Date: 2015/01/04 22:50:28
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Leo, Per: Flut und Boden. Roman einer Familie [4. Aufl.].
Stuttgart: Klett-Cotta 2014. ISBN 978-3-608-98017-2; 350 S.; EUR 21,95. Rezensiert für H-Soz-Kult von: Stefanie Schüler-Springorum, Zentrum für Antisemitismusforschung, Technische Universität Berlin E-Mail: <schueler-springorum(a)tu-berlin.de> Die Rezensent/innen sind sich (fast durchweg) einig: Dieses Buch ist alles Mögliche, nur kein Roman. Eine Familienerzählung vielleicht, ein literarischer, ein mentalitätsgeschichtlicher, ein dokumentarischer, ein autobiographischer Essay - so lauten die Definitionsangebote. Nur ein Kollege, Thomas Meyer, hat sich die Mühe gemacht, neben dem "Roman" auch die ein Jahr zuvor, unter dem ebenfalls eingängigen Titel "Der Wille zum Wesen" erschienene Dissertation Per Leos mit zu besprechen, beide Bücher gewissermaßen nebeneinander zu legen.[1] Und dies scheint der richtige Weg zu sein, denn nur so wird das Besondere, das Neuartige an Leos Vorgehensweise deutlich. Es ist tatsächlich ein gleichermaßen anspruchsvolles wie gewagtes Unterfangen, als Historiker ein Buch über die eigene Familie zu schreiben und deren Entwicklung am Thema der Dissertation entlang zu erklären, oder anders ausgedrückt: die selbst erarbeiteten Thesen am Beispiel der eigenen Familiengeschichte zu überprüfen. Anspruchsvoll ist dies nicht nur deshalb, weil es sich bekanntlich um zwei völlig verschiedene Textsorten mit jeweils unterschiedlichen Schreibkonventionen handelt, sondern auch und vor allem, weil Leos Ziel über die gängige Frage "Wie wurde Opa ein Nazi?" weit hinausgreift. Es geht ihm um die Spezifik, um die Potenziale des deutschen Kulturprotestantismus bzw. um die Frage "Wieso wurde Opas Bruder kein Nazi?". Denn Per Leo (geboren 1972) hat das Glück, in seiner Familie ganz verschiedene Ausformungen des deutschen Idealismus auffinden zu können, wobei die Frage bleibt, ob diese tatsächlich so verschieden waren oder erst durch den Nationalsozialismus in gegensätzliche Richtungen katapultiert wurden. Aus einer durch und durch bildungsbürgerlichen Familie lesender und schreibender Lutheraner abstammend, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts praktischerweise mit hanseatischem Kaufmannsgeld verbunden hatte, entsprach der jüngere Sohn Friedrich dem Bild des lebenstüchtigen, frischen und der Scholle zugewandten Jungmannen, der jedoch in den ökonomischen Wirren der Weimarer Republik kein Bein auf die Erde bekommt, bis ihm dann der Nationalsozialismus die große Chance bietet. Im Rasse- und Siedlungshauptamt als Abteilungsleiter zuständig für Rassegutachten, ist der SS-Mann Leo ein klassischer Schreibtischtäter - das Kapitel über seine NS-Zeit, unter der Überschrift "Kein Geheimnis", möchte man sich als Text für die nächste Bundestagsgedenkstunde zum 27. Januar wünschen. Hier läuft der Autor sprachlich zu Hochform auf und schreibt mit einem brutal entmystifizierenden Sarkasmus an gegen all das bildungsbürgerliche Erinnerungsgeraune von tragischen Verstrickungen und falschen Faszinosa, das einem auf mancher Gedenkveranstaltung bis heute den Atem rauben kann. Überhaupt besticht das Buch durch die Vielfalt der Sprache, des Stils - mal ist er böse, mal einfühlsam, aber immer genau beobachtend und klug beschreibend. Dies gilt einmal mehr für die Schilderung des "guten Großonkels" Martin, des Gegenbilds zum Nazi-Opa, der als erbkranker körperbehinderter Naturwissenschaftler den Nationalsozialismus am Rande (und zwangssterilisiert) überlebte. Er steht für die andere Möglichkeit, bildungsbürgerliche Traditionen im Deutschland des 20. Jahrhunderts weiterzuleben, in seinem Fall in der DDR, als ebenso kunst- wie feinsinniger Außenseiter. Beide Lebenswege rückzuführen, zu verknüpfen mit der großen Sehnsucht des deutschen Idealismus nach Sinn und Bedeutung, nach Individualität im großen Ganzen, ist eine wahrlich anspruchsvolle Aufgabe, der sich der Autor zugleich entlarvend und mitfühlend stellt. Aber es ist, wie gesagt, auch ein gewagtes Unterfangen, denn dem Historiker Leo ist natürlich sehr bewusst, dass die Damen und Herren Kollegen sich nicht nur genussvoll über die Beschreibung Ulrich Herberts und dessen Freiburger Seminar hermachen, sondern ebenso eifrig beobachten werden, wie sich der Autor über die erinnerungspolitischen Fallstricke, die Mühen der Meta-Ebene hangelt und dabei auch noch viel Persönliches preisgibt oder doch zumindest preiszugeben scheint. Und vielleicht findet der eine oder die andere es auch ein bisschen dreist, in einem "Roman" gleich noch eine Zusammenfassung der Dissertation mitgeliefert zu bekommen. Aber Per Leo hat sich von all dem, zum Glück, nicht abhalten lassen, dieses Buch genauso zu schreiben, wie er es für richtig hielt - und daher passt es auch in kein Schema, beugt sich unter keine Genre-Definition, ist vielmehr ein sehr gelungener Ausdruck historisch-intellektuellen Eigen-Sinns. Als Historikerin macht es vor allem eins: Spaß zu lesen. Die Fußballfans unter uns kommen nebenbei auch auf ihre Kosten und können in Erinnerungen an die großen Zeiten Werder Bremens schwelgen, während der wunderbare Abschnitt über den Westbesuch bei der DDR-Verwandtschaft vermutlich im Jahre 2039 in einer Anthologie zur 50. Wiederkehr des Mauerfalls abgedruckt werden wird. Vor allem aber - und schon dafür sei Per Leo herzlich gedankt - werden nach dem Kapitel "The Making of a Nazi-Enkel" keine Kisten mehr auf deutschen Dachböden entdeckt und keine Familiengeschichtsbücher mehr als Tabubrüche inszeniert werden können. Zu amüsant ist die Steigerung des aufmerksamkeitsökonomischen Mehrwerts, die der Autor nach seinem Selbst-Outing als "Nazi-Enkel" bei Therapeutinnen wie Kommilitoninnen gleichermaßen registriert. Und, last but not least, ist sein Buch auch "für die Lehre" nützlich, als hoffentlich nachhaltig beeindruckendes Beispiel dafür, dass man als HistorikerIn neben der Neugier vor allem zwei Dinge braucht: die Lust an der sorgfältigen Quellenlektüre und die Begabung zum Verfassen guter Texte. Lesen und Schreiben also. Anmerkung: [1] Per Leo, Der Wille zum Wesen. Weltanschauungskultur, charakterologisches Denken und Judenfeindschaft in Deutschland 1890-1940, Berlin 2013; dazu Thomas Meyer, Antisemitismus als körperliches Geschehen. Per Leos Roman "Flut und Boden", seine Dissertation "Der Wille zum Wesen" und Nitzan Lebovics Studie über Ludwig Klages analysieren die Vorgeschichte des "Dritten Reiches", in: Literaturkritik Nr. 11/2014, <http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=19908> (04.12.2014). Diese Rezension wurde redaktionell betreut von: Jan-Holger Kirsch <kirsch(a)zzf-pdm.de> |
Date: 2015/01/06 20:11:48
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Fried, Johannes: Karl der Große. Gewalt und Glaube. Eine
Biographie. München: C.H. Beck Verlag 2013. ISBN 978-3-406-65289-9; 735 S.; EUR 29,95. Weinfurter, Stefan: Karl der Große. Der heilige Barbar. München: Piper Verlag 2013. ISBN 978-3-492-05582-6; 352 S.; EUR 22,99. Patzold, Steffen: Ich und Karl der Große. Das Leben des Höflings Einhard. Stuttgart: Klett-Cotta 2013. ISBN 978-3-608-94764-9; 407 S.; EUR 26,95. Rezensiert für H-Soz-Kult von: Gerhard Lubich, Lehrstuhl für die Geschichte des Frühmittelalters, Ruhr-Universität Bochum E-Mail: <gerhard.lubich(a)ruhr-uni-bochum.de> Das Karlsjahr ist abgelaufen. Zum Thema ist bereits viel gesagt, veröffentlicht und rezensiert worden, doch soll in Anbetracht des kalendarischen Auslaufens sowie entsprechend nachlassender Tagungs- und Publikationstätigkeit an dieser Stelle bereits in einer Art vorläufigem Rückblick das resümiert werden, was zur Epoche mit dem Ziel der Personendarstellung erschienen ist - ohne Anspruch auf Vollständigkeit[1] oder gar mit dem Ziel einer abschließenden Behandlung. Eine Beschäftigung mit Biographien, zumal mit verschiedenen Werken zu zeitgleichen Protagonisten, legt den Vergleich nahe, wozu wiederum die Vergleichsparameter zu etablieren sind und die Debatte eigentlich recht schnell im Grundsätzlichen mündet. Immerhin handelt es sich bei der Biographie um eines der ältesten Genres historischer Literatur überhaupt, das immer wieder neu diskutiert, benutzt und variiert wird. Allein die kaum wirklich zu leistende, sich einem generellen Konsens entziehende Bestimmung der Form in historischer und/oder literaturwissenschaftlicher Sicht[2] führt bisweilen in die Aporie, hat auf der anderen Seite aber auch immer wieder zu Werken geführt, die etwa mit der Bestimmung des Verhältnisses von Historiographie zu Biographie der Selbstreflexion des Historikers durchaus zuträglich sein können.[3] Gerade im Bereich der an Biographien gewiss nicht armen Mediävistik sind grundsätzliche, theoretisch fundierte Überlegungen auch deswegen nicht abwegig, weil man insbesondere für das frühere Mittelalter vor Herausforderungen steht, die aus einer deutlich vormodernen Subjektkonstitution resultieren, was zum einen die Quellen für die Ziele eines modernen Biographen nur mit gewissen Anstrengungen nutzbar macht, andererseits Schwierigkeiten aufwirft hinsichtlich der "Persönlichkeit" der Beschriebenen - schließlich liegt ja gerade dort ein besonderer Zielpunkt der Biographie, wenn sie mehr sein will als die historiographische Abarbeitung von Lebensweg und Tätigkeiten, mithin also dem, was man auch als "Leben und Werk" betiteln könnte. Ausgerechnet für dieses ohnehin schwierige Feld der Mediävistik hat Knut Görich in jüngerer Zeit noch auf ein weiteres Bündel von Problemen hingewiesen[4], die eher grundsätzlicher Natur sind und Anstöße etwa aus der Auseinandersetzung mit Pierre Bourdieus "Die biographische Illusion" gewinnen.