Monatsdigest

[Regionalforum-Saar] Gebrauchtwaren und Second Hand-Markt in der Antike

Date: 2016/08/03 00:12:59
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Konf: Gebrauchtwaren und Second Hand-Markt in der Antike -
         Trier 09/16
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Patrick Reinard / Christoph Schäfer
06.09.2016-07.09.2016, Trier, Universität Trier, Raum B16

In der Erforschung der antiken Wirtschaft hat die Beschäftigung mit der
Qualität von verhandelten Waren bisher keine große Bedeutung. Lediglich
der Handel mit Luxusgütern wurde vereinzelt untersucht. Schlechte,
billige oder minderwertige Waren haben das Interesse der Forschung nicht
geweckt. In Spezialstudien zu einzelnen Wirtschafts- und
Produktionszweigen fehlt ebenfalls eine Problematisierung verschiedener
Gütestufen. Neben den unterschiedlichen Qualitätsstufen wurde auch die
Nutzungsdauer und damit einhergehend die Ausbesserung, Reparatur und
Umfunktionierung von Waren und Gütern nicht erforscht. Lediglich die
kultisch-religiöse sowie die politische Umfunktionierung, etwa im
Bereich der damnatio memoriae, wurde in der Forschung behandelt,
allerdings blieben dabei ökonomische Inhalte unberücksichtigt. In der
archäologischen Forschung wurde die Wiederverwendung von Spolien
unterschiedlicher Art sehr häufig beobachtet, aber bisher kaum unter
ökonomischen Gesichtspunkten analysiert. Dabei war gerade das
wirtschaftliche Interesse an Wiederverwendung, Ausbesserung und
Recycling in der antiken Welt weitverbreitet, was nicht zuletzt daran
lag, dass ein Großteil der Bevölkerung in prekären Lebensverhältnissen
bzw. in Armut lebte. 
Die Tagung möchte die Themenfelder "Gebrauchtwaren" bzw.
"Wiederverwendung" in unterschiedlichen Produktions- und
Wirtschaftsbereichen in den Blick nehmen, den materiellen Befund mit den
schriftlichen Quellen kontrastieren und unter gemeinsamen
Fragenstellungen analysieren: Wie können Gebrauchtwaren identifiziert
werden? In welchen Produktionsbereichen gab es einen Handel mit
Gebrauchtwaren? Wo fand Wiederverwendung statt? Was war die ökonomische
Motivation? Welche Berufszweige partizipierten an diesem Handel? Woher
bezogen die Händler ihre "Altwaren"? Gab es einen dauerhaften
überregionalen Gebrauchtwaren-Markt oder herrschte eine regionale
Distribution vor? Welchen Einfluss hatten Qualität und Alter von Waren
auf die Preisbildung? Welche Rolle spielt der bloße Materialwert von
Gegenständen, die in ihrer ursprünglichen Funktion nicht mehr verwendbar
waren? Inwieweit ist die Umfunktionierung von irreparablen
Gebrauchsgegenständen Teil eines ökonomischen Autarkiebestrebens?


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Dienstag, 6. September

14.00 Uhr Begrüßung und Einleitung  
Christoph Schäfer / Patrick Reinard

Sektion 1: Ökonomische Bedeutung von Gebrauchtwaren in Griechenland
Chair: Patrick Reinard (Trier)

14.30-15.00 Uhr
Sven Günther (Changchun) 
Wiederverwendung - ein ökonomisches Konzept bei Xenophon?

15.00-15.30 Uhr 
Dorothea Rohde (Bielefeld) 
Öffentliche Versteigerungen konfiszierter Güter im Athen des 5./4. Jh.
v. Chr.

15.30-16.00 Uhr
Moritz Hinsch (Berlin) 
Der gebrauchte Mensch. Erwerb, Verwendung und Veräußerung von Sklaven im
klassischen Griechenland

Kaffeepause

16.15-16.45 Uhr
Christian Rollinger (Trier) 
Zur Wiederverwendung erbeuteter Kriegsschiffe im klassischen und
hellenistischen Griechenland

16.45-17.15 Uhr
Monika Frass (Salzburg) 
Gebrauchte Kleidung. Leihen - Borgen - Schenken

Kaffeepause

Abendvortrag:
18.00 Uhr
Helmuth Schneider (Kassel) 
Die Erforschung der antiken Wirtschaft. Eine Wissenschaftsgeschichte vom
Hume bis Finley

Gemeinsames Abendessen


Mittwoch, 7. September

Sektion 2: Wiederverwendete Güter in der materiellen Alltagskultur
Chair: Andrea Binsfeld (Luxemburg)

8.30-9.00 Uhr
Lucretiu Birliba / Iulia Dumitrache (Iasi) 
"Nothings is lost, everything is transformed". A few remarks on the
re-use of Roman pottery from ancient Dobrudja (Romania)

9.00-9.30 Uhr
David Weidgenannt (Frankfurt a.M.) 
Only in It for the Money? Zur Wiederverwendung von Statuen(-basen) im
kaiserzeitlichen Griechenland

Kaffeepause

9.45-10.15 Uhr
Laura Willer (Heidelberg) 
Eine Tempelbibliothek, Mumien und anderer Altpapyrus

10.15-10.45 Uhr
Philipp Sesterhenn (Trier) 
Wiederverwendung von Marmor im römischen Ägypten

Kaffeepause

Sektion 3: Gebrauchtwaren - Ökonomische und rechtliche Kontexte in der
Kaiserzeit
Chair: Sven Günther (Changchum)

11.00-11.15 Uhr
Christoph Schäfer (Trier) 
Gebrauchte Schiffe - Potenzial oder Risikofaktor?

11.15-11.45 
Patrick Reinard (Trier) 
Altkleider und andere Gebrauchtwaren im griechisch-römischen Ägypten:
Beobachtungen zu Warenqualität und Preisbildung

Mittagspause

13.15-13.45 Uhr
Kai Ruffing (Kassel) 
Berufsbezeichnungen und der Handel mit gebrauchten Waren

13.45-14.15 Uhr
Dennis Mario Beck (Berlin) 
Distribution, Einsatz und Wiederverwendung des marmor numidicum anhand
ausgewählter Beispiele vom 2. Jh. v. Chr. bis in die römische
Kaiserzeit

14.15 Uhr Abschlussdiskussion


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Patrick Reinard
reinard(a)uni-trier.de

Christoph Schäfer
christoph.schaefer(a)uni-trier.de

Homepage der Alten Geschichte an der Universität Trier
<https://www.uni-trier.de/index.php?id=5108#c5319>

URL zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=31646>

[Regionalforum-Saar] Der vermessene Staat

Date: 2016/08/14 10:22:42
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Fieseler, Christian: Der vermessene Staat. Kartographie und die
Kartierung nordwestdeutscher Territorien im 18. Jahrhundert (=
Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und
Bremen 264). Hannover: Verlag Hahnsche Buchhandlung 2013. ISBN
978-3-7752-6064-0; 393 S.; EUR 44,00.

Rezensiert für H-Soz-Kult von:
Martin Knoll, Fachbereich Geschichte, Universität Salzburg
E-Mail: <martin.knoll(a)sbg.ac.at>

"Im Ganzen genommen", so lautete die Bilanz des Geographen Theophil
Friedrich Ehrmann im Jahre 1809, sei die Zahl geographischer Schriften
"zu einer ungeheuern Größe angewachsen, und nimmt noch täglich zu, wie
ein Schneeball, der sich über das beschneite Alpengebirge herabwälzt"
(zitiert nach S. 318). Man könnte die Genese dieser Konjunktur geradezu
als kulturgeschichtliche Signatur der Frühen Neuzeit bezeichnen. Der
Schneeball - um in Ehrmanns Bild zu bleiben - war bereits durch die
humanistische Geographie und deren wechselseitige Rückkoppelung mit den
buchstäblichen Horizonterweiterungen der europäischen Expansion ins
Rollen gekommen. Die Territorialisierung von Herrschaft tat als
Entwicklungsmotor ein Übriges, freilich stets in spannungsvoller
Dialektik, kam dem geographischen Wissen doch je nach Interessenlage der
historischen Akteure der Status des öffentlich zugänglichen
(Welt-)Wissens oder der eines Arkanums zu.

