Date: 2017/01/02 09:14:05
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
heute in der SZ:
alle irgendwo Heinz Becker“ das Erfolgsgeheimnis seiner Paraderolle Birgit Reichert
Homburg. Heinz Becker hat keine Ahnung, aber er
schwätzt über alles. Und hat immer eine Meinung. Als
schrulliger Rentner mit Hosenträgern und „Batschkapp“ erklärt
er seit mehr als 30 Jahren auf der Bühne Zuschauern quer durch
die Republik seine kleine spießige Welt. Dass er einen
Saarländer gebe, sei eher Zufall, sagt Kabarettist Gerd
Dudenhöffer über sein Alter Ego. Ihm war klar, dass die Figur
eine Mundart haben muss. „Weil in Mundart redet man nicht, da
wird von der Seele geschwätzt.“ Er habe als gebürtiger
Saarländer „eben rein zufällig Saarpfälzisch“ beherrscht. Heinz Becker zählt neben Schlagersängerin Nicole und
Linken-Politiker Oskar Lafontaine zu den bekanntesten
Saarländern. Dabei ist bis auf die Sprache nicht viel
Saarländisches an der Kultfigur dran. „Sie hätte auch woanders
herkommen können“, sagt Dudenhöffer, der jedes Jahr rund 100
Auftritte als Heinz Becker hat. „Die Figur funktioniert
genauso in Hamburg wie in München oder in Köln oder Leipzig.“
Dudenhöffer ist überzeugt: „Wir sind alle jeden Tag irgendwo
Heinz Becker. Das Kleinbürgerliche ist im Kopf.“ Viele
Zuschauer sagten bei einem Auftritt: „Genauso jemanden kenne
ich auch.“ Dabei wollten sie nicht wahrhaben, dass auch sie
manchmal so tickten. „Sie merken gar nicht, dass sie über sich
selbst lachen.“ Dudenhöffer hält seinem Publikum einen Spiegel
vor, ohne aber den mahnenden Finger zu heben. „Das wäre
arrogant.“ Der Heinz schwätzt über die Nachbarstochter genauso wie über
den Griff des Rasenmähers oder darüber, dass um Punkt zwölf
gegessen wird. Bissig satirisch redet er aber auch über
„Neger, Schwule und Nazis“ – und greift aktuelle Themen auf.
„Er hat keine Tabus.“ Der Humor spiele eine große Rolle: „Man
muss die Leute erst einmal lockermachen.“ Damit sie keine
Angst hätten, über bestimmte Themen zu lachen. „Kabarett ist
dafür da. Es bläht die Realität so weit auf, bis sie fast
platzt.“ Mit Verunglimpfung habe das null zu tun. Den großen Erfolg erklärt sich Dudenhöffer damit, „dass ich
der Figur treu geblieben bin“. Wie – das können seine Fans bei
seinem neuen Programm 2017 sehen: Es heißt „Déjà vu“ – und
darin spielt der Kabarettist aus 30 Jahren Heinz
Becker-Programmen. Bis Ende 2016 hat der Kabarettist Texte aus
seinen 16 Programmen ausgewählt. Jetzt wird eifrig geschrieben
– und am 23. März ist Premiere. „Die Leute werden schon den ein oder anderen Text wieder
erkennen“, verrät er. Viele Themen seien heute noch genauso
aktuell wie damals. Menschen wollten heute wieder stärker
ruhiges, klassisches Kabarett, meint der gelernte
Werbegrafiker. „Die Welt wird immer komplizierter und der
Heinz redet darüber.“ Die Figur des Heinz Becker habe er Anfang der 1980er Jahre
„nicht konstruiert“, sagt Dudenhöffer. „Ich habe sie nicht
erfunden im Sinne von Erschaffen.“ Sie habe sich einfach so
entwickelt: Eine Anregung sei damals ein Gespräch zweier
Grafiker-Kollegen gewesen, die bei ihm eine Holzdecke
einzogen. Wie sie miteinander redeten, sei der Auslöser
gewesen. Das habe er genutzt – wohin das führte, habe er
damals aber nicht geahnt. „Erfolg kann man nicht planen.“ Dass er als Künstler mittlerweile älter sei als seine Figur,
sei „noch kein Problem“. „Heinz Becker war ja immer um die 60
Jahre herum. Noch kann ich glaubhaft einen 60-Jährigen
spielen“, sagt Dudenhöffer, der inzwischen 67 ist. Er
verkörperte die Rolle auch von 1992 bis 2004 in der
Fernsehserie „Familie Heinz Becker“ – mit 42 Folgen. Eine
Neuauflage der Serie hätte er sich gut vorstellen können, das
habe sich aber nicht ergeben, sagt er. Seit über 15 Jahren tritt der Künstler im Saarland nicht mehr
auf. Grund sei eine damalige „Hetzkampagne“ gewesen, die sich
dagegen wandte, dass er angeblich in Deutschland das Bild des
trotteligen Saarländers vermittelte. Das habe ja nie gestimmt,
da Becker ja kein Saarländer per se sei. Dennoch liebe er das
Saarland und wohne nach wie vor in Bexbach. „Ich bin ein
Mensch, der seine Ruhe haben will. Und da ist auch viel Wald,
mehr als sonstwo.“ Foto: dietze „Ich bin ein Mensch, der seine Ruhe haben will.“ Gerd Dudenhöffer -- Mit freundlichen Grüßen Roland Geiger -------------------- Roland Geiger Historische Forschung Alsfassener Straße 17, 66606 St. Wendel Tel. 06851-3166 email rolgeiger(a)aol.com oder alsfassen(a)web.de www.hfrg.de |
Date: 2017/01/07 10:12:13
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
heute in der SZ:
Neunkirchen. Ende des 18. Jahrhunderts wurde in
England ein Verfahren entwickelt, das die Umwandlung des
Roheisens in schmiedbares Eisen ohne den Einsatz der teuren
Holzkohle ermöglichte. Nun konnte die billigere Steinkohle
genutzt werden. In verschiedenen Schriften wird auf das
Puddle-Verfahren auch im Neunkircher Eisenwerk verwiesen. Im
Bewusstsein derer, die sich noch für die Geschichte des seit
1982 geschlossene Eisenwerkes interessieren, ist dieses
historische Kapitel der Neunkircher Hüttengeschichte von
großem Interesse. Günter Haab aus Oberthal, bis zu seiner Pensionierung in der
Abteilung „Hochbau “ im Rathaus Neunkirchen beschäftigt, hat
nun anhand von selbst gezeichneten Plänen nachvollzogen, wo
genau das Puddle-Werk in Neunkirchen ab 1830 stand. Demnach
befanden sich die Puddle-Öfen mit ihren charakteristischen
hohen Türmen in der Nähe des Hammergrabens – hinter dem
heutigen Saarpark-Center. „Es ist nicht leicht, in wenigen Worten die Abfolge der
hüttentechnischen Prozesse bei der Erzeugung des schmiedbaren
Eisens durch das Puddle-Verfahren zu erklären“, meint Günter
Haab. Erfunden hat es der englische Unternehmer und Metallurg
Henry Cort. Dabei kann die teure Holzkohle durch die billigere
Steinkohle ersetzt werden. Eine enormer Effizienzgewinn, weil
schon die Herstellung von Holzkohle sehr aufwändig war. Reich
wurde Cort allerdings trotz seiner Patente nicht, er starb
verarmt im Jahr 1800. Laut Haab muss man sich das Puddle-Verfahren – sehr
vereinfacht – so vorstellen, dass in einem Ofen
beziehungsweise auf einem Herd, der mit Steinkohle befeuert
wurde, das Roheisen eingeschmolzen wurde. Die Hitze wurde
dabei am oberen Ende des Kamins durch eine Klappe reguliert.