[5] Anliegen ist es hier, für die sicherlich immer zwischen Literatur als "schöner Kunst" und Geschichtsforschung als empirisch verifizierbarem "Handwerk" changierende Gattung der historischen Biographie den Anspruch der Wissenschaftlichkeit sicherzustellen. Gefährdet erscheint er aus zweierlei Sicht: Zunächst einmal kann die Beschäftigung eines Menschen mit einem anderen zu einer "natürlichen Komplizenschaft" (Bourdieu), einer unwillkürlichen Kumpanei verleiten, also zur Aufgabe der Distanz zwischen einem Wissenschaftler und dem von ihm betrachteten Objekt führen, zugunsten einer sozusagen zwischenmenschlichen, all zu zwischenmenschlich auf subjektiver Empathie beruhenden Nähe, die fälschlich noch für Wissenschaft gehalten wird. Andererseits aber wird das Problem der Kontingenz menschlichen Handelns angesprochen, deutlich etwa in Form der Frage nach der Beurteilung von Handlungen: Wie lässt sich die Kontingenz einer Situation, der der Handelnde gegenübersteht, adäquat durch den zwangsläufig nachzeitig schreibenden Biographen denken, insbesondere bei einer Beschäftigung mit "großen Männern", deren Handeln und Lebensleistung dem Autor als Geschichtsbild bereits vermittelt wurde? Kann der Autor von seinem Vorwissen absehen oder wird er nicht zwangsläufig ein Vorwissen in die Beurteilung der Handlungsursachen einfließen lassen? Muss der Autor nicht zwangsläufig bis zu einem gewissen Grade die Wirkung der Handlungen in ein Handlungsziel des Protagonisten umdeuten, auch wenn dieser letztlich vielleicht nicht mehr wollte als der flügelschlagende Schmetterling, der am Ende aber einen Sturm verursacht? Diese gewiss nicht umfassende Einleitung in ein jüngst diskutiertes Grundproblem ist insofern vonnöten, weil mit ihr recht schnell deutlich gemacht werden kann, dass es sich bei den hier zu besprechenden Werken deutlich um vergleichsweise traditionelle historische Biographien handelt. Das Erkenntnisinteresse der Autoren ist wesentlich stärker auf die Aufdeckung historischer Zusammenhänge gerichtet denn auf die Gewinnung und Vermittlung einer "Persönlichkeit", die sich letzten Endes vielleicht, um mit Goethe zu sprechen, erahnen oder fühlen, aber nicht erjagen lässt. Dementsprechend gering fallen denn auch die methodischen beziehungsweise selbstreflektierenden Partien der Werke aus - tiefer gehende Erwägungen hinsichtlich der Gattung der Biographie im Allgemeinen und der gerade hierbei besonderen Rolle und Position des Autors sucht man ohne großen Erfolg. Dies ist ja auch nicht unbedingt notwendig, denn von ihrer Intention sind die Werke wohl kaum verfasst, um einen exemplifizierten Beitrag zum Genre der Biographie zu liefern. Historikern und dem interessierten "breiteren" Publikum dürfte ohnehin der Griff zu einer historischen Lebensbeschreibug leichter fallen als zu einem Werk, das sich und seine Form reflektiert und damit Abstand zu nehmen versucht von gewohnten Erzähltechniken und Perspektiven. Und doch sind die vorliegenden Werke jeweils für sich Aussagen zum Problem des biographischen Schreibens, durch ihre Machart, durch ihren Ansatz, durch die Position, die der Autor einnimmt - eben diese Faktoren sollen im Folgenden dargestellt werden. Die deutlich ambitionierte, zugleich auch umfangreichste Darstellung stammt aus der Feder von Johannes Fried, der selbst an anderem Ort in Anlehnung an Dilthey "die Biografie gar als höchste Form der Geschichtsschreibung, als ihre Vollendung" bezeichnet hat.[6] Um diesem hohen Anspruch nahezukommen, konzentriert sich Fried weniger auf den methodischen Zugang und dessen Versprechen von Wissenschaftlichkeit, sondern auf das grundlegende Mittel der Darstellung, die Sprache also. Das gesamte Werk ist virtuos durchkomponiert, was sich in mitunter abrupten Wechseln des Tempos, der Länge der Satzperioden, der Beschreibungsdichte ebenso zeigt wie in der Beachtung kleiner Details (man beachte allein, welche Anordnungen Karl selbst zugeschrieben werden, welche aber den von ihm geleiteten Versammlungen). Die thematisch orientierte, lose der Lebenslinie folgende Anlage des Werkes erstarrt nie im Formalismus, sondern schafft einen Rahmen, der es dem Autor erlaubt, auf die von ihm angeordneten Bestandteile so einzugehen, wie er sie für adäquat dargestellt und dramaturgisch richtig platziert hält - im Grundsatz ist das Buch einem komplexen klassischen Musikstück vergleichbar, das den Rezipienten durch eine kunstvolle Binnenstruktur, zugleich aber auch durch seine Ausführung in den Bann zu ziehen versteht. Auf diese Weise gelingt es Fried, das Leben seines Protagonisten mit seiner Zeit zu verweben und zugleich eine Epoche in ihrer Alterität und religiösen Bindung, aber auch in ihren Gleichartigkeiten dem Leser lebendig werden zu lassen. Hinter die Textur der Erzählung tritt der Autor zurück; die Schilderung ist dermaßen dicht und vereinnahmend gestaltet, dass der Leser mitunter kaum zu unterscheiden weiß, inwiefern die gerade erlangte Erkenntnis die eigene ist oder aber vom (unsichtbaren) Autor induziert. Das Problem der biographischen Empathie verschiebt sich dadurch auf die Ebene des Rezipienten. Durch den gewählten, letztlich künstlerisch-suggestiven Zugang steht das Werk im Grunde bereits jenseits der historischen Biographie; vielleicht hat sogar tatsächlich einmal der Werbetext des Verlages recht, wenn der Autor als "Meistererzähler und begnadeter Mediävist" gepriesen wird (wobei auch umgekehrt niemand widersprechen müsste). Die Ausrichtung der Karlsbiographie, die Stefan Weinfurter verfasst hat, ist demgegenüber vergleichsweise konventionell. Die ersten drei Kapitel stellen einen klassisch-kritischen Dreisprung dar, dessen Ziel es ist, nach Positionsbestimmung des Autors, der Diskussion der Quellen und der Schilderung der Erkenntnisprobleme durch Mythenbildung einen Zugang zu seinem Protagonisten gefunden zu haben. Entgegen der Darstellung Frieds wird das Werk Weinfurters deutlich durch einen bereits früh entwickelten (S. 15-19) Grundgedanken gelenkt und bestimmt: Das Handeln Karls und seines Umfeldes sei dem Streben nach Eindeutigkeit verpflichtet gewesen; das Werk christlich fundierter "Vereindeutlichung" sei zu verstehen als "höchster Anspruch auf Deutungshoheit" (S. 19) - was einen Unterschied zu säkularer "Vereinheitlichung" markiert, die in manchen Bereichen ebenfalls angestrebt wurde, aber sich jenseits des diskursiven Bereichs im unmittelbaren Zugriff auf die Institutionen und ihre Normen manifestiert. Das Fortschreiten all dieser Bemühungen wird entlang des Lebensweges Karls erzählt, thematisch gebündelt, wobei der Darstellung der intellektuellen Tätigkeiten im souverän knapp gehaltenen Kapitel 9 eine Schlüsselstellung zukommt (S. 178-204). Am Schluss folgt eine überraschende Wende dergestalt, dass Karls letzte Lebensjahre, gemeinhin interpretiert als sowohl persönliche als auch systemische Krise, nunmehr gedeutet werden als der Moment letzter persönlicher Einsicht. Aus diesem grundlegenden Perspektivwechsel Karls habe eine Wende resultiert, vom Streben nach diskursiver Vereindeutlichung in der Gesellschaft hin zu einer persönlichen, reinen und allein innerlichen christlichen Identität; nicht mehr die Welt, die Persönlichkeit habe es fortan zu formen und bilden gegolten, bis sich diese dann als "eindeutig" christlich erwiesen habe, mithin: moralisch fundiert, jenseits der Zweifel, im Glauben fest. Diese "Wahrheit des Herzens" steht also am Ende des Lebens; ein Vergleich mit den Überlegungen, die Frieds Karl als Suche nach dem "echten Maß der Seele" (vgl. S. 29f.) leiten - jedoch bereits deutlich früher -, bietet sich an. Mit Weinfurters Buch steht eine thesengeleitete historische Deutung, die von einem argumentierenden Autor vertreten wird, der literarischen Schöpfung eines Johannes Fried gegenüber, deren beinahe unsichtbarer Autor eher nahelegt denn behauptet. Ganz anders wiederum erscheint die Herangehensweise Steffen Patzolds, der ganz deutlich die eigene Wissbegier in das Zentrum der Autorenhaltung stellt. In seiner Annäherung an seinen Protagonisten Einhard schwankt er zwischen einem übertrieben Respekt auf der einen Seite, so etwa in den kurzen Überlegungen hinsichtlich des notwendigen konstruktiven Anteils eines Autors (S. 17-19 und S. 287-289; vgl. etwa S. 288: "Darf ich das? Darf ich in Einhards Kopf kriechen?"), während ihm ansonsten die Neugier eine ausreichende Rechtfertigung für eine gänzlich distanzlose Annäherung zu sein scheint, wenn er sich etwa bereits im ersten Satz des Vorworts (S. 9) dazu bekennt, gerne mit Einhard bei einem Becher Milchkaffee seine Zeit zu verplaudern. Hier geht es dann letztlich nicht mehr um die adäquate Erfassung einer historischen Persönlichkeit - sei sie literarisch oder konzeptionell unternommen - , sondern es wird um Empathie mit dem Autor geworben, der dem ebenfalls wissbegierigen Leser durch diese Wendung nach außen in einer Art captatio benevolentiae begegnet. Der Leser hat denn auch Teil an der Hypothesenbildung des Autors - offene Fragen werden als solche gestellt und nicht beantwortet, die immer wieder eingesetzten Auslassungspunkte legen Schlussfolgerungen nahe oder zeigen Grenzen der erlaubten Spekulation. Kurze Sätze, selten durch einen Relativsatz erweitert, sorgen für einen dichten Hintergrund, vor dem der Autor Einhard agieren lässt - zumindest nach dem Tode Karls, denn vorher ist über Einhard aufgrund der Quellenlage nicht viel Neues zu erfahren. Der eigentliche Schwerpunkt liegt verständlicherweise auf der Zeit nach 814, als Einhard sowohl als Abt als auch als immer wieder herangezogener Berater fungierte. Als Quellengrundlage dient Patzold Einhards Bericht über die Translatio der Heiligen Marcellinus und Petrus, die durchaus fruchtbar gemacht wird für die Verhaltensweisen und Abwägungen eines sanctorum amator, als der Einhard vornehmlich gezeichnet wird (S.129-232). Damit stehen weder Karl noch der Höfling im Zentrum, entgegen dem Versprechen des Titels. Natürlich darf im Buch auch eine Aussage zur Vita Karoli nicht fehlen - Patzold entscheidet sich hinsichtlich des Abfassungszeitpunktes für das Frühjahr 829 (S. 193-205) und sieht die Intention im Bestreben Einhards, sich elegant vom Hof und den Streitigkeiten im Reich zu lösen -, doch erscheint sie wie auch die politische Gedankenwelt Einhards gleichsam wie ein Nebenprodukt eines Lebensweges, der in erster Linie bestimmt erscheint durch die Religiosität des Protagonisten. Letztlich finden alle drei Werke an eben diesem Punkt ihren gemeinsamen Nenner: Allen drei Autoren ist ihr Protagonist ein Vertreter einer religiös determinierten Lebenswelt, die jedoch durchaus unterschiedliche Lebenswege zulässt. Jeder Autor hat seinen eigenen Weg gefunden, jeweils eine große Leistung mit einem in sich stimmigen Werk vollbracht. Fortschritte hinsichtlich einer Grundtendenz oder eines generellen Ansatzes, wie die Beschreibung eines vormodernen Lebens anzugehen sei, sind dabei nicht zu verzeichnen - zu individuell ist der Zugriff der Autoren, zu dehnbar die Form der Lebensbeschreibung. Deutlich spürbar ist zudem das Bemühen, den Menschen der Karolingerzeit und sein Handeln in den religions- und bildungsgeschichtlichen Schwung der Zeit zu stellen, auf die Gefahr hin, die Meistererzählung nations- oder volksbildender Helden zu ersetzen durch ihre Verankerung in einer westlich-alteuropäisch fundierten Bildungsgeschichte.[7] All dies ist sicherlich nicht unberechtigt, zumindest diskutabel und per se keineswegs ein Negativum, doch ergibt sich daraus der Hinweis, dass auf dem Feld der Biographie vormoderner Protagonisten durchaus noch Herausforderungen bestehen bleiben. Anmerkungen: [1] Nicht berücksichtigt wurde das Werk von Karin Schneider-Ferber, Karl der Große. Der mächtigste Herrscher des Mittelalters, Darmstadt 2013. [2] Vgl. etwa den Sammelband von Bernhard Fetz (Hrsg.), Die Biographie - Zur Grundlegung ihrer Theorie, Berlin u.a. 2009. [3] So etwa bei Jacques Le Goff, Ludwig der Heilige, Stuttgart 2000. [4] Knut Görich, Versuch zur Rettung von Kontingenz. Oder: Über Schwierigkeiten beim Schreiben einer Biographie Friedrich Barbarossas, in: Frühmittelalterliche Studien 43 (2009), S. 179-198; diese konzeptionellen Gedanken finden sich wieder in: Ders., Friedrich Barbarossa. Eine Biographie, München 2011; vgl. hierzu meine Rezension in: Historische Zeitschrift 297 (2013), S. 175-178. [5] Pierre Bourdieu, Die biographische Illusion, in: Ders. (Hrsg.), Praktische Vernunft. Zur Theorie des Handelns, Frankfurt am Main 1998, S. 75-83; das folgende Zitat auf S. 76. [6] Die Zeit, Ausgabe 2, 14.01.2014; im Internet abzurufen unter <http://www.zeit.de/2014/02/karl-der-grosse-biografie-johannes-fried> (18.12.2014). [7] In diesem Sinne Charles West, Rezension von: Johannes Fried, Karl der Große. Gewalt und Glaube. Eine Biographie, München 2013, in: Francia-Recensio 2014/2, <http://www.perspectivia.net/content/publikationen/francia/francia-recensio/2014-2/MA/fried_west> (18.12.2014). Diese Rezension wurde redaktionell betreut von: Lioba Geis <lioba.geis(a)uni-koeln.de> URL zur Zitation dieses Beitrages <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2015-1-007> |