Die Sicht der Kartographiegeschichte auf diese Epoche hat sich von einem
primär am technischen Fortschritt interessierten, teleologisch geprägten
Verständnis hin zu einer Perspektive geweitet, welche die konstruktive
Qualität von Karten betont und wissenssoziologisch argumentiert. Teil
des vor allem mit den Publikationen John Brian Harleys (1932-1991)
verbundenen kartographiehistorischen Paradigmenwechsels ist nicht
zuletzt der Aufweis des symbolischen und repräsentativen Charakters von
Karten und des funktionalen Zusammenhangs von Kartographie und
politischer Macht. Darüber, dass auch diese Lesart weiterer
Differenzierung bedarf, herrscht weitgehend Konsens innerhalb einer
kartographiehistorischen Forschungslandschaft, die längst
multidisziplinär verfasst ist.

Im Zentrum der Studie von Christian Fieseler steht die Entwicklung im
18. Jahrhundert. Dieser Periode attestiert der Autor, sie habe in Europa
das 17. Jahrhundert als "Jahrhundert der Atlanten" - also einer
überwiegend privatwirtschaftlich organisierten Verlagskartographie -
abgelöst und den Weg zur Einrichtung dauerhafter staatlicher
Vermessungsbehörden im 19. Jahrhundert bereitet. Fieselers Arbeit
entstand als Dissertationsvorhaben im Rahmen des Augsburger
Graduiertenkollegs "Wissensfelder der Neuzeit. Entstehung und Aufbau der
europäischen Informationskultur". Der regionale Fokus liegt auf vier
nordwestdeutschen Territorien: dem Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel,
dem Kurfürstentum Hannover, dem Fürstbistum Osnabrück und dem Herzogtum
Oldenburg - folglich mittelgroßen Territorien, in denen staatliche
Projekte die Vermessung des ganzen Staatsgebiets und deren Abbildung in
einem Kartenwerk anstrebten.

Fieseler nimmt als Quellenbasis bewusst weniger die Karte selbst, das
Endprodukt kartographischer Prozesse, als vielmehr Verwaltungsschriftgut
und Publizistik in den Blick, die diese Prozesse begleiteten. Sein
Vorgehen grenzt er vom Harleyschen Forschungsparadigma dahingehend ab,
nicht anhand des symbolischen Gehalts der Karten erkunden zu wollen,
"was man in den Karten alles hätte sehen können", sondern zu fragen,
"was die Kartierungen für die Staaten des 18. Jahrhundert [sic!] leisten
und darstellen sollten" (S. 22). Gerade im reichhaltig vorhandenen
Verwaltungsschriftgut sieht Fieseler einen Schlüssel zu den
einschlägigen empirischen und administrativen Praktiken der historisch
Handelnden.

Die Untersuchung der vier nordwestdeutschen Projekte bildet den Kern der
Studie, ist aber umfassend kontextualisiert. Den Anfang macht ein Abriss
zu zeitgenössischen Kartierungsvorhaben europäischer Staaten. Hier
bilden die Mächte Frankreich, Dänemark und Schweden, die im Reich
dominierenden Österreich und Brandenburg-Preußen sowie die süddeutschen
Territorien Kurbayern, Kurpfalz und die Markgrafschaft Baden-Durlach die
Vergleichsfolie. Auf die drei Letzteren geht Fieseler unterschiedlich
ausführlich ein, am umfänglichsten und unter Hinzuziehung archivalischen
Materials auf Baden.

Als Gemeinsamkeit zwischen den europäischen Mächten arbeitet Fieseler
die Priorität wissenschaftlicher, administrativer oder fiskalischer -
mithin cum grano salis ziviler - Motive für die Kartierungsunternehmen
des 17. und 18. Jahrhunderts heraus. Selbst in Österreich, dessen
Landesvermessung aufgrund militärischer Belange initiiert wurde,
spielten fiskalische Erwägungen eine wichtige Rolle. Ferner macht er als
Parallele aus, dass die vielerorts durch Einzelpersonen begonnene
Vermessung ganzer Territorien den Regierungen nicht die erhofften
Informationen lieferte und institutionelle Akteure - Akademien,
militärische Ingenieurkorps, Vermessungsbehörden - in diese Lücke
stießen. Fieseler legt auch eine Typologie vor, die im Folgenden als
Messlatte für seine nordwestdeutschen Detailstudien dient: Er
unterscheidet in den unterschiedlichen Prozessen eine
"französisch-dänische Vorgehensweise" von einer
"schwedisch-österreichische[n] Methode" (S. 60). Spielten in der
Ersteren Akademien die Rolle staatlich beauftragter Lieferanten
wissenschaftlich exakter Vermessungsdaten, die auch veröffentlicht
wurden, so waren bei Letzterer neben wissenschaftlichen Geographen auch
Militär und Behörden in der Vermessung aktiv. Ihre Ergebnisse blieben
unveröffentlicht. Mit seinem an die eigene Akademie der Wissenschaften
gerichteten Verbot, das eigene Territorium zu kartieren, und dem
gleichzeitigen Verzicht auf administrative Landesaufnahmen kam Preußen
im retardierenden Sinne eine Sonderstellung zu, während Frankreich mit
der Cassini-Vermessung sowohl methodisch (Triangulationsnetz) wie auch
im Umfang der erfassten Fläche und im Umstand der Publikation der
Ergebnisse eine Pionierrolle einnahm.

Ein zweites Hauptkapitel widmet sich der Entwicklung der
wissenschaftlichen Kartographie im Deutschland des 18. Jahrhunderts.
Dabei wird der schon angedeutete Weg von der kommerziellen
kompilierenden Verlagskartographie hin zur wissenschaftlich
standardisierten, staatlich alimentierten Disziplin vor allem anhand des
Schicksals der namhaften Homannschen Offizin in Nürnberg, der Berufung
ihrer drei Kartographen Johann Michael Franz, Tobias Mayer und Georg
Moritz Lowitz auf Lehrstühle für Geographie, Mathematik und Astronomie
an der Universität Göttingen sowie des Wirkens der "Kosmographischen
Gesellschaft" und der Schriften Anton Friedrich Büschings
nachgezeichnet. In seinem Programm der "Kosmographischen Gesellschaft"
propagierte Johann Michael Franz ein multidisziplinäres, gleichwohl in
sich geschlossenes Lehrgebäude einer Weltbeschreibungswissenschaft, in
der der Kartographie mit entsprechend unterschiedlichen Methoden zwei
Hauptaufgaben zukamen: zum einen die exakte geometrische Vermessung, zum
anderen die auf unterschiedlichen Modi der Informationserhebung
basierende kritische Beschreibung von Territorien. Zu den tragischen
Fußnoten von Franz' durch prekäre finanzielle Umstände behindertem
Wirken gehörte, dass der Fränkische Reichskreis auf seinen Vorschlag der
Erstellung einer Kreiskartographie und -topographie nur mit der
wohlklingenden, aber undotierten Ernennung zum "fränkischen Kreyses
Geographus" (S. 96) reagierte.