Das zähflüssige Eisenbad wird durch ständiges Rühren (puddeln)
entkohlt. Dabei stocherte der Puddler mit einem langen
Eisenstab durch eine kleine Öffnung in diesem Eisenbrei herum,
und so konnte der Sauerstoff das flüssige Eisen entkohlen. Der
so erhaltenen Luppe wurde in einem späteren Arbeitsgang mit
einem Hammer oder der Luppenquetsche die noch vorhandene
Schlacke ausgetrieben. Im Luppenwalzwerk zu Stabeisen
ausgewalzt, wurden die Stäbe dann zu Paketen
zusammengeschnürt, im Schweißofen erhitzt und im
Schienenwalzwerk ausgewalzt. Die Fachkompetenz der Puddler sei
da ganz wesentlich für die Qualität des „gefrischten“ Eisens
gewesen. Montanunternehmer Carl Friedrich Stumm (1798-1848) hatte sich
länger schon intensiv mit dem Puddle-Verfahren befasst. Nach
einer Reise nach Wales, wo er entsprechende Anlagen besichtigt
hatte, führte er es auch in Neunkirchen ein. So nahm das
Eisenwerk auch dank der Kompetenz seines technischen Direktors
Ferdinand Steinbeis einen weiteren wirtschaftlichen Aufschwung
und machte sich fortan vor allem in der Schienenproduktion
weltweit einen Namen. |
Date: 2017/01/09 08:59:19
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
Abteilung für Geschichte der Frühen Neuzeit und Rheinische Landesgeschichte, Abteilung für Alte Geschichte, Institut für Geschichtswissenschaft, Universität Bonn; Verein für Geschichtliche Landeskunde der Rheinlande 26.09.2016-27.09.2016, Bonn Bericht von: Tobias Tenhaef, Zentrum für Historische Friedensforschung der Universität Bonn, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn E-Mail: <ttenhaef(a)uni-bonn.de> Am 26. und 27. September 2016 fand im Bonner Universitätsforum die Herbsttagung des Vereins für die Geschichtliche Landeskunde der Rheinlande zum Thema "Grenzgänge. Vom Imperium Romanum zu den regna Francorum" statt. Sie wurde in Kooperation mit dem Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Bonn organisiert. Ihr Untersuchungsraum war das Rheinland, Grenzgebiet des Reiches und komplexe Zone des Kulturkontaktes. Nach einer Einführung durch ALHEYDIS PLASSMANN (Bonn) bot MATTHIAS BECHER (Bonn) in seinem Eröffnungsvortrag "Kontinuität und Diskontinuität. Herrschaft zwischen Spätantike und Frühmittelalter" einen Überblick über die Geschichte der deutschsprachigen Historiographie zum Übergang von der Spätantike zum Frühmittelalter. Diese sah spätestens seit Otto Brunners "Neuer Verfassungsgeschichte" einen radikalen Bruch zwischen der (politischen) Kultur des Römischen Reiches mit seinem unpersönlichen Staatsverständnis und dem auf personalen Bindungen beruhenden Herrschaftsbegriff des Mittelalters. Eine empirische Überprüfung dieses Konzeptes am Beispiel der fränkischen Könige beim Übergang von der Spätantike zum Frühmittelalter zeige aber, dass der Übergang vom imperium Romanum zum regnum Francorum mehr ein gradueller, durch innerrömische Dynamiken angetriebener Wandlungsprozess war, weniger ein durch äußere Faktoren verursachter, radikaler Bruch. Anschließend betrachtete MISCHA MEIER (Tübingen) die römische Seite der spätantiken Wandlungsprozesse. Ausgehend von dem Diktum, der weströmische Feldherr Flavius Aëtius sei der letzte Römer gewesen, unterzog Meier die Quellen für dieses Bild einer analytisch scharfen Kritik. Das Bild der Nachwelt von Aëtius beruht im Wesentlichen auf erzählenden Quellen oströmischer Provenienz, die erst seit dem frühen 6. Jahrhundert einsetzen. Vor dem historiographisch konstruierten Hintergrund einer totalen Degeneration der übrigen Spitzenpolitiker hoben sich Aëtius und sein von ihm ermordeter Konkurrent Bonifatius als "letzte Römer", auch und gerade moralisch verstanden, ab - weil es ihnen als einzigen gelungen war, überhaupt einmal erfolgreich gegen "Barbaren" zu kämpfen. Dass diese Charakterisierung ein ausgesprochen vergiftetes Lob gewesen sei, werde aber aufgrund der Tatsache deutlich, dass Aëtius für die oströmischen Geschichtsschreiber vor allem ein kaltblütiger und skrupelloser Machtpolitiker war. Die komplexe Ethnogenese der Franken war das Thema des Vortrags von ANDREAS POPESCU (Kamp-Lintfort). Nach systematischer Analyse aller Quellenstellen, an denen seit dem 3. Jahrhundert von "Franken" die Rede ist, kam er zu dem Ergebnis, dass mit "Franken" zunächst alle Kämpfer nichtrömisch-germanischer Herkunft gemeint waren, die sich primär einer Art des irregulären Kampfes bedienten. In der Zeit zwischen ca. 400 und 470 gingen zahlreiche dieser germanisch-stämmigen Kämpfergruppen in Nordgallien Bündnisse mit Teilen der regulären römischen Armee, bereits ansässigen foederati und aufständischen Teilen der Landbevölkerung ein. Aus dieser "nordgallischen Koalition" formte Chlodwig nach 470 einen exercitus Francorum, mit dessen Hilfe er als rex in der Nachfolge des Römischen Reiches die Ordnung im nordgallischen Raum wieder herstellte. Dies verlangte auch den dauerhaften Ausgleich zwischen den Interessen des galloromanischen Senatorenadels und der Landbevölkerung einerseits und den Kriegern des nun als "fränkisch" definierten Heeres andererseits. Das Ergebnis der entsprechenden Bemühungen Chlodwigs und seiner Nachfolger lässt sich etwa in der Lex Salica fassen, die das tägliche Miteinander zwischen bäuerlicher Landbevölkerung und stehendem Heer regeln sollte. GERTRUD KUHNLE (Straßburg) erweiterte den Fokus der Tagung räumlich auf das Gebiet des Oberrheins, indem sie die archäologisch fassbare Geschichte des Legionslagers Straßburg darstellte. Seit dem Ende des 1. Jahrhunderts befand sich auf dem Gebiet des späteren Straßburg das Lager der 8. Legion. Die übliche Holz-Erde-Ummauerung wurde ab der Mitte des 2. Jahrhunderts in Stein ausgeführt und am Übergang vom 3. zum 4. Jahrhundert vollständig neugebaut. Zwischen 350 und 370 lassen sich auf dem Gelände des Legionslagers erste Spuren einer zivilen Bevölkerung nachweisen, mögliche Kirchenbauten datieren in die Zeit zwischen dem 5. und dem 7. Jahrhundert. Für das 6./7. Jahrhundert ist ein Grubenhaus nachweisbar. Allerdings bestanden selbst im 10. Jahrhundert im Wesentlichen noch die römischen Besiedlungsstrukturen, auch die Mauer wurde beständig gepflegt und ausgebessert, sodass der Eindruck einer deutlichen Besiedlungskontinuität entsteht. An den Niederrhein zurück führte der Vortrag von STEFAN CIESIELSKI (Bonn), der von ersten Ergebnissen der jüngsten Grabungen in Bonn-Castell berichtete. Die ältesten dabei freigelegten Brandbestattungen datierten in die Mitte des 1. Jahrhunderts nach Christus. Für die Zeit vom 2. bis 3. Jahrhundert ließen sich am Ort des Gräberfeldes eine römische Zivilsiedlung und die Überreste einer Töpferei nachweisen. Das Ende dieser örtlichen Zivilbesiedlung könnte mit dem Frankeneinfall von 274 in Zusammenhang stehen, seit dem 4. Jahrhundert seien auf dem Gebiet nur noch Körperbestattungen nachzuweisen, zugleich gebe es seit dieser Zeit erstmals innerhalb der Mauern des Legionslagers Anzeichen für eine zivile Bevölkerung. Seit dem Ende des 4. Jahrhunderts kämen Grabbeigaben hinzu, die man von archäologischer Seite her, mit aller gebotenen methodischen Vorsicht, als "germanisch" zu bezeichnen pflege. Die jüngste Bestattung datiere aus der Zeit um 450. Eine numismatische Perspektive auf die Staatlichkeit des frühen Merowingerreiches bot JÜRGEN STROTHMANN (Siegen), der in seinem Vortrag Ergebnisse der Untersuchung der sogenannten "Monetarmünzen" vorstellte, die zwischen 580 und 674 geprägt wurden und eine Verrechnungs- und Einhebungseinheit für die staatliche Abgabenerhebung waren. Die Prägeorte der Monetarmünzen waren dabei stets wirtschaftliche und politische Zentren kleinräumiger Einheiten, die in vielen Fällen