Monatsdigest

[Regionalforum-Saar] Sammelrez: Mittelalterliche Zukunftsgestaltung und Zeitwahrnehmung

Date: 2017/08/01 22:12:57
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Schmieder, Felicitas (Hrsg.): Mittelalterliche Zukunftsgestaltung im
Angesicht des Weltendes. Forming the Future Facing the End of the World
in the Middle Ages (= Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 77).
Köln: Böhlau Verlag 2015. ISBN 978-3-412-50245-4; 170 S.; EUR 35,00.

Inhaltsverzeichnis:
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/media/beitraege/rezbuecher/toc_26676.pdf>

Czock, Miriam; Rathmann-Lutz, Anja (Hrsg.): ZeitenWelten. Zur
Verschränkung von Weltdeutung und Zeitwahrnehmung 750-1350. Köln: Böhlau
Verlag 2016. ISBN 978-3-412-50528-8; 262 S.; EUR 45,00.

Inhaltsverzeichnis:
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/media/beitraege/rezbuecher/toc_26747.pdf>


Rezensiert für H-Soz-Kult von:
Julia Eva Wannenmacher, Forschungsstelle Jeremias Gotthelf, Universität
Bern
E-Mail: <julia.eva.wannenmacher(a)rz.hu-berlin.de>

Während MediävistInnen der letzten Jahre viel Gelegenheit hatten, vom
spatial turn und manche anderen Wendungen hin- und hergerissen zu sein,
sind die Dimensionen des temporal turn, wie es scheint, noch längst
nicht alle vermessen, und gerade mit Blick auf die mittelalterliche
Zeitanschauung herrscht ein oft viel zu eindimensionales Bild
mittelalterlicher "Zeitenwelten" vor.

"Was ist die Zeit?" fragt der Münchner Computus[1], eines der
bedeutendsten mittelalterlichen Lehrwerke zur mittelalterlichen
Zeitrechnung, und gibt selbst die Antwort darauf: "Die Zeit ist die
Spanne, die sich vom Anfang bis zum Ende erstreckt" - eine vielsagende
Antwort. Während heutige Vorstellungen die Zeit vor allem als fließenden
Ablauf begreifen, deren einziger, vermeintlicher Fixpunkt die sich stets
wandelnde Gegenwart ist, verdeutlicht die Formulierung des
mittelalterlichen Verfassers die grundsätzliche Andersartigkeit
mittelalterlicher Zeitvorstellungen, bedingt durch das teleologische
Weltbild der christlich-jüdischen Welt, das die Weltgeschichte als von
einem bestimmten Anfang auf ihr vorbestimmtes Ziel hin ablaufen sieht.

Naturgemäß ist es bei einem solchen Zeitverständnis besonders
naheliegend, die eigene Gegenwart darin verorten und sich auf die nahe
und fernere Zukunft vorbereiten zu wollen. Dies "im Angesicht des
Weltendes" zu tun, wie es der Titel des von Felicitas Schmieder (als
Ertrag eines 2013 am Internationalen Kolleg für Geisteswissenschaftliche
Forschung "Schicksal, Freiheit und Prognose. Bewältigungsstrategien in
Ostasien und Europa" der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg abgehaltenen Workshops) herausgegebenen Bandes
formuliert, bedeutet bei weitem nicht immer das Heraufbeschwören
apokalyptischer Szenarien vor einer möglichst bedrohlichen
Endzeitkulisse, das vielgenannte Heulen und Zähneklappern angesichts zu
erwartender Antichristen und Höllenstrafen. Ganz im Gegenteil zeitigt es
ein überaus nüchternes und zukunftsorientiertes Planen und Gestalten der
Gegenwart. Zeit wird kostbar, wenn sie knapp wird - und die Endlichkeit
der Zeit, die eine Konstante mittelalterlicher Zeitenwelten ist, macht
die große Bedeutung dieser nicht erneuerbaren Ressource nur umso klarer.
Statt Weltflucht, wie sie die Fokussierung auf ein nahes Weltende
denkbar erscheinen lassen könnte, finden wir in den meisten der von den
Autorinnen und Autoren des Tagungsbands untersuchten Texte ganz im
Gegenteil eine entschlossene Zugewandtheit zu einer Welt, über deren
Plan und Abläufe die Protagonisten mit Blick auf ihr Ende ein tieferes
Verständnis gewinnen wollen. Die Herausgeberin wiederholt dabei die 2001
von Johannes Fried aufgestellte These[2], dass gerade die apokalyptische
Weltsicht der Ursprung des Fortschrittsgedankens im lateinischen
Mittelalter gewesen sei, und die die Beiträge mit unterschiedlichen
Herangehensweisen an mehreren Textgenera exemplifizieren.