Im dritten Hauptkapitel beleuchten vier Detailstudien zu
nordwestdeutschen Territorien die Art und Weise, wie die kartographische
Agenda staatlicherseits umgesetzt wurde. Im Falle des Fürstentums
Braunschweig-Wolfenbüttel verwundert, dass in Fieselers Schilderung der
Vorgeschichte der Landesaufnahmen des 17. Jahrhunderts die von Paul
Zimmermann bereits 1902 aufgearbeitete Merian-Topographie keine Rolle
spielt.[1] Zwar war diese kein im engeren Sinne kartographisches
Unternehmen, doch ein frühes Beispiel staatlicher Intervention in ein
kommerzielles topographisches Projekt und - in Form eines administrativ
straff organisierten Prozesses geographischer Informationserhebung samt
Einsatz standardisierter Fragebögen - mögliches Vorbild für die
staatlichen Akteure des 18. Jahrhunderts. Im Fürstbistum Osnabrück wird
die Rolle Justus Mösers, selbst unter anderem in Göttingen ausgebildet,
ebenso gut konturiert wie der Ablauf der Landesaufnahme in den Jahren ab
1784. Die Fallstudie zum Herzogtum Oldenburg wartet mit einem sehr
sprechenden Befund zur sozialen Praxis der Katastralvermessung auf. In
einem Gutachten äußerte sich der Geometer Samuel Griese 1724 zu der
Frage, ob in der Vermessung und Berechnung der Größe von Grundstücken
die Arbeit mit dem Messtisch dem älteren und unpräziseren Vorgehen mit
der Messkette vorzuziehen sei. Wenn man keine Karte herstellen wolle, so
die Einschätzung Grieses, sei der Einsatz der Kette überlegen, nicht nur
weil technisch einfacher und deshalb mit geringer geschultem Personal
umzusetzen, sondern auch weil die Untertanen der ihnen funktional nicht
begreiflichen "artificial Vermessung mit der Mensula" weniger vertrauten
als der für sie nachvollziehbaren Kettenmessung (S. 232). Im Ergebnis
übertraf die Oldenburger Landesvermessung die ihrer Nachbarterritorien
an technischer Exaktheit; was die Veröffentlichung ihrer Ergebnisse
betrifft, ließ sie fast alle übrigen europäischen Staaten hinter sich.

Im vierten Hauptkapitel werden die regionalen Befunde wissenschafts- und
rezeptionsgeschichtlich zurückgebunden. Eine Sichtung zeitgenössischer
Publizistik dokumentiert wissenschaftliche und öffentliche Debatten um
Kartographie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Sie legt dabei
nicht nur das damalige Expertenurteil über die zuvor analysierten
kartographischen Projekte offen, sondern dokumentiert auch Kontroversen
um so kritische Themen wie das Verhältnis von Aufwand und Ertrag der
Kartierung oder Geheimhaltung versus Publizität geographischer
Informationen. Besonders spannend sind hier etwa kontraintuitive
Wortmeldungen von Militärs, die sich gegen die Geheimhaltung
kartographischer Informationsbestände wendeten. Wie schnell die
Kartographie im engeren Sinne methodisch über sich hinauswies, wird etwa
offenbar, wenn Justus Möser in einem demographischen Traktat den Erfolg
der Osnabrücker Wirtschafts- und Bevölkerungspolitik würdigen will.
Wegen eines Umrechnungsfehlers bei der Flächenberechnung kam er auf eine
erheblich zu hoch angesetzte Bevölkerungsdichte und musste sich von
keinem Geringeren als Kaiser Joseph II. nach der Integrität seiner
Zahlen fragen lassen.

Kartographie wie Demographie waren Aspekte einer im Dienste staatlicher
Reformanliegen stehenden Staatenbeschreibung und Statistik. Diese
wiederum speisten das eingangs erwähnte übergeordnete Lehrgebäude einer
multidisziplinären Weltbeschreibung. Es ist Fieseler nicht vorzuwerfen,
sich in seiner Analyse auf die Kartographie im engeren Sinne
konzentriert zu haben. Dennoch bleiben angesichts der vielen von ihm
selbst benannten - aber eben nicht vertieften - programmatischen,
methodischen und personellen Schnittmengen und Nahverhältnisse zur
Staatenbeschreibung, der historisch-topographischen Literatur oder etwa
der aufklärerischen Universalgeschichte eines Johann Christoph Gatterer
Fragezeichen. Wenn Fieseler - zu Recht - die Relevanz empirischer
Praktiken betont und etwa auf die Rolle von Fragenlisten für die
Landesaufnahme eingeht, dann sollte er hier auch die Kriterienkataloge
des Städtelobs, der Apodemik und der Staatenbeschreibung näher in den
Blick nehmen.[2] Dass Kartographie methodisch auf zwei Säulen ruhte,
macht der Autor mehrfach deutlich. Den medialen Verbundcharakter
geographischer Publizistik leuchtet Fieseler dagegen nicht im
wünschenswerten Maße aus. Die Beschreibung der Welt - auch die der
Kartographie - war oft genug ein funktional enges, mitunter
problematisches Gefüge von Text, Bild und Karte.[3] Diese Kontaktzonen
noch intensiver zu erhellen, hieße dann vielleicht auch, manche
wissenschaftsgeschichtliche Traditionslinie stärker zu würdigen, ohne
die Innovationen des 18. Jahrhunderts prinzipiell in Abrede zu stellen.

Dieser Kritikpunkte eingedenk kommt der materialreichen, gut
recherchierten und konsequent vergleichend argumentierenden Arbeit das
Verdienst zu, die europäische Kartographiegeschichte des 18.
Jahrhunderts zwar nicht grundlegend revidiert, aber um wichtige
Fallstudien erweitert und dadurch differenziert fortgeschrieben zu
haben.


Anmerkungen:
[1] Paul Zimmermann, Matthäus Merians Topographie der Herzogtümer
Braunschweig und Lüneburg, in: Braunschweigisches Jahrbuch für
Landesgeschichte 1 (1902), S. 38-66. Auch als Separatdruck erschienen.
[2] Vgl. etwa Mohammed Rassem / Justin Stagl (Hrsg.), Geschichte der
Staatsbeschreibung. Ausgewählte Quellentexte 1456-1813, Berlin 1994;
Justin Stagl, Eine Geschichte der Neugier. Die Kunst des Reisens
1550-1800, Wien 2002.
[3] Vgl. Jürg Glauser / Christian Kiening (Hrsg.), Text - Bild - Karte.
Kartographien der Vormoderne, Freiburg im Breisgau 2007.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Niels Grüne <niels.gruene(a)uibk.ac.at>

[Regionalforum-Saar] Erinnerungen an das KZ

Date: 2016/08/14 10:41:30
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

stätten (= Flossenbürger Forum 1)
[Aus dem Französischen von Susanne Röckel]. Göttingen: Wallstein Verlag
2014. ISBN 978-3-8353-1398-9; Hardcover, gebunden mit Schutzumschlag;
336 S.; EUR 19,90.

Inhaltsverzeichnis:
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/media/beitraege/rezbuecher/toc_22631.pdf>

Ben-Brith, Nathan: Mein Gedächtnis nimmt es so wahr. Erinnerungen an den
Holocaust, bearb. und mit einem Nachwort von Inge Grolle, hrsg. im
Auftrag des Vereins für Hamburgische Geschichte von Linde Apel (=
Hamburger Selbstzeugnisse 1) [19 Abb.]. Göttingen: Wallstein Verlag
2015. ISBN 978-3-8353-1698-0; Hardcover, gebunden mit Schutzumschlag;
184 S.; EUR 12,90.


Rezensiert für H-Soz-Kult von:
Dominique Schröder, Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und
Theologie,  Universität Bielefeld
E-Mail: <dschroed(a)uni-bielefeld.de>

Provokant wirft Jörg Skriebeleit in seinen Bemerkungen zum Auftakt der
Reihe "Flossenbürger Forum", die dem Erinnerungsbericht von Carl Schrade
vorangestellt sind, die Frage auf: "Noch ein Zeitzeugenbericht?" Der
Herausgeber konzediert, dass viele, die dieses Buch in den Händen
halten, sich dieselbe Frage mit einem gewissen "Unterton des Unbehagens
- wenn nicht des Überdrusses" stellen mögen (S. 7). Auch die Herausgeber
haben sich diese Frage gestellt. Um es gleich vorwegzunehmen: Es ist
mehr als begrüßenswert, dass sie sich für die Publikation entschieden
haben. Carl Schrade begann bereits im Sommer 1945 auf Anraten eines
Freundes seinen Bericht zu verfassen, wobei er selbst davon ausging,
"dass es schon eine Menge ähnlicher Werke" geben würde, "wenn dieses
Buch in die Welt tritt" (S. 320). Damit behielt er nur zum Teil Recht,
denn Relevanz für die Forschung erhält der Text neben seiner Bedeutung
als individuellem Zeugnis insbesondere aus der Tatsache, dass der Autor
zur Gruppe der als "Berufsverbrecher" verfolgten Opfer des
nationalsozialistischen Regimes gehörte - einer Gruppe, deren
Stigmatisierung nach dem Ende der NS-Diktatur bis in die jüngere
Vergangenheit ihre Fortsetzung fand. Auch aus diesem Grund fand Schrades
Text zu Lebzeiten keinen Verlag. Erst im Jahr 2010 tauchte das
Manuskript im Nachlass eines Mithäftlings wieder auf. Mit Schrades
Erinnerungen liegt nun endlich ein erster Text vor, der Einblicke in die
Erfahrungsgeschichte dieser Häftlingsgruppe und darüber hinaus in den
"Alltag" der sogenannten frühen Lager gibt, die in der
Erinnerungsliteratur bislang kaum eine Rolle spielen.[1]

