, S. 91.

Zitation

Elisabeth Boeckl-Klamper: Rezension zu: Grotum, Thomas (Hrsg.): Die Gestapo Trier. Beiträge zur Geschichte einer regionalen Verfolgungsbehörde. Köln  2018. ISBN 978-3-412-50914-9, in: H-Soz-Kult, 06.03.2020, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-28143>.




[Regionalforum-Saar] W. Plumpe: Das kalte Herz

Date: 2020/03/05 20:44:10
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Das kalte Herz. Kapitalismus: Die Geschichte einer andauernden Revolution

Autor Plumpe, Werner

Erschienen Berlin 2019: Rowohlt Berlin Verlag

Anzahl Seiten 800 S.

Preis € 26,95

ISBN 978-3-87134-754-2



Rezensiert für H-Soz-Kult von Ines Prodöhl, Institut für Archäologie, Geschichte, Kultur- und Religionswissenschaft, Universität Bergen

1950 produzierte die Deutsche Film AG, kurz DEFA, ihren ersten Farbfilm, der damit auch zum ersten Farbfilm der noch jungen DDR wurde. Er hieß „Das kalte Herz“ und basierte auf dem gleichnamigen romantischen Märchen von Wilhelm Hauff aus dem Jahr 1827. Der Film rückte die Folgen von Geldsucht und Habgier ins Zentrum seiner Darstellung und schien – ganz im Sinne des real existierenden Sozialismus – gerade deswegen geeignet, Kindern die negativen Seiten kapitalistischen Handelns vor Augen zu führen.[1]

Es ist kein Zufall, dass der Frankfurter Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe seiner umfassenden Geschichte des Kapitalismus ebenfalls diesen Titel gab. Plumpe knüpft damit an Hauffs Erzählung vom Holländer-Michel an, rezipiert aber die Kapitalismuskritik, die ihr seitens marxistischer Interpretationen entgegengebracht wurde. Kapitalismuskritik ist denn auch der zentrale Ausgangspunkt für Plumpes Überlegungen. Bevor er zum Gegenstand seiner Untersuchung kommt, nämlich der Geschichte des Kapitalismus in Europa seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert, wendet er sich mit erfrischender Deutlichkeit von der gegenwärtigen Kapitalismuskritik ab, die eine Scheinwelt konstruiert habe, in der das „selbsterzeugte Gespenst Kapitalismus von den Kräften des Guten bekämpft wird – bisher leider recht erfolglos“ (S. 13).[2] Plumpe geht ausführlich auf die Ursachen der Kapitalismuskritik ein, benennt ihre Ursprünge, die weit länger zurück liegen als der Kapitalismus selbst, und entwirft dann seinen eigenen Zugang zum Thema.

Plumpes Darstellung umkreist die Frage, warum sich der Kapitalismus seit dem 17. Jahrhundert, ausgehend von den Niederlanden und England, nach und nach in ganz Europa und seit dem 20. Jahrhundert schließlich weltumspannend ausgebreitet hat. Er konzentriert sich auf den europäischen Kontinent, weil er die „einmalige Entwicklung Europas“ (S. 30f.) aufklären will. Gleichwohl stellt er ganz richtig fest, dass eine Geschichte des Kapitalismus eigentlich eine Geschichte der Weltwirtschaft sein müsste, wählt aber angesichts des Umfangs eines solchen Unterfangens einen pragmatischen Zugang, indem er sich von Europa ausgehend auf die Kernzonen des Kapitalismus konzentriert (S. 31). Das ist einleuchtend, aber neuere Studien gerade aus dem deutschsprachigen Raum zu genau der Frage nach der Globalität des Kapitalismus als Gegenstand historischer Analysen hat Plumpe wenig berücksichtigt.[3]

Stattdessen benennt er zwei Grundvoraussetzungen für die Entstehung des Kapitalismus: die Ausbreitung von marktwirtschaftlichen Strukturen bei gleichzeitiger kapitalintensiver Güterproduktion, also die Verbindung von Kapital und Massenproduktion. Kern und Bedingung der kapitalistischen Massenproduktion sei die Nachfrage der nichtvermögenden Menschen – sie bildeten nach und nach den Massenmarkt, der eine kapitalistische Produktion zugleich verlange und ermögliche. Damit gehören zu den Kennzeichen des Kapitalismus zum Beispiel auch Massenkonsum, Privateigentum oder soziale Ungleichheit und all diese Dinge können ihn sowohl bedingen als auch ihm folgen. Vor dem Hintergrund dieser nachvollziehbaren Definition stellt Plumpe die sich im 17. Jahrhundert verändernden wirtschaftlichen Verfahrensweisen als zentral für den Beginn des Kapitalismus heraus. Er entwirft den Kapitalismus als eine Form des Wirtschaftens, die auf dem Zusammentreffen verschiedener Ursachen beruhe und die sich zunächst im Verlagswesen und später im Rahmen der industriellen Produktion etabliert habe. Plumpe schließt sich damit der Einschätzung Max Webers an, der für die Herausbildung des Kapitalismus im Europa der Frühen Neuzeit einst von einer „Verkettung von Umständen“ sprach.