Der zeitliche und geographische Rahmen der Beiträge erstreckt sich vom
frühmittelalterlichen Irland bis zu den böhmischen Hussiten im 15.
Jahrhundert. Wieviel Neues das bei MediävistInnen so beliebte
Durchdeklinieren der Koselleck'schen These noch bringen mag, sei
dahingestellt[3]; durch die teilweise ungewöhnliche Auswahl von Quellen
und Medien und durchaus originelle Herangehensweisen der Autoren vermag
der Band einem allzu bekannten Gegenstand dennoch neue Facetten
abzugewinnen - auch wenn das Fazit, das die Beiträge fast durchweg eint,
in seiner Nüchternheit geradezu modern anmutet: So entsteht ein Bild des
Mittelalters, das trotz oder vielmehr mit Fried gerade wegen des vor
Augen stehenden Weltendes ein sehr aktives Interesse an der Gestaltung
der Zukunft als künftiger Gegenwart hatte und in seiner Gesamtheit darum
weder neu noch revolutionär ist oder es zu sein bestrebt, sondern dem
bereits im Entstehen begriffenen, neuen Bild dieses zukunftsorientieren
Mittelalters interessante Facetten hinzufügt.

"The nature of the End had been revealed by Christ and through the
Apocalypse of John, the nature of the future before the End had not",
stellt Elizabeth Boyle für das mittelalterliche Irland fest (S. 32), für
das sie Texte verschiedenster Quellengattungen untersucht hat, die sich
mit Zukunftsgestaltung befassen und die individuelle und die
eschatologische Zukunft kaum miteinander in Beziehung setzen. Barbara
Schlieben geht neue Wege, indem sie drei Texte  unterschiedlicher
Gattungen, aus ganz verschiedenen Entstehungskontexten, die jedoch alle
die Gegenwart im Blick haben, "auf ihr prognostisches Potenzial" (S. 35)
untersucht, die sich vor allem auf die unmittelbare Zukunft beziehen,
ohne unbedingt das Weltende im Blick zu haben. Anke Holdenried erklärt
die "moralische [...] Herangehensweise an das Zukünftige" bei Hugo von
St. Vicor und Petrus Cantor als Ausdruck einer mittelalterlichen
Geisteshaltung, wobei sie, die sich als Erben der Kirchenväter
verstehen, utopische Lesarten der Zukunft strikt vermeiden und sie
lieber als Ort der Läuterung darstellen. Angst vor dem Ende als
Gegenwartskritik konstatiert Hans-Christian Lehner in den von ihm
untersuchten Chroniken. Ähnlich ist das Fazit Susanne Ehrichs bei der
Interpretation der Chorfenster der Frankfurter Marienkirche (im Bildteil
farbig), die durch die Gegenüberstellung der beiden Zukunftsalternativen
die Gläubigen zu Buße und Läuterung veranlassen wollen. Im Spannungsfeld
zwischen Endzeitpredigt und Kirchenreform stehen auch die beiden
Beiträge von Ulrike Wuttke über den niederländischen Autor Jan van
Boendale und Pavlina Cermanova über apokalyptische Prophetie im
Hussitismus.

Zusätzlich zu den Abstracts, die jedem der Beiträge in der jeweils
anderen Sprache des deutsch-englischen Bandes hinzugefügt sind, verfügt
der Band über ein Personenregister und Kurzbiographien der Autorinnen
und Autoren.

