Forcher, Michael; Haidacher,
Christoph (Hrsg.):
Kaiser Maximilian I..
Tirol, Österreich, Europa, 1459–1519.
Innsbruck 2018.
ISBN 978-3-7099-3444-9
Weiss, Sabine:
Maximilian I.. Habsburgs faszinierender Kaiser.
Innsbruck 2018. ISBN 978-3-7022-3709-7
Rezensiert für H-Soz-Kult von Maximilian Krüger, Historisches
Institut,
Universität Mannheim
Kaiser Maximilian I. aus dem Hause Habsburg (1459–1519) gehört
zu den
faszinierendsten Herrschern des Alten Reiches. Der Sohn Kaiser
Friedrichs III.
(1415–1493) und der portugiesischen Königstochter Eleonore
(1434–1467) lebte in
einer Epoche des Umbruchs, am Scheideweg zwischen Mittelalter
und Neuzeit. Der
auf vielen Ebenen sichtbare und spürbare Epochenumbruch spiegelt
sich dabei
nicht nur in seinem Leben, sondern auch in seiner
facettenreichen
Persönlichkeit. Altes und Neues mischte sich auf seltsame Weise
in diesem
widersprüchlichen Menschen. Zeitlebens blieb er, der das alte
höfische
Rittertum in Ehren hielt und um Frauenlob turnierte,
mittelalterlichen
Traditionen verhaftet. In gleichem Maße zeigte sich Maximilian,
als
humanistisch gebildeter Renaissancefürst, aufgeschlossen
gegenüber den Vorboten
der Moderne. Wie kaum ein anderer erfasste der Habsburger das
Potential des
gerade erfundenen Buchdrucks. Mit geradezu visionärem Blick
bediente er sich
des neuen Massenmediums, um die Gegenwart und Zukunft in seinem
Sinne zu
beeinflussen. Maximilian war ein Meister der Selbstinszenierung
und des Storytelling
und ließ sein Leben in literarischen und künstlerischen
Projekten verewigen,
auf dass seine papierenen Herolde der Nachwelt von der Größe des
maximilianischen Ruhmes künden sollten.
Wohl niemals zuvor hat ein Herrscher sein Leben autobiographisch
als
illustriertes Heldenepos darstellen lassen. Und episch war das
Leben des
Kaisers allemal. Sein, von Karl dem Kühnen (1433–1477)
entlehnter, Wahlspruch
lautete „Ich hab’s gewagt“. Und tatsächlich begann die
Geschichte Maximilians
mit einer ritterlichen Aventüre, als der achtzehnjährige
Erzherzog 1477 in die
Niederlande zog, um die Länder seiner burgundischen Braut Maria
(1457–1482)
gegen die französische Krone zu verteidigen. Burgund öffnete ihm
das Tor zur
Welt, es führte Maximilian und das Haus Habsburg aber auch auf
die Bahn der
großen europäischen Politik. Als römisch-deutscher König und
später als Kaiser
agierte Maximilian auf dem europäischen und globalen Spielfeld
von der Schweiz
bis auf den Balkan, von den Niederlanden bis nach Italien. Kreuz
und quer
reiste er durch halb Europa, zumeist im Sattel von
Streitrössern, da der Krieg
sein Leben bestimmte. Die großen Erfolge seiner Jugend hatten
ihn dazu
verführt, das Wagnis zu steigern und, zuweilen getrieben von
Hass und
Rachsucht, immer maßlosere Ziele ins Auge zu fassen. Nur mit
Mühe fand er, am
Ende seines Lebens, aus dem Labyrinth der aussichtslos
gewordenen Kriege
heraus.