Von diesen Überlegungen ausgehend analysiert Plumpe die Geschichte des Kapitalismus in fünf chronologisch aufeinander aufbauenden Kapiteln. Angesichts des gewählten Bezugs auf den transatlantischen Raum sind Plumpes Narrative wenig überraschend. Das erste Kapitel widmet sich der Entstehung des Kapitalismus und stellt die wirtschaftlichen Veränderungen im 17. und 18. Jahrhundert heraus, wie etwa die zunehmende Rolle des Geldes, die sich zunächst in einzelnen europäischen Städten vollzogen. Das zweite Kapitel konzentriert sich auf die dynamischen Entwicklungen hinsichtlich Kapitalinvestitionen und Massenkonsum im langen 19. Jahrhundert und berücksichtigt als maßgebliche Faktoren für diese Entwicklungen die besseren und vor allem beschleunigten Transport- und Kommunikationsmöglichkeiten. Das dritte Kapitel fokussiert auf die krieg- und krisengeschüttelte erste Hälfte des 20. Jahrhunderts und das vierte Kapitel auf das „goldene Zeitalter“, wie Wirtschaftshistoriker die Periode zwischen dem Beginn der 1950er- und dem Ende der 1970er-Jahre in Europa bezeichnen. Hier wird die verstärkte Einmischung US-amerikanischer Akteure zugunsten der europäischen Wirtschaft im Kontext des Kalten Krieges thematisiert: Marshall-Plan, Massenkonsum und Strukturwandel sind die zentralen Themen. Das fünfte Kapitel konzentriert sich dann auf die Liberalisierung der Weltwirtschaft und den globalen Siegeszug des Kapitalismus seit den 1980er-Jahren. Ein Schluss, der die Aussagen hinsichtlich der Frage, warum der Kapitalismus seinen Ursprung in Europa nahm, zusammenführt, rundet das Buch ab.

Die Stärke des Buches liegt darin, dass jeder Abschnitt ausführlich in die jeweils zeitgenössischen Reflexionen über die kapitalistische Wirtschaftsform eingebettet ist. Es ist wahrlich beeindruckend, welche Fülle ökonomischen Denkens Plumpe versammelt, zumal sie ihm nicht als Erklärungsansatz dienen, sondern als historische Quelle. Er interpretiert sie im Kontext der Zeit.

Schließlich steht die Frage im Raum, an wen sich das Buch richtet. Mit weniger als 30 Euro sind die 800 Seiten ausgesprochen preiswert, was auf eine auflagenstarke Publikation und damit auf einen Absatzmarkt jenseits von Fachkreisen schließen lässt. Plumpe ist mit seiner umfangreichen Darstellung wahrlich ein „public intellectual“ – wer sich außerhalb der Zunft allerdings auf das Buch einlässt, dem wird einiges abverlangt, da die Erklärungen und Schlussfolgerungen mitunter sprachlich recht sperrig ausfallen.

Abschließend lässt sich festhalten, dass Plumpes Buch zwar keine Geschichte des globalen Kapitalismus ist, wie der Titel vermuten lassen könnte, sondern in erster Linie eine Geschichte der kapitalistischen Wirtschaftsweise in Europa und Nordamerika seit dem 17. Jahrhundert. Hier zeigt Plumpe Wandlungen auf, er kontextualisiert und kontrastiert Veränderungen und er untermauert seine Analysen schließlich mit den jeweils zeitgenössischen Reflexionen über die Ökonomie.

Anmerkungen:
[1] Den meisten Kindern, inklusive der Autorin dieser Rezension, dürften allerdings mehr die Brutalität und Grausamkeit der Inszenierung in Erinnerung geblieben sein. Vgl. Das kalte Herz, Regie Paul Verhoeven, DEFA Produktion 1950.
[2] Hier verbirgt sich freilich eine Anspielung auf das kommunistische Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels (1848). Es beginnt mit den Worten „Ein Gespenst geht um in Europa“, womit ironischerweise nicht das Gespenst des Kapitalismus gemeint ist, sondern das des Kommunismus.
[3] Im Literaturverzeichnis findet sich Jürgen Kocka, Geschichte des Kapitalismus, München 2013. Eine Auseinandersetzung mit dessen Lesart bleibt Plumpe aber schuldig. Nicht genannt wird hingegen Friedrich Lenger, Globalen Kapitalismus denken, Tübingen 2018.

Zitation

Ines Prodöhl: Rezension zu: Plumpe, Werner: Das kalte Herz. Kapitalismus: Die Geschichte einer andauernden Revolution. Berlin  2019. ISBN 978-3-87134-754-2, in: H-Soz-Kult, 06.03.2020, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-28309>.




[Regionalforum-Saar] AhnenforschBAR am 6. Juni 2020 in Frankfurt-am-Main

Date: 2020/03/08 17:21:04
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

AhnenforschBAR

Zielgruppe: Blogger, Lokalzeitschriften, genealogische Vereine

Am 6. Juni 2020 findet die erste AhnenforschBAR in Frankfurt statt.

Wir laden Sie herzlich zum ersten Barcamp für alle Interessierte aus den Bereichen Genealogie, Heraldik, Geschichte, Archivwesen und verwandten Themen ein.

Ein Barcamp ist eine demokratische Mitmachkonferenz. Die Teilnehmer entscheiden gemeinsam die Agenda des Tages. Dabei kann es sich bei den einzelnen Beiträgen um Vorträge, Diskussionsrunden oder Workshops handeln. Je nachdem, was die Teilnehmer, die sich einbringen möchten, vorbereitet haben.

Zum ersten Mal trifft sich nun die genealogisch interessierte Community, um gemeinsam einen interessanten, tollen und lehrreichen Tag zu gestalten.