Andere inhaltliche Schwerpunkte setzen die Beiträge im ein Jahr später
erschienenen Band "ZeitenWelten. Zur Verschränkung von Weltdeutung und
Zukunftswahrnehmung, 750-1350", der auf eine Tagung zurückgeht, die die
Herausgeberinnen Miriam Czock und Anja Rathmann-Lutz 2015 organisierten;
gleichzeitig versteht er sich als Ertrag eines gleichnamigen
DFG-Projekts an der Universität Duisburg-Essen aus den Jahren 2012-2015.
Zeit und Zeitlichkeit, Deutungszusammenhänge und wechselseitige
Bezugsetzungen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft stehen auch hier
im Fokus. Während die Beiträge der "Mittelalterlichen
Zukunftsgestaltung" in der Nachfolge Frieds demonstrierten, dass die
Erwartung eines nahen Weltendes kein erstarrtes Warten und keine Abkehr
von der Welt mit sich brachte, sondern im Gegenteil zum Anlass für
energische Durchstaltung der Gegenwart werden konnte, loten die
Autorinnen und Autoren um Miriam Czock und Anja Rathmann-Lutz die Tiefen
mittelalterlicher Zeitdimensionen aus und gehen der Frage nach, "wie die
Konstruktion von Zeit mit der Deutung von Welt zusammenhängt" (S. 9).
Die Zeit wird unter den Händen der Autorinnen und Autoren zu einem
formbaren Material, sie untersuchen die Verschränkung verschiedener
Zeitebenen, die aktive Gestaltung der Zeit in der Liturgie, die
Verschachtelung, Schichtung, Durchbrechung von Zeit und Zeitebenen, und
es ist kein Zufall, dass die Herausgeberinnen am Ende ihrer sehr
lesenswerten Einleitung "Sedimente, Verwerfungen, Verkrustungen, Aus-
und Aufbrüche ihres Materials" (S. 26) beschreiben und damit eher eine
archäologische Grabung oder eine geologische Exkursion zu beschreiben
scheinen. Vom gemeinen, im Vergleich mit diesen Ausführungen wenig
reizvollen Bild des mittelalterlichen Zeitverständnisses als einer
linearen Bewegung mit bekanntem Anfang und feststehenden Ziel bleibt bei
diesen Untersuchungen nicht viel übrig; sie zeigen, dass den
verschiedenen Lebenswelten des Mittelalters auch ebenso unterschiedliche
Zeitenwelten entsprachen, die nebeneinander existierten und sich
gegenseitig berühren und sogar durchbrechen konnten, die die Menschen
ebenso aktiv gestalten und messen konnten wie den Raum, den sie
durchmaßen.

Auch in diesem Band sprengen bei weitem die für diese Forschung
herangezogenen Quellengattungen und die Lebenswelten, denen sie
zugehören, den Erwartungshorizont, den man konventionell zur
Untersuchung von Zeitvorstellungen vor Augen hätte. Mit der Expertise
der Musikgeschichte, der Literaturwissenschaft oder der Paläographie
werden literarische, liturgische und hagiographische Texte ebenso
untersucht wie historiographische Texte und Visionsberichte. Während
Richard Corradini, Miriam Czock, Barbara Schlieben, Eva-Maria Butz und
Uta Kleine frühmittelalterliche Autoren wie Walafrid Strabo, Amalarius
von Metz oder Theodulf von Orléans betrachten, lädt Petra Waffner ein zu
einem "Spiel mit Zeit und Raum" (S. 179) im altfranzösischen Livre du
Sidrac, einem enzyklopädischen Werk des 13. Jahrhunderts, das die Zeit
in der Endzeit innehalten lässt, und Patrizia Carmassi zu einer
Zeitreise durch das hoch- und spätmittelalterliche Halberstadt und seine
Bibliothek, die Rückbesinnung und Neuaufbruch in liturgischen
Handschriften verschiedener Aufbewahrungsorte, doch identischer
Halberstädter Provenienz über mehrere Jahrhunderte hinweg nachverfolgen
lässt. Jörg Bölling zeigt die wechselseitigen Bezüge zwischen regnum und
sacerdotium, Zeremonie und Zeit am Beispiel der liturgischen
Petrusverehrung in der Salierzeit.

Angesichts der Fülle und der Neuartigkeit vieler der gezeigten Ein- und
Ausblicke in die Zeitenwelten des Mittelalters fällt es schwer, einzelne
der insgesamt neun Beiträge gesondert hervorzuheben; die Auswahl ist
notwendigerweise subjektiv. Besonders faszinierend fand ich - neben dem
vorgenannten Beitrag von Jörg Bölling -, wie Anja Rathmann-Lutz im
letzten Beitrag "Monastische Zeit - Höfische Zeit" im Umfeld des
kapetingischen Königtums das überraschende Nebeneinander und die
funktionale Verschmelzung dieser beiden Sphären und ihrer Zeitebenen
zeigt, die nicht nur linear aufeinander folgen mussten, sondern so
konstruiert werden konnten, dass "verschiedene Vergangenheiten,
Gegenwarten und Zukünfte [...] zur Legitimation des Klosters wie der
Dynastie miteinander verschmolzen" (S. 250).