Carl Schrade, der 1896 in Zürich als Sohn deutscher Eltern geboren
wurde, musste bereits bis 1934 erste Haftstrafen wegen verschiedener
Eigentumsdelikte verbüßen und geriet dadurch frühzeitig ins Visier der
nationalsozialistischen Verfolgungsmaschinerie. So nimmt sein Bericht
den Leser mit auf eine "elf Jahre und drei Wochen" (S. 316) dauernde
Tortur von den Lagern Lichtenburg und Esterwegen bis hin nach
Sachsenhausen, Buchenwald und schließlich Flossenbürg, wo er am 23.
April 1945 die Befreiung durch die Amerikaner erlebte. Sein
detaillierter Bericht scheut nicht davor zurück, Grausamkeiten zu
benennen - er will nichts verschweigen, damit "jeder Mensch, der nach
Wahrheit, Gerechtigkeit und Objektivität dürstet, seine eigenen Schlüsse
daraus ziehen kann" (S. 320). Mehrfach erkrankt Schrade schwer oder wird
zur Arbeit in unerträglichen Kommandos eingeteilt und überlebt durch
Glück und die Hilfe anderer. Er erinnert an das Schicksal seiner
Mithäftlinge, versucht ihre individuellen (Leidens-)Geschichten vor dem
Vergessen zu bewahren. Er klagt schonungslos an und bleibt doch
differenziert, wenn er über Täter wie Opfer schreibt. Deutlich wird in
Schrades Text: Nicht alle Deutschen in den Lagern waren automatisch
skrupellose Täter, auch wenn sie Uniform trugen; nicht alle Häftlinge
waren automatisch Teil einer Solidargemeinschaft. Sein Wertmaßstab blieb
dabei stets die Menschlichkeit eines jeden Einzelnen angesichts "einer
Menschheit, die doch so unendlich hässlich und niedrig ist" (S. 221). 

Anders als Schrade wurde der am 11. Dezember 1923 in Hamburg geborene
und dort im Kreise einer wohlhabenden Familie aufgewachsene Nathan
Ben-Brith bereits als Kind Opfer der nationalsozialistischen
Verfolgungspolitik. Mit der Pogromnacht im November 1938, an die sich
Ben-Brith jedoch selbst nicht aktiv erinnert - er vermutet einen
"mentalen Schock" (S. 28) infolge der traumatischen Ereignisse -, endete
mit der Verschleppung des Vaters ins KZ Oranienburg "eine schöne und
glückliche Kinderzeit" (S. 12). Im März 1939 konnte sein Vater das Lager
verlassen, nachdem er der "Arisierung" seines gesamten Besitzes
zugestimmt hatte. Auf abenteuerlichem Weg gelang auch seiner Mutter und
seiner jüngeren Schwester die Flucht nach Belgien, wo Ben-Brith mit
seinen vier Geschwistern bereits zuvor bei Verwandten untergekommen war
und versuchte, Fuß zu fassen in einer für ihn fremden Umgebung und
Sprache. Eine kurze Phase scheinbarer Normalität endete erneut mit dem
Einmarsch der Deutschen am 10. Mai 1940, der gleichzeitig die Verhaftung
des 16-Jährigen und den Beginn einer jahrelangen Internierung in
verschiedenen Lagern markierte. In St. Cyprien und Gurs sammelte er
erste Lagererfahrungen, zeitweise zusammen mit Familienangehörigen, die
er rückblickend notiert - dabei stets reflektierend, dass seine
Erinnerungen höchst subjektiv, lückenhaft und durch später
hinzugewonnenes Wissen verändert seien. Anders als viele anderen Zeugen
besteht Ben-Brith nicht darauf, dass es so und nicht anders gewesen sei.
Er räumt Lücken ein, wenn er etwa schreibt: "Wie schon gesagt, erinnere
ich mich nicht an Einzelheiten meiner Ankunft in dieser Stadt und habe
auch nicht im Gedächtnis, dass ich dabei eine Überraschung erlebte." (S.
45) Überhaupt zeichnet sich sein Bericht neben der immer wieder
eingezogenen Metaebene der Reflexion durch die sachliche, fast schon
distanzierte Sprache aus, mit der er über das Erlebte berichtet, wozu er
sich nach eigenem Bekunden erst "circa 45 Jahre nach Ende der Schoah"
und dann "zuerst nur auf Hebräisch" (S. 11) durchringen konnte.[2] 

Über die Lager Nexon und Drancy wurde Nathan Ben-Brith in das
oberschlesische KZ Ottmuth deportiert, wo er in einer Schuhfabrik
Zwangsarbeit leisten musste. Dort erkrankte er schwer und überlebte wie
Carl Schrade nur durch Glück und die Zuwendungen von Mithäftlingen, die
sich des Jungen annahmen. Wie Schrade differenziert auch Ben-Brith hier,
benennt Hilfe und verurteilt diejenigen, die wegsahen, obwohl sie hätten
helfen können: "Noch heute, 70 Jahre später, werfe ich ihnen vor, uns in
unserer Not nicht geholfen zu haben, obwohl sie die gewünschte Hilfe gar
nichts gekostet hätte" (S. 80). Die Konzentrationslager Blechhammer, das
er im Januar 1945 mit einem "Todesmarsch" verließ, Groß-Rosen und
Buchenwald markieren weitere Stationen seines Erinnerungsberichts. 

Seine Befreiung erlebte Nathan Ben-Brith mehr tot als lebendig als
Mitglied des sogenannten Gleiskommandos, das die Aufgabe hatte, durch
Bombardements zerstörte Bahnstrecken für die Flucht von SS-Leuten zu
reparieren, in der Nähe von Salzburg. Noch im Juli desselben Jahres ließ
er sich nach Frankreich "repatriieren" (S. 106), wo ihn seine Mutter
ausfindig machte, die, wie er, überlebt hatte. Von ihr erfuhr er "nach
und nach all das [...], was sie und mein Vater, meine Geschwister,
Onkel, Tanten, Vettern und Cousinen seit meiner Deportation durchgemacht
hatten" (S. 109). Immer wieder ist die lange und weit verzweigte
Familiengeschichte der Bundheims, so der Geburtsname Ben-Briths, in
Deutschland begleitendes Thema des Buches. Neben den eindrücklichen
Schilderungen der Erfahrungen in den Lagern verdeutlicht sie gleichsam
als Buch im Buch die lebensgeschichtliche Zäsur, die die Jahre 1933-1945
für Deutsche jüdischer Abstammung markierten. 

Abschließend sei - da noch immer keine Selbstverständlichkeit bei der
Veröffentlichung von Ego-Dokumenten - positiv hervorgehoben, dass beide
Bücher sich durch sehr gründlich recherchierte und ausführliche Fußnoten
auszeichnen, die personen- wie ortsbezogene Details ergänzen und
kontextualisieren. Eine biographische Einordnung, die ebenfalls sehr
überzeugend durch die jeweiligen Mitherausgeber vorgenommen wurde,
leistet zur Einordnung der Texte wertvolle Hilfe.