Seien Sie dabei, wenn die AhnenforschBAR um 9.30 Uhr ihre Pforten in dem Saalbau Bockenheim in der Schwälmer Strasse 28 in Frankfurt öffnet. Erleben Sie, wie inspirierend diese Form der Veranstaltung für alle Beteiligten ist. Tauschen Sie sich aus, lernen Sie voneinander und teilen Sie Ihr Wissen.    Und ganz besonders: Haben sie viel Spaß!

Sichern Sie sich Ihre Tickets online bei Eventim Light: https://www.eventimlight.

com/de/a/5e4d2b8425c0670998733b09/e/5e568f15c664800731f87d0f/

Noch bis zum 31.März 2020 gibt es die Möglichkeit, für ein begrenztes Kontingent für 15 Euro die Frühforscher Option zu buchen.

Der reguläre Preis beträgt 18 Euro.


Wir freuen uns auf Sie!

Weitere Infos finden zu der Veranstaltung finden Sie unter: http://bit.ly/ahnenforschBAR

Barbara Schmidt (Einzelunternehmerin), Ohmstrasse 72, 60486 Frankfurt

[Regionalforum-Saar] Fraktur - Sütterlin Kurrent l esen und schreiben lernen

Date: 2020/03/11 08:24:46
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Katholische Erwachsenenbildung Saarpfalz e.V.
Stadtarchiv St. Ingbert

Info-Abend & Kurs

Fraktur - Sütterlin‑Kurrent lesen und schreiben lernen

Schön sehen sie aus, die deutschen Schriften wie Kurrent, Sütterlin oder Fraktur, aber lesen können - oder gar schreiben?

In einem Info-Abend sowie fünf Kursabenden wird in die Schreib- und Lesefähigkeit derdeutschen Schrift eingeführt.

Kursleiter Stephan Weidauer leitet die Saarbrücker Gruppe “Deutsche Schrift" und ist u.a. Mitglied im Bund für deutsche Schrift.


Info-Abend:
Mi, 01. April '20, 19.30
Teilnahme unverbindlich

Beginn:
Mi, 29. April '20, 19.30 Uhr

St. Ingbert, Konferenzraum der KEB, Karl-August-Wall-Str. 33

Kosten: 20,- + Materialien

Anmeldung erforderlich:

KEB, Tel. 06894/9630516
E-Mail: kebsaarpfalzfdaol.com





[Regionalforum-Saar] Schwarzrock wird coronatisiert.

Date: 2020/03/12 17:29:22
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Die Buchvorstellung »Schwarzrock« am Mittwoch, den 18. März 2020, um 19 Uhr in Wustweiler wird aufgrund der aktuellen Entwicklungen von COVID-19 abgesagt.

Die Veranstaltung soll nach Beruhigung der Lage zu einem noch unbestimmten Zeitpunkt nachgeholt werden.

[Regionalforum-Saar] Selbst die Götter ...

Date: 2020/03/14 19:24:39
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Salve,

vor 45 Jahren verfaßte der amerikanische SF-Autor Isaac Asimov einen Roman mit dem Titel „The Gods themselves“ frei nach dem alten Sprichwort „Gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens“.

Okay, ich weiß nicht, ob der momentane Irrsinn auf Dummheit basiert, sprich: schierer Panik, oder ob wir alle einfach nur Angsthasen geworden sind, die sich vor jedem Regentropfen fürchten.

Wir machen einfach zu.
Es kommt etwas, wir wissen nicht was. Also machen wir einfach dicht.
Man sagt uns, daß wir  unsere Mitmenschen als potentielle Krankheitsüberträger zu betrachten haben, zu denen wir mindestens 1,50 m Abstand halten müssen.
Klar, machen wir, kein Problem. Die werden’s ja wissen.

Wir wissen, daß Niesen nicht zum Krankheitsbild gehört, aber ab sofort darf niemand mehr beim Niesen die Hand vor die Nase halten, die Hand, die man anschließend waschen kann, nein, wir müssen den Rotz auf dem Unterarm verteilen, wo wir ihn den ganzen Tag mit uns rumtragen.

Was in mich gefahren ist, wollen Sie wissen?
Nun, ich habe einen tierischen Hals.

Mein Vortrag für nächsten Donnerstag über das Kriegsende ist hoit mittag abgesagt worden, weil auch der Verein für Landeskunde seine Mitgliedsräume in St. Wendel auf unbestimmte Zeit dicht macht. Ich bin denen nicht mal böse, weil die auf die allgemeine Hysterie unserer gewählten Volksvertreter reagieren.

Was heißt „der Volksvertreter“ … die Kirchen sind ja auch nicht besser. Jetzt in Zeiten, wo niemand weiß wohin, wo uralte Ängste geschürt werden, macht die Kirche die Kirchen dicht, setzt Gottesdienste ab und läßt die Menschen allein.
Das geht meines Erachtens gar nicht.

Daß unsere gewählten Vertreter uns mit unseren Sorgen allein lassen, ist keine große Überraschung; die interessieren sich eh nicht für uns; die drehen ihr Ding, und wir bezahlen dafür.

Aber die Kirche - die verspielt damit ihr letztes bischen Vertrauen. Jeden, der deswegen demnächst einen Termin beim örtlichen Standesamt hat, den kann ich gut verstehen. Ich werde es nicht so machen, aber verstehen kann ich es.

Was uns bleibt, ist zuhause sitzen zu bleiben, aus dem Fenster zu stieren und hoffen, daß es irgendwann vorbeigeht. Toll.