Außer einer umfassenden Einleitung über mittelalterliche
Zeitvorstellungen, die durch eine ausführliche Bibliographie ergänzt
wird, erhält der Band gut benutzbare (und einmal nicht nur
schwarz-weiße, wie das Verlage sonst gern tun) Abbildungen, englische
Zusammenfassungen aller Beiträge und wenn auch knappe Personen-, Sach-
und Ortsregister, die seine Benützung angenehm gestalten.

Wie der zuvor besprochene Band besticht auch dieser durch sorgsam
zusammengestellte, einander gut ergänzende Beiträge, deren hohes Niveau
durchweg erfreut und das Fazit erlaubt, dass trotz einer langen
Forschungsgeschichte zum Thema mittelalterlicher Zeit- und
Endzeitvorstellungen längst noch nicht alles gesagt war. Und vor allem
der Band "ZeitenWelten" regt dazu an, die Fragestellung über das bisher
Gesagte hinaus zu erweitern: Denn schließlich liege, so stimmen
erstaunlicherweise fast alle der in beiden Bänden zu Wort gekommenen
mittelalterlichen Autorinnen und Autoren überein, die unmittelbare
Zukunft auch in unseren Händen. Vielleicht ist ja noch mehr zu erwarten.


Anmerkungen:
[1] Vgl. z.B. S. 18 des Beitrags von Elisabeth Boyle im hier
rezensierten, von Felicitas Schmieder herausgegebenen Sammelband (S.
17-32).
[2] Johannes Fried, Aufstieg aus dem Untergang. Apokalyptisches Denken
und die Entstehung der modernen Naturwissenschaft im Mittelalter,
München 2001.
[3] Zum Ursprung der von Reinhard Koselleck ins Leben gerufenen Debatte,
ihren Grenzen und Möglichkeiten vgl. den Beitrag von Barbara Schlieben
in: Schmieder (Hrsg.), Zukunftsgestaltung, S. 33-37.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Lioba Geis <lioba.geis(a)uni-koeln.de>

[Regionalforum-Saar] Länderkennzeichen vor der Pos tleitzahl gibt es seit 1999 nicht mehr

Date: 2017/08/02 08:49:21
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Guten Morgen,


habt Ihr das gewußt? Ich stolpere da eben drüber:


Was ist aus den Ländercodes geworden?

Die Angabe der Länderkürzel vor der Postleitzahl bei der Adressangabe auf Briefen und Paketen wurde offiziell am 1. September 1999 abgeschafft.


Aufgrund der automatisierten Anschriftenerkennung führte die Vielzahl der weltweit unterschiedlich verwendeten Ländercodes häufig zu Problemen bei der Sortierung und damit zu Verzögerung und Verärgerung bei den Kunden. Die Angabe des Bestimmungslandes unter der Ortsangabe ist ausreichend.


Damit Ihre Briefe ins Ausland reibungslos zugestellt werden können, verwenden Sie also kein Länderkürzel und beachten bitte folgende Hinweise zur Angabe des Ziellandes:

  • Position: in der letzten Zeile der Anschrift
  • Schreibweise: in Großbuchstaben ausgeschrieben, keine Länderkürzel
  • Sprache: Deutsch, Französisch oder Englisch

Quelle: https://www.deutschepost.de/de/b/briefe-ins-ausland/laenderkuerzel-laendercode.html


-- 
Mit freundlichen Grüßen
 
Roland Geiger
 
--------------------

Roland Geiger
Historische Forschung
Alsfassener Straße 17, 66606 St. Wendel
Tel. 06851-3166
email rolgeiger(a)aol.com oder alsfassen(a)web.de
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[Regionalforum-Saar] Rez. NG: S. Förster (Hr sg.): Vor dem Sprung ins Dunkle

Date: 2017/08/02 22:31:47
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Förster, Stig (Hrsg.): Vor dem Sprung ins Dunkle. Die militärische
Debatte über den Krieg der Zukunft 1880-1914 (= Krieg in der Geschichte
92). Paderborn: Schöningh 2016. ISBN 978-3-506-78266-3; 406 S.; EUR
54,00.

