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2015/03/16 17:50:31 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] 70 Jahre Ende des 2. Weltkrieges in Blieskastel |
Datum | 2015/03/22 22:45:19 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] wer liegt begraben im Dom zu St. Wendel? |
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2015/03/15 12:53:42 Bernd Brill Re: [Regionalforum-Saar] suh |
Betreff | 2015/03/22 22:45:19 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] wer liegt begraben im Dom zu St. Wendel? |
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2015/03/16 17:50:31 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] 70 Jahre Ende des 2. Weltkrieges in Blieskastel |
Autor | 2015/03/22 22:45:19 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] wer liegt begraben im Dom zu St. Wendel? |
Date: 2015/03/19 08:21:23
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Guten Morgen,
das ist die Geschichte vom Einmarsch der Amerikaner in St. Wendel, wie mir sie der Herr Naumann, ein Augenzeuge, vor 20 Jahren erzählte. Auch hier - wie bei fast jedem Augenzeugen gilt: Wo viel Licht ist auch viel Schatten. Manche Aussagen sind mit Vorsicht zu genießen. Es liegt an uns festzustellen, welche das sind.
Der eine Satz über die Rassiersmühle und der Grund, warum sie am 18ten brannte, hat schon viel Ärger hervorgerufen - seitens der ehemaligen Bewohner der Mühle. Es wird sich wohl nie herausfinden lassen, was damals dort gelaufen ist.
Einen schönen Josefstag wünsche ich Ihnen
Roland Geiger
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Vorgestern Am 17., einem Samstag, wir Kinder spielten vorne am
Brunnen und liefen dann hoch nachhause. Es wurde bereits düster. Es waren keine
Jabos da. Von weitem hörte man schon verstärkt Geschützfeuer. Ich weiß
noch, daß die Älteren sagten: "Oh, die kommen morgen sehr wahrscheinlich."
Andere entgegneten ihnen: "Oh, ihr spinnt, das kann doch nicht möglich sein!"
Der Lärm kam aus Richtung Tholey-Weiskirchen (eher Weiskirchen als Tholey).
Nachts gingen wir dann schlafen, es war sehr ruhig, kein Angriff,
nichts.
Gestern
Und dann kam der Sonntagmorgen. Es war ein strahlender Märztag. Es war
schon um sieben Uhr hell. Als um 8 Uhr die Leute auf die Straße gingen, war noch
kein Flieger am Himmel. Von Bliesen her kamen Soldaten. Die kamen auf
sogenannten "Panje-Wäänja" (zweirädrige Wagen mit kleinen Pferden vornedran;
kommt aus dem Russischen). Da saßen die Soldaten, hatten Panzerfäuste bei sich
und winkten nur ab, als wollten sie sagen "hat alles keinen Zweck mehr". Manche
kamen auch zu Fuß. Es war kein geschlossener Rückzug, was sich da durch die
Alsfassener Straße zog. Die Leute standen am Rand der Straße und sagten nur
"ach, du lieber Gott". Und dann kamen auch schon - das war so gegen 9 Uhr -
verstärkt die Jagdbomber drüber; die kamen verdammt viel tiefer als die Tage
zuvor. Da sagte dann jeder "Kommt, wir müssen die Keller gehen". Ich weiß
noch genau, um zehn Uhr fuhren ein paar Fahrzeuge vorbei, darauf saßen Soldaten,
die waren voller Blut, ein paar Verwundete lagen drauf, die auch blutverschmiert
waren. Die wurden dann gefragt: "Wo ist denn der Amerikaner jetzt?" Als
Antwort kam dann: "Ei, der ist in Obersdorf". Er hatte Obersdorf mit Oberthal
verwechselt. Das war so gegen halb elf. Er wurde gefragt "ei, wann sind
denn die hier?" "Ja, so in einer Stunde oder zwei..., falls kein Widerstand oder
so mehr ist". Wir gingen dann auf die andere Seite der Straße in den Keller von
Familie Koob.