Ergebenst

Roland Geiger
 

[Regionalforum-Saar] Vortrag „Das Ende vom Lied “ am Donnerstag, 19. März 2020, wurde corona tisiert

Date: 2020/03/14 21:03:16
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Guten Abend,

mein Vortrag über das Kriegsende in St. Wendel, der am nächsten Donnerstag, 19. März 2020, um 18 Uhr in den Vereinsräumen des Vereins für Landeskunde im Saarland im Bahnhof St. Wendel stattfinden sollte, ist abgesagt worden, weil der Verein ziemlich mit sofortiger Wirkung diese Vereinsräume dicht macht.

Hoit morgen, als ich die ganzen Absagen in der Zeitung las, dachte ich noch, jetzt wird’s ziemlich einsam auf weiter Flur, aber hoit mittag holte mich die Realität dann auch noch ein.

Ob der Termin ganz ausfällt oder nur verlegt wird, ist noch nicht sicher.
Ich werde Sie bei Gelegenheit informieren.

Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

[Regionalforum-Saar] Absage Kaffeeklatsch im Junkerhaus (Wellesweiler Arbeitskreis für Geschichte, Landeskund e u. Volkskultur e.V.)

Date: 2020/03/15 10:46:51
From: Michaela Becker <Michaela-Becker(a)gmx.net>

Der Kaffeeklatsch des Wellesweiler Arbeitskreises am Sonntag dem 29.03.2020 von 14 bis 18 Uhr wird aufgrund
des vorherrschenden Coronavirus abgesagt und auf einen
späteren Termin verschoben.
Termin wird rechzeitig vom Wellesweiler Arbeitskreis bekanntgegeben.
Vielen Dank für Ihr Verständnis!

MfG

i.A.

Michaela Becker
Schriftführerin
Wellesweiler Arbeitskreis für Geschichte,
Landeskunde u. Volkskultur e.V.

[Regionalforum-Saar] Schließung des Landesarchivs für den Publikumsverkehr

Date: 2020/03/16 17:37:21
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Achtung: Schließung des Landesarchivs für den Publikumsverkehr
16.03.2020
Sehr geehrte Benutzerinnen und Benutzer,

das Landesarchiv wird wegen der aktuellen Entwicklung ab Dienstag, 17. März 2020 bis zunächst Freitag, 24. April 2020, geschlossen bleiben. Aktuelle Informationen finden Sie jeweils hier auf unserer Website.
Telefonische und postalische Anfragen werden wir weiterhin bearbeiten. Der Leihverkehr mit Ämtern und Behörden sowie die Erstellung von dringend benötigten Kopien für Privatpersonen sind gewährleistet.

Wir danken für Ihr Verständnis!
Ihr Team vom Landesarchiv

https://www.saarland.de/SID-42E95114-96C15AE6/254281.htm

[Regionalforum-Saar] Monatstreffen der ASF am 31. M ärz wird coronatisiert.

Date: 2020/03/16 19:32:20
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Bonsoir,

 

u.a. aufgrund der Schließung des Landesarchiv Saarbrücken bis nach Ostern hat die Arbeitsgemeinschaft für Saarländische Familienforschung (ASF) ihr Monatstreffen am Dienstag, 31. März, abgesagt.

 

Der geplante Vortrag „30jähriger Krieg in Homburg“ von Prof. Jürgen Hüttermann wird zu einem späteren Zeitpunkt neu angesetzt.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Roland Geiger

[Regionalforum-Saar] wie schnell das geht

Date: 2020/03/23 13:10:02
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Salve,

im Regionalforum geht es um die Geschichte unserer Region. Um die ganz alte, die etwas neuere, aber auch die von vorgestern.

Ich weiß nicht, wie lange es das Forum geben wird. Ich hoffe, so lange ich lebe und jedes Jahr die 40 Euro aufbringen kann, mit denen es finanziert wird.
Also hoffentlich noch recht lange.

Alles, was hier geschrieben wird, wird auch archiviert und kann von angemeldeten Nutzern nachgelesen werden. Und so hoffe ich, daß vielleicht das ein oder andere irgendwann mal nachgeschlagen und als durchaus brauchbar angesehen und verwendet wird. Nicht allein deshalb setze ich diesen Artikel rein, der heute in der Saarbrücker Zeitung steht. Auf Seite 4, wo es um "Standpunkte" geht. Dort findet sich die Glosse, die ich oft mit Genuß lese (dort geht es heute um Wissenslücken - köstlich!). Darüber gibts einen Kommentar zur Auflösung von Bernd Höckes Flügel, m.E. ein schlechter Scherz hoch 3. Daneben die sich darauf beziehende Karikatur.

Tja, und darunter der Gastbeitrag, dem auch mein o.a. "Betreff" gilt.

Roland Geiger

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In der Corona-Krise hat sich der Rechtsstaat angesteckt

Von Markus Groß, stellvertretendes Mitglied des Verfassungsgerichtshofes des Saarlandes

Im Zeichen der Corona-Krise kommt das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben beinahe vollständig zum Erliegen. Mit Ausgangssperren und anderen drastischen Maßnahmen versucht der Staat die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen.