Inhaltsverzeichnis:
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/media/beitraege/rezbuecher/toc_25608.pdf>

Rezensiert für H-Soz-Kult von:
Holger Afflerbach, School of History, University of Leeds
E-Mail: <H.H.W.Afflerbach(a)leeds.ac.uk>

Stig Förster hat 1994 die deutsche Öffentlichkeit mit der These
überrascht, dass der deutsche Generalstab im späten Kaiserreich gewusst
habe, er werde den nächsten Krieg verlieren[1], und trotzdem habe er aus
einer Reihe von Gründen, aus Sozialkonservatismus und zur Erhaltung der
überhöhten sozialen Stellung des Militärs in Deutschland, auf den
Konflikt hingearbeitet. Nun hat Förster von drei erstklassigen
Fachleuten die militärischen Fachzeitschriften aus der Zeit von 1880 bis
zum Kriegsausbruch 1914 auswerten lassen unter der Fragestellung, was
sie für ein Kriegsbild hatten und wie sie sich den nächsten Krieg
vorstellten. Dabei wurden die deutschen Zeitschriften (wie zum Beispiel
das Militär-Wochenblatt, die Deutsche Heeres-Zeitung, die Deutsche
Revue, die Kavalleristischen Monatshefte, die Kriegstechnische
Zeitschrift, die Marine-Rundschau, et cetera) von Markus Pöhlmann, die
französischen Zeitschriften von Adrian Wettstein und die britischen von
Andreas Rose selektiv ausgewertet.

Förster schreibt in der Einleitung, die ursprünglich noch geplanten
Untersuchungen der österreichisch-ungarischen und russischen
Militärzeitschriften seien leider nicht zustande gekommen (S. 12f.). Das
ist natürlich sehr bedauerlich, diese Beiträge hätten dem Band
zusätzliches Gewicht gegeben und vielleicht sogar inhaltliche
Überraschungen bereitgehalten. Doch auch so handelt es um eine sehr
informative Untersuchung.

Das Kriegsbild aus einer Vielzahl von Fachzeitschriften zu ermitteln,
ist eine komplexe Aufgabe, da die Quellen keine eindeutige Antwort auf
die Frage nach dem Kriegsbild geben. Es kam den Militärexperten darauf
an, die Bedeutung der einzelnen Waffengattungen in einem Zukunftskrieg
zu evaluieren. Die Aufsätze befassten sich mit der zukünftigen Bedeutung
und Taktik der Waffengattungen, wie Infanterie oder Artillerie. Manchmal
entstanden auch Debatten, wie zum Beispiel über die beste Bewaffnung und
Gefechtstaktik der Kavallerie. Anhaltend wurde über den Wert der
Kavallerie in einem künftigen Krieg diskutiert und es wurden schwere und
sehr gut fundierte Zweifel über den künftigen Stellenwert dieser
traditionellen Waffengattung geäußert. Die Militärexperten untersuchten
auch die Rolle neuer Waffen wie Flugzeuge, Motorfahrzeuge,
Schlachtschiffe, Unterseeboote und andere Kriegsschifftypen und
spekulierten über ihre Bedeutung in künftigen Auseinandersetzungen.

Beim Lesen der Beiträge dieses Bandes wird sehr schnell deutlich, dass
die für militärische Fachleute geschriebenen Beiträge meist
Detailprobleme der militärischen Entwicklung behandelten, aber kein
strategisches Panorama entrollten. Die Autoren waren meistens
Spezialisten in ihrem Feld, wollten nicht spekulieren und hielten sich
daher an die Fakten. Daher entsteht hier, wie Förster in der Einleitung
schreibt, "kein zusammenhängendes Bild vom Krieg der Zukunft" (S. 17).
Die Debatten wurden auch stark durch die Kriegserfahrungen der Epoche,
durch den russisch-japanischen Krieg und besonders auch durch den
Burenkrieg, beeinflusst. Letzterer prägte besonders die britischen
Fachzeitschriften, die sich trotz auch zu findenden antiquierten
Ansichten von Kavallerieoffizieren, zu denen beispielsweise Douglas Haig
gehörte, meistens durch professionelle und realistische Analysen
auszeichneten.

Wenn auch Spekulationen über das Gesamtbild des künftigen Krieges
fehlen, wird doch sehr klar, dass der militärischen Fachwelt vor 1914
viele der waffentechnischen und taktischen Entwicklungen, die dann den
Ersten Weltkrieg prägen sollten, nicht verborgen geblieben waren. Sehr
deutlich wurde die Rolle der überwältigenden Feuerkraft - von
Artillerie, Maschinengewehren und Magazingewehren - gesehen und der
Einfluss, den sie auf das Schlachtfeld der Zukunft nehmen würde. Daher
auch die Kritik an der Kavallerie; ein Angriff zu Pferde gegen mit
modernen Feuerwaffen bewaffnete Infanterie schien schlichter Selbstmord.
In Großbritannien kam bei der Diskussion um den Krieg der Zukunft auch
die Debatte um die Wehrpflicht hinzu.