Date: 2015/01/06 20:14:00
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Institut für Zeitgeschichte München - Berlin 19.11.2014, München Bericht von: Kristina Milz, Institut für Zeitgeschichte München - Berlin E-Mail: <milz(a)ifz-muenchen.de> Die vom Institut für Zeitgeschichte München - Berlin (IfZ) organisierte Veranstaltung beleuchtete das von der Forschung bislang rudimentär platzierte Thema Humor im Verhältnis zu Adolf Hitler und der NS-Herrschaft, um Anregungen für die weitere wissenschaftliche Arbeit zu geben. Die Tagung stand im Zeichen der Interdisziplinarität: Vertreter der klassischen Geschichtswissenschaft, der Kommunikationsgeschichte und der Literaturwissenschaft trafen auf Referenten mit praktischer Erfahrung im humoristischen Umgang mit Hitler. Leitfrage war, ob die Mittel der Karikatur, Satire und Ironie angesichts der Gewaltpraxis und der mörderischen Folgen des Nationalsozialismus (NS) angemessen seien, um sich mit Hitler und seiner Herrschaft auseinanderzusetzen. Der Blick reichte von den 1920er-Jahren bis in die jüngste Gegenwart. Eröffnet wurde die Tagung von ANDREAS WIRSCHING (München), Direktor des IfZ. In seiner kurzen Einführung benannte er das zentrale Motiv, das den gesamten Tag über dominieren sollte: die weit auseinandergehenden Meinungen zur titelgebenden Frage der Veranstaltung. Auch innerhalb des IfZ seien die Positionen zur Angemessenheit eines humoristischen Umgangs mit Hitler in hohem Maße heterogen. Gastgeber MAGNUS BRECHTKEN (München), stellvertretender Direktor des IfZ, machte keinen Hehl aus seiner Position: Für ihn sei politischer Humor "ein Indikator für die Verständigung einer Gesellschaft über die Grenzen des Sagbaren im Modus der Selbstkritik" und in diesem Sinne eine "Kulturtechnik mit zivilisierender Wirkung". Sein von anschaulichen Beispielen untermalter Vortrag bot einen Überblick über das Zusammenspiel von Politik und Humor im 20. Jahrhundert. Brechtken schloss mit zwei Thesen: Man könne erstens Humor und Satire als "Antineurotika" betrachten - "gegen Realitätsverweigerung" und "gegen die Täuschungs- und Entmündigungsbestrebungen, die jeder unkontrollierten, unkritisierten Institution, Person oder Staatsmacht innewohnt". Zweitens wäre der "Verzicht auf eine satirische Verarbeitung, auf Persiflage und das Kenntlichmachen der inneren Verlogenheiten" mancher Systeme wie der NS-Herrschaft gleichbedeutend mit einem "Zugeständnis, dass die humorlosen Täter noch immer eine partielle Macht über die Nachwelt auszuüben imstande wären". Diese potentiell "zynische" Wirkung solle man nicht zulassen; es sei im Gegenteil dazu angeraten, "emanzipatorisch" damit umgehen. PATRICK MERZIGER (Leipzig) rüttelte in seinem Vortrag an dem nach derzeitigem Forschungsstand gängigen Bild des NS als satirisch geprägter Abschnitt der Geschichte. Er zeichnete den "Humor" des Regimes als wenig erfolgreiche Form der Propaganda: "Aggressivität" und "Zynismus" seien Wesensmerkmale des von Goebbels als "heroische Form des Humors" geforderten Einsatzes von Satire, weshalb beispielsweise die Karikaturen aus der 1932 gegründeten antisemitischen Zeitschrift "Die Brennessel" und des ab 1933 gleichgeschalteten "Simplicissimus" nicht mehr viel mit der eigentlichen Gattung zu tun gehabt hätten. Zwei Gründe sah Merziger als ausschlaggebend für den Niedergang der Satire mit dem NS-Regime: Einerseits habe im "Dritten Reich", das die gleichsam alternativlose "Volksgemeinschaft" beschwörte, die Angst vor Exklusion dominiert, während in der Weimarer Republik die Satire noch ein weitgehend akzeptiertes Stilmittel gewesen sei. Andererseits habe die Satire, wie sie sich in der ersten demokratischen Phase in Deutschland als Tradition etabliert hat, schlichtweg ihre Funktion verloren: Die vom NS zum Gegner institutionalisierten Juden etwa seien mit zunehmender Ausgrenzung, Entrechtung und Verfolgung bereits vernichtet gewesen - bis hin zum originär physischen Sinne. Die von Bajohr in der Anmoderation erwähnte Rede Hitlers, die das Bild des Holocaust in die Vernichtung des Lachens der Juden gekleidet habe[1], hatte sich zu diesem Zeitpunkt in schrecklicher Weise bewahrheitet. MARTINA KESSEL (Bielefeld) zeigte in ihrem Vortrag, dass der von Merziger konstatierte mäßige Erfolg des Humors von oben im NS sich nicht auf alle Bereiche anwenden lässt. Paradigmatisch dafür können die von Kessel thematisierten öffentlichen Auftritte mit regelmäßigen "Slapstick-Elementen" des "Führers" gelten, die argumentativ und performatorisch mit Spott arbeiteten und für regen Applaus sorgten. "Redner und Zuhörer feiern hier ihren Siegerstatus", sagte Kessel. Die Historikerin begreife den Humor als "Suchmaschine". Dabei entlarvte sie ihn als "Mittel, das eigene Handeln nicht als Täterschaft zu begreifen". Der Gedanke, dass über das Medium des "Humors" die Kategorien Opfer und Täter sowie Sieger und Verlierer eine zynisch-groteske Neuformation eingegangen seien, kann als einer der interessantesten des Veranstaltungstages bezeichnet werden: Hitler, der nach eigener Aussage zur Zeit der Weimarer Republik "verfolgt und verlacht, verspottet und vertrieben" geworden sei, habe sich und seine Ideologie zum Opfer erklärt, so Kessel. Täter sei in dieser Lesart der "lachende Jude" gewesen. Durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten habe die Selbstbeschreibung der nichtjüdischen Deutschen als Opfer, aber Sieger stattgefunden, die Fremdbeschreibung der Juden sei zum Täter, aber Verlierer avanciert. Damit sei den jüdischen Bürgern jede allgemeine Anerkennung als Opfer genommen worden. ANDREAS WIRSCHING (München) betonte in seinem Kommentar den Camouflage-Charakter des Humors bei der Vertauschung von Opfer- und Täterrolle. Er spitzte außerdem die These Merzigers auf die Formel zu, Satire laufe sich "in einem unfreien Diskurs zwangsläufig tot" und schloss als weiterführende Frage den Gedanken an, ob eine systematische, quasi-totalitarismustheoretische Unterscheidung von Humor und Satire in Diktaturen und freiheitlichen Gesellschaften fruchtbar sein könnte. Wirsching betonte außerdem mit Verweis auf Adorno seine Zweifel, ob der Humor nach 1945 und der monströsen Erfahrung des Holocaust tatsächlich die "zivilisierende Kraft" zurückgewinnen könne, die ihn einst kennzeichnete. Darüber hinaus stellte er sich die Frage, ob die satirische Überspitzung den "realsatirischen" und skurril anmutenden Ausrutschern des NS auf der "theatrokratischen Propagandabühne" überhaupt gerecht werden konnte oder ob dies nicht vielmehr eine verharmlosende Wirkung provoziere. Dem wurde in der Diskussion entgegengesetzt, dass es sich bei der heutigen Qualifizierung als "Realsatire" auch um eine "anachronistische Wahrnehmung" handeln könnte, die zur Zeit des NS vielleicht eine ganz andere war. MAGNUS BRECHTKEN (München) zeigte in seinem Vortrag in der zweiten Sektion, die sich der Satire nach 1945 widmete, anhand ausgewählter Beispiele die Foren Film, Kabarett und Karikatur als Orte, "in denen sich Themen der Vergangenheitsaufarbeitung zugespitzt und humorträchtig präsentiert finden". Er verwies auf die Sinnfälligkeit einer Forschung, die dieses Thema noch eingehender zu entdecken habe - von den Filmen Billy Wilders in der Nachkriegszeit bis zu den Produktionen Thomas Pigors in der jüngsten Gegenwart. Die Geschichtswissenschaft hinke vergleichbaren Analysen der Literatur- und der Filmwissenschaft merklich hinterher.[2] Neben den sich wandelnden Adaptionen der Person Hitlers und den Reflexionen auf den "deutschen Nationalcharakter" in den satirischen Stücken nach 1945 seien insbesondere deren Wahrnehmungen und die Publikumsreaktionen von wissenschaftlichem Interesse. In der humoristischen Vergangenheitsaufarbeitung zeige sich ein kaum analysierter Modus der Verhandlung der deutschen Gesellschaft über sich selbst. Produzent und Drehbuchautor ULRICH LIMMER (München) lieferte einen ausführlichen Erfahrungsbericht über den Film "Schtonk" - eine Persiflage auf die Veröffentlichung der gefälschten Hitler-Tagebücher durch die Redaktion des Magazins "Stern" - in welchem er die Teilnehmer auch hinter die Kulissen des Drehs zu Ende der 1980er-Jahre blicken ließ. "Für Komiker ein Geschenk, für Historiker eine Tragödie" nannte er die Affäre im Jahr 1983 und betonte, dass die realsatirische Vorlage durch die involvierten Personen durch die filmische Darstellung nur schwerlich zu übertreffen gewesen sei. Der anekdotische Vortrag Limmers enthielt durchaus auch nachdenkliche Töne: Die journalistische Fehlleistung stehe, so seine These, paradigmatisch für den Wunsch der "Seele der Deutschen" nach einer Aussöhnung mit Adolf Hitler - "raus aus den Geschichtsbüchern, rein in den Boulevard". Er gab zu bedenken: "Wir lachen, weil es der Stern war. Und nicht die Nationalzeitung." Er betonte, dass für ihn der Holocaust als Grenze der Satire gelte. SYLVIA NECKER (München) stellte in ihrem Kommentar mit Verweis auf den Titel der Veranstaltung die grundsätzliche Überlegung an, ob es sich bei den vorgestellten Beispielen nach 1945 tatsächlich um Humor über Hitler handelte oder ob nicht vielmehr satirische Studien der deutschen Nachkriegsgesellschaft und deren