Anmerkungen:
[1] Auch hierin scheint sich die fortgesetzte Stigmatisierung zu
spiegeln, die Carl Schrade selbst als Zeuge in Ermittlungs- und
Strafverfahrenen zu nationalsozialistischen Gewaltverbrechen zu erleiden
fürchtete, woraufhin er seine Vergangenheit zu modifizieren begann (S.
17). Sein Antrag auf Entschädigung wurde 1958 abgewiesen: "Den Behörden
galt er nach wie vor als 'Berufsverbrecher'" (S. 25).
[2] So schreibt Ben-Brith beispielsweise über die Erkenntnis, dass er
den eigenen Vater nie wiedersehen werde: "Nach längerer Zeit wurde uns
bewusst, dass unsere Hoffnung auf die Rückkehr meines Vaters nicht
realistisch war und dass auch er zu den sechs Millionen Opfern des
Holocausts zählte. Deshalb bestand für unseren Verbleib auf europäischem
Boden, auf dem das Leben ohnehin nicht anziehend war, keine weitere
Notwendigkeit" (S. 113).

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Ulrich Prehn <prehnulr(a)geschichte.hu-berlin.de>

[Regionalforum-Saar] Unbekannte Jahre. Die vernachl ässigte Epoche deutsch-jüdischen Aufstiegs: 1848-18 80

Date: 2016/08/14 10:52:20
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft des Leo-Baeck-Instituts in der
Bundesrepublik Deutschland
29.02.2016-01.03.2016, Berlin

Bericht von:
Arndt Engelhardt, Simon Dubnow Institute for Jewish History and Culture
E-Mail: <engelhardt(a)dubnow.de>

Am Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität
Berlin fand am 29. Februar und 1. März 2016 der von der
Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft des Leo-Baeck-Instituts in der
Bundesrepublik Deutschland ausgerichtete Workshop "Unbekannte Jahre. Die
vernachlässigte Epoche deutsch-jüdischen Aufstiegs: 1848-1880" statt,
der sich anschließend an die Zäsur der Revolution von 1848 einer Periode
der Akkulturation und Integration der Juden in Deutschland widmete.

STEFANIE SCHÜLER-SPRINGORUM (Berlin), Direktorin des Zentrums für
Antisemitismusforschung und Vorsitzende der im Jahre 1989 gegründeten
Arbeitsgemeinschaft, verwies darauf, dass diese Tagung mit ihrem
zeitlichen und thematischen Fokus an ältere Vorhaben der
Arbeitsgemeinschaft anschließe. Mitveranstalter MATHIAS BEREK
(Berlin/Leipzig) erinnerte in seiner Einführung an die Schlüsseljahre
jener Epoche, 1848, die Zeit der Reichsgründung 1869/1871 sowie
1881/1882 mit einer starken Migration aus den östlichen Gebieten Europas
infolge der Pogrome. Im Fokus stehe damit eine Periode, die durch die
Durchsetzung der rechtlichen Emanzipation der Juden, Prozesse der
Urbanisierung und ein weiteres Aufgehen der jüdischen Bevölkerung in die
deutsche, sich national gebärdende Umgebungskultur gekennzeichnet sei,
die gleichzeitig jedoch Anzeichen einer Dissimilation in sich trage.
Mögliche Sehepunkte für eine neuerliche Beschäftigung könnten aufbauend
auf die Pionierstudien unter anderem von Jacob Toury (1915-2004) die
Teilhabe bzw. der Ausschluss der jüdischen Bevölkerung im Prozesse der
deutschen Nationalstaatsbildung, der liberale und universalistisch
ausgerichtete Fortschrittsoptimismus, der Glaube auch der jüdischen
Minderheit an Staat und Nation sowie der Übergang der Juden von
"Außenseitern" zu einer "normalen" religiösen Minderheit sein. 

Zum Auftakt der Tagung führte REINHARD RÜRUP (Berlin) in seinem Vortrag
"Emanzipation und bürgerliche Gesellschaft. Zur Dynamik der
deutsch-jüdischen Geschichte 1848-1878" in die zentralen Ereignisse und
Entwicklungslinien ein, die in jener "Abschlussphase der rechtlichen
Gleichsetzung" einen politisch-kulturellen Prozess von über 100 Jahren
zu Ende brachte. So sei im Jahre 1867die rechtliche Gleichstellung der
Juden in Österreich-Ungarn und 1871 im deutschen Reich erreicht worden
und damit an die Etablierung nationaler Gemeinwesen gebunden. Im
Berliner Kongress des Jahres 1878 wurde die Einrichtung neuer
Nationalstaaten von der Anerkennung ihrer jüdischen Minderheit abhängig
gemacht. Bereits unmittelbar im Anschluss an die Revolution von 1848
hätten antijüdische Ausschreitungen stattgefunden und konservative
Kräfte einen Aufwind erfahren. In den Revolutionsereignissen traten
Juden sowohl in Wien und Berlin als Akteure und gestaltende Kraft auf,
es gab auf den Barrikaden viele jüdische Opfer, und Juden wurden später
auch in die entsprechenden Parlamente gewählt. Damit einher sei ein
Wandel im Selbstverständnis der deutschen und europäischen Juden
gegangen, der sich beispielsweise in Heinrich Graetz' (1817-1891)
bahnbrechenden Werk der "Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten
bis auf die Gegenwart" in der damals heiß debattierten Formulierung von
einer "israelitischen Ehre" im elften Band "Vom Beginne der
Mendelssohnschen Zeit 1750 bis in die neueste Zeit 1848" aus dem Jahre
1870 gespiegelt habe. Auch wenn die Zeit also reif war für die
rechtliche Emanzipation der Juden als Teil der allgemeinen Aufklärung,
so habe gleichzeitig ein kultureller Wandel eingesetzt, der vor dem
Hintergrund der fortschreitenden Agrarreform und der industriellen
Revolution negative Stereotype über die vermeintliche Macht der Juden
bewahrte, transformierte und damit dem zunehmend wissenschaftlich
argumentierenden Antisemitismus zum Aufstieg verhalf. Infolge der
Gründerkrise im Jahre 1873 und während der ab 1880 einsetzenden großen
Depression sei nun die Festigung der inneren Einheit zur politischen
Prämisse sowie der Nationalismus zur tragenden politischen Kraft der
Rechten und damit die jüdische Integrationserwartung in Frage gestellt
geworden.

Das erste Panel unter dem Titel "Umbruch und Emanzipation" wurde mit dem
Vortrag "Gemeinschaft - Vertrautes als Neues? Zu den konservativen
Rückgriffen des deutschen Judentums der Emanzipationsphase" von ANDREAS
GOTZMANN (Erfurt) eröffnet. Er wies im Anschluss an die vorhergehende
Diskussion, in der die Tragweite der Wirtschafts- und Sozialgeschichte
für aktuelle Vorhaben thematisiert worden war, darauf hin, dass sich
Forschungsansätze immer zeitspezifisch verschieben und sich damit neue
Themen sowie Formen der Darstellung ergeben. Ein Ziel seines Vortrages
war es hervorzuheben, dass sich auf der Ebene des Gemeindelebens neben
einem rasanten Anpassungsprozess auch Residuen traditioneller Strukturen
erkennen lassen, die Stabilität erzeugen. Gotzmann erläuterte diese
These anhand der besonderen Organisationsstrukturen jüdischer
Gemeinschaften und deren Verwaltungsrahmen im Zeitalter der
fortschreitenden Säkularisierung, in der die traditionelle jüdische
Gemeinde in Religionsgemeinschaften wie andere auch transformiert wurde.
Gerade durch einen genauen Vergleich der spezifischen Umstände in
Karlsruhe und Breslau gelang es ihm, die Ausdifferenzierung jüdischer
Gemeindeautonomie vor dem Hintergrund überlappender staatlicher
Interessen im Erziehungswesen und der Steuergesetzgebung in den
Besonderheiten des allgemeinen Vereinsrechts aufzuzeigen. ARNDT
ENGELHARDT (Jerusalem/Leipzig) thematisierte in seinem Beitrag das auf
Initiative von Ludwig Philippson (1811-1889) gegründete "Institut zur
Förderung der israelitischen Literatur" als zentrale Buchgemeinschaft in
den Jahren 1855 bis 1873 für Schriften zur jüdischen Geschichte, Kultur
und Literatur. Mit einem auf das breite Publikum ausgerichtetem Programm
sprach jene Buchgemeinschaft gezielt eine Leserschaft an, die über ein
hohes Unterhaltungs- und Lesebedürfnis verfügte. Gleichzeitig war es ihr
durch die Auswahl der edierten Werke möglich, die Richtung der
angestrebten geistigen und religiösen Bildung zu bestimmen. In den
siebzehn Jahren seines Bestehens verlegte das "Institut" mehr als 85
Werke zur jüdischen Geschichte und Literatur, darunter in den Jahren
1855 bis 1868 sieben Bände der "Geschichte der Juden" von Heinrich
Graetz, aber auch bedeutende Werke der Belletristik und einen großen
Teil der publizistischen Arbeiten von Ludwig Philippson. Vor dem
Hintergrund der politischen, kulturellen und sozialen Ereignisse der
1860er Jahren wurde damit eine publizistische Ausrichtung diskutiert,
die zwischen einer Reformierung und der Bewahrung traditioneller
jüdischer Werte vermittelte.