Die Mehrheit der hier ausgewerteten Artikel hatte, was das Gefecht der
Zukunft anging, zutreffende Vorstellungen. Es wird in den Beiträgen auch
deutlich, dass die zeitgenössische Beschreibung des Zukunftskrieges
durch Jan Bloch[2] von professionellen Militärs nicht etwa verlacht,
sondern in vielerlei Hinsicht als zutreffend angesehen wurde. Dies war
auch nicht erstaunlich, da Blochs sechsbändiges Werk auf der intensiven
Auswertung der internationalen Militärfachzeitschriften beruhte, also
auf demselben Quellenkorpus, der in diesem Buch hier untersucht wurde.
Doch wurden Blochs Schlussfolgerungen - dass Krieg nun unmöglich sei, da
er einem Selbstmord gleichkäme - nicht geteilt. Das Gegenargument war
wohl, man habe es nicht in der Hand, den Krieg abschaffen zu können,
also müsse man ihn vorbereiten und führbar machen, und dabei spiele dann
die Rolle der stärkeren Moral eine zentrale Rolle. Immerhin wurden
Blochs Thesen 1901 sogar in den Royal United Service Institution (RUSI)
in Whitehall diskutiert (S. 325-335, 329).

Im Vorwort von Stig Förster wird eine gewisse Frustration deutlich, dass
es "im Dunkeln" bleibe, wie sich die Autoren der Fachzeitschriften den
Verlauf eines Zukunftskrieges vorgestellt hatten (S. 17). Diese liegt
wohl daran, dass der Herausgeber (und auch der Rezensent) sehr gerne
gewusst hätten, wen die militärischen Fachleute für den wahrscheinlichen
Sieger des Zukunftskriegs hielten. Doch hier versagen die Quellen und
die Frage wurde auch von den Bearbeitern nicht wirklich gestellt - wohl
auch, weil es hier keine Antworten gab. Die Artikel der
Militärzeitschriften beschrieben den Zukunftskrieg bis zur ersten
Schlacht; dies ist von Pöhlmann und Wettstein für den deutschen und
französischen Fall klar herausgearbeitet worden. Gleichzeitig wird auch
klar, dass die militärischen Experten einen kurzen Krieg aus
wirtschaftlichen, sozialen und politischen Gründen für absolut notwendig
und wünschenswert, aber keinesfalls für leicht erreichbar hielten.
Pöhlmann meint, die Mehrheit der deutschen Autoren habe eine mittlere
Kriegsdauer von ein bis zwei Jahren für wahrscheinlich gehalten.

Doch in der Frage, wer denn siegen werde, herrscht Schweigen - mit einer
Ausnahme. Rose hebt überzeugend hervor, dass die britischen
Marineexperten die deutsche Marine nicht als den gefährlichsten Gegner
wahrnahmen, und es wird deutlich, dass sie sich aus geostrategischen
Gründen für die sicheren Sieger eines maritimen Zukunftskrieges hielten
(S. 360). Sie hatten eine ausgewogene Flotte, die neben Schlachtschiffen
auch die anderen notwendigen Typen umfasste, und fühlten sich selbst
einem hypothetischen Kontinentalbündnis aus Deutschland, Frankreich und
Russland gewachsen und überlegen.

Für die kontinentalen Mächte fehlen ähnliche Aussagen. Das ist
bedauerlich; es wäre interessant gewesen zu lesen, wie die Franzosen
ihre Siegeschancen berechneten. Was Deutschland angeht, schweigen zwar
die Fachzeitschriften, aber es gibt andere Quellen. Um an der Spitze
anzufangen: Der Generalstabschef (v. Moltke) und der preußische
Kriegsminister (v. Falkenhayn) hatten im Sommer 1914 klargemacht, dass
sie an den deutschen Sieg glaubten - obwohl Moltke den Krieg
gleichzeitig für eine Katastrophe hielt, der das europäische Kulturleben
für Jahrzehnte vernichten würde. Hier sei die Hypothese gewagt, dass die
Mehrzahl der deutschen Militärschriftsteller diese Ansichten in beiden
Aspekten geteilt hätte: Der Kontinentalkrieg wird eine europäische
Katastrophe, aber wir werden gewinnen. Die Spitzen der Armee sprachen
für diese selbst; das Stimmungsbild in den deutschen Armeen im Sommer
1914 war, so scheint mir, ganz eindeutig von massiver (und
ungerechtfertigter) Siegesgewissheit geprägt.