Maximilian, der erste Medienkaiser und letzte Ritter, war ein
phantastischer
Realist. Mal jagte er einem imaginären Königreich
Österreich-Burgund nach; dann
wieder träumte er von einer Wiederherstellung des
karolingischen, ottonischen
und staufischen Reichs und der Aufrichtung der Reichsrechte in
Italien, um mit
der Kaiserkrönung einen gesamtchristlichen Kreuzzug gegen die
Türken
einzuleiten. Zeitweise spielte er mit dem kühnen Gedanken, sich
selbst zum
Papst krönen zu lassen. Dabei hat Maximilian, der
augenscheinlich mit vielen
seiner Unternehmungen gescheitert und dem sogar die
Kaiserkrönung versagt
geblieben war – worauf er sich kurzerhand selbst zum erwählten
römischen Kaiser
ausrufen ließ –, Bleibendes geschaffen. Maximilians geschickte
Hausmacht- und
Heiratspolitik begründete mit den spanischen und ungarischen
Hochzeiten den
Universaldominat und das Fundament der Donaumonarchie. Die
erfolgreiche
Königswahl von 1519, welche die Kaiserkrone und den Rechtstitel
auf das
christliche Weltreich für Jahrhunderte bei den Habsburgern
festhielt, krönte
schließlich sein politisches Lebenswerk.
Kaiser Maximilian hat mit seiner folgenreichen Universalpolitik
die europäische
Geschichte nachhaltig geprägt. Und doch ist dieser Habsburger,
in dem sich das
Erbe so vieler europäischer Identitäten mischte und der einem
internationalen
Familienunternehmen vorstand, in Europa und Deutschland
weitgehend vergessen
worden. In der deutschen Erinnerungskultur ist er kaum präsent.
Die biographische
Kenntnis des Reichsoberhaupts erschöpft sich in der
Turnierbegeisterung des
letzten Ritters, die allenfalls durch den 2014 erschienenen
Roman Ich,
Maximilian, Kaiser der Welt[1] oder den 2017
ausgestrahlten dreiteiligen
Fernsehfilm Maximilian – Das Spiel von Macht und Liebe[2], flankiert von der
Dokumentation Maximilian
– Brautzug zur Macht[3], aufgefrischt wurde. In
den einstigen
habsburgischen Stamm- und Erblanden und im süddeutschen Raum
hingegen ist die
Erinnerung an ihn – gerade dort, wo durch seinen Geldsegen
Holzstädte in
Steinstädte transformiert wurden – ungleich lebendiger
geblieben. Und so wird
das fünfhundertste Todesjahr des Kaisers auch vornehmlich in
diesen Regionen
begangen, wobei nicht nur Österreich, sondern auch Städte in
Bayern 2019 zum
Maximilianjahr ausgerufen haben und es mit Gedenk- und
Festveranstaltungen
(Gottesdienste, Theaterstücke, Musicals, Konzerte, historische
Stadtfeste etc.)
begehen. Österreich, Italien (Südtirol) und die Schweiz widmen
ihm mehrere
kleinere und größere Ausstellungen, die von Katalogen und einem
entsprechenden
Rahmenprogramm begleitet werden. Daneben wird es noch zwei
außereuropäische
Expositionen in New York[4] und in Tokio[5] geben; in Deutschland
richtet allein
Augsburg[6] eine eigene Schau aus.
Das Land Tirol würdigt den Kaiser mit einem umfassenden Kultur-
und
Veranstaltungsprogramm und betont unter dem Motto „Tiroler im
Herzen – Europäer
im Geiste“ sowohl die wechselseitige Verbundenheit, als auch die
Übernationalität des Habsburgers. Diese Perspektive nimmt auch
der von der
Landesregierung geförderte dreisprachige (deutsch, englisch,
italienisch) und
von Haymon verlegte Band Kaiser Maximilian I.: Tirol.
Österreich. Europa ein.
Vier Aufsätze zeichnen unter dem Paradigma des Dreigestirns
Tirol, Österreich
und Europa die Grundzüge seines Lebens nach. Zunächst würdigt
Christoph
Haidacher die maximilianische Universalpolitik und, vor dem
Hintergrund des
Epochenumbruchs, die Persönlichkeit des Kaisers. Anschließend
zeigt Michael
Forcher die vielfältigen Beziehungen zwischen Landesfürst und
Land sowie die
geografische Stellung Tirols als Brücke zwischen Österreich und
Europa auf.