Ab 11 Uhr kamen wieder die Jabos, die Alsfassen und die Stadt überflogen
und auf die rückziehenden Truppen schossen. Sie mähten regelrecht über die
Häuser und schossen mit ihren Bordwaffen. Allerdings scheinen sie niemanden
getroffen zu haben. Die deutschen Soldaten brachten sich in Sicherheit, wo sie
konnten. Ein paar sind mit ihrem Pferdewagen an unseren Giebel gefahren, weil
sie dort von oben nicht direkt eingesehen werden konnten. Es waren nicht mehr
viele Soldaten, und sie kamen auch nicht einheitlich daher, sondern immer wieder
ein paar. Sie kamen auch nicht alle aus Richtung Bliesen, sondern z.T. übers
Gelände daher. Die Leute saßen im Keller und ab und zu kam dann auch mal einer
runter und sprach mit ihnen.
Um 15 Uhr kam dann von Bliesen her eine schwere Zugmaschine, die von
einer SS-Einheit bemannt war. Sie hielten oberhalb der Wirtschaft Lerner
an, spannt das Geschütz aus und baut es mitten auf der Straße auf - mit
Zielrichtung Bliesen. Das Geschütz hatte eine lange Zieleinrichtung, die exakt
auf die Höhe zwischen Bliesen und Alsfassen ausgerichtet war. Häuser standen
dazwischen keine, sodaß er freie Sicht bis dorthin hatte. Er wartete dort auf
den ersten Panzer. Die Leute rundherum gingen in Deckung, Jabos flogen zu diesem
Zeitpunkt keine übers Dorf. Als die Leute ihn fragten, was das soll, sagte er,
er habe Befehl, hier Stellung zu beziehen und den Rückzug der deutschen Soldaten
zu sichern, auch in Hinblick auf das Lazarett in der Kaserne, das noch nicht
ganz geräumt war. Er bestand ganz fest darauf, dort zu bleiben. Es waren noch
ein paar Männer aus Alsfassen da, die auch in der Partei waren und ihn
ansprachen, um Gottes willen, was er da machen würde und er soll doch ... Nein,
er bleibt hier stehen. Es war ein 10,5 cm Geschütz, das er und seine Batterie -
ca. 20 Mann - dort aufgebaut hatte. Er schaute dauernd mit seinem Fernglas
Richtung Bliesen und wartete jeden Moment darauf, den ersten Panzer dort
auftauchen zu sehen. Die Leute rundherum beorderte er in den Keller. Plötzlich
wurde er ans Telefon gerufen. Lerners Wirtschaft war dort in Gegend das einzige
Haus mit Telefonanschluß. Er ging ans Telefon und sprach mit jemandem. Als er
wieder zurückkam, hieß er seine Männer, das Geschütz wieder zusammenzupacken. Er
muß dort am Telefon von einer höheren Instanz - möglicherweise dem
Stadtkommandanten oder dem Leiter des Volkssturms - den Befehl erhalten zu haben
wieder abzurücken. Zu diesem Zeitpunkt muß die Information gekommen sein,
daß vor Bliesen am roten Stein eine Flakbatterie stehen würde, an der Kuppe,
ungefähr dort, wo man zu Rassiersmühle hineinfährt. Dort standen nebeneinander
drei 8.8-Geschütze und davor zwei Zwilling-Geschütze. Es hieß dann, dort stünde
diese genannte Batterie und hielte den Ami auf, sonst wäre der auch um 1 oder 2
Uhr dagewesen. Und so zog die SS-Einheit mit ihrem Geschütz dann
weg.
In verschiedenen Bunkern der Umgebung lagerte noch Munition, vor allem
Panzerfäuste. Nachdem sie weg waren, bestimmte dann Jakob Schmitt (?), daß diese
Panzerfäuste in die Stadt gefahren werden müßten, um sie beim Volkssturm zu
verteilen. Er fand allerdings niemanden, der diese Aufgabe erledigen wollte. Es
war ja nicht ungefährlich, schließlich flogen noch überall Jabos rum. Die
paar Männer, die noch da waren, die hatten Angst und versteckten sich. Er zog
dann mit Schaadts Anton davon. Ein bißchen später konnte man sie dann mitten auf
der Straße sehen: Schaadts Anton vor einen mit Panzerfäusten bis oben beladenen
Leiterwagen gespannt, neben ihm wild gestikulierend Jakob Schmitt, darüber die
Jabos, die wild um sich schossen - so zogen sie durch Alsfassen in die Stadt.