Noch ein Wort zum Stil: Die Beiträge sind leicht lesbar und flüssig
geschrieben; ein sorgfältiges Lektorat hätte aber etliche
Flüchtigkeitsfehler herausfiltern können. Dies ändert aber nichts an der
Substanz. Dies ist ein sorgfältiges, kompetentes und interessantes Buch
über das Kriegsbild vor 1914, das die vorliegenden Einschätzungen, etwa
von Dieter Storz[3] oder Hew Strachan,[4] bestätigt und ergänzt.


Anmerkungen:
[1] Stig Förster, Mit Hurra und vollem Bewußtsein in die Katastrophe,
in: Frankfurter Rundschau, 09.09.1994; Ders., Der deutsche Generalstab
und die Illusion des kurzen Krieges, 1871-1914. Metakritik eines Mythos,
in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 54 (1995), S. 61-95.
[2] Jan Bloch, Der Krieg. 6 Bde., Berlin 1899.
[3] Dieter Storz, Kriegsbild und Rüstung vor 1914. Europäische
Landstreitkräfte vor dem Ersten Weltkrieg, Herford 1992.
[4] Hew Strachan, The First World War. Bd.1: To Arms, Oxford 2001, S.
1005-1014.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Jörg Neuheiser <joerg.neuheiser(a)uni-tuebingen.de>
-- 
Mit freundlichen Grüßen
 
Roland Geiger
 
--------------------

Roland Geiger
Historische Forschung
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[Regionalforum-Saar] 1585-1586 Neubau der Brücke i n der Kelsweilerstraße in St. Wendel

Date: 2017/08/03 10:40:45
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

1585-1586 Neubau der Brücke in der Kelsweilerstraße in St. Wendel

 

 

Außgab Buwgeldt zu der Brücken:

 

Item hab ich Meister Niklaus Lautz

Steinmetzen die Brück verdingt

In beysein des Kölners [Kelners], daß er

dieselbige in Grundt abgebrochen

und von newem widerumb uff

geführtt, habe im dauon geben ein

hondert und dreyßig gulden, und

fier malter korn vur welche

er das geding nitt annehmen

hatt wollen, diweil aber die

kirch an korn ettwas zu kurtz

stunde, hab ich die selbig an denn

Herr Apt zu Tholey kauffen

und iedes mtr für fünf reder

bezahlen müssen thut 25 g 20 alb

 

Ich habe in Anwesenheit des Kellners mit Meister Nikolaus Lautz, dem Steinmetz, einen Vertrag abgeschlossen, die Brücke komplett abzureißen und neu zu bauen. Dafür bekommt er 130 Gulden und vier Malter Korn, für welche Entlohnung er den Vertrag nicht akzeptieren wollte [hat es aber wohl doch getan]. Weil aber die Kirche momentan zu wenig Korn hat, mußte ich selbiges beim Tholeyer Abt kaufen und habe für jeden Malter 5 Rädergulden bezahlt, das macht zusammen 25 Gulden 20 albus.

 

Quelle: Kirchenrechnung 1585-1586 (KR 3), Seiten 176/177

 

[Regionalforum-Saar] heute abend: Pfarrer Schieß ler in St. Wendel

Date: 2017/08/14 09:20:55
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Guten Morgen,
ich hoffe, Ihr könnt mir verzeichen, wenn ich dieses Forum in eigener Sache für eine Anzeige nutze, die sicher nicht hier hin gehört.
Roland Geiger

-------------------------------

Guten Morgen,

 

heute abend kommt der Pfarrer aus München nach St. Wendel, der schon seit ein paar Wochen auch bei uns durch die Medien geistert. Rainer Maria Schießler hat durch sein Buch „Himmel, Herrgott, Sakrament“ jede Menge Leute erreicht, die mit dem Thema „Religion“ schon lange abgeschlossen hatten, und ihnen gezeigt, daß es noch eine andere Kirche geben kann. Und er zeigt einige dieser Wege auf, die er geht, die andere auch gehen könnten.

 

Mir ist klar, daß Kirche heutzutage einen anderen, einen minderen Stellenwert in der Gesellschaft hat. Dafür werden wir mit Angeboten viel zu viel zugeschmissen. Dazu kommt natürlich, daß es - nicht nur heutzutage, das war auch schon immer so - Usus ist, von sich aus über andere zu urteilen, vor allem deren Handeln zu verurteilen, ohne zu wissen, vor allem, ohne nachzudenken, wie man in dieser Situation selber verfahren hätte.