Umgang mit Hitler angestellt worden seien, was Limmer mit Nachdruck bejahte. Tatsächlicher "post mortem-Humor" über Hitler nach 1945 dagegen funktioniere, so Necker, "mit einer großen Portion Vulgarität". Skeptisch zeigte sie sich auch in den Fällen, in welchen Humor die Funktion der "Distanzierung" einnehme: Somit mache er die Geschichte erträglicher; man erspare sich die Auseinandersetzung. Als Auftakt zur dritten Sektion betonte AXEL DRECOLL (München), dass der "Hanswurst"-Effekt, also die Darstellung Hitlers als lächerliche Person, unterschiedliche Funktionen erfülle: die "Redimensionierung" ("Entzauberung" des "Führers", das Zurückholen der Person auf "normales Menschenmaß"); die "Abstraktion" (Bildung eines Gegengewichts zum "Dämon Hitler" in der erinnerungspolitischen Auseinandersetzung); sowie die Durchbrechung von gängigen Normen und Tabus. Drecoll wies darauf hin, dass die "Humor-Produzenten" einer gemeinsamen Generation angehörten, die Entdämonisierung und Enttabuisierung als gesellschaftliche Bedürfnisse ansähen und betonte seine Zweifel darüber, ob das für die Jugend noch immer zutreffe. Darüber hinaus fehle heutigen Schülerinnen und Schülern oftmals der historische Kontext, um humoristische Darstellungen zu Hitler überhaupt einordnen und als lustig empfinden zu können. Necker nannte dieses Phänomen das "Verfallsdatum" des Humors. OLIVER JAHRAUS (München) stellte einige literarische Werke vor und formulierte als Forschungsgegenstand die Konventionen in der Darstellung Hitlers. Als wiederkehrende literarische Motive identifizierte er neben der "Was-wäre-wenn"-Frage[3] die Erklärungsversuche für die Entwicklung Hitlers zum Diktator.[4] Er betonte darüber hinaus, dass dem oftmals formulierten, wenngleich plausiblen, Befund[5], die Beschäftigung mit dem "Führer" habe in den vergangenen Jahren einen Höhepunkt erfahren, bisher ein empirisch-quantitativer Nachweis fehle. Mit Verweis auf die titelgebende Frage der Veranstaltung konstatierte Jahraus, dass es seiner Meinung nach entscheidend sei, ob mit oder über jemanden gelacht werde. Das Problem liege jedoch nicht in den Texten, sondern vielmehr in der mangelnden Geschichts- und Medienkompetenz der Rezipienten. Auch wenn der Literaturwissenschaftler dies nicht explizit sagte: Die Versuchung, mit Hitler zu lachen, war eines der Hauptargumente, das Kritiker des Bestsellers "Er ist wieder da" anführten.[6] Dessen Autor, Timur Vermes nahm an der späteren Podiumsdiskussion teil. SVEN KELLER (München) warf in seinem Kommentar die Frage auf, ob es - angesichts des Wunsches, die NS-Vergangenheit präsent zu halten - ratsam sei, Humor über Hitler zu tabuisieren. Die Kehrseite der Medaille sehe er in einer Komplexitätsreduktion, die mit der Gefahr der Banalisierung einhergehe. Moderator JOHANNES HÜRTER (München) wies in der Diskussion darauf hin, dass es vonnöten sei, die Zwischenstufen zwischen dem "Dämon" und dem "Hanswurst" Hitler sichtbar zu machen. Jahraus ergänzte, sowohl dem einen als auch dem anderen Extrem sei eine "apologetische" wie "emanzipatorische" Dimension zu eigen. Als Abschluss des Veranstaltungstages diskutierten Timur Vermes, Martina Kessel und Ulrich Limmer auf dem Podium, Magnus Brechtken moderierte. Roman-Autor TIMUR VERMES (München) sprach offen an, dass die Lust zur Provokation durchaus eine Rolle bei der Wahl seines Gegenstands gespielt habe. Er habe "Mein Kampf" gelesen und eine Parodie als reizvoll empfunden, aber auch versucht, das Buch und seinen Autor ernst zu nehmen. Hitlers "Weltbild" sei "überschaubar", was ihm einen leicht zu erschließenden "Werkzeugkasten" an die Hand gegeben habe. Auf die Frage nach "Geschmacksgrenzen" meinte Vermes, dass "Hitlers Duktus" ihm Grenzen auferlegt habe: Über "viele Dinge" habe dieser gar nicht so oft geredet, wie man heute meine. ULRICH LIMMER (München) verwies darauf, dass der Film "Schtonk" die Frage "Wie gehen wir mit Adolf Hitler um?" aufgeworfen habe. Eine gesellschaftliche Fokussierung auf die Person Hitlers habe eine Entlastung der Bevölkerung zur Folge. MARTINA KESSEL (Bielefeld) bemerkte, dass die Intensivierung der geschichtswissenschaftlichen Forschung zum Thema "Volksgemeinschaft" und die Fokussierung auf Hitler im populären Diskurs und deren möglicher Zusammenhang analysiert werden sollten. Zum Abschluss boten die Diskutanten ihren Blick auf die Kernfrage, ob Gewalt und Vernichtung satirefähig seien. "Wenn jemand lacht, ist er wach", meinte Vermes und ließ dabei den pädagogischen Anspruch des Humors anklingen. Kessel verwies auf den moralischen Charakter der Titelfrage und meinte, interessanter sei die Analyse des offenbar verbreiteten Bedürfnisses, Witze über Hitler zu machen. Limmer betonte, dass "Schtonk" keine Komödie über Hitler sei, sondern über "unsere Gesellschaft". Zwei Ergebnisse des eintägigen Treffens sind besonders hervorzuheben. Erstens: Eine einfache Antwort auf die Titelfrage bietet sich nicht an. Vielmehr ist festzustellen, dass Humor stets ein Mittel war, sich kritisch mit Hitler, der NS-Herrschaft und deren Folgen auseinanderzusetzen. Zweitens: Die Diskussionen der Tagung illustrierten eine Fülle bislang unerforschten Materials, das es interdisziplinär zu erschließen und zu analysieren gilt. Konferenzübersicht: Andreas Wirsching (München), Begrüßung Magnus Brechtken (München), Einführung: Politik und Humor im 20. Jahrhundert Sektion I: Humor im NS-Regime Frank Bajohr (München), Moderation Patrick Merziger (Leipzig), Satire in der "Volksgemeinschaft" Martina Kessel (Bielefeld), Lachen über den Tod? Humor im Zweiten Weltkrieg Andreas Wirsching (München), Kommentar Sektion II: Witzfigur post mortem? Satire nach 1945 Sven Keller (München), Moderation Magnus Brechtken (München), Satire als Mittel der Vergangenheitsaufarbeitung: Von "Wir Wunderkinder" über "Schtonk" bis zum "Bonker" Ulrich Limmer (München), "Schtonk" als Beispiel filmischer Vergangenheitsverarbeitung: Wenn Realsatire die Phantasie übertrifft und was man daraus lernen (und machen) konnte Sylvia Necker (München), Kommentar Sektion III: Produzenten - Genres - Themenfelder Johannes Hürter (München), Moderation Axel Drecoll (München), Hanswurst Hitler. Bildwelten vom "Führer" privat Oliver Jahraus (München), Hitler und Humor in der deutschsprachigen Literatur Sven Keller (München), Kommentar Podiumsdiskussion: Hitler und Humor - Geht das? Magnus Brechtken (München), Einführung und Moderation Timur Vermes (München) / Martina Kessel (Bielefeld) / Ulrich Limmer (München) Anmerkungen: [1] Hitler in einer Rede im November 1942: "Von denen, die damals lachten, lachen heute Unzählige nicht mehr [...]." Vgl. Max Domarus, Hitler - Reden und Proklamationen, Bd. 2, Würzburg 1963, S. 1937. [2] Margrit Frölich / Hanno Loewy / Heinz Steinert (Hrsg.), Lachen über Hitler - Auschwitz-Gelächter? Filmkomödie, Satire und Holocaust, München 2003. [3] Beispielsweise bei Eric-Emmanuel Schmitt, Adolf H. Zwei Leben, Zürich 2008. [4] Ein mythisches Erklärungsmodell finde sich etwa bei Norman Mailer, Das Schloss im Wald, München 2007. [5] Limmer verwies insbesondere auf Daniel Erk, So viel Hitler war selten. Die Banalisierung des Bösen oder Warum der Mann mit dem kleinen Bart nicht totzukriegen ist, München 2012. [6] Timur Vermes, Er ist wieder da, Köln 2012. URL zur Zitation dieses Beitrages <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=5757> |
Date: 2015/01/11 22:45:26
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
From: Christian Jansen
<jansen(a)uni-trier.de> Date: 12.01.2015 Subject: Tagber: Archäologie und Krieg. Ein neues Arbeitsfeld ------------------------------------------------------------------------ Svend Hansen, Eurasien-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts; Christian Jansen, Neuere Geschichte, Universität Trier; Friedrich-Ebert-Stiftung 05.11.2014-07.11.2014, Trier Bericht von: Svend Hansen, Eurasien-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts; Christian Jansen, Neuere Geschichte, Universität Trier; Martijn Eickhoff, Radboud Universiteit Nijmegen/NIOD Amsterdam E-Mail:<svend.hansen(a)dainst.de>; <jansen(a)uni-trier.de>; <m.eickhoff(a)let.ru.nl> 2014 gedachten wir nicht nur der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts, die vor 75 bzw. 100 Jahren begannen. Leider sind auch aktuell die Nachrichten voll von Kriegen in der ganzen Welt, ja sogar wieder in Europa. Viele reiben sich verwundert die Augen, weil sie Krieg als Mittel der Politik nicht mehr für möglich, geschweige denn akzeptabel hielten. Die Tagung war schon lange geplant, bevor sie durch die Ereignisse in der Ukraine eine ungeahnte Aktualität erhielt. Thematisiert werden sollte das Thema Archäologie und Krieg in dreifacher Weise. Erstens sollte die Archäologie des Krieges thematisiert werden, nämlich wie heute die Dokumentation von neuzeitlichen Schlachtfeldern, Stellungen, Lagern, aber auch von Massengräbern zur Aufgabe der Archäologie geworden ist. Zweitens sollte die Rolle der Archäologen im Krieg thematisiert werden, als Bewahrer der Kulturgüter oder als ihre Vernichter. Wo wird der Archäologe aktiv bei der Plünderung von Museen und Zerstörung des historischen Erbes besetzter Gebiete sowie der Neubewertung der Geschichte besetzter Gebiete durch Ausgrabungen? Schließlich sollten diese Fragen eingeordnet werden in das rasant wachsende Interesse in der Archäologie am Krieg auch in vor- und frühgeschichtlicher Zeit. Die Tagung ist Teil der forschungsgeschichtlichen Studien im Deutschen Archäologischen Institut. Veranstaltet wurde sie von Christian Jansen (Trier) und Svend Hansen (Berlin) in Verbindung mit der Friedrich-Ebert-Stiftung, die das Karl-Marx-Haus als Tagungsort in Trier zur Verfügung stellte. Die Tagung wurde von ELISABETH NEU (Trier) als Hausherrin eröffnet, die die Beiträge von Karl Marx für die Geschichte und Philosophie der Antike würdigte sowie seine weitgespannten Interessen an der Archäologie, Ethnologie und zuletzt der Geologie herausstrich. In einer gut besuchten öffentlichen Auftaktveranstaltung erläuterten HARALD MELLER (Halle) und HEIDRUN DERKS (Kalkriese), wie der Krieg im Museum präsentiert werden kann. Harald Meller, der eine Ausstellung über den Krieg in Halle konzipiert, gab einen fulminanten Überblick über aktuelle Forschungen zum Thema, wobei die Schlachtfeldarchäologie in Sachsen-Anhalt und in Mecklenburg spektakuläre Neufunde gemacht und mit modernsten Methoden - nicht mehr der Radiocarbon-Datierung, sondern auch mit DNA-Analysen und anderen archäobiologischen Verfahren - untersucht hat. Während im mecklenburgischen Tollensetal ein bronzezeitliches Schlachtfeld gefunden worden zu sein scheint, hat das Landesamt für