Im folgenden Panel "Das deutsche Judentum und die Nation" ordnete ULRICH
WYRWA (Berlin) mit seinem Vortrag "Die Konstruktion der deutschen Nation
mit den Juden. Deutsche Juden als Akteure auf dem nationalen Feld" im
Anschluss an die theoretischen Implikationen des Feldbegriffs von Pierre
Bourdieu die Ereignisse in der konstitutiven Phase der Gründung der
deutschen Nation in allgemeine, auch europäische Entwicklungslinien ein.
Wurde in der bisherigen Forschung häufig ein unmittelbarer Bezug
zwischen der Nationsbildung und dem Aufkommen des Antisemitismus
hergestellt, so ging es Wyrwa in seiner Präsentation darum, die
Beteiligung jüdischer Deutsche als Akteure im nationalen Feld zu zeigen.
Hierzu verwies er unter anderem auf die Gründungsgeschichte des
deutschen Nationalvereins, die Etablierung neuer, eher national
ausgerichteter Zeitschriften und eine zunehmende Militarisierung des
nationalen Diskurses, die auch von den preußischen Juden mitgetragen
wurde. HARALD LÖNNECKER (Koblenz) thematisierte in seinem Referat "Juden
und Burschenschaft ca. 1848/49-1880" die Besonderheit der
deutschsprachigen Studentenkultur mit einem starken Gruppenbewusstsein
als zukünftige Elite und deren Leitfunktion für zeitgenössische
Gesellschaft. Das Korporationsleben wurde als kollektives Erlebnis
beschrieben, das gerade in den Universitätsburschenschaften im Gegensatz
zu den technischen und freien Burschenschaften sehr gut dokumentiert
ist. Die Beteiligung in korporativen Vereinigungen war somit gerade für
Juden eine Form der Teilhabe und ein Zeichen für die Emanzipation.

Das dritte Panel "Revolution, Reaktion, Universalismus" versicherte sich
publizistischer Repräsentationen jener Epoche. MANJA HERRMANN
(Berlin/Beer Sheva) erläuterte in ihrem Vortrag "Der frühe
national-jüdische Diskurs: Moses Hess (1812-1875) und Wilhelm Herzberg
(1827-1897)" das Zusammengehen von modernem zionistischen und säkularem
Denken vor dem Hintergrund der Entwicklungen in Europa und Palästina. In
beiden seinerzeit aufsehenerregenden Texten wurde der Diskurs um das
nationale Selbstverständnis der Juden mit Fragen der Authentizität in je
besonderer Weise verknüpft. Im Zentrum der Darstellung stand dabei der
hier konstruierte Gegensatz zwischen "Hebräern" und "Helenen" sowie die
Verhandlung von jüdischen und christlichen Emblemen in den beiden
jüdisch-national orientierten Schriftzeugnissen. Anhand der Arbeiten
dreier jüdischer Autorinnen des 20. Jahrhunderts, Eva Reichmann
(1897-1998), Hannah Arendt (1906-1975) und Eleonore Sterling
(1925-1968), konnte KIRSTEN HEINSOHN (Hamburg) zeigen, wie diese in
ihren Analysen den in Deutschland aufkommenden Antisemitismus aus der
Retrospektive der 1950er Jahre bewerteten. Sie verwies auf die je
spezifischen historischen Erfahrungs- und Schreibkontexte, in denen
diese Schriften entstanden waren, und wie hier universalistische Werte
gegenüber nationalistischen Einschränkungen verteidigt wurden. Darüber
hinaus arbeitete sie die Bedeutung der drei Publizistinnen für die
Entstehung der Zeitgeschichtsforschung als neuer Disziplin heraus, die
sich mit ihren Schriften nur bedingt in seinerzeit vorherrschende
Meistererzählungen über das 19. Jahrhundert einordnen lassen. Heinsohn
betonte in ihren Ausführungen besonders den Übergangscharakter der
Epoche im Fokus, der von diesen drei Autorinnen bereits früh aufgezeigt
worden war. 

Im vierten Panel zu "Innerjüdische Perspektiven" stellte zunächst
CHRISTIANE WENDLER (Trier) die Diskurse in der von dem orthodoxen
Rabbiner Marcus Lehmann (1831-1890) redigierten Zeitschrift "Der
Israelit" vor. Dieses zeitgenössische Organ war als ein Gegenentwurf zur
"Allgemeinen Zeitung des Judentums" angelegt. Wendler machte sichtbar,
wie gerade in den Debatten um die Modernisierung des Judentums ein
ganzes Spektrum an divergierenden Einstellungen zu religiösen Fragen
präsent war und auch skeptische Meinungen zur Emanzipation der Juden
aufschienen, die in der Forschungsliteratur bisher häufig übersehen
wurden. NADINE GARLING (Lübeck/Hamburg) thematisierte in ihrem Vortrag
die Herausbildung der Neoorthodoxie als bedeutende Strömung innerhalb
des deutschen Judentums im Zeitraum von 1848 bis 1880. Anhand der
Entwicklungen in der jüdischen Gemeinde der Hansestadt Lübeck wurde in
einem mikrohistorischen Ansatz der Frage nachgegangen, wie sich die
innerjüdischen Debatten um Religionsreform in Synagoge, Rabbinat und
Gemeindeorganisation auf der lokalen Ebene auswirkten. Den
Wandlungsprozess, der sich innerhalb der deutsch-jüdischen
Historiographie im jüdischen Selbstverständnis der Jahrzehnte zwischen
1848 und 1880 vollzog, untersuchte IMANUEL CLEMENS SCHMIDT (Leipzig) in
seinem Vortrag, der sich der Publikations- und Übersetzungstätigkeit von
Meir Wiener (1819-1880) widmete. Die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde
dabei als ein Einschnitt verstanden, in dem in der jüdischen
Geschichtsschreibung in Abkehr vom Emanzipationsdiskurs auch eine
Wiederkehr martyriologischer Erinnerungen zu verzeichnen sei. Schmidt
band diese Entwicklung an den europäischen politischen Diskurs jener
Jahre und markierte sie als eine kulturelle Verschiebung, jüdische
Leidensgeschichte von christlichen Deutungen abzusetzen und eine
spezifische Sinndeutung partikularer Geschichtserfahrung zu
reflektieren.