orts-, und in nicht wenigen Fällen auch namensgleich mit den spätantiken, galloromanischen civitates waren. Betrachte man das ganze Gebiet des spätantiken Gallien westlich des Rheins, müsse man insgesamt von einem Fortdauern römischer Staatlichkeit in hohem Maße ausgehen. Der erste Konferenztag wurde mit einem öffentlichen Abendvortrag von JÜRGEN KUNOW (Bonn) beschlossen. Anschaulich berichtete er über den aktuellen Stand des Antrages, den niedergermanischen Limes in die Liste des UNESCO-Welterbes aufnehmen zu lassen. Der zweite Konferenztag wurde durch HILTRUD MERTEN (Trier) eröffnet, die über die Ergebnisse der Untersuchung frühchristlicher Grabinschriften aus Trier berichtete. Durch die für den gallischen Raum exzeptionell hohe Anzahl an Grabinschriftenfunden (1300, vor allem aus dem 4./5. Jahrhundert) könnten am Beispiel Trier die Entwicklung des Namenbestandes, des Inschriftenformulars und letztlich die Struktur einer frühchristlichen Gemeinde im zeitlichen Verlauf untersucht werden. Bezüglich des Formulars und des Trägermaterials, üblicherweise Marmor, ließen sich dabei kaum Änderungen feststellen, das Formular wurde im Laufe der Zeit lediglich etwas komplexer. Eine quantitative Abnahme christlicher Grabinschriften in Trier sei für das 6. Jahrhundert zu konstatieren. Seit dem 7. Jahrhundert nähme die Zahl germanischstämmiger Namen in den Inschriften zu, romanischstämmige Namen bleiben aber deutlich in der Überzahl. Ausweislich des epigraphischen Befundes der Grabinschriften in Trier habe sich bis in die Karolingerzeit eine "Romanitas" in spätantiker Tradition ungebrochen gehalten. CHRISTIAN WITSCHEL (Heidelberg) bot im Anschluss wieder einen großen räumlichen Überblick über Gallien, das Voralpengebiet und das Gebiet der oberen Donau. Objekt der Untersuchung waren dabei die römischen civitates. Bei allen Unterschieden ließen sich doch einige allgemeine Aussagen wagen: Zunächst einmal sei an vielen Orten ab dem 4. Jahrhundert eine Reduzierung der Siedlungsfläche und der Bau einer Befestigung festzustellen. Diese Änderungen in der Siedlungsstruktur gingen oft mit einer Verarmung des materiellen Befundes einher. Eine solche materielle Verarmung sei aber an einigen Orten bereits seit dem Ende des 2. Jahrhunderts nachweisbar. Die Hauptstädte, namentlich Trier und Ravenna, hielten gleichwohl ungebrochen ein imperiales Gepränge aufrecht. Die römische, städtische Zivilisation wurde nach Rückzug der Armeen, wenigstens partiell, fortgesetzt. Insgesamt müsse für ein volles Verständnis der spätantiken und frühmittelalterlichen Wandlungsprozesse stark regional differenziert werden. Am längsten gehalten hätten sich spätantike Merkmale der Verwaltung und des städtischen Lebens sowohl in funktionierenden Großzusammenhängen, in denen römisches Militär präsent blieb, als auch in geographisch geschützten und verkehrsmäßig eher isolierten Gebieten. STEVE BÖDECKER (Bonn) sprach über die spätantiken Befestigungsanlagen am Niederrhein. Für das Kastell bei Bonn sei ab 375 eine komplette zivile Überbauung der vorhergehenden Militärarchitektur festzustellen. Bei allen seit der mittleren Kaiserzeit bestehenden Kastellen den Rhein abwärts bis einschließlich Nijmegen wurden umfangreiche Verstärkungen der Befestigungsanlagen nach spätantiker Manier belegt. Dezidierte Festungsneubauten im spätantiken Stil waren nur die Festung in Deutz und die heute als Haus Bürgel bekannte Anlage. Damit stehe der Niederrhein im deutlichen Kontrast zum Donauraum, wo im 4. Jahrhundert wesentlich mehr Festungen komplett neu errichtet worden seien. Im Mündungsgebiet des Rheins konnten bisher keine spätantiken Befestigungsmaßnahmen nachgewiesen werden. Die Nutzung des Rheins beleuchtete anschließend MANUELA MIRSCHENZ (Bonn). Um diese angemessen verstehen zu können, sei zunächst einmal der Wandel des Rheinverlaufs zu rekonstruieren gewesen. Ergebnis dieser Untersuchungen war, dass die Römer für die Nutzung als Hafen von Natur aus dafür geeignete Stellen bevorzugten, die sie in seltenen Fällen durch den Bau von Molen modifizierten. Im Allgemeinen wurden die Hafenanlagen bei Bevölkerungszentren wie Bonn, Köln und Xanten durchgehend erneuert, während rein militärisch genutzte Landestellen gelegentlich auch wieder aufgegeben wurden. An vielen römischen Hafenstellen sind seit dem Mittelalter städtische Siedlungen nachweisbar. MARION BRÜGGLER (Xanten) stellte Ergebnisse der archäologischen Untersuchung der spätantiken Glasbläsereien im Hambacher Forst und in Asperden vor, deren Produkte entlang des ganzen Rheins verteilt wurden. Im Hambacher Forst und Asperden wurde importiertes Rohglas aufgeschmolzen und zu den Endprodukten verarbeitet, was in Asperden nachweislich noch um 425 geschah. Insgesamt blieb der Niederrhein in der Spätantike ein Zentrum der Glasherstellung. HENDRIK HESS (Bonn) rekonstruierte anhand ausgewählter Beispiele vornehmlich aus der Briefsammlung des Sidonius Apollinaris den komplexen Standpunkt, den Angehörige der galloromanischen Oberschicht im Laufe des 5. Jahrhunderts in Bezug auf die neuen "barbarischen" Machthaber einnehmen mussten, die aber auch eine vollendete "Latinitas" zur Schau stellen konnten. Für Sidonius Apollinaris stellte sich dieses Problem nachhaltig, als sein Bischofssitz Clermont unter visigotische Herrschaft geriet. Ihm und vielen seiner Standesgenossen war es letztlich möglich, sich mit der politischen Fragmentierung des Römischen Reiches abzufinden und sich pragmatisch in die Herrschaft der neuen, "barbarischen" reges einzupassen. Die Tagung wurde mit einer Podiumsdiskussion beschlossen. Vor der Diskussion stellte WOLFGANG HAUBRICHS (Saarbrücken) die sprachgeschichtlichen Aspekte des Übergangs von Spätantike zu Frühmittelalter dar. Diese Phase sei durch eine romanisch-germanische Bilingualität geprägt gewesen, die sich bis 1000 mit der Ausbildung einer klaren Sprachgrenze aufgelöst habe. Die eigentliche Podiumsdiskussion wurde dann um drei Kernfragen herum entwickelt. Zuerst wurde nach der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen in den Entwicklungen um 500 gefragt, aber auch nach dem Einfluss, den bestimmte Quellen und Quellenarten, archäologische und schriftliche, auf die wissenschaftliche Rekonstruktion der Vergangenheit haben. Der zweite Fragenkomplex bezog sich auf den Vergleich des Rheinlandes mit anderen Regionen des sich transformierenden Römischen Reiches, während der dritte Komplex nach der Entwicklung und gegebenenfalls Auflösung der römischen Reichsgrenze am Rhein fragte. Die Vorträge und die Diskussion haben ein differenziertes Licht auf die komplexen Entwicklungen und Wandlungsprozesse geworfen, die das Rheinland zwischen dem 4. und dem 7. Jahrhundert prägten. Ein hohes Maß an Kontinuität in kultureller und verwaltungstechnischer Hinsicht kontrastierte dabei mit einer nachweisbaren materiellen Verarmung, die aber regional unterschiedlich ausgeprägt war. Zugleich übernahmen in überschaubaren Regionen nach dem Rückzug römischer Staatlichkeit einzelne Machthaber die Aufgabe, Frieden und Sicherheit zu gewährleisten, die sich als rex sowohl in germanische wie auch in römische Traditionslinien stellten. Die Kultur des Rheinlandes wurde dabei im 5. und 6. Jahrhundert durch germanische Personen- und Ortsnamen sowie durch germanische Trachtbestandteile bereichert, ohne aber ihr ursprünglich galloromanisches Gepräge je gänzlich zu verlieren. Konferenzübersicht: Alheydis Plassmann (Bonn) - Einführung Matthias Becher (Bonn) - Kontinuität und Diskontinuität von der Spätantike zum Frühmittelalter Mischa Meier (Tübingen) - Der "letzte Römer"? Zur 'imperialen' Politik des Aetius Andreas