Anton rief "Wenn auch keiner fürs Vaterland mehr was übrig hat, so viel tue
ich doch noch. Ich bin zwar kein Nazi, aber das Vaterland wird verteidigt." Er lud
die Panzerfäuste dann in der Stadt ab, aber sie wurden nicht mehr eingesetzt. Es
wäre ein leichtes gewesen, aus einem Kellerfenster einige Panzer
abzuschießen, die vorbeirollten. Aber die Reaktion der Amis wäre furchtbar
gewesen, die hätten die halbe Stadt zusammengeschossen - mit Artillerie und mit
Luftunterstützung.
Dann kamen noch ein paar versprengte Soldaten, aber immer weniger. Und
auch die Jabo-Tätigkeit nahm ab. Ein paar Soldaten kamen noch, tranken eine
Tasse Kaffee und zogen dann weiter.
Dann kam das Artilleriefeuer. Eine Granate traf die Kante des Bordsteines
unmittelbar vor unserem Haus, das wir dachten, der Panzer steht dort vor der Tür
und schieße direkt ins Kellerfenster hinein. Es war mittlerweile schon schön
dunkel, und wir dachten, jetzt jeden Moment kommt der Ami. Ein paar Leute liefen
über die Straße, aber immer nur von einer Straßenseite zur anderen, immer wieder
direkt in die Hauskeller.
Grad eben
Um 7 Uhr abends hörte man plötzlich von Westen her ein
Kettengeräusch, recht laut. Ach Gott, dachten alle, das ist der
Amerikaner. An eine deutsche Einheit dachte keiner mehr. Die Leute
schauten aus den Kellerfenstern, auch wir spitzten hinaus. Drei
Halbkettenfahrzeuge, Zugmaschinen, wie die Amis sie auch haben, fuhren vor.
"Das sind Deutsche" hieß es auf einmal. Die saßen ab und gingen in die
umliegenden Häusern hinein. Der Batteriechef war ein junger Hauptmann,
vielleicht 28 oder 29 Jahre alt; seine Truppe bestand aus etwa 60 Mann. Sie
standen da rum und fragten auch nach Kaffee, aber zuerst wurde ein junger Kerl
hergebracht, vielleicht 17 Jahre alt, der jüngste der Einheit. Ein
Granatsplitter hatten ihm vier Finger der linken Hand abgetrennt; er wurde hier
verbunden, weil das vorher nicht möglich war. Der Hauptmann erzählte: "Wir
standen vor Bliesen auf der Kuppe und hatten eine Funkstelle auf der
Rassiersmühle. Die Geschütze waren schon einen Tag vorher aufgebaut. Wir haben
heute sechs oder sieben amerikanische Panzer abgeschossen. Einer hatte versucht,
sich hinter der Bahn anzuschleichen, wurde aber bemerkt und mit einem
sicheren Schuß erledigt, als er sich zwischen zwei Hügeln durchschleichen
wollte. Wäre es ihm gelungen, hätte er sich von hinten anschleichen können und
hätte uns erledigt. Einer der Panzer kam frech gerade auf uns zu, bevor wir ihn
abschossen. Die 8.8 haben wir gesprengt, weil wir sie nicht mehr
mitholen konnten. Die Raupenschlepper standen abseits auf der anderen Seite der
Kuppe." Mit diesen Fahrzeugen waren sie dann bis Alsfassen gefahren und bei
den ersten Häusern angehalten.
Sie schimpften sehr über die Leute auf der Rassiersmühle, weil die ihnen keinen Kaffee gegeben hätten.
Auf Rassiersmühle muß irgendein Fest gefeiert worden sein, möglicherweise
ein Geburtstag. Als sie nach Kaffee fragten, wurden sie ziemlich barsch
abgewiesen. Die Mühle sei zu diesem Zeitpunkt noch intakt gewesen. Der
Hauptmann fügte dann leise hinzu: "Der Mann hat uns keinen Kaffee
gegeben und nichts, und eine letzte Granate - Leuchtspurmunition -
haben wir ihm dann noch als Dankscheschön geschenkt, hinten in die Scheune
hinein. Die fing dann an zu brennen ..."
Er erhielt seine Tasse Kaffee von uns, und meinte dann, wenn er ein paar
mehr Leute gehabt hätte, dann hätte er einen Stoßtrupp gebildet und die Amis
wieder aus Bliesen rausgeschmissen. Er war noch ziemlich voller Siegesmut. Die
Truppe hielt sich etwa eine bis anderthalb Stunden auf. Sie fragten noch, wo es
Richtung Stadtmitte und dann nach Werschweiler in die Pfalz hineinginge. In
einem bestimmten Ort - der Name fällt mir nicht mehr ein - bekämen sie neue
Geschütze. Als sie sich verabschiedeten, meinte der Hauptmann: "Ihr braucht
heute Nacht keine Angst zu haben, außer die schießen mit der Artillerie hinein.