TILL VAN RAHDEN (Montreal) thematisierte in seiner Einführung zum
abschließenden Panel "Liberalismus, Optimismus, Antisemitismus" die
Notwendigkeit, der historischen Wandlung der Begrifflichkeiten
nachzugehen, mit denen die Erfahrungen vergangener Zeiten beschrieben
werden. CHRISTINE ACHINGER (Warwick) verwies mit dem Vortrag "Die Figur
des Juden und die Erzählbarkeit der Welt: Realismuskonzeptionen und
Antisemitismus bei Gustav Freytag" auf die Grenzen des bürgerlichen
Liberalismus, die in dem wirkmächtigen Roman "Soll und Haben" (1855) in
besonderer Weise aufscheinen. Mit einem genauen Blick auf Freytags
literaturtheoretische Positionierung im deutschen Realismus
rekonstruierte sie das Ineinandergehen von literarischen Antisemitismus
und tiefgreifenden Wandlungen im Verhältnis von Subjekt und
gesellschaftlicher Welt, das mit der Entwicklung der kapitalistischen
Moderne unmittelbar verbunden sei. Anhand der in den Erinnerungen des
Berliner Rabbiner Emil Bernhard Cohn (1881-1948) und im Familiennachlass
überlieferten Materialien beschriebenen Bildungs- und Berufswege
erläuterte CHRISTINE HARTIG (Göttingen) in ihrem Vortrag die Beziehungen
der jüdischen Bevölkerung zur christlichen Mehrheitsgesellschaft. Dabei
wurde deutlich, dass bereits vor 1880 die soziale Einhegung des
Bürgertums bis dahin getragene Aufstiegshoffnungen der jüdischen
Minderheit enttäuschte und in der Retrospektive der aufkommende
Antisemitismus sowohl als Wendepunkt in individuellen
Familiengeschichten wie als Vorgeschichte für den Zionismus
interpretiert wurde. MARCEL STOETZLER (Bangor) stellte in seinem Beitrag
die Reaktionen jüdischer Liberaler auf Heinrich von Treitschkes
(1834-1896) antisemitische Angriffe in den Jahren 1879-1881 dar. Er
verwies dabei auch auf die Besonderheiten der Argumentationsfiguren
innerhalb dieser zentralen Debatte gegen Ende des 19. Jahrhunderts, in
der die Anschlussfähigkeit an nationale Positionen gewahrt blieb und der
Antisemitismus gerade auch im (liberalen) Bürgertum sowie der
akademischen Elite fest verankert wurde.

In seinem Abschlussvortrag "Die nachrevolutionäre Epoche als
Gründerzeit" rief CHRISTIAN JANSEN (Trier) noch einmal zentrale
Positionen für die Deutung jener Zeit vor dem Hintergrund der deutschen
Nationsbildung auf der Ebene der inneren Strukturbildung des Reiches,
der politischen Kultur und im Parteiensystem in Erinnerung. In seinem
Plädoyer, das historische Label einer "Begründung" für die Forschung
nutzbar zu machen, verwies er auch auf die Eigenständigkeit jener Jahre,
die bereits von den Zeitgenossen immer wieder betont wurde. Auch wenn
die Reichsgründung ohne die Revolution von 1848 nicht zu verstehen sei,
deren Ideen in jenen Jahrzehnten fortwirkten, so bildete sich später ein
exklusiver Reichsnationalismus aus, in dem vor dem Hintergrund der
fortschreitenden Industrialisierung und des Agrarwandels die
Verbürgerlichung beschleunigt wurde.

Die Abschlussdiskussion - und der Workshop im Ganzen - machte deutlich,
dass die Meistererzählung über die Emanzipationsperiode und den
Liberalismus im 19. Jahrhundert weiterhin forschend in Frage gestellt
werden sollte: Das deutsche nationale Projekt war auch ein jüdisches und
die antijüdische Ausgrenzung auch eine liberale. Gerade die Epoche
zwischen 1848 und 1880 zeigt, wie eng verzahnt zentrale Fragen der
Geschichte des 19. Jahrhunderts mit der Perspektive jüdischer Geschichte
sind, und wie aus einem solchen Sehepunkt heraus allgemeine historische
und gesellschaftliche Entwicklungen neu eingeordnet werden können. 

Konferenzübersicht:

Stefanie Schüler-Springorum (Berlin): Begrüßung
Mathias Berek (Berlin/Leipzig): Einführung und Vorstellung

Workshop-Auftakt
Reinhard Rürup (Berlin): Emanzipation und bürgerliche Gesellschaft. Zur
Dynamik der deutsch-jüdischen Geschichte 1848-1878

Panel "Umbruch, Emanzipation"
Andreas Gotzmann (Erfurt): Gemeinschaft - Vertrautes als Neues? Zu den
konservativen Rückgriffen des deutschen Judentums der
Emanzipationsphase

Arndt Engelhardt (Jerusalem/Leipzig): Das "Institut zur Förderung der
israelitischen Literatur" (1855-1873) zwischen Bewahrung und Reform

Panel "Das deutsche Judentum und die Nation"
Ulrich Wyrwa (Berlin): Die Konstruktion der deutschen Nation mit den
Juden. Deutsche Juden als Akteure auf dem nationalen Feld
Harald Lönnecker (Koblenz): Juden und Burschenschaft ca. 1848/49-1880

Panel "Revolution, Reaktion, Universalismus"
Manja Herrmann (Berlin/Beer Sheva): Der frühe national-jüdische Diskurs:
Moses Hess (1812-1875) und Wilhelm Herzberg (1827-1897)

Kirsten Heinsohn (Hamburg): 1848 bis 1880 aus der Sicht jüdischer
Publizisten

Panel "Innerjüdische Perspektiven"
Christiane Wendler (Trier): Orthodoxe Ansichten der innerjüdischen
Emanzipationsdebatte

Nadine Garling (Lübeck/Hamburg): "auf ererbter orthodoxer Basis
gegründetes Gemeindewesen". Die Herausbildung der Neo-Orthodoxie am
Beispiel des Übergangs der ländlichen Gemeinde in Moisling zur
Stadtgemeinde in Lübeck zwischen 1848 und 1880

Imanuel Clemens Schmidt (Leipzig): Veröffentlichtes Leiden. Meir Wiener
(1819-1880) und die Wiederkehr jüdischer Martyriologie

Panel "Liberalismus, Optimismus, Antisemitismus"
Christine Achinger (Warwick): Die Figur des Juden und die Erzählbarkeit
der Welt: Realismuskonzeptionen und Antisemitismus bei Gustav Freytag
Christine Hartig (Göttingen): Vom "liberalen Zeitalter" zur
Dissimilation: Zäsuren zwischen 1850-1880

Marcel Stoetzler (Bangor): An euphoric moment of liberal optimism:
Jewish liberals' rebuttals of Treitschke's antisemitism in the Berlin
Antisemitism Dispute

Abschlussvortrag "Vernachlässigte Jahre?"
Christian Jansen (Trier): Die nachrevolutionäre Epoche als Gründerzeit -
und warum die Historiker sich lange nicht für sie interessiert haben



-- 
Mit freundlichen Grüßen
 
Roland Geiger
 
--------------------

Roland Geiger
Historische Forschung
Alsfassener Straße 17, 66606 St. Wendel
Tel. 06851-3166
email rolgeiger(a)aol.com oder alsfassen(a)web.de
www.hfrg.de

[Regionalforum-Saar] ein Glücksritter aus der Pfal z

Date: 2016/08/22 08:54:14
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>

Saarbrücker Zeitung, 22. August 2016, Seite B5

 

Trumps Opa – ein Glücksritter aus der Pfalz

 

Friedrich Trump drückte sich vor dem Militärdienst und verdiente sein Geld auch als Bordell-Chef

 

Friedrich alias Frederick Trump aus Kallstadt machte in den USA sein Vermögen mit Hotels, Bordellen und Immobilien. Die Behörden wollten den illegal ausgewanderten Großvater von US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump nicht wieder heimkehren lassen.

 

Von epd-Mitarbeiter Alexander Lang

 

Kaiserslautern. Donald Trump sollte etwas vorsichtiger sein, wenn er gegen Immigranten aus Mexiko und aus islamischen Ländern wettert, rät der Kaiserslauterer Historiker Roland Paul. „Er scheint vergessen zu haben, dass sein eigener Großvater ein Einwanderer aus der Pfalz war, der seine Heimat sogar illegal verlassen hat.“ Friedrich Trump (1869-1918) aus Kallstadt an der Weinstraße machte in den USA sein Geld „mit Restaurants, Freudenhäusern und Immobilien“, sagt Paul, der ein Experte für die deutsch-amerikanische Auswanderungsgeschichte ist.