Popescu (Kamp-Lintfort) - Die Lex Salica und die fränkische Identität Gertrud Kuhnle (Straßburg) - Römische Kontinuität am Oberrhein: Das Legionslager in Straßburg Stefan Ciesielski (Bonn) - Römer und Germanen - Neues von der Nekropole am Bonner Legionslager Jürgen Strothmann (Siegen) - Der Rhein als Grenze. Das Rheinland als Teil Galliens im 7. Jahrhundert nach Ausweis der Merowingischen Monetarmünzen Jahreshauptversammlung des Vereins für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande Öffentlicher Abendvortrag Jürgen Kunow (Bonn) - Der Niedergermanische Limes auf dem Weg zum UNESCO-Welterbe Hiltrud Merten (Trier) - Frühchristliche Inschriften in Trier Christian Witschel (Heidelberg) - Die civitates am Rhein, im Voralpengebiet und an der oberen Donau am Übergang zwischen Spätantike und Frühmittelalter Steve Bödecker (Bonn) - Ein "Schmuckstück der Grenzen..." (Pan. 6,13,1)? Der Niedergermanische Limes zwischen Postumus und Theodosius Manuela Mirschenz (Bonn) - Häfen und Anlandestellen im römischen Rheinland Marion Brüggler (Xanten) - Spätantike Glasherstellung im Rheinland Hendrik Hess (Bonn) - Gallien und das Rheinland: Die Franken im Spiegel gallischer Briefsammlungen zwischen Spätantike und Frühmittelalter Podiumsdiskussion Sebatian Ristow (LVR Archäologische Zone, Köln), Matthias Becher (Bonn), Wolfgang Haubrichs ( Saarbrücken), Jennifer Morscheiser (Overath), Christian Witschel (Heidelberg) |
Date: 2017/01/09 21:01:55
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
Murray, Alexander Callander (Hrsg.): A Companion to Gregory of Tours (= Brill's Companions to the Christian Tradition 63). Leiden: Brill Academic Publishers 2016. ISBN 978-90-0430-676-9; 667 S.; EUR 278,51. Inhaltsverzeichnis: <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/media/beitraege/rezbuecher/toc_26197.pdf> Rezensiert für H-Soz-Kult von: Hans-Werner Goetz, Historisches Seminar, Universität Hamburg E-Mail: <Hans-Werner.Goetz(a)uni-hamburg.de> Bischof Gregor von Tours (538-594) ist ohne Zweifel der bedeutendste Geschichtsschreiber des merowingischen Frankenreichs und entsprechend häufig als - alles andere als unproblematische - Quelle benutzt, erst in jüngerer Zeit aber auch mehrfach als Geschichtsschreiber behandelt und analysiert worden. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass Alexander Murray ihm hier ein engagiertes Handbuch auf neuestem Forschungsstand gewidmet hat. Ziel dieser Publikation, so Murray in der Einleitung (S. 1-4), ist es, "to provide the reader with context for the principal areas fundamental to reading Gregory seriously and for the wider world in which Gregory as author and bishop operated" (S. 2). An diesem Ziel ist das Werk zu messen. Die 16 Beiträge (von 14 prominent international besetzten Autoren) stehen zunächst für sich, gliedern sich aber in sechs thematische Abschnitte. Unter der Rubrik "Gregory and his Circle" wird folgerichtig zunächst das biographische Element herausgestellt (Martin Heinzelmann, S. 7-34), das in den Historien bekanntlich eine große Rolle spielt und Gregor als 'Individuum' erkennen lässt, ohne dass sein Werk einen autobiographischen Charakter erhielte. Die Untersuchung des "Circle" beschränkt sich auf Venantius Fortunatus (Michael Roberts, S. 35-59) und seine von Gregor sehr geschätzten Dichtungen. Der zweite Teil ("Composing the Work") beginnt mit einem Kernstück: dem langen Beitrag des Herausgebers über Komposition und Struktur des Werks, mit nützlichen Rückblicken auf den Forschungsstand und neuen Deutungen (S. 63-101): Murray wendet sich gegen die verbreitete Ansicht, die Historien seien in Etappen synchron zum Geschehen verfasst worden (Buch 1-4 um 576, Buch 5-6 bis 584, Buch 7-10 synchron); Gregors Zeitangaben bieten dafür letztlich keine Indizien. Die Historien seien nach 585 bzw. um 590 in der Zeit der austrasischen Herrschaft über Tours entstanden, eine Ansicht, der ich mich voll anschließen möchte. (Fraglich ist hingegen, ob man die Herrschaft Childeberts II., der 592 letztlich Gunthchramn in Burgund beerbt hat, als "austrasisch" bezeichnen sollte.) Gregor ist, wie Murray zu Recht betont, auch nicht "Tagebuchschreiber", sondern Politiker, mit klaren Urteilen über die Könige, aber einer auffälligen Zurückhaltung gegenüber den regierenden 'austrasischen' Merowingern (Childebert und Brunichild). Als Gegenstück zu Murrays Ausführungen bespricht Richard Shaw (S. 102-140) Chronologie, Komposition und Autorkonzept der verschiedenen Miracula mit der (neuen, der Entstehung der Historien entgegengesetzten) These, Gregor habe daran mehr oder weniger gleichzeitig gearbeitet, um sie später zusammenzufassen (daher die vielen Querverweise), das aber nicht mehr bewerkstelligen können: Vor seinem Tod sind die Mirakel nicht veröffentlicht worden. Eine genaue Chronologie der einzelnen Werke erweist sich bei diesem Hintergrund als unmöglich (mit Ausnahmen, wie der Datierung der Martinsmirakel), zumal Gregor seine Absichten während der Arbeit noch geändert hat. Aus dem umfangreichen Überblick der komplizierten Handschriftenüberlieferung beider Werke (in verschiedenen Versionen der Historien) stellt Pascale Bourgain (S. 141-188) fest, dass die Editionen die Sprachformen Gregors nicht mehr erkennen lassen. Hinsichtlich seiner Sprache befreit er Gregor von den Vorwürfen der Verwilderung, um sie, wie wir spätestens aus den Arbeiten Michel Banniards wissen[1], als frühfranzösisch zu charakterisieren. Anschließend werden Gregors Stil und rhetorische Figuren besprochen. Der dritte Teil ist dem "Institutional and Material Setting", der Welt Gregors, gewidmet: Staat und Verwaltung (Murray, S. 191-231), der Kirche (Yitzhak Hen, S. 232-255) und der materiellen Kultur in Stadt und Land (Patrick Périn, S. 256-277). Das mag die Orientierung bei der Lektüre Gregors erleichtern, doch wird ein Vergleich der Nachrichten Gregors über diese Bereiche mit unserem sonstigen Wissen hier allenfalls punktuell vorgenommen. Angesichts der Vielzahl an Handbüchern zur Merowingerzeit wird man über den Wert dieser ohne Zweifel sehr instruktiven Beiträge in diesem Band streiten können. Weshalb wird stattdessen nicht Gregors Sicht dieser Aspekte behandelt, etwa seine Vorstellungen vom Königtum, und zwar nicht nur des merowingischen? Die zu Recht zurückgewiesenen Vorstellungen von einem Sakralkönigtum hätten sich beispielsweise gut an Gregors Aussagen messen lassen, ebenso das 'Fränkische' an Stelle eines 'Germanischen', aber weshalb fehlt hier die zentrale Frage des Verhältnisses von 'fränkisch' und 'römisch'? Das ist angesichts der Forschungslage eine geradezu unverzeihliche Lücke. Auch Gregors Begrifflichkeit, Vorstellungen und Akzentuierungen hätten sich mit anderen Forschungsergebnissen konfrontieren lassen. Der vierte Teil fasst mit theologischen und literarischen Perspektiven drei eher disparate Beiträge zusammen. Martin Heinzelmann (S. 281-336) geht Gregors Verhältnis zur patristischen Tradition (und hier besonders seiner Anlehnung an Augustins 'De civitate Dei') nach und spricht wesentliche Elemente seiner theologischen Überzeugungen an: Trinität, Christologie und Kirchenverständnis, Typologie, Wunder - sie sind tatsächlich ein zentraler Bestandteil auch der Historien - und Auferstehungsglaube. (Ein Priester in Tours zweifelt allerdings nicht an der Auferstehung an sich [so S. 224], sondern an der Auferstehung im Fleisch und gibt dem Ganzen damit eine weit subtilere Dimension.) Das antiarianische, katholische Glaubensbekenntnis steht nicht zufällig am Anfang der 'Historien'. Gregor orientiert sich in seiner Dogmatik an Kirchenrecht und Autoritäten (weicht aber auch