Ferner stellt er die hohe Bedeutung heraus, die Tirol für
Maximilian als
Wirtschafts- und Rüstungsstandort und bevorzugtes Jagdgebiet
einnahm. Mit
Innsbruck als Residenz bildete es faktisch das Zentrum seiner
Regierung als
römisch-deutscher König und Kaiser. Stärker auf Österreich
bezieht sich der
dritte Beitrag von Christian Lackner, der den Haus
Österreich-Begriff und die
Inszenierung des Erzherzogtums, als Bezeichnung für das bunte
Konglomerat der
habsburgischen Erbländer, thematisiert. Aufmerksam gemacht wird
auch auf die
Auseinandersetzungen zwischen dem Landesherrn und den auf
politische
Partizipation drängenden Ständen, die sich, da sie „fast
ausschließlich in den
Dimensionen ihrer jeweiligen Länder dachten“ (S. 133),
mitnichten als Glieder
eines Körpers verstanden. Mark Mersiowsky und Ellen Widder
schließlich
skizzieren die Grundzüge der maximilianischen Ambitionen im
europäischen und
globalen Rahmen.
Die Ausführungen bleiben gerade im ereignisgeschichtlichen
Kontext auf das
Wesentliche konzentriert, wie auch viele Themen in Anbetracht
dieses
außergewöhnlichen Lebens nur gestreift werden (können). Dennoch
gelingt es den
Autoren und Autorinnen, die zuweilen höchst komplexen
Zusammenhänge in wenigen
Sätzen verständlich darzulegen. Zudem zeichnen sich alle
Beiträge durch einen
angenehmen Sprachstil aus. Freilich finden sich, bei aller
fachlichen
Kompetenz, hin und wieder Auffassungen, die bereits als überholt
gelten müssen.
Dies betrifft vor allem die Fortschreibung des starren
Schwarz-Weiß-Bildes von
Maximilians Gemahlinnen und die von älteren Erzähltraditionen
abgeleiteten
Wertungen. Da sich der von Michael Forcher und Christoph
Haidacher
herausgegebene Band explizit an eine breite Leserschaft richtet,
wird auf einen
wissenschaftlichen Apparat verzichtet. Nicht nachvollziehbar ist
gleichwohl,
dass die weiterführende Literatur lediglich sieben Titel
umfasst. Unberührt
davon bleibt freilich das Vermittlungsziel, Kaiser Maximilian
den Leser und
Leserinnen näherzubringen, so dass dieses Buch ein lebendiges
Bild von einem
der faszinierendsten Habsburger entwirft.
Maximilian I.: Habsburgs faszinierender Kaiser lautet der Titel
einer weiteren
von der Tiroler Landesregierung geförderten Publikation. Vorweg
sei angemerkt,
dass das Attribut „faszinierend“ der facettenreichen
Persönlichkeit des
Protagonisten durchaus gerecht wird. Was für ein
außergewöhnliches Leben
Maximilian gelebt hat, wird hier detailreich dokumentiert. Die
Autorin Sabine
Weiss hat 2010 einen Band über Bianca Maria Sforza (1472–1510)
veröffentlicht[7], der ebenso durch
Sachkenntnis und
sprachliche Klarheit überzeugt und sich an die vorliegende
Biografie vorzüglich
anfügt.
Der Inhalt gliedert sich sowohl in themenbezogene als auch in
chronologisch-biografische Kapitel, wie man sie ähnlich in
vergleichbaren
Darstellungen findet. Dabei hat die emeritierte Professorin den
bestehenden
Biografien keineswegs nur eine weitere hinzugefügt. Als
Standardwerk, an dem
man bei der Beschäftigung mit dem Habsburger nicht vorbeikommt,
gilt nach wie
vor die fünfbändige Arbeit von Hermann Wiesflecker.[8] Gerne greift man für
einen schnellen
Überblick auch zu der bei Kohlhammer verlegten Biografie seines
Schülers
Manfred Hollegger.[9] Doch hiervon
unterscheidet sich die
strukturelle Aufbereitung bei Weiss essentiell darin, dass sich
die 15 Kapitel
aus zahlreichen kleineren Einheiten zusammensetzen, die
hinsichtlich ihrer
Länge teilweise erheblich variieren. Das Kapitel Die Mailänder
Heirat. Eine
Mesalliance zur Finanzierung der Kaiserkrönung (S. 79–108) etwa
umfasst nahezu
50 Texte: unter anderem zu den Verbindungen zwischen
Habsburgern, Visconti und
Sforza, Kurzbiografien der Vorfahren und Verwandten von Bianca
Maria Sforza,
Anmerkungen zu ihrer Ausbildung, ihrer Hochzeit mit Maximilian,
ihrer
Brautausstattung (Schmuck, Silbergerät für Tafel und Zimmer,
Ausstattung für
Kapelle und Altar, Kleidung, Bettzubehör, Zimmerausstattung,
Gegenstände für
die Toilette, Freizeitbeschäftigung), zur Bedeutung Italiens für
die
kaiserliche Politik wie auch zum weiteren Schicksal des
Herzogtum Mailands als
Zankapfel der europäischen Mächte. Der Band erscheint damit
nicht als
klassische Biografie, was seitens der Autorin auch keineswegs
intendiert ist.