Die Krise ist die Stunde der Exekutive. Und so wie sie zur Hochform aufläuft, schalten die anderen Staatsgewalten auf Notbetrieb herunter. Für politische Willensbildung in den Parteien lässt die exponentielle Ausbreitung des Virus weder Raum noch Zeit. Abstand ist das Gebot der Stunde. Dabei erleben wir die intensivsten flächendeckenden Grundrechtseingriffe der (westdeutschen) Nachkriegsgeschichte. Grenzen werden geschlossen, die Versammlungsfreiheit ist suspendiert, die Freizügigkeit massiv eingeschränkt. Selbst Kirchen, Synagogen und Moscheen sind geschlossen, von der Berufs- und Gewerbefreiheit ganz zu schweigen. Es braucht keinen Virologen, um festzustellen: der Rechtsstaat hat sich angesteckt.

Freilich gewährt die Verfassung dem einzelnen keine schrankenlose Freiheit, schon einem geordneten Zusammenleben wegen. Die Grundrechte sind zugleich eine objektive Wertordnung. Daraus resultiert die unmittelbare Pflicht zum Schutz von Leben und Gesundheit. Der Staat darf die Freiheit beschränken, wenn er eine gesetzliche Grundlage besitzt und sein Handeln dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Verhältnismäßig ist heute – so scheint es –, was die Virologen sagen, auch wenn die demokratisch legitimierten Regierungen zu entscheiden haben. Vielleicht werden sie Recht behalten. Vielleicht. Vieles ist ungewiss, angefangen von der Zahl der Infizierten über die tatsächliche Sterblichkeitsrate bis hin zur wahren Gefährlichkeit. Wo stehen wir auf der Skala? Nah an der Grippe oder doch eher bei Ebola? Droht dem leistungsfähigeren deutschen Gesundheitssystem der Kollaps wie in Italien? Die Verfassung gesteht dem Staat einen weiten Einschätzungsspielraum zu. Doch je intensiver der Eingriff in die Freiheitsrechte, desto valider muss die Tatsachgrundlage, desto höher die Wahrscheinlichkeit eines schweren Schadens sein. Verhältnismäßigkeit verpflichtet zum Rückgriff auf das mildeste Mittel. Daran muss sich jede Maßnahme messen lassen. Und das mildere Mittel muss konsequent mit allen Instrumenten des Rechtsstaats durchgesetzt werden, bevor das ultima ratio zum Tragen kommt. Das weckt Zweifel an der Verbotsspirale, die sich in einem politischen Überbietungswettbewerb nur in eine Richtung dreht. Ende ungewiss.

Besorgniserregend ist die atemberaubende Geschwindigkeit, in der die Exekutive wesentliche Elemente des demokratischen Rechtsstaats im Alleingang außer Vollzug setzen konnte. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes dürften sich anderes vorgestellt haben, als sie nach den Erfahrungen in der NS-Diktatur Gewaltenteilung und Föderalismus festgeschrieben haben. Das mahnt zur Wachsamkeit. Auch in der Krise tragen wir Verantwortung für den Rechtsstaat. Gerade dann. Aber richten wir den Blick auf die Zeit „danach“. Wird die Corona-Krise Drehbuch zukünftiger Katastrophen sein? Werden sich die Maßstäbe verändern? Die roten Linien weiter hinaus geschoben? Das nächste Virus, die nächste Krise kommen bestimmt. Man will nicht daran denken, wer dieses Land einmal regieren könnte.

erschienen in der Saarbrücker Zeitung vom 23.03.2020, Seite A4


[Regionalforum-Saar] Im Transit auf dem Ozean. Schiffszeitungen als Dokumente globaler Verbindungen im 19. Jahrhundert

Date: 2020/03/23 20:56:03
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Im Transit auf dem Ozean. Schiffszeitungen als Dokumente globaler Verbindungen im 19. Jahrhundert

Autor Johanna Beamish,
Erschienen Göttingen 2018: Campus Verlag
Anzahl Seiten 272 S.
Preis € 43,00
ISBN 9783593509495

Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von: Volker Barth, Universität des Saarlandes

Im Zentrum von Johanna Beamishs Untersuchung steht mit den Schiffzeitungen des 19. Jahrhunderts eine ebenso ungewöhnliche wie randständige Quellengattung. Es handelt sich um Zeitungen, die von den Passagieren interkontinentaler Segel- und Dampfschiffe verfasst und herausgegeben wurden. Diese Zeitungen, so eines der zentralen Argumente der vorliegenden Untersuchung, halfen die Phase des Transits zu bewältigen. Beamish liest sie daher explizit als Quellen der Erfahrung und Verarbeitung des Globalisierungsschubs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Dies überrascht insofern, als die von der Autorin untersuchten Zeitungen ausschließlich von britischen Schiffen stammen. Sie wurden auf den langen Strecken zwischen den Britischen Inseln und weit entlegenen Empire-Standorten wie Indien und Sri Lanka, Australien und Neuseeland angefertigt. Von diesen Dokumenten, die während der Reise zumeist handschriftlich verfasst und in vielen Fällen nach Ankunft am Zielort noch einmal gesondert nachgedruckt wurden (S. 48), hat Beamish etwa 150 ausgewertet, deren Großteil sie in Archiven in Australien und Neuseeland aufgespürt hat. Auch der Untersuchungszeitraum, der sich ungefähr von 1830 bis 1900 erstreckt, und weitgehend mit dem Viktorianischen Zeitalter übereinstimmt, verweist eher auf eine Studie zum britischen Empire als zur „Verwandlung der Welt“ im 19. Jahrhundert. Die Autorin begründet die chronologischen Grenzen jedoch auch damit, dass mit der Verbreitung des Funkverkehrs in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Bedeutung der Schiffszeitungen nachhaltig geschwächt wurde.