davon ab). Visionen und andere Offenbarungen spielen ebenfalls eine Rolle (die Gregor, so wäre zu ergänzen, allerdings durchaus nicht durchweg als göttliche Eingaben begreift). Joaquin Martínez Pizzaro (S. 337-374) wiederum betrachtet Genre und Stil der Historien, die in einem Bruch vom vierten Buch an zur Zeitgeschichte werden, und ersetzt die Ansicht einer bloßen historiographischen Aneinanderreihung von Episoden durch eine durchdachte Auswahl der Handlungsstränge. Dabei bescheinigt er Gregor gewiss zu Recht ein großes Erzähltalent in Abkehr von der spätantiken Rhetorik mit komplexen, originellen Erzählstrukturen, für die er vor allem Prudentius und Sidonius als Vorbilder ausmacht. Das wird am Beispiel der gescheiterten Thronanwärter konkretisiert, für deren Ende, nicht aber für ihre Ansprüche Gregor eine Sympathie entwickelt. J. K. Kitchen (S. 375-426) schließlich wendet sich mit dem Heiligenkult (der aber auch in den 'Historien' eine große Rolle spielt!) wieder den hagiographischen Schriften Gregors zu und unterscheidet (in der Sache zu Recht, aber mit schlecht gewählten Begriffen) zwischen "episodischer" (als postmortaler) und "biographischer" Hagiographie (zu Lebzeiten), die er anscheinend auch mit Miracula und Vita gleichsetzt. Der insgesamt instruktive Beitrag stützt sich allerdings überwiegend auf Sekundärliteratur und illustriert das mit nur wenigen Quellenbeispielen (aus den Vitae patrum und den Martinswundern). Der fünfte Teil ("Gregory and the Political World of the Sixth Century") wendet sich noch einmal den Hintergründen zu: Verfassung und Politik (Stefan Esders, S. 429-461, der souverän sowohl die Entwicklungsphasen der Zeitgeschichte als auch die Verfassungsstrukturen überblickt), Italien und der Osten (Simon T. Loseby, S. 462-497) und Spanien (Roger Collins, S. 498-515). Stärker als im dritten Teil werden Gregors Berichte und Sichtweise hier zumeist gründlich einbezogen, so dass daraus ein dichteres Bild und ein enges Geflecht zwischen Zeitumständen und Gregors 'Historien' entsteht. Ähnliches hätte man sich auch für Gregors religiöse, soziale und kulturelle Vorstellungen gewünscht, die zu Gregors eigenen Interessen zählen. Loseby konstatiert zu Recht, dass Gregor kein Interesse mehr für das Imperium Romanum zeigt (wohl aber für das christliche Rom!) und dass er Byzanz keine entscheidende Bedeutung mehr für das Frankenreich beimisst (allerdings doch noch als Weltmacht), dass er durchaus informiert war, aber sehr selektiv berichtet. Auf die Funktion dieser selektiven Berichte aber wäre es gerade angekommen; sie legen nämlich Gregors eigentliche (religiös-moralischen) Absichten offen, wie sie sich nicht minder in seinen Berichten über die merowingischen Könige widerspiegeln. Collins sieht Gregors Wissen über Spanien gänzlich abhängig von seinen Informationen durch Gesandte. Tatsächlich beschränkt sich Gregor jedoch auch hier fast ausschließlich, aber sehr gezielt, auf die westgotisch-fränkischen Kontakte (und erneut den Arianismus). Im sechsten Teil ("Post mortem") überblickt Helmut Reimitz (S. 519-565) souverän die handschriftliche Verarbeitung der 'Historien', die - entgegen Gregors eigenem Wunsch - deutlich in den Text eingriff (am deutlichsten in der Sechs-Buch-Version), teilweise die bei Gregor betonte burgundische Perspektive wie auch seine persönlich-familiären Nachrichten ausklammerte, Tours und Martin durch Paris und Germanus ersetzte oder Reims in den Mittelpunkt rückte und überhaupt ständig neue Versionen schuf. Für das hohe und späte Mittelalter und die Frühe Neuzeit betrachtet John J. Contreni (S. 566-581) im Gegensatz dazu nicht die Handschriften, sondern die insgesamt eher eklektische Benutzung der 'Historien', die nach dem 11. Jahrhundert fast nur noch wegen der hagiographischen Einschübe interessierten. Entsprechend häufiger wurden die Mirakelgeschichten abgeschrieben, gemessen an ihrem reichen Gehalt aber ebenfalls erstaunlich wenig herangezogen. Ein eigener Beitrag über Gregor in der modernen Forschung - hier sind ja doch bezeichnende Wandlungen zu beobachten - fehlt leider und hätte gerade in diesem Handbuch gute Dienste leisten können. Karten der Bistümer und Civitates, Landschaften und Städte Galliens sowie der merowingischen Reichsteilungen - aufschlussreich wäre noch eine Übersicht gewesen, zu welchem wechselnden Reichsteil Tours jeweils gehörte - sowie eine Genealogie der Merowinger runden den Band ab. Die zweifellos sämtlich wichtigen, vielfach nicht einfach resümierenden, sondern weiterführenden Beiträge sind mehrheitlich deutlich dem 'äußeren' Gregor mit der Überlieferung und Chronologie seiner Werke sowie seinem historischen Umfeld gewidmet, während der 'innere' Gregor mit seinen Anschauungen und Empfindungen oder sein Rechtsverständnis nur in wenigen Aufsätzen berührt wird. Hier scheint mir eine Chance vertan, denn Gregors Werk böte dafür eine wahre Fundgrube. Aber auch dem Politiker Gregor, von Murray selbst als wichtiger Aspekt hervorgehoben (S. 72ff.), wird kein eigener Beitrag gewidmet. Der Band bietet somit fortan in den behandelten, aber eben doch nicht in allen Fragen ein wichtiges, ausgezeichnetes Referenzwerk, das eher ein Forschungsinstrument als eine Darstellung für ein breites Publikum darstellt. Dem amerikanischen Publikum ist es daher wohl auch geschuldet, dass die Quellenzitate lediglich in englischer Übersetzung geboten werden. Anmerkung: [1] Michel Banniard, Vita voce. Communication écrite et communication orale du IVe au IXe siècle en Occident latin, Paris 1992. Diese Rezension wurde redaktionell betreut von: Lioba Geis <lioba.geis(a)uni-koeln.de> |
Date: 2017/01/11 09:17:40
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
Guten Morgen, gestern kam diese Einladung aus dem Landratsamt, die ich gerne weiterleite. Mit freundlichen Grüßen Roland Geiger ------------------------- „Sehr geehrte Damen und Herren, auf Initiative des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog wurde 1996 der 27. Januar — der Tag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau 1945 — zum offiziellen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus erklärt, 2005 durch die Vereinten Nationen zum „Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus" erweitert. In seiner Rede vor dem deutschen Bundestag am 27. Januar 2015 sagte Bundespräsident Joachim Gauck: „Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz. Die Erinnerung an den Holocaust bleibt eine Sache aller Bürger, die in Deutschland leben. Er gehört zur Geschichte dieses Landes." 2015 hat der Landkreis St. Wendel erstmalig eine zentrale Gedenkveranstaltung zum 27. Januar durchgeführt, die jährlich fortgeführt wird. Ich lade Sie daher herzlich ein zur diesjährigen Veranstaltung am Freitag, 27. Januar, 19 Uhr, Cusanus Gymnasium St. Wendel, Missionshausstraße 14. Pfarrer Gerhard Koepke, Superintendent des Kirchenkreises Saar-Ost, referiert zum Thema „Das Dritte Reich und die evangelische Kirche — regionale Perspektive". Die AG des Cusanus Gymnasiums „Spuren von Krieg und Faschismus im St. Wendeler Land" stellt ihre wertvolle Arbeit vor. Musikalisch umrahmt wird der Abend von Schülern der Schule. Moderiert wird die Veranstaltung vom Historiker Bernhard W. Planz.“ |
Date: 2017/01/13 09:04:34
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