Aber morgen früh bei Morgengrauen - damals im März war das so gegen 6 Uhr -
ist der Amerikaner da. In der Nacht kommt der nicht mehr. Aber morgen früh
sind die da." Als sie dann loszogen Richtung Stadtmitte, verließ die letzte
deutsche Einheit Alsfassen über die
Alsfassenerstraße.
Kurz vor dieser Batterie kamen noch zwei Mann mit einem
Handwägelchen aus der Stadt. Sie hatten irgendwo ein Faß Wein aufgetrieben,
dasselbe auf den Wagen gesetzt und Richtung Alsfassen gezogen. Sie kamen bis in
Höhe des heutigen Brunnens und kehrten dann in ein Haus ein, während die Jabos
dicht über sie hinwegdonnerten. Wir stellten uns oft noch vor, was passiert
wäre, wenn die Amis in Bliesen nicht aufgehalten worden wären. Sie wären etwa um
diese Zeit hier gewesen und von den zwei Besoffenen begrüßt worden, die ihnen
noch dazu ein Faß Wein überbracht hätten. Da wäre was los gewesen
...
Wir gingen dann rüber ins Haus meiner Tante, wo viele Leute waren. Uns
Kindern legten sie im unteren Stock Matrazen auf den Boden, auf denen wir
schlafen sollten. Im Keller sei es zu kalt, passieren könne ja nichts. Das
war gelogen. Da die Stadt beschossen wurde, wäre der Aufenthalt im Keller doch
wesentlich ungefährlicher gewesen.
Als draußen alles ruhig war - die Leute waren in ihren Häusern
verschwunden und versuchten vermutlich zu schlafen - plötzlich - hörte man
irgendwo einen Einschlag. Und dann noch weitere. In der näheren Umgebung um das
Haus Lerner gab es keine; jedenfalls wurden keine bemerkt. Mag sein, daß
der ein oder andere Einschlag im Garten landete, aber man hörte nichts davon.
Die Leute sagten dann: "Das sind Abschüsse, ihr braucht euch gar keine Sorgen zu
machen." Es waren aber alles
Einschläge, die in die Stadt hinuntergingen.
Plötzlich - es war so gegen fünf oder sechs Uhr - verstummte das
Artilleriefeuer. Ich hatte kaum geschlafen und weckte nun alle anderen auf.
Es war sehr dunkel im Raum, weil alle Fenster verhängt waren, nur am Eingang
brannte ein Kerze und verbreitete spärliches Licht. Jakob Strube, der schon im
ersten Weltkrieg gedient hatte - er war schon weit über fünfzig (er war auch in
der Partei gewesen) - sagte: "Die hören jetzt mit dem Feuer auf, um nicht ihre
eigenen Soldaten zu treffen. Die kommen jetzt."
Es dauerte dann noch eine halbe Stunde, als plötzlich von Westen her über
die Straße ein leises Geräusch aufkam. Es waren Kettenfahrzeuge, die näher
kamen. Sie fuhren auf der Straße bis in Höhe unseres Hauses, als sie plötzlich
anhielten, vermutlich weil sie irgendein Geräusch hörten. Zwei Panzerspähwagen.
Sie waren allein. Sie blieben drei, vier Minuten ruhig stehen. In den Kellern
herrschte atemlose Stille, keiner bewegte sich. Die in den Fahrzeugen
schauten sich die Umgebung an, es war niemand auf der Straße, nichts zu sehen,
dann fuhren sie weiter. Zehn Minuten Stille.
Plötzlich - Kettengerassel.
Es war noch dunkel auf der Straße. Das Geräusch wurde lauter. Und dann
kam die Panzerspitze, wie wir sie nannten. Das waren 18-20 schwere Panzer, die
hintereinander vorbeifuhren. Und seitlich von ihnen mindestens je eine Kompanie
Soldaten. Die hielten sich nicht eng an den Panzern, sonder eher eng an den
Hauswänden und Gartenzäunen. Das Gewehr im Anschlag achteten sie auf jeden
Mucks, aber die Straßen waren leer und ruhig. Wir spitzten durch die Fenster und
sahen zum ersten Mal in unserem Leben amerikanische Soldaten. Ach Gott, wie
sehen die denn aus, die haben ja gar keine genagelten Schuhe. Die Sohlen
waren aus Gummi, das klapperte nicht, als sie vorbeizogen, wie Katzen schlichen
sie die Straße entlang. Die Panzerspitze zog vornbei und verschwand Richtung
Stadt. Dann wieder zehn bis fünfzehn Minuten
Stille.