Im Zentrum des Interesses steht die „Transiterfahrung der Passagiere während interkontinentaler Überfahrten im 19. Jahrhundert“ (S. 8). Beamish begreift Transit als eine Phase des Dazwischen und damit als Etappe der Moderation zwischen Abfahrts- und Zielort. Diese in vielen Fällen mittels der Schiffszeitungen geleistete Moderation sei sowohl auf Grund der Dauer der Überfahrt als auch wegen der Erwartung und Imagination eines neuen Lebensabschnitts am Zielort nötig geworden. Daher untergliedert die Autorin ihre Arbeit wie die verschiedenen Etappen einer Schiffsreise in Abfahrt, Transit und Ankunft. Diese Gliederung wird von zwei Kapiteln durchbrochen, die sich der gelungen bzw. oft auch misslungen Konstituierung einer Passagiergemeinschaft während der Überfahrt widmen. Die „Bewältigungsstrategien“ (S. 228) der Passagiere im Transit sind somit das zentrale Thema der Untersuchung.

Die Notwendigkeit einer Bewältigung resultierte dabei neben der Dauer der Reise auch aus dem begrenzten und besonderen Raum, welcher sich durch die soziale Interaktion der Passagiere auf den Schiffen konstituierte. Denn die „Paradoxie von gleichzeitiger Veränderung und Einförmigkeit“ (S. 8) stellte für die meisten Reisenden eine genuin neue Erfahrung dar, mit der sie lernen mussten umzugehen. Gefragt wird daher, wie sich dieser „soziale Mikrokosmos“ (S. 9) innerhalb der Überfahrt konstituierte und entwickelte und welche Rolle die Schiffszeitungen als Vergesellschaftungsorgan dabei spielten. Es ist das Zusammenspiel von „Be- und Entschleunigungsprozessen“ (S. 24), die sich aus dem sozialen Raum des Schiffes, der nur wenig Identifikationsmöglichkeiten bot, und dem vermittelnden Medium der Schiffszeitung ergab, der im Mittelpunkt steht.

Beamish weist immer wieder darauf hin, dass die Vergemeinschaftungsprozesse auf klare Grenzen stießen. Diese waren zumeist sozialer Natur und spiegelte sich in der Untergliederung der Passagiergemeinschaft in verschiedene Reiseklassen. So zeichneten für die Redaktion der Zeitungen nahezu ausschließlich Passagiere der 1. und 2. Klasse verantwortlich, während die Passagiere des Zwischendecks mit anderen Tätigkeiten beschäftigt waren. Beamish streicht heraus, dass die ersten Tage nach Beginn der Reise für das Entstehen der Passagiergemeinschaft, die im Verlauf der Überfahrt von „reading communities“ der Schiffszeitungen (S. 53) ergänzt bzw. erweitert werden konnte, entscheidend waren. In Übereinstimmung mit Grundannahmen des spatial turns versteht die Autorin Raum dabei bewusst nicht als Container, sondern als das Produkt sozialer Interaktion. „Dabei mussten sich die Passagiere dem physischen Raum des Schiffs zwar anpassen und unterwerfen, doch der soziale Raum wurde durch sie hervorgebracht, von ihnen gestaltet und im Rahmen ihres jeweiligen Handlungsspielraums verändert.“ (S. 120)

Der temporäre soziale Raum der Passagiergemeinschaft wurde in den Schiffszeitungen sowohl beschrieben und erzeugt als auch erfahrbar und zugänglich gemacht. Deutlich wird dabei, wie die Schiffszeitungen – auch mit zunehmender Dauer der Überfahrt – als Medien der Selbstvergewisserung fungierten. Je weiter sich die Passgiere von der Heimat entfernten, desto notwendiger wurde es für sie, sich eigener Überzeugungen und kultureller Traditionen zu versichern. So wurde u.a. die angemessene Kleidung thematisiert, mit der man sich nach dem Baden auf dem Schiff bewegen sollte (S. 137). Beamish interpretiert dies als Gradmesser der eigenen Zivilisation im Vergleich zur Exotik der ‚neuen‘ Welten, auf die sich die Reisenden zubewegten. Auf diese Weise fungierten die Zeitungen nicht zuletzt als „imaginierte Verbindungen zum Festland“ (S. 147). Sie „moderierten“ die Transiterfahrungen der Passagiere und sind daher Zeugnisse, „wie die Akteure den Entstehungsmoment globaler Verbindungen im Transit erlebten“ (S. 234).




[Regionalforum-Saar] Preußen an der Saar. Eine k onfliktreiche Beziehung (1815–1914)

Date: 2020/03/30 21:28:15
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Preußen an der Saar. Eine konfliktreiche Beziehung (1815–1914)


Herausgeber Clemens, Gabriele B.; Kell, Eva
Reihe Veröffentlichungen der Kommission für Saarländische Landesgeschichte 50
Erschienen Saarbrücken 2018: Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung e.V.
Anzahl Seiten 295 S.
Preis € 19,80
ISBN 978-3-939150-11-4
ISBN 0454-2533

Inhalt meinclio.clio-online.de/uploads/media/book/toc_book-58113.pdf

Rezensiert für H-Soz-Kult von Georg Eckert, Historisches Seminar, Bergische Universität Wuppertal / Historisches Institut, Universität Potsdam

Preußens Memoria an der Saar ist verblasst. Ohnehin war das Interesse, an die einhundertdrei borussischen Jahre seit dem Wiener Kongress zu erinnern, meist eher gering. Einen Grund dafür benennt der Untertitel des nun erschienenen Buches: „Eine konfliktreiche Beziehung“. Seine konzisen Beiträge thematisieren Divergenzen des saarländischen Teils der neuen Rheinprovinz – aber auch so manche Konvergenzen mit dem preußischen Gesamtstaat, die am Ende sogar in der Erinnerungspolitik sichtbar wurden. Ihr gelten zwei der insgesamt dreizehn Aufsätze des Sammelbandes mit seinen politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Aspekten.