heute in der SZ: St. Wendel gedenkt der Nazi-OpferZentrale Gedenkveranstaltung am 27. Januar im Cusanus-GymnasiumIn der Aula des Cusanus-Gymnasiums stellen Schüler des Seminarfachs „Spuren von Krieg und Faschismus im St. Wendeler Land“ ihre Arbeit vor.St. Wendel. Mit einer zentralen Veranstaltung am Freitag, 27. Januar, 19 Uhr, im St. Wendeler Cusanus-Gymnasium, begeht der Landkreis St. Wendel den Internationalen Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus. Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Seit 1996 offizieller Gedenktag in Deutschland, wurde der 27. Januar 2005 durch die Vereinten Nationen zum „Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ erweitert. In seiner Rede vor dem Bundestag am 27. Januar 2015 sagte Bundespräsident Joachim Gauck: „Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz. Die Erinnerung an den Holocaust bleibt eine Sache aller Bürger, die in Deutschland leben.“ „Die zentrale Gedenkveranstaltung, die der Landkreis St. Wendel
seit 2015 jährlich organisiert, bildet einen wichtigen
Mosaikstein der Erinnerungskultur in unserem Landkreis, die sich
verantwortungsvoll mit der nationalsozialistischen Vergangenheit
der Region auseinandersetzt. Wir erinnern, weil es unsere
moralische, unsere demokratische Pflicht ist, dass der
Schandfleck der deutschen Geschichte nicht vergessen wird“, sagt
Landrat Udo Recktenwald. Die Verbrechen mahnten noch heute, die
Werte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu wahren und
zu verteidigen. Dies müsse vor allem den jüngeren Generationen
deutlich gemacht werden. Daher werden am 27. Januar in der Aula
des Cusanus-Gymnasiums Schüler des Seminarfachs „Spuren von
Krieg und Faschismus im St. Wendeler Land“ ihre Arbeit
vorstellen, dabei auch Einzelschicksale von Opfern des
NS-Regimes beleuchten. Pfarrer Gerhard Koepke, Superintendent
des Kirchenkreises Saar-Ost, referiert zum Thema „Das Dritte
Reich und die evangelische Kirche - regionale Perspektive“.
Schüler der Schule sorgen für den musikalischen Rahmen. Der
Erlös des Getränkeverkaufs durch die AG „Misheni Moyo“ wird
wohltätigen Zwecken gespendet. Die Veranstaltung moderiert
Historiker Bernhard W. Planz. Der Eintritt ist frei. red
----------------------
|
Date: 2017/01/20 09:18:56
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
gestern in der SZ:
David Seel Saarbrücken. Digitale Fotoapparate haben die
klassische analoge Papierfotografie nahezu vollständig
verdrängt. Wie der Photoindustrie-Verband berichtet, wurden
seit 2010 in Deutschland kaum noch analoge Kameras verkauft.
Die Gründe liegen auf der Hand: Digitale Fotos bieten die
Möglichkeit zur nachträglichen Bildbearbeitung, außerdem
entfällt die mühsame Entwicklung der Negative und die Lagerung
der Fotos kostet keinen Platz. Hinzu kommt, dass die Qualität analoger Aufnahmen auch unter
den besten Lagerungsbedingungen mit der Zeit spürbar leidet.
Die kostbaren Erinnerungsstücke vergilben, die Farben
verblassen. Kein Wunder, dass die meisten Menschen
mittlerweile ihre Aufnahmen digital fotografieren und
speichern. Doch was passiert mit den alten Papierfotos, die kistenweise
in Kellern und auf Dachböden vor sich hin modern? Sie lassen
sich natürlich per Scanner digitalisieren, was allerdings viel
Zeit und Nerven kosten kann. Abhilfe können sogenannte
Fotoscanner-Apps schaffen. Mit ihnen lassen sich große Mengen
an Bildern schnell und bequem mit dem Smartphone einscannen. Die beliebteste App ist der Fotoscanner von Google.
Die App erkennt das Foto und blendet danach vier Punkte ein,
die nacheinander mit der Kamera in den Fokus genommen werden.
Der Vorteil zum einfachen Abfotografieren des Bildes: Durch
die verschiedenen Blickwinkel werden Reflexionen erkannt und
entfernt, die Ränder werden ebenfalls automatisch
abgeschnitten. Die App ist kostenlos und ohne Google-Konto
nutzbar. Eine Alternative stellt die App Unfade von Von doo
dar. Sie ist allerdings nur für iOS-Nutzer und zu einem Preis
von 4,99 Euro erhältlich. Dafür bietet sie ein paar Extras im
Vergleich zu Googles Fotoscanner: Die App besitzt einen
Farbfilter, der verblasste Farben wiederherstellen soll.
Manuell bearbeiten lassen sich die Fotos allerdings nicht.
Hier müssen keine verschiedenen Bildpunkte anvisiert werden,
es genügt, das Handy flach über das Bild zu halten, die Ränder
werden ebenfalls automatisch beschnitten. Ebenfalls nur für iOS ist die Fotoscanner-App Pic Scanner
aus dem Hause App Initio Limited erhältlich. Die ersten zehn
Bilder können kostenlos gescannt werden, für eine unbegrenzte
Version werden 2,99 Euro fällig. Mit dem iPad lassen sich bis
zu drei Bilder simultan scannen, was allerdings zu
Qualitätseinbußen bei der Auflösung führt. Die App verfügt
über einige Bearbeitungsfunktionen: So kann das Bild gedreht
und Kontrast und Helligkeit angepasst werden. Außerdem bietet
die App Korrekturoptionen für Farbtöne und Schärfe. Hier
reicht ebenfalls ein einfacher Scan mit dem Handy oder Tablet
aus. Einen etwas anderen Weg schlägt die App Shoebox von
Ancestry ein. Hier können zwar auch Bilder mit dem Smartphone
gescannt und gespeichert werden, der Fokus von Ancestry liegt
aber auf der Ahnenforschung. Nach eigenen Angaben verfügt
Ancestry über die größte Stammbaumbibliothek der Welt, mit
Zugriff auf über elf Milliarden Dokumente, beispielsweise
Heiratsurkunden oder Volkszählungen, aus tausenden
Datenbanken. Gescannte Bilder werden automatisch in einen
Internet-Speicher geladen, was sich allerdings bei Bedarf auch
verhindern lässt. Auf den Fotos abgebildete Personen können
benannt und mit den Datenbanken von Ancestry abgeglichen
werden. Bearbeitungsfunktionen oder eine Autokorrektur besitzt die
App nicht, Ränder werden allerdings auch hier automatisch
erkannt und beschnitten. Shoebox ist für Android und iOS
erhältlich und in der Basisversion kostenlos, eine erweiterte
Version ist für fünf Euro monatlich erhältlich und bietet,
neben höheren Fotoauflösungen, Speicherplatz für bis zu zehn
Stunden Videomaterial. Die Stammbaumdatenbanken selbst sind
für 14 Tage kostenlos nutzbar, danach fallen monatliche Kosten
von 12,99 Euro für die Suche im deutschsprachigen Raum, oder
22,99 Euro für internationale Ahnenforschung an. Bei guten Lichtverhältnissen und mit einer Smartphone-Kamera
mit hohem Auflösungsvermögen lassen sich mit den
Fotoscanner-Apps durchaus ansehnliche Kopien anfertigen. Keine
der vorgestellten Apps erreicht allerdings die Qualität von
Fotos, die mit Scannern digitalisiert wurden. Bei Fotos, die
in Online-Datenbanken hochgeladen werden, besteht außerdem
immer ein Datenschutzrisiko, weil nicht überprüft werden kann,
wer letztlich Zugriff auf die Bilder haben kann. Wer bei Auflösung und Bildqualität Abstriche machen kann,
oder große Mengen an Fotos schnell und einfach digitalisieren
will, ist mit einer Fotoscanner-App dennoch gut beraten. |
Date: 2017/01/20 09:20:36
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
Januar ist der Monat der düsteren Themen
Letzten Montag in der SZ:
Marpingen. Mit den „Marpinger Mühlengesprächen“
starteten die Gemeinde Marpingen und der Verein Wider das
Vergessen und gegen Rassismus Marpingen im Dezember 2006 im
Kulturzentrum „Alte Mühle“ eine Veranstaltungsreihe mit
Vorträgen über brisante und hochaktuelle Themen. In den
bislang sieben Mühlengesprächen ging es um folgende Themen:
Antisemitismus, Nahostkonflikt, Marpingen unter dem
Hakenkreuz, Hanns Martin Schleyer und die deutsche
Vernichtungselite in Prag, Kriegskinder, Unsere vergessenen
Nachbarn und 50 Jahre diplomatische Beziehungen Israel –
Deutschland sowie die Präsentation der Wannsee-Ausstellung. Im
Mittelpunkt der achten Marpinger Mühlen-Gespräche am Freitag,
20. Januar, im Marpinger Kulturzentrum steht wiederum eine
Ausstellung: „Ghettorente – Arbeiten im Ghetto in der
Nazi-Zeit“. Die aus großen Text- und Bildplakaten bestehende
Schau ist das Ergebnis einer dreimonatigen Projektarbeit von
Auszubildenden der Deutschen Rentenversicherung.