Und dann gings los. Der Morgen graute, als Panzer auf Panzer, Lkw auf
Lkw, Jeep auf Jeep von Bliesen her über die Straße kam und in die Stadt rollte.
Ein paar Panzer fuhren auch wieder in die Gegenrichtung. Es war dann schon
hell, als Lkws vorfuhren, Truppen absaßen und begannen, die Häuser zu
durchsuchen. Sie nahmen alle Männer mit und alle Jungen, die älter waren als
zehn Jahre, und brachten sie auf die kleine Wiese gegenüber der Kirche, dort wo
heute die Sparkasse ist. Meine Mutter zog mir eine Schürze an, damit ich
kleiner aussah. Das wirkte, ich durfte bleiben. Bei Lerners arbeitete ein
russischer Kriegsgefangener. Als die Amis kamen, freute er sich und lief
auf die Straße. "Ich Russki, ich Russki". Das war den Amis egal. Sie traten ihm
in den Hintern und beförderten ihn mit den deutschen Männern in den Pferch auf der Wiese. Er wehrte sich wie
ein Wilder, aber es gab kein Erbarmen. "Ab, fort mit dir." Diese Kommando suchte
nur die Männer. Sie zogen später wieder ab. Die Männer kamen abends so
gegen 6 Uhr wieder nachhause. Die Leute hatten sie mit Essen versorgt,
manchen hatte man sogar Stühle hingebracht.
Aus einer Scheune kamen ein paar deutsche Soldaten, die sich seit dem
Vorabend dort versteckt hielten, mit hocherhobenen Hände und begaben sich in
Gefangenschaft.
Die nächste Einheit, die dann absaß, die durchsuchte dann
tatsächlich die Häuser, sahen in alle Schränke und Schubladen. "Wo ist
Mann?" fragten sie meine Mutter. Als die auf ein Bild zeigte, daß meinen Vater
als Soldat zeigte, gaben sie sich zufrieden. Sie suchten nach allem, was mit
Hitler und den Nazis zu tun hatte: Hakenkreuzfahnen, Hitler-Bilder, braune
Hemden. Sie saßen dann auf den Panzern und trugen Zylinder, auf den Panzern
waren kleine Fähnchen mit Hakenkreuzen gesteckt, größere Fahnen zierten manchen
Panzer.
Gegen zehn Uhr ging die Parole durch "Ihr habt euch ja gar nicht ergeben,
ihr müßt die weißen Bettücher raushängen". Da war es zwar schon zehn, und die
Amis schon fast drei Stunden im Ort. Aber irgendeiner fing an, hängte ein
Laken aus dem Fenster, und die anderen machten es ihm alle nach. Gegend
Abend wurden die Laken dann wieder hereingezogen.
Später erfuhren wir, daß die einrückenden Panzer versucht hatten, die
Panzersperre an den Höckerlinien einfach umzufahren. Dabei blieb allerdings
einer ihrer Panzer auf der Strecke. Er wurde schwer beschädigt. Die Panzersperre
bestand aus den Höckerlinien, die bis an die Straße heranreichten. Ein bißchen
weiter war dann eine Art Tor, bestehend aus zwei mächtigen Betonpfeilern links
und rechts, die gut zwei Meter tief im Boden eingelassen waren. Zwei T-Träger
bildeten die "Tür", die auf Rollen zugeschoben werden konnte. Man brauchte dazu
allerdings gut drei, vier Mann.