Die knappe Einleitung der Herausgeberinnen erläutert die Thesen der einzelnen, thematisch wie methodisch weitgespannten Beiträge und weist sporadisch auf den Forschungskontext hin, den das Buch in gewisser Weise erst schafft. Daher mag ihr Verzicht auf programmatische Ausführungen sowie eine Binnengliederung der interdisziplinären Aufsätze rühren. Warum die letzten vier preußischen Jahre von 1914 bis 1918 nicht einbezogen sind, ist eine unbeantwortete Frage, die nicht nur ein Laie stellen könnte. Ihm dürfte freilich ebenso wie Fachkundigen das Personen- und Ortsregister helfen, an Vorwissen anzuknüpfen; am häufigsten werden Napoleon I., Wilhelm I. und Friedrich Wilhelm III. aufgelistet. Darin drücken sich Schwerpunkte aus: die prägende französische Vorgeschichte des einstigen Départements, die Übernahme der Saar und ihre Profilierung im Zuge der preußischen und deutschen Nationalstaatsbildung.

Gabriele B. Clemens und Katharina Thielen beschäftigen sich mit politischen Handlungsmöglichkeiten der Saarbürger, die nach der Niederlage Frankreichs sogar Emissäre zu den Alliierten nach Paris sandten. Immerhin hatten sie von Napoleons Herrschaft profitiert, unter anderem durch den günstigen Ankauf von Nationalgütern und die Anbindung ans Kontinentalsystem. Die preußische Inbesitznahme betrieb Brüche, indes auch Kontinuitäten; ein radikaler Ämtertausch blieb aus, eine partizipatorische Verlusterfahrung entstand dennoch – das Verfassungsversprechen blieb unerfüllt, im Provinziallandtag ließen sich saarländische Interessen kaum wirkungsvoll vertreten. Mitwirkung fand im Kleinen statt, liberale Hoffnungen ins Große enttäuschten die adelsfreundlichen neuen Landesherren im Vormärz.

Wie – und überhaupt: dass – die Hohenzollern ihre dazugewonnenen Westprovinzen systematisch bereisten, macht Jürgen Herres’ Beitrag nachvollziehbar. Die preußischen Könige präsentierten sich an der Peripherie und ließen sich von dort immediat ins Zentrum berichten: durch monatliche Schreiben von Behörden, die Akzeptanzprobleme der neuen Herrschaft nicht verschwiegen. Der spätere Wilhelm I. bemühte sich nach 1848 intensiv um die Rheinprovinz, diese sich insbesondere um den gerade ausgerufenen Kaiser.

Komplex war also die Integration ins preußische Königreich: eine Interaktion von Systemen mit eigenen Traditionen und Personen mit eigenen Interessen. Thomas Gergens Studie widmet sich der Rechtsrezeption bzw. den Translationen. Die Absicht des Ministers, das Allgemeine Landrecht sogleich auf die neuen Staatsteile zu übertragen, durchkreuzte eine Immediat-Justiz-Kommission; spätere Initiativen einer gänzlichen Überschreibung des rheinischen, einst französischen Rechts scheiterten ebenfalls. Eine konsequente Angleichung bewirkte erst die Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches; unterdessen blieb das rheinische Recht teils in Kraft, teils beeinflusste es sogar die Fortschreibung des preußischen Zivil- und Strafprozessrechts.

Gegen die borussische Erfolgs-Erzählung, die Wirtschaftsentwicklung an der Saar bewirkt zu haben, wendet sich Ralf Bankens Analyse der Industrialisierung. Sie stellt zumal Vor- und Nachteile des nun eingerichteten Staatsbergbaus dar; für Arbeitnehmer waren damit manche Fortschritte verbunden, Hemmnisse indes vor allem für die technische Innovation. An diese Einordnung der Montan- und Hüttenindustrie schließen zwei arbeitergeschichtliche Beiträge an. Fabian Trinkaus schildert die Ausdifferenzierung der Arbeiterschaft auch jenseits der Arbeitsstelle – von Versuchen der Arbeitgeber, ihr Personal etwa durch Werkswohnungen an sich zu binden, bis hin zur Konkurrenz der Arbeitnehmer untereinander. Freiräume eigenständigen Handels belegen auch Frank Hirschs Erkundungen von Protest und Devianz: Dass Sulzbacher Arbeiter nach einer Arbeitsniederlegung im Jahre 1872 auf Lohnnachzahlung für die Streiktage bestanden, belegt ihr Selbstbewusstsein – das wiederum die Wahrnehmungsmuster von Unternehmen, Staat und Presse strukturierte: Sie versuchten die aufrührerische Arbeiterschaft zu desorganisieren.