Denkmalpflege in Sachsen-Anhalt den Ort der Schlacht von Lützen im November 1632 zwischen schwedischen und kaiserlichen Truppen minutiös untersucht. Es gelang nicht nur, den Ort zu lokalisieren, an dem der schwedische König Gustav Adolf getötet wurde, die Auswertung der Munitionsfunde erlaubt es auch, zeitgenössische Berichte sowie Pläne und Stiche auf ihre Glaubwürdigkeit zu überprüfen. Ein Massengrab ist ein eindringliches Zeugnis des Grauens. Es konnte im Block geborgen und in der Werkstatt unter Laborbedingungen freigelegt werden. Die anthropologische Analyse zeigt die vielen Verletzungen, welche die Toten aufweisen, und die auf einen langen Kriegseinsatz hindeuten. Der letzte in das Grab gelegte Tote wurde mit ausgestreckten Armen inszeniert: zynische Erinnerung an den Gekreuzigten? Heidrun Derks stellte die Konzeptionen der ersten und der jetzigen Ausstellungen im Museum Kalkriese dar. Am seinerzeit identifizierten Ort der sogenannten Varusschlacht entstand das erste archäologische Museum in Deutschland, das die Zeugnisse eines Kriegsereignisses thematisiert. Keine Skelette aus Massengräbern, Funde nur kleiner Dimensionen, die kaum ausstellenswert sind, zwangen dazu die Menge der beteiligten römischen Soldaten in Form von Zinnsoldaten oder von Kugeln zu verdeutlichen. Installationen, die nicht minder verstören wie die Toten aus einem Massengrab. Das Publikum würdigte die engagierten Vorträge durch rege Nachfragen. Die eigentliche Fachtagung eröffnete FLORIAN KLIMSCHA (Berlin) mit einem Vortrag über das "neu erwachte Interesse an gewaltsamen Konflikten in der prähistorischen Archäologie", der einen informativen Überblick über Tendenzen der rasant wachsenden Literatur zum Thema Krieg gab, indem er den Beginn des gewachsenen Interesses am Krieg in Deutschland seit 1990 als ein verspätetes Phänomen deutete. International sei seit 1970 ein Anwachsen des Interesses zu vermerken. Vorsicht sei zudem geboten. Seit dem 19. Jahrhunderts sei das Thema in der Archäologie etwa in migrationistischen Erzählungen sehr präsent gewesen. Vielfach sei es aber nicht als Krieg sondern als Kampf bezeichnet worden. HEIDI KÖPP-JUNK (Trier) gab einen prononcierten Überblick über Gewaltdarstellungen und literarische Erwähnungen des Krieges von der vordynastischen Zeit bis ins Neue Reich. Schon die berühmte Narmerpalette, die in die Zeit um 3100 v. Chr. datiert, zeigt Pharao, wie er die Feinde erschlägt, ein Darstellungstypus, der bis in das Neue Reich in die Zeit der sogenannten Seevölker und darüber hinaus in griechische Zeit nachzuweisen ist. Sie zeigte innovative Techniken, wie Belagerungstürme auf Rädern und dann die eleganten leichten Streitwagen aus dem Grab des Tutanch Amun. Schriftquellen verdeutlichen uns die Dimensionen des Krieges, die weit über den archäologisch fassbaren Befund hinausgehen. Literarische Quellen sind jedoch nicht immer ausreichend um die Details der Kriegsführung, die aber entscheidend sein können, voll zu erfassen. CHRISTOPH SCHÄFER (Trier) führte in seinem Vortrag experimentelle Archäologie als Wissenschaft vor. Der Nachbau von Geschützen und von Kriegsschiffen für die Flüsse Rhein und Donau folgt präzise den wenigen archäologischen Funden. Bis in die Details wurden die originalen Materialien verwendet. Alle Schießversuche wurden akribisch aufgezeichnet, denn die Wiederholbarkeit der Experimente stellt eine notwendige Voraussetzung für die wissenschaftliche Verwertbarkeit der Ergebnisse dar. Die Nachbauten erfolgten in einem sehr großen Team unterschiedlicher Fachleute, die die neueste Technik verwendeten. In die Konfrontation mit den Überresten der Weltkriege führten CHRISTIAN TERZER und MARKUS WURZER (beide Innsbruck) aus der Projektgruppe "Archäologie des Alpenkriegs 1915-18" von Harald Stadler an der Universität Innsbruck mit ihren Berichten über die Frontarchäologie in den Dolomiten Süd- und Osttirols ein. Oberhalb der Baumgrenze und in teilweise halsbrecherischen Höhenlagen zeigte Terzer nicht nur die Bedingungen auf, unter denen ArchäologInnen heute arbeiten, sondern veranschaulichte damit auch die extremen Bedingungen unter denen die italienischen und die österreichischen Soldaten von 1915 bis 1918 gegeneinander um jeden Meter kämpften. Deutlich wies Terzer darauf hin, dass die Archäologie häufig mit den Wünschen der Gemeinden nach touristischen Attraktionen in Form von Schützengräben und Mannschaftsbaracken in Konflikt gerät. ERMENGOL GASSIOT BALLBÈ (Barcelona) stellte in seinem Vortrag die Schwierigkeiten bei der historischen Aufarbeitung der Francodiktatur in Spanien zwischen 1939 und 1976 dar. Besonders die etwa 200.000 Menschen, die nach 1939 im Zuge der franquistischen Repression ermordet wurden, liegen noch immer in Massengräbern, ohne dass ihre Kinder, Enkel und Urenkel sie bestatten konnten. Auch Restitutionsansprüche konnten bislang nicht erfolgreich durchgesetzt werden. Sehr eindringlich waren Bilder von einigen der inzwischen 80 freigelegten Massengräber mit ca. 4.000 Toten. MARTIJN EICKHOFF (Amsterdam/Nijmegen) behandelte in seinem, zusammen mit Marieke Bloembergen geschriebenen Vortrag die japanische Archäologie im besetzten Java zwischen 1942 und 1945. Am Beispiel von Grabungen und Rekonstruktionen am buddhistischen Heiligtum von Borobudur und im Kontext der von den Japanern nach ihren Eroberungen im Zweiten Weltkrieg geplanten "großasiatischen Wohlstandssphäre" zeigte er einen überraschend toleranten Umgang der japanischen Besatzer mit den kulturellen Überlieferungen der kolonisierten Indonesier, die zum Teil an die niederländische kolonialarchäologische Infrastruktur anknüpfte. Die dritte Sektion "Archäologen im Krieg" leitete TIMO SAALMANN (Nürnberg) ein mit einem Beitrag über archäologische Forschungen unter deutscher Besatzung in Belgrad, die vom NS-Ahnenerbe großzügig finanziert, aber von den beteiligten Archäologen wegen der schwierigen Erreichbarkeit Belgrads im Krieg und den ungünstigen Rahmenbedingungen eher halbherzig durchgeführt wurde. Die Grabungen unter der Leitung des Direktors des Berliner Museums für Vor- und Frühgeschichte, Wilhelm Unverzagt, bestätigten nach damaligem Kenntnisstand die Ablösung der indigenen "Vinca"-Kultur durch die indogermanische "Vucedol"-Kultur. Die Grabung diente aber offenbar nicht nur ideologischen Zwecken, sondern stellte auch ein Prestigeprojekt dar. BLAGOJE GOVEDARICA (Berlin) berichtete abschließend ausführlich vom Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegovina (1992 bis 1995), dem 100.000 Menschen zum Opfer fielen. Auch damals gab es ein ungläubiges Staunen, dass Krieg in Jugoslawien und mitten in Europa wieder möglich war. Die Zerstörung der Brücke von Mostar und zahlreicher Moscheen sind auch nach ihrem Wiederaufbau Mahnmale gegen den Krieg. Die archäologische Infrastruktur in Bosnien-Herzegowina ist weitgehend zerstört, es gibt keine Denkmalpflege, das Landesmuseum in Sarajevo ist geschlossen. In der Abschlussdiskussion wurde betont, wie fruchtbar die Zusammenführung der unterschiedlichen archäologischen Ansätze und Fragestellungen zum Thema Krieg und die interdisziplinäre Kooperation von Prähistorikern, Ägyptologen und Historikern in der Tagung empfunden wurde. Krieg und massenhafte Gewalt sind zwar in der Lage Gesellschaften und Gruppen für Generationen zu trennen, sie führen aber in der Forschung zu einer Menge wichtiger interdisziplinärer Berührungspunkte. Archäologische Forschung, vor allem wenn sie sich nicht nur auf die Orte und Praxis von Krieg und Gewalt beschränkt, sondern auch deren kulturelle Repräsentationen untersucht, hat das Potenzial bestehende literarische oder ikonografische Darstellungen zu ergänzen und zu korrigieren. Der archäologische interdisziplinäre Ansatz, der zu vielfältigen und manchmal sehr anschaulichen Einblicken in die Vergangenheit führt, hilft außerdem die Art und Weise zu reflektieren, wie Gesellschaften früher und heute sich mit den Erfahrungen mit Krieg und Gewalt auseinandersetzen. Da ein Teil der vorgesehenen Vorträge wegen des GDL-Lokführerstreiks, der mehrere TeilnehmerInnen an der Reise nach Trier gehindert hat, leider ausfallen mussten, wurde angeregt das Thema in einer weiteren Konferenz in nächster Zukunft fortzuführen. Konferenzübersicht: Öffentliche Auftaktveranstaltung Elisabeth Neu (Karl Marx Haus Trier), Begrüßung Svend Hansen (Berlin)/ Christian Jansen (Trier), Einführung Harald Meller (Halle), Betrachtungen zur Disziplin der Schlachtfeldarchäologie Heidrun Derks (Kalkriese), Darstellung eines Kriegs im Museum § Diskussion 1. Sektion: Methodische Zugänge Florian Klimscha (Berlin), Krieg in der Archäologie - Archäologen im Krieg. Friedensparadigmata und das neu erwachte Interesse an gewaltsamen Konflikten in der prähistorischen Archäologie Heidi Köpp-Junk (Trier), Quellen zum Krieg im Alten Ägypten Christoph Schäfer (Trier), Experimentelle Archäologie als Methode zur Erforschung antiker Kriegführung 2. Sektion: Archäologie des Krieges Christian Terzer/ Markus Wurzer (Innsbruck), Frontarchäologie in den Dolomiten Süd- und Osttirols Ermengol Gassiot Ballbè (Barcelona), The Political, Social and Scientific Contexts of Archaeological Investigations of Mass Graves from Spanish Civil War and Francoism Martijn Eickhoff (Amsterdam/Nijmegen), Japanische Archäologie im besetzten Java (1942-1945). 3. Sektion: Archäologen im Krieg Timo Saalmann (Nürnberg), Die Ahnenerbe-Grabungen auf der Festung Belgrad 1942-43 Blagoje Govedarica (Berlin), Archäologie des Bürgerkriegs in Bosnien Schlussdiskussion URL zur Zitation dieses Beitrages <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=5765> ------------------------------------------------------------------------ Copyright (c) 2015 by H-Net, Clio-online, and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact H-SOZ-U-KULT(a)H-NET.MSU.EDU. _________________________________________________ HUMANITIES - SOZIAL- UND KULTURGESCHICHTE H-SOZ-U-KULT(a)H-NET.MSU.EDU Redaktion: E-Mail: hsk.redaktion(a)geschichte.hu-berlin.de WWW: http://www.hsozkult.de _________________________________________________ -- |
Date: 2015/01/15 14:36:03
From: rolgeiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Date: 2015/01/23 18:56:33
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Salü,
bei solchen Tagungen wünsche ich mir immer, auch mal St. Wendel als
Wallfahrtsort als Ziel oder wenigstens Zwischenstation zu lesen, aber keiner
weiß etwas darüber. Auf der Etzlaub-Karte ist es nicht drauf, auf Cusanus' Karte
auch nicht.
Wie groß (räumlich) war denn eigentlich die Bekanntheit des hl. Wendalinus
damals im späten Mittelalter? Kannte den überhaupt jemand - sagen wir - 50
Kilometer entfernt?