Projektauftrag war zum einen eine Beschreibung der Lebens- und
Arbeitsverhältnisse in Ghettos während der
nationalsozialistischen Zwangsherrschaft, unter anderem anhand
der Zuweisung von Nahrungsmitteln als Gegenleistung für eine
Arbeitsleistung. Zum anderen sollte ein Überblick über den
Wandel in der Rechtsprechung bis hin zum 2002 erlassenen
Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in
einem Ghetto erarbeitet werden. Referent ist Christoph Zahn aus Marpingen, Vorstandsmitglied
des Vereins „Wider das Vergessen“ und zugleich Mitarbeiter der
Deutschen Rentenversicherung. Die Veranstaltung beginnt um
19.30 Uhr. Sie wird musikalisch begleitet von dem
Klarinetten-Duo Jürgen und Jacob Brill aus Marpingen. Der
Eintritt ist frei. Die Ausstellung ist bis zum 22. Februar geöffnet, von Montag
bis Freitag, jeweils von 8.30 bis 12 Uhr, an den fünf
Sonntagen bis zum 19. Februar jeweils von 14 bis 17 Uhr sowie
für Schulklassen zusätzlich nach Vereinbarung. red Infos und Kontakt: Christoph Zahn, Telefon (0 68 53) 45 04
oder CZahn(a)drv-saarland.de sowie Kulturamt der Gemeinde
Marpingen, Telefon (0 68 53) 91 16-121. |
Date: 2017/01/20 09:22:02
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
gestern in der SZ:
St. Wendel. Die St. Wendeler St.
Sebastianusbruderschaft besteht am 20. Januar seit 576 Jahren.
Während einer Pest- und Hungerzeit schlossen sich St. Wendeler
Menschen aus allen Ständen – Geistliche, Rittersleute,
Handwerker und Bauern – zu einer Bruderschaft zusammen, um
sich in der Not der Zeit gegenseitig beizustehen. Diese
freiwillige Gemeinschaft wählte sich den Heiligen Sebastian
als Helfer gegen Epidemien und den Heiligen Fabian als Helfer
in Hungersnöten zu Patronen. Beide haben ihr Fest am 20.
Januar. Seit dem Jahre 1441 in ununterbrochener Folge kümmern sich
St. Wendeler Bürger um in Not geratene Mitbürger. Nach eigenem
Verständnis ist keine andere Personenvereinigung so eng mit
der Geschichte der alten Stadt verknüpft wie die St.
Sebastianusbruderschaft von 1441.
Ablauf des Patronatstags: Um 9.30 Uhr wird das Hochamt in der
Basilika St. Wendelin für die lebenden und verstorbenen
Mitglieder der Bruderschaft gefeiert. Nach dem Ende des
Gottesdienstes könne die Spende im Tagesverlauf im „Vaterhaus“
entrichtet werden. Um 18 Uhr beginnt dann die Feierstunde im
„Vaterhaus“ mit Ansprache und Totenehrung durch Brudermeister
Anton Stier. Den Festvortrag hält der neue Bruderschreiber
Frater Wendelinus Naumann zum Thema: „Die Zeit des heiligen
Wendelin und sein Nachwirken bis in die Gegenwart“. red
Das neue Buch „Die St. Sebastianus-Bruderschaft von St.
Wendel – Ihr Wirken und ihre Bedeutung im Leben unsrer Stadt“,
verfasst vom ehemaligen Bruderschreiber Gerd Schmitt, ist am
Patronatstag am Bruderratstisch für zehn Euro erhältlich. |
Date: 2017/01/20 09:23:54
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
heute in der SZ:
Mord an den Schwächsten
|
Date: 2017/01/26 01:10:17
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
Guten Morgen, am Sonntag, 18. Dezember 2016, ist in Bernkastel-Kues der Pfarrer in Rente Rudolf Gerber verstorben. Heute vor einer Woche wäre er 91 Jahre alt geworden. Vor gut 25 Jahren war er der Überzeugung, der St. Wendeler Altarist Sebastian Cerdo, der in der Zeit des 30-jährigen Krieges in St. Wendel lebte und arbeitete, sei ein entfernter Verwandter gewesen. Auf dieser Basis arbeitete er sich durch zahlreiche Akten des Stadtarchivs St. Wendel, des Pfarrarchivs St. Wendel und des Landeshauptarchivs Koblenz, fertigte Regesten und Abschriften an und veröffentlichte diese in mehr 33 selbstgemachten Büchern in kleiner Auflage. Dazu zählten u.a. eine Neubearbeitung der Urkundensammlung des Pfarrarchivs, ein Projekt, in das er mehrere -zigtausend DM steckte. U.a. engagierte er Dieter Kortenkamp, der die Transkriptionen und Übersetzungen vornahm. Ich lernte ihn Anfang der 1990er in St. Wendel kennen, als mich der damalige Leiter des St. Wendeler Stadtarchivs Heribert Catrein auf seine Arbeiten aufmerksam machte. 1999 verfaßte ich für mein Heft „gestern 3“ einen Artikel mit dem Titel "Dääne kannsche fagesse" über den unverdient schlechten Ruf und die weitgehende Ignorierung der Arbeiten des Heimatforschers Rudolf Gerber. „Um 1987 begann der in Bernkastel-Kues lebende katholische Pastor Rudolf Gerber damit, im Stadtarchiv St. Wendel nach Unterlagen zu suchen, die im Zusammenhang standen mit einem seiner vermutlichen Vorfahren, dem Altaristen Sebastian Cerdo, der während des 30-jährigen Krieges in St. Wendel lebte. Die Ergebnisse dieser Recherchen, die sich später sowohl über sein Ziel als auch das Stadtarchiv hinaus ausdehnten, veröffentlichte er in selbstproduzierten Büchern, wobei er auch deren Vertrieb übernahm. D.h. er tippte den Text in seine elektronische Schreibmaschine, druckte ihn aus, verkleinerte von A4 auf A5, kopierte die Seiten, heftete sie mit Klammern zusammen, versah sie mit Vorder- und Rückseite aus gelbem Karton, überklebte die Heftklammern mit schwarzem Klebeband, schickte zwei Exemplare an das Stadtarchiv St. Wendel und ein paar weitere an verschiedene Leute, die sich freuten, die DM 25 pro Band bezahlen zu dürfen, weil auf diese billige Art jemand anders ihnen einen großen Anteil an Arbeit abnahm. Diese Leute wohnten fast ausschließlich nicht in St. Wendel. Auf diese Art wurde Gerber dort, wo er seine Quellen ausschöpfte, nicht bekannt - in St. Wendel. Auch von seinen Tauf-, Ehe- und Sterberegistern, die er gern "Familienbuch" nennt, wissen in St. Wendel nur ein paar Leute Bescheid. Selbst Rudi Jung, der in diesen Monaten ein Familienbuch für St. Wendel veröffentlichen wird, wußte - so scheint es mir - von Gerbers Arbeit nichts, denn er erwähnt ihn nicht, weder als Literatur noch als Quelle. Es ist nicht einfach, mit Gerbers Arbeiten zu arbeiten. Es ist sehr schwer, überhaupt von ihrer Existenz zu erfahren, noch schwerer, ein Exemplar in die Hände zu bekommen, und fast ebenso schwer, Informationen daraus zu gewinnen. Zwar hat er viele Leute - auch mich - gefragt, wie