 

Der ehemalige Direktor des Instituts für pfälzische Geschichte und Volkskunde in Kaiserslautern stöberte in alten Akten und zeichnet nach, wie die Trump-Familie in der Neuen Welt zu Reichtum und politischem Einfluss kam. Sein Fazit: Der schillernde republikanische US-Präsidentschaftskandidat und Immobilienmilliardär Donald Trump, der gerne als Wortführer des einfachen Mannes auftritt, setzte sich ins gemachte Nest. Auch der Ketchup-König Henry John Heinz (1844-1919) war ein Sohn von Emigranten aus dem Pfälzer Weindorf, wie der Dokumentarfilm „Kings of Kallstadt“ (2014) erzählt.

 

Weil er nach einer Friseurlehre keinen Job fand, wanderte Trumps Großvater Friedrich 1885 aus der zum Königreich Bayern gehörenden Pfalz nach Amerika aus – ohne sich ordnungsgemäß abzumelden. Der 16-jährige Wehrpflichtige hätte wohl keine Auswanderungserlaubnis erhalten, sagt Paul. In New York jobbte Trump in einem Friseurgeschäft, schließlich suchte er sein Glück im Westen.

 

In Seattle im US-Bundesstaat Washington betrieb Trump ein Restaurant. 1892 wurde er eingebürgert und änderte seinen Vornamen in Frederick. In der Gold- und Silberminenstadt Monte Cristo führte er ein Hotel und ein Bordell. Dort engagierte sich Trump für den regionalen Kandidaten der Demokraten im US-Präsidentschaftswahlkampf und wurde mit 27 Jahren selbst zum „Friedensrichter“ gewählt. Gepackt vom Goldrausch folgte der Glücksritter 1898 den „Miners“ nach Norden.

 

Am Lake Bennett in der kanadischen Provinz British Columbia eröffnete er ein Restaurant und ein Hotel mit zweifelhaftem Ruf. Das Haus warb nicht nur mit einer guten Küche, sondern auch mit seinen „private boxes for ladies“, erzählt der Historiker Paul.

 

Bei einem Besuch in seiner alten Heimat lernte Friedrich seine Frau Elisabeth kennen, die er 1902 in Ludwigshafen heiratete. Das Paar zog nach New York, doch Elisabeth litt an Heimweh. Der „Hotelkeeper“ Trump reiste mit seiner Familie und einem Vermögen von 80 000 Mark im Gepäck zurück nach Kallstadt, wo er 1904 einen Antrag auf Wiedereinbürgerung stellte. Doch die Behörden schoben ihn in die USA ab: Er habe sich davongeschlichen und um den Militärdienst gedrückt, lautete die Begründung.

 

1905 kehrte Friedrich Trump wieder mit seiner Familie nach New York zurück. Er wurde Geschäftsführer eines Hotels und arbeitete als Immobilienunternehmer. Am 30. Mai 1918 starb der „Selfmademan“ an der Spanischen Grippe.

 

Sein Sohn Fred C. („Freddy“) stieg in den 1920er Jahren in das väterliche Immobiliengeschäft ein, das seine Mutter Elisabeth fortführte. Er profitierte von dem von Präsident Franklin D. Roosevelt gestarteten sozialen Wohnungsbauprogramm, baute Mietskasernen und Wohnsiedlungen. Freddy leugnete seine deutsche Herkunft und behauptete, seine Familie komme aus Schweden.

 

Aus der Ehe Freddys mit der Schottin Mary Ann MacLeod (1912-2000) gingen fünf Kinder hervor – darunter der heute 70-jährige Donald Trump. Als der Bauunternehmer Fred C. Trump 1999 in New York starb, hinterließ er ein Vermögen von 250 bis 300 Millionen Dollar, sagt Historiker Paul. Sein Sohn Donald war da schon längst in seine Fußstapfen getreten.

[Regionalforum-Saar] Seminar auf Schloß Dhaun im November

Date: 2016/08/28 10:23:21
From: Rolgeiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Salve,

hier ist das vorläufige Programm für Schloß Dhaun im November 2016 (das ist in 11 Wochen).

Vertiefende Familienforschung
Schlossakademie Dhaun
am 12ten und 13ten November 2016


Samstagmorgen

10.00
Roland Geiger
Zur Beurkundung von Sterbefallanzeigen

11.00
Rolf Born
Löhne und Preise 1600-1900; unsere Vorfahren und ihr Geld

Samstagmittag
13.30
Florian Kunz
Wie die Pfarreien entstanden sind

14.30
Christian Decker
Hugenotten

15.30
Kaffeepause

16.00
Beate Busch-Schirm
Was können uns Schulchroniken aus dem Leben unserer Vorfahren berichten?

17.00
hier fehlt noch ein Vortrag, und mir fällt einfach nix ein.
Hätten Sie Lust und einen Vortrag? Das Honorar beträgt 50 Euro.


Sonntagmorgen

10-12 Uhr
Dr. Helmut Priewer
Sterblichkeit und Todesursachen - ein Beitrag zur Familienforschung aus historisch-demographischer Sicht


Alle Fachvorträge sind so angelegt, dass stets ausreichend Zeit für Fragen und Diskussionen gegeben ist, denn wie immer ist es ein Anliegen der Veranstalter, den Teilnehmern Gelegenheit zum Gespräch und zum persönlichen Austausch zu geben.

Anmeldung an:

Schlossakademie Schloß Dhaun
55606 Hochstetten-Dhaun
Tel. 06752/93840
Email: info(a)schlossdhaun.de

oder

Roland Geiger
Alsfassener Straße 17
66606 St. Wendel
Email: alsfassen(a)web.de
www.hfrg.de
 

Re: [Regionalforum-Saar] Seminar auf Schloß Dhaun im November

Date: 2016/08/29 10:57:02
From: Margarete Stitz <ma.stitz(a)gmx.de>

Salve,

ich kann meinen Aufsatz „Verweigerte Ostereier und skandalträchtige Prozessionen“ aus dem Heimatbuch 2012-2015 anbieten, vielleicht unter „Sünden der Pfarrkinder“ noch etwas erweitert. Könnte ich dann mit Ihnen den Zeitpunkt tauschen, da ich gern am frühen Nachmittag zurückfahren möchte?

M.S.

 

Von: regionalforum-saar-bounces(a)genealogy.net [mailto:regionalforum-saar-bounces(a)genealogy.net] Im Auftrag von Rolgeiger via Regionalforum-Saar
Gesendet: Sonntag, 28. August 2016 10:23
Betreff: [Regionalforum-Saar] Seminar auf Schloß Dhaun im November

 

Salve,

hier ist das vorläufige Programm für Schloß Dhaun im November 2016 (das ist in 11 Wochen).

Vertiefende Familienforschung
Schlossakademie Dhaun
am 12ten und 13ten November 2016


Samstagmorgen

10.00
Roland Geiger
Zur Beurkundung von Sterbefallanzeigen

11.00
Rolf Born
Löhne und Preise 1600-1900; unsere Vorfahren und ihr Geld

Samstagmittag
13.30
Florian Kunz
Wie die Pfarreien entstanden sind

14.30
Christian Decker
Hugenotten

15.30
Kaffeepause

16.00
Beate Busch-Schirm
Was können uns Schulchroniken aus dem Leben unserer Vorfahren berichten?

17.00
hier fehlt noch ein Vortrag, und mir fällt einfach nix ein.
Hätten Sie Lust und einen Vortrag? Das Honorar beträgt 50 Euro.


Sonntagmorgen

10-12 Uhr
Dr. Helmut Priewer
Sterblichkeit und Todesursachen - ein Beitrag zur Familienforschung aus historisch-demographischer Sicht


Alle Fachvorträge sind so angelegt, dass stets ausreichend Zeit für Fragen und Diskussionen gegeben ist, denn wie immer ist es ein Anliegen der Veranstalter, den Teilnehmern Gelegenheit zum Gespräch und zum persönlichen Austausch zu geben.

Anmeldung an:

Schlossakademie Schloß Dhaun
55606 Hochstetten-Dhaun
Tel. 06752/93840
Email: info(a)schlossdhaun.de

oder

Roland Geiger
Alsfassener Straße 17
66606 St. Wendel
Email: alsfassen(a)web.de
www.hfrg.de