Mit
freundlichem Gruß Roland Geiger Mittelalterliche Pilger, ihre Reisen und Geschichten haben schon lange Aufmerksamkeit in der historischen Forschung erlangt. Neben unterschiedlichen Editionsprojekten, Tagungen und Ausstellungen wurden bereits die unterschiedlichen Phänomene von Pilgerreisen in den Blick genommen. Renata Skowronska, Polnische Historische
Mission, Julius-Maximilians-Universität Würzburg; Helmut Flachenecker, Lehrstuhl für Fränkische Landesgeschichte, Julius-Maximilians-Universität Würzburg; Andrzej Radziminski, Lehrstuhl für Geschichte der Baltischen Länder, Nikolaus-Kopernikus-Universität Torun 25.09.2014-26.09.2014, Würzburg Bericht von: Kathrin Kelzenberg, Historisches Seminar, Universität Heidelberg E-Mail: <kathrin.kelzenberg(a)zegk.uni-heidelberg.de> Die Tagung "Unterwegs auf Pilgerstraßen. Pilger aus dem polnischen und deutschen Raum im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit", die am 25. und 26. September 2014 in Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg stattfand, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, unterschiedliche Pilgerreisen und damit einhergehende Forschungsfragen in den genannten Räumen zu erörtern. Nach den Grußworten des Bischofs eröffnete MARIA STARNAWSKA (Czestochowa) die Tagung mit ganz grundlegenden Ausführungen zum Forschungsthema. Ihr Blick richtete sich auf noch heute bestehende deutsche und polnische Wallfahrtsziele, um folgend für beide Länder einen Forschungsüberblick zu geben. Dazu gehörte eine Vorstellung unterschiedlicher Wallfahrtsmotive, verschiedener Quelleneditionen, wie von Werner Paravicini und Christian Halm[1], sowie ganz grundlegende Arbeiten von Reinhold Röhricht, Folker Reichert und Hartmut Kühne.[2] WOLFGANG WÜST (Erlangen) betrachtete Wallfahrer und Wallfahrten in Süddeutschland während der Aufklärung. Durch die Policeyordnungen wurden Bittgesänge und Prozessionen reduziert, Passionsspiele, Wallfahrten, überflüssige Praktiken und sogenannte "inhaltsleere" Litaneien untersagt. Die Verbreitung von Krankheiten und Seuchen legte man nämlich den Wallfahrern zur Last. Der Bierkonsum stellte trotz vieler Verbote eine enorme Steuereinnahmequelle dar. Die Sektion zur "Wirklichkeit der Wallfahrten" eröffnete JANUSZ TANDECKI (Torun) mit einem Vortrag zu den "Wallfahrten der Bürger großer preußischer Städte im Spätmittelalter". Tandecki führte aus, welche Bedeutung die peregrinationes maiores hatten und welche Wallfahrtstypen in den Quellen zu finden sind. Außerdem betrachtete er unterschiedliche Reisemöglichkeiten und davon abhängige Verträge, die Pilger abschließen mussten. Gleichsam könne eine Pilgerreise nicht nur frommen Charakter haben, sondern - wie in der Forschung bereits mehrfach beschrieben - ein touristisches oder politisches Anliegen haben. Für die preußischen Bürger bzw. Pilger gäben die Rats- und Schöffenbücher Auskunft über Reisen, ihren Anlass und gegebenenfalls über Regelungen bei ihrer Abwesenheit oder nicht erfolgter Rückkehr in Testamentseinträgen und -vereinbarungen. Er zeigte mehrere Beispiele für Rom- und Aachenfahrten auf. Die Belege für Pilgerreisen preußischer Bürger ins Heilige Land seien hingegen gering. Die Praxis des Pilgerns im Raum Hildesheim um 1500 erläuterte PETER MÜLLER (Hildesheim). Der Hildesheimer Ratsherr Brandes (1454-1529) und der Kanoniker Johann Radelkopp (gestorben 1574) pilgerten nach Aachen und hinterließen wertvolle Zeugnisse ihrer Reise. Radelkopp beschreibt in seinen Ausführungen die Wallfahrt als Passion und als wichtigen Teil der Lebenserfahrung. Brandis pilgert 1498 nach Aachen und beschreibt seine Reise in Form eines Itinerars. Müller wies weiter auf die Besonderheit der Lohnpilger hin, die ihre Reise mithilfe der Pilgerabzeichen und Urkunden belegen mussten. Unerfahrene Pilger wurden durch Ratserlässe geschützt, damit sie keine überhöhten Preise in ihnen nicht bekannten Währungen zahlen mussten. WINFRIED ROMBERG (Würzburg) lenkte den Blick auf den Würzburger Raum in Zeiten von Konfessionalismus und Aufklärung. Zu dieser Zeit habe es im Bistum Würzburg 30 anerkannte und zusätzlich weitere volkstümliche Wallfahrtsorte gegeben. Um 1580 habe Bischof Julius Echter von Mespelbrunn die Rekatholisierung im Hochstift Würzburg eingeleitet. Romberg thematisierte die unterschiedlichen Wallfahrten im Bistum, wie auf den Kreuzberg an der Rhön sowie Maria in Arena zu Dattelbach, die beide durch den Bischof rehabilitiert wurden. Die Wallfahrten sollten fest im Kirchenjahr etabliert werden. Damit wurde dem Vorwurf des "Massenphänomens" entgegen gewirkt und die Abläufe in geregelte Bahnen gelenkt. Des Weiteren wurden die Geistlichen als Gestalter der Wallfahrt unabdingbar gemacht. Im 16. Jahrhundert wurde die Wallfahrt schließlich wieder etabliert; Fernwallfahrten blieben aber problematisch und seien 1785 untersagt worden. MARIUSZ SAWICKI referierte aus dem mit TOMASZ CIESIELSKI (beide Opole) verfassten Beitrag, über die Reisen polnischer Adliger im 17. und 18. Jahrhundert, die auf der Suche nach Heilung waren. Durch den Besuch der Heiligen Stätten erhofften sie sich Genesung von angeblich unheilbaren Krankheiten. Plagten einen chronische Schmerzen oder war ein Exorzismus erfolglos, wurde beispielsweise in der Nähe von Lodz der Altar des Heiligen Antonius aufgesucht. Die Nähe zum Heiligen Ort konnte bereits ausreichend sein. Dahingehend "erfolgreiche" Pilgerfahrten Adliger führten dazu, dass Orte bei der Bevölkerung populär wurden. Die Nachmittagssektion zu "Wallfahrt der Obrigkeit" eröffnete PHILIPP PLATTNER (Innsbruck) mit einem Beitrag zur Preußenreise, die sich im 14. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreute. Der europäische Adel konnte durch die Unterstützung des Deutschen Ordens anstatt ins Heilige Land im Osten in den Glaubenskampf ziehen und den gleichen Ablass erhalten, wie für einen Kreuzzug. Plattner legte exemplarisch die Preußenreise Herzog Leopolds III. von Österreich dar. Die Reise wird in mehreren Quellen erwähnt: 1371 bat der Herzog die Stadt Enns (Österreich) um Hilfe für sein Vorhaben, die livländische Chronik Herrmanns von Warteberge, die Chronik Wigands von Marburg und die Ehrenreden des Peter Suchenwirts belegen die Reise. Leopold zog am 30. Dezember 1371 von Wien nach Preußen und kehrte am 12. April 1372 zurück. Unter den Mitgliedern der Reisegesellschaft befanden sich unter anderem zwei Herzöge von Bayern, ein Herzog aus Polen und weitere Landgrafen. Hinsichtlich der Reisevorbereitung seien die Regelung der Stellvertretung, die Erkundung des Weges und die Nachricht an den Orden über das Kommen des Herzogs dokumentiert. KRZYSZTOF RATAJCZAK (Poznan) untersuchte "The Pilgrimages of the Piast Dynasty in the Middle Ages". Er stellte zum einen heraus, dass es einige bedeutende Pilgerziele der Piasten innerhalb Polens gab. Dazu zählte Gniezno/Gnesen, wo die Gebeine des Heiligen Adalberts lagen und Boleslaw II. 1322 auf seiner Pilgerreise Heilung erfuhr. In Aachen wurde Karl der Große und in Krakau Bischof Stanislaus aufgesucht. Der Aufenthalt im Heiligen Land wurde oftmals für die Gründung von Johanniterkommenden in Schlesien genutzt. Für die Piasten war vor allem der Kampf des Deutschen Ordens gegen die Prußen von hoher Attraktivität; problematisch war allerdings das Verhältnis des Deutschen Ordens zu Herzog Kasimir I. von Kujawen, der friedlich missionieren wollte. Meist wurden Stiftungen nach einer Pilgerfahrt durchgeführt (die Kurische Nehrung ist ein Beispiel dafür). MARCIN BÖHM (Opole) betrachtete Herzog Ludwig II. von Brieg und dessen unterschiedlichen Reisen. 1402 kann man eine Reise nach Prag feststellen, da Ludwig dafür bei Brieger Bürger Schulden aufgenommen hatte. Weiter hat Ludwig eine Reise ins Heilige Land unternommen, die nicht direkt belegt, aber durch flankierende Quellen wahrscheinlich gemacht werden kann. Es folgten weitere Reisen zur Unterstützung des Deutschen Ordens. Bei den Kämpfen geriet er 1410 in Gefangenschaft und eine Lösegeldzahlung wurde notwendig. 1414 unternahm er eine Europareise, auf der er wahrscheinlich Nürnberg und Essen besuchte. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Herzog seine Reiseschulden der nächsten Generation hinterließ. LESZEK ZYGNER (Ciechanów) betrachtete den Bischof als Pilger. Marinus von Triest pilgerte 1436 im Gefolge des Herzogs Friedrich von Österreich ins Heilige Land. Es sei der fürstliche Wille gewesen, dass der Bischof im Gefolge war. Ein Krakauer Bischof reiste noch ungeweiht 1408 ins Heilige Land mit 16 Begleitern und kehrte 1410 zurück; 1414 wurde er schließlich Bischof von Posen. Seine Heiliglandreise spielte für seinen Werdegang als Bischof allerdings keine Rolle. Aufgrund der stabilitas loci sei es den Bischöfen generell nicht möglich gewesen, ihr Bistum zu verlassen. ADAM KRAWIEC (Poznan) stellte das Reisetagebuch des Jan Amor Tarnowski vor, der im 16. Jahrhundert eine Heiliglandreise unternahm. Die Vorbereitungen dauerten 1,5 Jahre, bis er 1512 die Erlaubnis erhielt, ein Jahr lang den Kriegsdienst auszusetzen. Die Reise war durch die Familientradition motiviert, religiös wie politisch. Zwei Quellen belegen Jans Reiseaktivität: zum einen ist ein anonymes Itinerar überliefert, zum anderen ein Pilgerführer. Die Reise führte ihn nach Palästina, wo er zum Ritter vom Heiligen Grab geschlagen wurde, und auf den Sinai, wo er das Katharienenkloster besuchte. Ob Jan die Reise tatsächlich unternommen hat, wird in einer Abschrift des Berichts eher bezweifelt. Die Sektion "Pilgerregister und Mirakelbücher als historische Quellen" eröffnete ANDREAS RÖPCKE (Schwerin) mit dem Vortrag über die Wallfahrt der "Seeländer" zum Heiligen Theobald im Spätmittelalter. Ein Mirakelbuch dokumentiert 215 Berichte bzw. Wundergeschichten aus Norddeutschland und von der Ostseeküste. Die Wallfahrt zum Heiligen Theobald (auch Guibio genannt - die unterschiedlichen Nennungen stifteten Verwirrung, sodass es unterschiedliche Feiertage für den Heiligen gab) führte nach Thann; 71 Pilgerzeichen sind dazu überliefert. Weiter finden sich in den Ratsdokumenten verschiedener Hansestädte Genehmigungen für Pilgerreisen nach Thann. In Rostock und Stralsund gab es zudem eigene Altäre zur Verehrung des Heiligen. Das Mirakelbuch fungierte als eine Art Werbeträger für die Wallfahrt, die oftmals von Seeleuten und befreiten Gefangenen angetreten wurde. MARK MERSIOWSKY (Innsbruck/Stuttgart) richtete seinen Blick auf die österreichische Wallfahrt nach Maria Waldrast. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts sollen zwei Knaben ein Bild der Mutter Gottes an einem Platz gefunden haben, das sie in das nahegelegene Matrei trugen. Der Fundort wurde zur späteren Wallfahrtsstätte, wo mit der Genehmigung des Bischofs von Brixen eine Kapelle errichtet wurde. Nikolaus von Kues verbot die Wallfahrt allerdings, nach seinem Tod wurden die Altäre und die Kapelle letztlich doch geweiht. Mersiowsky stellte ein Mirakelbuch vor, dessen Entstehungsumstände nicht gesichert sind, das aber Einblicke in die Wallfahrt gibt, die besonders in der bäuerlichen und dörflichen Welt verankert war. Weiter wurde aufgezeigt, wie weit die Kunde der regionalen Wallfahrt reichte und in welchen Gebieten sie bekannt war, also aus welchen Orten die Menschen nach Maria Waldrast aufbrachen. RICARDA MATHEUS (Halle an der Saale) stellte das Digitalisierungsprojekt "Deutschsprachige Rompilger in der Goethezeit - Rekonstruktion und digitale Edition einer verschollenen Quelle" des DHI Rom vor. Das Pilgerverzeichnis des Hospiz von Santa Maria dell'Anima dokumentiert die Pilger zwischen 1778 und 1819. Matheus stellte einige Erkenntnisse aus dieser umfangreichen Arbeit mit einem Pilgerverzeichnis vor. Da das Verzeichnis aus einer Zeit stamme, die keine besondere Blütezeit der Pilgerreisen war, sei diese Quelle bemerkenswert. Gerade die Herkunftsregion der eingetragenen Pilger berge Forschungspotential. JÖRG FÜLLGRABE (Darmstadt) stellte den Pilgerführer Hermann Künig von Vachs vor und eröffnete damit die letzte Sektion zu Idee und Praxis der Wallfahrten. Füllgrabe stellte Highlights des Pilgerführers aus dem 15. Jahrhundert vor. Zum Alltag auf venezianischen Pilger-Galeeren im 15. Jahrhundert referierte MARKUS STICH (Konstanz), der Pilgerberichte hinsichtlich ihrer Informationen zur Seereise auswertet. Als Beispiele dienen ihm unter anderem für das 15. Jahrhundert Felix Fabri, Hans Tucher und Konrad Grünenberg. Im Fokus standen besonders der Alltag auf dem Schiff: dazu gehören die Reiseabläufe, die Tätigkeiten und Rechte und Pflichten des Kapitäns. Stich thematisierte die unterschiedlichen Faktoren, die für die Länge der Reise verantwortlich sein konnten: Angriffe durch Piraten oder der Handel, den der Kapitän treiben konnte, aber auch Strömungen und Wettereinflüsse, die das Fortkommen beeinflussen konnten. Offen blieben die Fragen nach dem täglichen Zubereiten der Mahlzeiten, dem Kochen und Schlachten. WIKTOR SZYMBORSKI (Kraków) stellte Wallfahrtorte in Polen vor, die die Wallfahrt nach Rom ersetzen sollten, um den beschwerlichen Weg in den Süden zu vermeiden, aber den gleichen Ablass zu erhalten. Es gab - wie andernorts auch üblich - die Möglichkeit, einen Pilger zu "kaufen" und diesen für sich nach Rom fahren zu lassen. Aber Nikolaus V. gewährte für Krakau und Vilnius für die Heiligen Jahre Ablässe, die die Wallfahrt nach Rom ersetzten. Nachbauten von römischen Pilgerstationen seien in Polen bis in die Frühe Neuzeit fast inflationär errichtet worden. Kirchenführer für die Stadt Rom dienten als Informationsquelle für die Ablassvergabe in den römischen Kirchen, die einfach in bestimmte polnische Kirchen übertragen wurden; so sei dies beispielsweise für Karmeliter- und Dominikanerkirchen sowie Zisterzienserklöster belegt. Zum Bau der Nekropole in Gnesen wurde aus römischen Nekropolen Erde heran geschafft. Nicht die lange und beschwerliche Reise nach Rom antreten zu müssen, war für viele Menschen praktischer, allerdings - so resümiert Szymborski - nahmen die Pilgerfahrten nach Rom nicht ab, denn beispielsweise die Apostelgräber konnten letztlich nur in Rom besucht werden. Der Vortrag von BARBARA KOWALSKA (Czestochowa) mit dem Titel "Bitt-, Dank- und Bußpilgerfahrten in den 'Annales seu cronicae incliti Regni Poloniae' von Jan Dlugosz (1415-1480)" konnte nur verlesen werden. Die Quelle handelt von der Geschichte Polens und gibt immer wieder Hinweise auf Pilgerfahrten der drei im Vortragstitel genannten Typen. Das Werk ist bislang nicht hinreichend untersucht worden, kann aber, obwohl es nicht ganz unproblematisch ist, für die Erforschung von Heiliglandreisen fruchtbar gemacht werden. Die Tagung hat gezeigt, dass die Erforschung von Pilger- und Wallfahrtswesen ein weiterhin lohnendes Betätigungsfeld ist - erst recht mit transregionaler Perspektive. Die Breite des Tagungsprogramms mag dafür verantwortlich sein, dass die meisten Vorträge als Einzelfallstudien der ein oder anderen Region auf deskriptiver Ebene blieben und so auch in den Diskussionen nur wenig auf inhaltliche Schnittpunkte eingegangen werden konnte. Sicher aber wird das angestrebte Forschungsprojekt hier Synergieeffekte zu nutzen wissen und mittels transregionaler Vergleiche neue Erkenntnisse zutage bringen. Konferenzübersicht: Einführungsvorträge Maria Starnawska (Czestochowa), Das Phänomen der Pilgerfahrten in der deutschen und polnischen Kultur des Mittelalters und der Neuzeit. Hauptfragestellungen und Forschungsstand Wolfgang Wüst (Erlangen), Wallfahrer und Wallfahrten in der Kritik der Aufklärung. Beispiele aus Süddeutschland Wirklichkeit der Wallfahrten Janusz Tandecki (Torun), Wallfahrten der Bürger großer preußischer Städte im Spätmittelalter Peter Müller (Hildesheim), Die Praxis des Pilgerns an Hand von Hildesheimer Quellen um 1500 Winfried Romberg (Würzburg), Wallfahrten im würzburgischen Franken im Zeitalter von Konfessionalismus und Aufklärung (ca. 1600-1803) Tomasz Ciesielski/Mariusz Sawicki (Opole), Pilgrimages of Nobles and Magnates of the Republic of Poland to the Holy Places in the 17th and 18th Centuries Wallfahrt der Obrigkeit: Vorbild für die Untertanen oder Herrschaftsinstrument? Philipp Plattner (Innsbruck), Bewaffnete Pilgerfahrt. Die Preußenreise Herzog Leopolds III. von Österreich (1351-1386) Krzysztof Ratajczak (Poznan), The Pilgrimages of the Piast Dynasty in the Middle Ages Marcin Böhm (Opole), Herzog Ludwig II. von Brieg (1380-1436). Pilger - Herrscher - Bankrotteur Leszek Zygner (Ciechanów), Der Bischof als Pilger. Einige Beispiele aus dem spätmittelalterlichen Polen und Deutschland Adam Krawiec (Poznan), Der älteste Bericht eines polnischen Pilgers über seine Reise ins Heilige Land - das "Reisetagebuch" von Jan Amor Tarnowski (1488-1561) Pilgerregister und Mirakelbücher als historische Quellen Andreas Röpcke (Schwerin), Von der Ostsee nach Thann im Oberelsass. Die Wallfahrt der "Seeländer" zum Heiligen Theobald im Spätmittelalter Mark Mersiowsky (Innsbruck/Stuttgart), Pilger auf Tiroler Straßen. Die Evidenz des Mirakelbuchs vom Kloster Maria Waldrast aus dem 15. Jahrhundert Ricarda Matheus (Halle an der Saale), Deutschsprachige Rompilger im Hospiz von Santa Maria dell'Anima im ausgehenden 18. Jahrhundert Persönliche Erfahrungen erzählen Jörg Füllgrabe (Darmstadt), Von Fahrten und Gefahren. Hermann Künig von Vachs Pilgerführer "Die Walfahrt und stras zu sant Jakob" als Beispiel spätmittelalterlicher Informationsliteratur Markus Stich (Konstanz), Stürme - Enge - Langeweile. Zum Alltag auf venezianischen Pilger-Galeeren im 15. Jahrhundert Idee und Praxis der Wallfahrten Wiktor Szymborski (Kraków), Medieval Rome in Poland - Indulgences of the Churches of the City [of Rome] and Jubilee Indulgences in Medieval Poland Barbara Kowalska (Czestochowa), Bitt-, Dank- und Bußpilgerfahrten in den "Annales seu cronicae incliti Regni Poloniae" von Jan Dlugosz (1415-1480) Zusammenfassung und Ende der Tagung Anmerkungen: [1] Werner Paravicini (Hrsg.), Europäische Reiseberichte des späten Mittelalters. Eine analytische Bibliographie. Teil 1 Deutsche Reiseberichte (Kieler Werkstücke; Reihe D: Beiträge zur europäischen Geschichte des späten Mittelalters 5), bearb. v. Christian Halm, Frankfurt am Main 1994. [2] Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967; Folker Reichert, Quellen zur Geschichte des Reisens im Spätmittelalter (Freiherr vom Stein - Gedächtnisausgabe. Reihe A: Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 46), Darmstadt 2009; Hartmut Kühne u.a. (Hrsg.), Spätmittelalterliche Wallfahrt im mitteldeutschen Raum: Beiträge einer interdisziplinären Arbeitstagung, Eisleben 7.-8. Juni 2002, Berlin 2002. URL zur Zitation dieses Beitrages <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=5769> |
Date: 2015/01/23 19:02:56
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
heute in der SZ:
Kleine keltische Münzen eines großen KünstlersAußergewöhnliche Funde freuen Archäologen in NonnweilerSie erinnern ein weinig an die frühen Zeichnungen von Walt Disney, die Pferdemotive auf zwei Goldmünzen, die Terrex-Mitarbeiter im Hochwald gefunden haben. Geprägt haben diese Münzen die Kelten im ersten Jahrhundert vor Christus.Von SZ-Redakteur Volker FuchsNonnweiler. Konzentriert setzt der Experte den Stempel aus Metall auf die kleine Goldmünze, hält den Stempel fest in der Hand. Mit der anderen schwingt er den Hammer. Schlägt auf den Stempel. Und schon hat er eine Münze geprägt. So ähnlich kann es vor mehr als 2000 Jahren im Hochwald passiert sein. Münzen spielten damals bei den Kelten eine immer größere Rolle. Zurück in die Gegenwart: Insgesamt 35 keltische Münzen haben die Ausgräber um Terrex-Projektleiter Thomas Fritsch in den vergangenen Jahren im weiten Umfeld um den Hunnenring gefunden. Allein 15 im vergangenen Jahr. Darunter auch drei Goldmünzen, in etwa so groß wie Ein- und Fünf-Cent-Stücke und um die fünf Gramm schwer. Alle drei Münzen zeigen Pferde, eine ein realistisches Bild, zwei stilisierte Pferde mit großem Kopf, dünnen Ohren und dünnen Beinen. „Dieser Typ ist sehr selten“, betont Grabungsleiter Thomas Fritsch im SZ-Gespräch. „Die Motive erinnern mich an die frühen Zeichnungen der Comic-Figuren von Walt Disney“, so der Archäologe weiter. Auf der Rückseite der Münzen sind Sonnenräder, Ähren und Punkte zu erkennen. Fritsch datiert diese und die weiteren Münzen der Kelten in das erste Jahrhundert vor Christus. Die Münzwirtschaft haben die Kelten von den Griechen im dritten Jahrhundert vor Christus übernommen, klärt der Experte auf. Zunächst hätten sie dabei Kopien von griechischen Münzen gemacht. Mit der Zeit haben die Kelten dann eigene Münzbilder hergestellt, oft mit Tiermotiven. Fritsch: „Es gab aber keine zentrale Münzwirtschaft. Jeder Stamm hatte seine eigene Prägung.“ Das futuristische Pferd könnte ein Markenzeichen der Hochwald-Kelten und Arbeit eins besonders kreativen Künstlers sein? Darauf gibt es (noch) keine Antwort, das bleibt Spekulation. Dass die auf der Nonnweiler Gemarkung gefundenen Münzen alle aus dem ersten Jahrhundert vor Christus stammen, ist für Thomas Fritsch ein Hinweis darauf, dass die Münzwirtschaft bei den Kelten rund um den Hunnenring vorher noch nicht so ausgeprägt war. Zuvor habe die Tauschwirtschaft wohl Vorrang gehabt. Bezahlt haben die Kelten aber nicht nur mit Goldmünzen, sondern auch mit solchen aus Bronze und Silber sowie einer Silberbronze-Legierung. Wie viel die einzelne Münze damals wert war, das wisse man nicht. Entdeckt haben die Forscher die Münzen bei so genannten Feldbegehungen. Dabei wird systematisch eine Fläche mit Metalldetektoren abgesucht. Diese schlagen an, wenn sie in der oberen Bodenschicht auf Metall stoßen. Im vergangenen Sommer haben die Terrex-Mitarbeiter Martina Jachmann und Rüdiger Pees mit dem ehrenamtlichen Experten Marco Kausch immer wieder Flächen abgesucht. Gefunden haben sie nicht nur Münzen, sondern eine Vielzahl metallischer Gegenstände: Werkzeug, Äxte, Nägel, Schmuckteile zum Beispiel. Aber auch Verlorenes aus vergangenen Jahrhunderten und der Gegenwart. Fritsch nennt einige Beispiele: einen württembergischen Reichstaler aus dem 19. Jahrhundert, zwei Münzen aus dem Mittelalter, Strassschmuck und Ohrringe aus der Neuzeit, ja sogar einen Geldbeutel mit elf Mark aus den sechziger Jahren. Fritsch: „150 Fundpunkte haben wir ausgemacht, geborgen und eingemessen.“ Foto: B&K |
Date: 2015/01/24 00:13:00
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