er verschiedenes machen sollte, doch hat er weitgehend auf alle Ratschläge verzichtet und ist nach seiner eigenen Methodik verfahren. Er ging davon aus, daß sie leicht verständlich und logisch ist und konnte nicht verstehen, daß andere damit nicht zurechtkamen. Keine seiner Arbeiten (außer die Bände 27 - 30) wurde jemals korrekturgelesen, und sie strotzen vor Fehlern - vor allem Lesefehlern. Konsequent führte er den Begriff "Abersmann" durch die Bände 21 bis 23, wo es richtig heißen müßte "Ackersmann". Ein einfacher Lesefehler. Es ist sehr schwer, eine innere Logik im System zu erkennen, wie er seine einzelnen Bände zusammengestellt hat, auch der Autor hat sie meines Erachtens bisher nicht gefunden. Dies und noch ein paar andere Gründe führten dazu, daß Gerbers Arbeiten ziemlich schnell ziemlich abfällig angesehen und mit der Bemerkung "dääne kannsche fagesse" abgetan wurde - in Hochdeutsch und in Mundart. Doch trotz aller Mängel darf man eines nicht vergessen: Er hat sich einen Haufen Arbeit gemacht, hat fast den gesamten A-Bestand des Stadtarchivs (die Zeit zwischen Urknall und etwa 1792), fast das gesamte Pfarrarchiv St. Wendelin und den "1 C"-Bestand des Landeshauptarchives Koblenz - sofern St. Wendel betroffen war - durchgesehen und aufgearbeitet, ihn in Form von Abschriften und Inhaltsangaben in seinen Büchern wiedergegeben, und hat dabei sowohl immense Kosten und Mühen nicht gescheut. Und ich finde, er verdient ein bißchen mehr Mühe als das Pauschalurteil, seine Arbeit sei nicht zu verwerten und damit unbrauchbar. Denn es ist immer noch einfacher, in seinen Büchern zu lesen und dort nach einem Begriff zu suchen als in manchen Originalurkunden. Findet man in seinen Büchern ein Passage, so steht die Quelle direkt dabei; dann kann man immer noch (und muß es auch tun) das Original zur Auswertung heranziehen. Sind sie als Belege möglicherweise nicht gut genug, als Findbücher sind seine Arbeiten meines Erachtens phantastisch.“ Pastor Gerber brach seine historischen Forschungen plötzlich ab und wandte sich biblischen und manchmal auch esoterisch anmutenden Themen zu. Damals habe ich ihn aus den Augen verloren und heute erst von seinem Tod am 4ten Advent erfahren. Möge er in Frieden ruhen. Mit freundlichen Grüßen Roland Geiger, St. Wendel |
Date: 2017/01/29 07:54:45
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
Den Wachen am Tor der Stadt St. Wendel muß die Kinnlade heruntergefallen sein, als am Morgen des 10ten Juli 1769 ein Mann auf einem großen Pferd um Einlaß bat. Er war in prachtvolle Gewänder gehüllt, trug einen Turban auf dem Kopf und nannte sich „der arabische Prinz aus Palästina“. Wer das war und was sein Begehren, erfahren Sie in meinem Vortrag am Dienstag, 31ten Januar 2017, 17.30 Uhr, beim Monatstreffen der ASF im Lesesaal des Landesarchivs Saarbrücken. Der Eintritt ist frei. |
Date: 2017/01/31 08:45:02
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Grausig wird es immer, wenn es um die Nazis
geht. Ich meine jetzt die damals vor 1945, nicht die von heute.
Grausig wurde es aber auch, als ich gestern
die Überschrift in der SZ las: "Damit die Gräuel nie vergessen
wird". Die letzte Sprach- und Schreibverpanschung
ließ es zu, daß aus dem Wort "Greuel" die Variante "Gräuel" wird.
Nun ja, Deutschlernende sollen es ja nicht zu schwer haben. Und
da "Greuel" von "Grauen" hergeleitet wird, ist es einfacher, das
Wort als "Gräuel" herzuleiten. Einfache Logik. Schließlich soll
Sprache einfach sein, sonst könnte man sie ja zu sonstwas
verwenden. Trotzdem - ob Greuel oder Gräuel - das Wort steht, wenn ein "die" vornedran steht, im Plural, tschuldigung, in der Mehrzahl, nicht im Singular, tschuldigung, in der Einzahl. Deshalb "sind" die Gräuel, nicht "ist" sie. Doch Obacht: ich hab grad im Onlein-Duden
nachgeschaut. Es gibt "Gräuel" auch im Singular ... zefix ... in
der Einzahl. Da ist er aber männlich, also "der Gräuel". Der
wird dann auch nie vergessen, sondern "die" (obwohl ich mit dem
"nie vergessen" so meine Zweifel habe, aber das ist ne andere
Geschichte). Oh, ich sehe das Problem. Das Wort sieht in
der Einzahl wie in der Mehrzahl gleich aus. Joooh, dann konnten
die von der Zeitung das ja nicht wissen. Die wurden in die Irre
geleitet. War bestimmt der Duden schuld. Eine Runde Mitleid bitte. Ansonsten einen schönen Tag. Mit freundlichen Grüßen Roland Geiger |
Date: 2017/01/31 08:45:13
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
Grausig wird es immer, wenn es um die Nazis
geht. Ich meine jetzt die damals vor 1945, nicht die von heute.
Grausig wurde es aber auch, als ich gestern
die Überschrift in der SZ las: "Damit die Gräuel nie vergessen
wird". Die letzte Sprach- und Schreibverpanschung
ließ es zu, daß aus dem Wort "Greuel" die Variante "Gräuel" wird.
Nun ja, Deutschlernende sollen es ja nicht zu schwer haben. Und
da "Greuel" von "Grauen" hergeleitet wird, ist es einfacher, das
Wort als "Gräuel" herzuleiten. Einfache Logik. Schließlich soll
Sprache einfach sein, sonst könnte man sie ja zu sonstwas
verwenden. Trotzdem - ob Greuel oder Gräuel - das Wort steht, wenn ein "die" vornedran steht, im Plural, tschuldigung, in der Mehrzahl, nicht im Singular, tschuldigung, in der Einzahl. Deshalb "sind" die Gräuel, nicht "ist" sie. Doch Obacht: ich hab grad im Onlein-Duden
nachgeschaut. Es gibt "Gräuel" auch im Singular ... zefix ... in
der Einzahl. Da ist er aber männlich, also "der Gräuel". Der
wird dann auch nie vergessen, sondern "die" (obwohl ich mit dem
"nie vergessen" so meine Zweifel habe, aber das ist ne andere
Geschichte). Oh, ich sehe das Problem. Das Wort sieht in
der Einzahl wie in der Mehrzahl gleich aus. Joooh, dann konnten
die von der Zeitung das ja nicht wissen. Die wurden in die Irre
geleitet. War bestimmt der Duden schuld. Eine Runde Mitleid bitte. Ansonsten einen schönen Tag. Mit freundlichen Grüßen Roland Geiger |
Date: 2017/01/31 08:53:21
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
gestern in der SZ: Anmerkungen in Klammern [ ] von mir.Damit die Gräuel nie vergessen wird
|