Wirtschaftliche Prozesse erwähnt ebenfalls Torsten Mergens Untersuchung der Saar als literarischen Raum, in dem nach 1918 so manche gegen die Abtrennung der Saar von Preußen anschrieben. Indem sie sich nicht auf „große“ Literatur konzentriert, sondern auf literarische Prozesse bis hin zu Produktion und Vertrieb, wird unter anderem die Publikationspolitik der preußischen Bergwerksdirektion verständlich.

Die beiden folgenden Beiträge verbindet ihr Thema, die im frühen 19. Jahrhundert so neuralgische Wehrpflicht. Bernhard Schmitt konzentriert sich auf den Übergang von französischer Herrschaft, die einen Ersatzmann erlaubt hatte, in die preußische, die keine Ausnahmen vorsah, aber genauerer Durchführungsvorschriften ermangelte. Das bewirkte allseitige Unsicherheit; die preußische Regierung reduzierte Maximalforderungen, indem sie etwa eine Heimatstationierung der Eingezogenen zuließ. Solche Anpassungen trugen zu weitgehender Akzeptanz der Wehrpflicht bei, gewiss auch die niedrigen Aushebungsquoten; nur in Grenznähe war die Zahl der Refraktäre erhöht. Die neue Rheinprovinz verfügte über umfassendere Erfahrungen als Preußen, das diese Lektionen freilich zu nutzen verstand: etwa durch Übernahme des Losverfahrens. Längerfristig orientiert ist die Untersuchung von Rolf Wittenbrock, derzufolge die Wehrpflicht dauerhaft hingenommen wurde; für die Übergangsphase macht sie indes eine erhöhte Quote an Wehrpflichtigen aus, die sich dem Dienst zu entziehen suchten, besonders in Saarlouis, wo ein bis 1821 garantiertes Auswanderungsrecht einen Weg aus der Pflicht ermöglichte.

Alexander Hilperts aufschlussreicher Beitrag handelt vom Streit um die in einer römischen Villa bei Nennig vorgefundenen Inschriften und Malereien: eine archäologische Sensation des Jahres 1866, die allerdings der Trierer Bildhauer Heinrich Schaeffer fingiert hatte. Im gelehrten Streit um die Echtheit der Entdeckungen kollidierten national- wie wissenschaftspolitische Ansprüche. Hiesige Antikenforscher, die zudem luxemburgische Schützenhilfe erhielten, verteidigten die Echtheit der Entdeckungen vehement und machten deren Entlarvung zum eigentlichen Skandal; sie fürchteten eine feindliche Übernahme durch zentrale Fachexperten wie Theodor Mommsen, der „Dilettanten“ aus der Provinz zu entmachten suchte. Eine gewisse Versöhnung leistete erst die Einrichtung eines Provinzialmuseums in Trier, mit der zudem eine bevormundende Betreuung durch Bonner Gelehrte abgewendet werden konnte.

Der zeitgenössischen Erinnerungspolitik gelten die zwei folgenden Aufsätze. Michael Röhrigs Bestandsaufnahme der Nationaldenkmäler in Saarbrücken macht Dynamiken bei deren Errichtung verständlich, insbesondere den Wettstreit um Prestige auf nationaler und kommunaler Ebene – zwischen Orten, in denen Monumente aufgestellt wurden, aber auch innerhalb: in der Dimension der Denkmäler, ebenso in ihrer Finanzierung, städtisch bei der Saarbrücker Germania (1873), eher großbürgerlich beim Winterbergdenkmal (1874), eher kleinbürgerlich beim Obelisken für Friedrich III. (1888). Mit der malerischen Neuerfindung des indisponierten Empfangs, der den gerade proklamierten Kaiser erstmals auf deutschem Boden begrüßte, beschäftigt sich Bärbel Holtz’ instruktive Studie. Wilhelm I. sucht die nicht mehr so ganz neuen Provinzen enger an sich zu binden, indem der Zentralstaat die opulente lokale Historienmalerei koordinierte. Anton von Werner, der sein rapide wachsendes Ansehen in nicht minder rapide wachsende Honorarforderungen umzusetzen wusste, sollte die Schlacht von Spichern (1870) als kriegsentscheidende darstellen. Sein Zyklus von Monumentalgemälden wurde im Jahre 1880 im Saarbrücker Rathaus platziert, um die saarländische Geschichte der preußischen einzuzeichnen.

Schließlich blickt Joachim Conrad auf den Agendenstreit. Die Protestanten an der Saar, ohnehin schon eine Minderheit im katholischen Gebiet, hatten unterschiedlichen Kirchenregimentern unterstanden und suchten nach neuen Arrangements in der Preußischen Union; der Streit um Gottesdienstform und Kirchenorganisation schwelte jahrzehntelang.

So entsteht ein facettenreiches Bild der Saar innerhalb des preußischen Staates. Dass die Konflikte zahlreich scheinen, führt die Einleitung zu Recht auch auf die konsultierten Quellenarten zurück; es zeigen sich gleichwohl allerlei Kooperationen, etwa bei der relativen Akzeptanz der Wehrpflicht oder beim Versuch, Preußen und Saar erinnerungspolitisch zusammenzuführen. So bietet der Sammelband zahlreiche Ansatzpunkte für weitere Studien zur Geschichte dieser Region und der Rheinprovinz insgesamt, aber auch für Studien zur Geschichte anderer Regionen respektive Provinzen in Preußens. Eine komparative Perspektive hätte das vielfältige Buch noch spannender gemacht. Mit seiner verdienstvollen Grundlagenarbeit festigt es indes das Fundament für Vergleiche auch über Preußen hinaus.