 

Aber trotzdem kommen die Leute in die Kirche und engagieren sich dort - nicht nur die Alten, sondern auch gerade die Jungen. Weil sie etwas suchen - ein Leitbild, etwas woran sie sich orientieren können. Wen haben sie denn sonst? Die kurzlebigen Idole aus der Szene, denen es in erster Linie ums Geld geht? Unsere Politiker, die vielleicht mal mit hehren Zielen beginnen, aber sich irgendwann durch die Macht korrumpieren lassen? Die können selber nichts dafür, sie haben ja selbst niemanden, an dem sie sich orientieren können.

 

Pfarrer Schießler heute abend ist nicht der Messias, nicht der Heilsbringer, und er wird durch seinen Vortrag auch sicherlich hier bei uns nichts oder nur wenig bewirken. Aber er hat vielleicht ein paar Ideen, wie wir etwas verändern können, und schlimmstenfalls läßt er bei den Besuchern einen Funken Hoffnung zurück oder die Zuversicht, daß man es auch anders machen kann als in den festgefahrenen Strukturen, die wir hierzulande heute haben.

 

Wir vom Förderverein St. Anna würden uns freuen, wenn Sie Zeit hätten vorbeizuschauen.

 

Um 17.30 Uhr zum Gottesdienst oder um 19.30 Uhr zur Lesung.

Dazwischen wird im Pfarrgarten für das leibliche Wohl gesorgt.

In St. Wendel-Alsfassen in der Dechant-Gomm-Straße.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Roland Geiger

Förderverein St. Anna in St. Wendel

[Regionalforum-Saar] Von Fähren entlang der Saar

Date: 2017/08/16 23:35:51
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Vereinigung für die Heimatkunde im Landkreis Saarlouis e.V.

 

Sonderband 22

 

Siegfried Bach

Von Fähren entlang der Saar

Teil 1: Von der oberen Saar bis nach Völklingen

 

295 Seiten

mit vielen historischen Fotos und Karten

 

36 €  zzgl. Porto und Verpackung

 

 

Fähren haben zu allen Zeiten die Menschen fasziniert. Sie dienten zum Kontakt der Menschen über den Fluss hinweg, sie dienten aber auch in der Mythologie zur Verbindung der Menschen mit dem Reich der Toten. Eine Publikation zu diesem Thema fehlte bisher für den Bereich der Saar. Nun legt der Wadgasser Heimatforscher Siegfried Bach den ersten Band seiner umfangreichen und spannenden Arbeit zur Geschichte der Fähren und Übergänge über die Saar von der Quelle bis zur Mündung vor. Dieser erste Band behandelt den Lauf der Saar von der Quelle bis zur Mittelstadt Völklingen. Er berichtet in dem 295 Seiten umfassenden, reich bebilderten Werk über zahlreiche und spannende neue Funde und Rechercheergebnisse. Der Autor zeigt, wie die Saar als Lebens- und Verkehrsader der gesamten Region zu früheren Zeiten immer wieder auch überquert werden musste. Das war nicht ganz so einfach, gab es doch außer in Saarbrücken, Saarlouis und Konz nur die Möglichkeit, per Fähre oder Furt den Fluss zu überqueren. Begonnen hat Siegfried Bach schon vor 11 Jahren sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Zahlreiche Archive hat er besucht, dort in historischen Schriften und Publikationen geforscht, hunderte von Seiten transkribiert und historische Karten und Fotos gesammelt. Die Arbeit macht nicht an den Grenzen des Saarlandes halt, sondern behandelt dankenswerterweise den gesamten Lauf der Saar von der Quelle bis zur Mündung.

Alles zu dem Thema ist in dem umfangreichen Verzeichnis der Quellen und Literatur erfasst. Besonders erwähnenswert sind die historischen Kartenausschnitte und Fotos. Herr Bach danke ich herzlich für diese tolle Arbeit und freue mich schon auf den zweiten Teil, der den Bereich von Völklingen bis Konz behandeln wird.

 

Das Buch ist nach Erscheinen erhältlich:

im Saarlouiser Buchhandel

beim Autor S. Bach, Schaffhauser Str. 35, 66787  Wadgassen-Hostenbach

im Kreisarchiv Saarlouis, Kaiser-Wilhelm-Str. 4-6, 66740 Saarlouis, Tel.: 06831/444-425

HP.Klauck(a)t-online.de