Einen Zwischenfall gab es bei Hemmers: die hatten vor der Tür ein
Puddelloch, das mit dicken Holzbohlen abgedeckt war. Autos und Fuhrwerke hielt
das wohl aus, nicht aber den einen Panzer, der darauf fuhr. Es krachte laut, der
Panzer sackte ein und stand bis zum Turmluk im Puddel. Die Amis vermuteten
sofort, es handele sich dabei um eine Panzerfalle. Sie saßen ab und stimmten ein
lautes Geschrei an. Sie regten sich fürchterlich auf, bis ihnen jemand die
Situation erklärte. Der Panzer stand bis zum nächsten Tag in der Jauche und
wurde erst dann herausgezogen. Unten am Johannisbach - dort, wo später die
Tankstelle war - bauten sie ein Wasserwerk auf, weil der Johannisbach noch
ziemlich sauber war und sie dem deutschen Leitungswasser nicht trauten. Das
Wasser wurde aus dem Bach geschöpft und gekocht. Dieses Wasserwerk stand noch
sehr lange dort. Genau um 12 Uhr gab es Mittagessen. Es gab ein kleines Hähnchen,
einen Löffel Püree und Erbsen und Möhren. Und als Nachspeise
Schokolade.
Unsere Eltern wahrten eher Distanz als wir Kinder. Wir hatten keine Angst
vor ihnen, und sie taten uns auch nichts. Sie strichen uns mit der Hand über den
Kopf und steckten uns Kleinigkeiten zu - Bonbons, Schokolade, aber auch manchmal
Nahrungsmittel wie z.B. Kartoffeln. Aus Lerners Hühnerstall nahmen sie sich die
frischen Eier; als sie dort rauskamen, sah ich sie zum erstenmal
lachen.
Abends gegen 6 Uhr mußten verschiedene Häuser geräumt werden. Im Haus
meiner Tante neben uns - einen Neubau - saß ein Stab einer Kompanie; die
Bewohner mußten alle raus, durften aber ihre Matrazen mitnehmen. Sie zogen
zu uns ins alte Haus. Einer der Soldaten, die in dem leergeräumten Haus
untergebracht waren, hatte wohl Mitleid mit uns Kindern. Er gab uns
Schokolade, photographierte uns und meinte: "Das sind die Kinder von der Saar."
Irgendwo in Amerika hängt ein Bild, auf dem ich auch drauf
bin.
Dort im Haus im Keller lagen noch ein paar Flaschen Wein. Die waren
am nächsten Morgen leer, dafür hatten die Soldaten Lebensmittel
zurückgelassen, ein bißchen Butter und Schmalz. Meine Tante sagte dann, es sei
gut, daß der Wein weg sei, mit dem anderen könne sie viel mehr
anfangen.
Die Amis hatten ernste Gesichter. Richtig böse waren sie nicht, vor allem
nicht zu uns Kindern. Für uns war das ein richtiges Erlebnis. Wir schauten
uns die Fahrzeuge an, die Stoßstange an Stoßstange vorbeirollten, bis die Stadt voll davon war.
Es war fast unmöglich, die Straße zu überqueren, so dicht war der Verkehr.
An diesem Tag sahen wir auch zum ersten Male in unserem Leben Schwarze. Die
erregten ziemliches Aufsehen.
Die Amerikaner waren mehr wie große Kinder. In unserer Garage hatten
Nachbarn ein altes Auto abgestellt. Als die Amis es fanden und untersuchen
wollten, fanden sie es abgeschlossen. Aus Wut darüber packten sie das Gefährt,
stießen es ins MÜhlwiesgäßchen hinab, demontierten die Räder und warfen es
in die Blies. Andere hatten ein paar deutsche Stahlhelme zusammengetragen,
warfen sie auf einen Haufen und schossen mit ihren Gewehren darauf. Als unsere
Eltern bemerkten, daß uns die Querschläger um die Ohren flogen, holten sie uns
in die Häuser zurück.
Bei Lerner wurde mittags Brot gebacken. Die Leute stellten sich an, es
gab ja sonst nichts zu essen. Plötzlich hält ein Jeep; vier junge Soldaten
springen heraus, stürzen sich auf die Menschenmenge, treiben sie erst
auseinander und stellen sie dann in Zweierreihen schön säuberlich
hintereinander. Die Schlange
reichte bis zu den ersten Häusern. Sie waren gegenüber den bisherigen Soldaten
richtig agressiv und unnötig brutal.
Der erste Tag war ziemlich hektisch, es ging zu wie in einem
riesigen Heerlager. Der zweite Tag begann genauso. Der Fahrzeugstrom riß
nicht ab. Auf Lkws verladen wurden Pontonbrücken in die Einzelteile zerlegt
durchtransportiert in Richtung Rhein. Die Route über Alsfassen muß eine
Hauptverkehrsverbindung für die Amis gewesen
sein. |