Indem er sich nicht auf ereignisgeschichtliche Aspekte
beschränkt, sondern auch
kultur-, kunst- und gesellschaftsgeschichtliche Themen aufnimmt,
wird er
vielmehr um die Eigenschaften eines anschaulich illustrierten
Nachschlagewerks
erweitert.
Das Buch spiegelt den gegenwärtigen Stand der Forschung, was
nicht ausschließt,
dass manche der von Weiss vertretenden Positionen – zum Beispiel
im Kapitel Maximilian
und die Frauen. Von der Mutter bis zu den Konkubinen (S.
271–302) – kontrovers
diskutiert werden.[10] Unabhängig davon hat
die Autorin nicht
nur ein Buch für ein interessiertes Laienpublikum geschrieben;
sie hat
gleichermaßen allen, die sich mit dem Leben und der Zeit Kaiser
Maximilians
beschäftigen, ein nützliches Rüstzeug an die Hand gegeben.
Anmerkungen:
[1] Peter Prange, Ich,
Maximilian, Kaiser der
Welt, Frankfurt am Main 2014.
[2] Maximilian – Das Spiel von
Macht und Liebe.
Regie: Andreas Prochaska; Drehbuch: Martin Ambrosch,
Österreich/Deutschland: MR
Film, 2017.
[3] Maximilian – Brautzug zur
Macht (ORF) /
Liebe, Geld und Macht – Maximilian I. (ZDF) / Maximilien
d’Autriche – Amour et
pouvoir à la Renaissance (ARTE). Regie: Manfred Corinne;
Drehbuch: Michaela
Ronzoni, Österreich: MR Film, 2017.
[4] The Last Knight: The Art,
Armor, and
Ambition of Maximilian I. Ausstellung im Metropolitan Museum of
Art New York
vom 7. Oktober 2019 bis 5. Januar 2020.
[5] The Habsburg Dynasty: 600
Years of Imperial
Collections. Ausstellung im Nationalmuseum für westliche Kunst
Tokio vom 19.
Oktober 2019 bis 26. Januar 2020.
[6] Maximilian I. (1459–1519).
Kaiser. Ritter.
Bürger zu Augsburg. Ausstellung im Maximilianmuseum Augsburg vom
15. Juni bis
15. September 2019.
[7] Sabine Weiss, Die
vergessene Kaiserin.
Bianca Maria Sforza, Kaiser Maximilians zweite Gemahlin,
Innsbruck 2010.
[8] Hermann Wiesflecker, Kaiser
Maximilian I.
Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit, 5
Bde., Wien
1971–1986; Ders. Maximilian I. Die Fundamente des habsburgischen
Weltreiches,
Wien 1991.
[9] Manfred Hollegger,
Maximilian I.
(1459–1519). Herrscher und Mensch einer Zeitenwende, Stuttgart
2005.
[10] Verwiesen sei in diesem
Zusammenhang auf
den Beitrag von Christina Antenhofer im Rahmen der von der
österreichischen
Akademie der Wissenschaften, der Universität Innsbruck, der
Universität Wien
und der Stadtmuseen Wels ausgerichteten internationalen Tagung
Maximilian I.
(1459–1519). Person, Brüche und Umbrüche einer Brückenzeit in
Innsbruck, Wels
und Wien vom 18. bis 23. März 2019.