CFP: Die Kartographie des Raumes: Reisende im Ostsee- und Mittelmeerraum vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert - Montpellier 05/15 Université Paul-Valéry Montpellier 3 15.05.2015-16.05.2015, Montpellier, Université Paul-Valéry Montpellier 3 Deadline: 15.02.2015 Die jüngere Hinwendung der historischen Forschung zur Kategorie "Raum" steht in engem Zusammenhang zu politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Veränderungen, die im Rahmen der Globalisierung über traditionelle Prozesse territorialer Identifikation und staatlicher Strukturierung hinausgehen. Ziel der hier vorgestellten Tagung ist es, jenseits administrativ-herrschaftlicher, nationaler und territorialstaatlicher Festschreibungen nach räumlichen Vorstellungen, Zuschreibungen und Beschreibungen in der Vergangenheit zu suchen, die sich speziell auf den Ostseeraum und / oder den Mittelmeerraum beziehen und diese Räume geographisch und kulturell auch als solche definieren und kartographisch zu erfassen suchen. Im Rahmen eines durch die Deutsch-Französische Hochschule geförderten Projektes zur Netzwerkbildung von Nachwuchsforschern, das sich mit Selbst-, Fremd-, Raum- und Staatsbildern in der historischen Reiseliteraturforschung befasst, sollen mentale Bilder und Karten, d. h. Bilder und Karten in den Köpfen der Reisenden, rekonstruiert und konkrete ikonographische und kartographische Darstellungen der Reisenden über den Ostsee- bzw. Mittelmeerraum analysiert werden, wobei hier auch Teilräume wie "Norden", "Süden", "Levante", etc. in Frage kommen. Zugrunde gelegt wird dabei weniger ein staatliches als ein geographisches, kulturelles, sprachliches, architektonisches oder literarisches Raumverständnis, das sich in den unterschiedlichsten historischen Quellengattungen ausdrücken kann. Exemplarisch sei hier auf einige mögliche thematisch-wissenschaftliche Ansätze verwiesen: Kartographische Darstellungen in der Reiseliteratur, kartographische Werke, die von den Reisenden genutzt und / oder erstellt wurden, bzw. ihnen geläufig waren, mentale Repräsentationen des Ostsee- bzw. Mittelmeerraumes als Ausdruck der Reiseliteratur, stereotype Darstellungen als vereinfachte Repräsentation komplexer räumlicher Realitäten, ikonographische Darstellungen räumlicher Zusammenhänge, architektonische oder literarische Raumvorstellungen, etc. Denkbar und ausdrücklich wünschenswert wären auch Forschungsansätze, die über moderne Programme der Geo-Lokalisierung und / oder der kartographischen Referenzierung Reiserouten und mentale Raumvorstellungen der historischen Reiseliteratur in Einklang zu bringen versuchen. Auch könnte die Frage gestellt werden, welche übergeordneten Aussagen sich auf der Grundlage des Quellenmaterials über zeitgenössische Wahrnehmbarkeit und Wertigkeit von räumlichen Zuschreibungen treffen lassen und welche Rolle diese Qualitätszuschreibungen innerhalb der Verräumlichung von Herrschaft spielen? Denkbar wären schließlich auch grundsätzliche methodische Überlegungen zur Historizität von Raumzuschreibungen, komparative Forschungsansätze, die Ostsee- und Mittelmeerraum unmittelbar in Relation setzen, oder Fragen, die sich damit beschäftigen, inwieweit die Auseinandersetzung mit andersartigen räumlichen und kulturellen Identitäten dem Reisenden die Gelegenheit bieten, eine eigene "Vermessung der Welt" vorzuschlagen und die eigene Fremdheit zu entdecken. Die Veranstaltung richtet sich an alle Disziplinen der historisch arbeitenden Kultur- und Sozialwissenschaften und zielt speziell auf die Beteiligung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Erbeten werden Abstracts im Umfang von max. 500 Wörtern und eine knappe bio-bibliographische Notiz bis zum 15. Februar 2015 an burghart.schmidt(a)univ-montp3.fr. Tagungssprachen sind Deutsch, Englisch und Französisch. Eine sich zügig anschließende Publikation der Beiträge ist vorgesehen. |
Date: 2015/01/24 00:31:50
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Eine Einladung, ergangen durch Udo Recktenwald, Landrat des Kreises St.
Wendel:
Einladung
Sehr
geehrte Damen und Herren, am
27. Januar 1945 wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit. 1996
wurde
auf Initiative des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog der
27.
Januar zum offiziellen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus
erklärt,
2005 durch die Vereinten Nationen zum „Internationalen Tag des
Gedenkens
an die Opfer des Nationalsozialismus"
erweitert. Seit
einigen Jahren bereits unterstützt der Landkreis St. Wendel aktiv den
Aufbau
einer Erinnerungskultur, die sich verantwortungsvoll mit der
nationalsozialistischen
Vergangenheit der Region auseinandersetzt und den Opfern der
NS-Diktatur würdig gedenkt. Im Rahmen dieser Erinnerungskultur und
70
Jahre nach der Befreiung von Auschwitz laden wir daher erstmals auch zu
einer
zentralen Gedenkveranstaltung zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer
des Nationalsozialismus ein. Zu dieser Veranstaltung
am Dienstag, 27.
Januar, 19 Uhr, in der Kulturscheune Oberlinxweiler, Niederlinxweilerstraße
7, lade
ich Sie hiermit herzlich ein. Der
Historiker Bernhard W. Planz referiert über die Verfolgung während der
NS-Zeit
im Raum St. Wendel. Kristine Backes, Schülerin des Gymnasiums Wendalinum,
trägt Lieder aus dem KZ Theresienstadt vor. Schüler des Gymnasiums
Wendalinum stellen ihre Recherchearbeit zu Fritz Berl vor. Die Gruppe
„Brillant" beschließt den Abend mit deutschsprachigen Liedern gegen
Rassismus
und Intoleranz. |
Date: 2015/01/27 23:15:37
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Gugglberger, Martina: Reguliertes Abenteuer. Missionarinnen in
Südafrika nach 1945 (= L' Homme-Schriften 22). Wien: Böhlau Verlag Wien 2014. ISBN 978-3-205-79613-8; 276 S.; EUR 39,90. Inhaltsverzeichnis: <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/media/beitraege/rezbuecher/toc_23584.pdf> Rezensiert für H-Soz-Kult von: Sebastian Justke, Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg E-Mail: <justke(a)zeitgeschichte-hamburg.de> Ein szenischer Einstieg wirft die LeserInnen mitten ins Geschehen: "Acht deutsche Missionsschwestern verließen am 29. Juli 1956 das Passagierschiff Rhodesian Castle in Durban, Südafrika" (S. 15). Ihr Ziel: das Kloster Mariannhill in der heutigen südafrikanischen Provinz KwaZulu-Natal, wo sie den Rest ihres Lebens verbringen werden. Das macht neugierig auf die Geschichte eines "regulierten Abenteuers", erlebt von "Missionarinnen in Südafrika nach 1945". Tatsächlich entfaltet sich auf den folgenden 250 Seiten eine Geschichte, welche die Grenzen Südafrikas überschreitet, über das Jahr 1945 bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht und damit weit mehr umfasst, als es der Buchtitel andeutet. Im Zentrum der Dissertation von Martina Gugglberger stehen die Lebensgeschichten von 23 Frauen, die während der 1950er- und 1960er-Jahre in den "Missionsorden der Schwestern vom Kostbaren Blut" eintraten und nach Südafrika entsandt wurden. Die von Gugglberger interviewten Ordensschwestern gehören der letzten Generation europäischer Frauen an, die sich für ein Leben in der Mission und fern ihrer Heimat entschieden. Gugglberger fragt nach den "Begegnungsräumen" zwischen Missionarinnen und der lokalen Bevölkerung in Südafrika und möchte die Lebensgeschichten ihrer Interviewpartnerinnen in eine "transnational verwobene Geschichte der christlichen Missionierung" kontextualisiert wissen (S. 16). Neben den Interviews bilden Missionszeitschriften und Selbstdarstellungen des Missionsordens die Quellengrundlage der Studie. Gugglberger plädiert für eine "räumliche Lesart" der Lebensgeschichten von Missionarinnen (S. 26). In Anlehnung an den spatial turn definiert sie drei soziale und geografische Räume, welche das Leben ihrer Interviewpartnerinnen dominierten: "Herkunftsraum, Klosterraum und Missionsraum" (S.23). Unter "Herkunftsraum" versteht die Autorin den Lebensabschnitt von der Kindheit bis zum Eintritt ins Kloster. Die interviewten Frauen wuchsen fast ausschließlich in ländlichen Gegenden Westdeutschlands und Österreichs auf und stammten aus kinderreichen Familien. Religiosität nahm in dieser Lebenswelt eine bedeutende Rolle ein. Die Entscheidung für den Klostereintritt führt Gugglberger auch auf unerfüllte (Aus-)Bildungswünsche zurück. Strukturelle und geschlechtsbedingte Benachteiligungen sowie die Bildungszäsur der Kriegsjahre verhinderten Berufskarierren. Von der "Mission" erfuhren die Interviewpartnerinnen durch Verwandte, Vorträge von Missionspfarrern in ihren Gemeinden und Missionszeitschriften. Afrikaberichte in der Zeitschrift der Mariannhiller Mission "Vergissmeinnicht" motivierten sie, in diesen spezifischen und keinen ortsansässigen Orden einzutreten. Vom Ordenseintritt bis zum Aufbruch nach Südafrika befanden sich die Interviewpartnerinnen im "Klosterraum" in den österreichischen und westdeutschen Ordensniederlassungen. Ausführlich beschreibt Gugglberger den Weg zur vollen Mitgliedschaft und gibt damit einen tiefen Einblick in die Welt der Ordensgemeinschaft. Die Aussendung nach Südafrika bedeutete für die Interviewpartnerinnen eine Zäsur in ihrem Leben. Der "Klosterraum" blieb ihnen beim Eintritt in den "Missionsraum" allerdings erhalten. In Südafrika bewegten sich die Schwestern in zwei Räumen. Zum einen im "Innenraum", der sich im Kloster abspielte und in dem "europäische Lebensweisen in religiöser und kultureller Hinsicht weitergeführt werden konnten" (S. 196). Zum anderen im "Missionsraum" außerhalb des Klosters, der von "fremden politischen, kulturellen und sozialen Bedingungen" (S. 196) geprägt war. Das Kloster Mariannhill war die erste Station, auf der die Schwestern eingesetzt wurden. Der Orden unterhielt Schulen, Krankenhäuser, karitative Einrichtungen, und handwerkliche Betriebe sowie Missionsstationen auch in den umliegenden "Homelands" KwaZulu und Transkei. Durch die Arbeit im Kloster kamen viele Ordensschwestern anfänglich kaum in Kontakt mit der unterprivilegierten Mehrheitsbevölkerung Südafrikas. Erst in der Arbeit auf Außenstationen des Ordens erfüllte sich für einige der Interviewpartnerinnen das "klassische Bild der Missionsarbeit", da sie dort direkten Kontakt mit der lokalen Bevölkerung hatten. Gugglberger konstatiert, dass die Wahrnehmung des Apartheidsystems wesentlich davon geprägt war, welche Tätigkeit die Interviewpartnerinnen ausübten und wo sie lebten. In den Interviews waren eigene Leistungen und Tätigkeiten zentrale Themen, unabhängig vom Einsatzort. Somit lassen sich die Lebensgeschichten der Ordensschwestern vor allem als Professionsgeschichten begreifen. In der Interpretation ihrer Ergebnisse nennt Gugglberger dies "Bildungs- und Entwicklungsgeschichten" (S. 237). Der "regulierende Kontext" des Kloster- und Missionsraums, der soziale Sicherheit und Rückhalt in der Fremde bot, machte die Übersiedlung der Interviewpartnerinnen nach Südafrika zu einem "regulierten Abenteuer" (S. 236). Gugglberger gibt einen tiefen Einblick in Frauenleben, die von der historischen Forschung bislang kaum beachtet wurden. Hier liegt der Verdienst der Studie: Die Autorin analysiert die Lebensgeschichten ihrer Interviewpartnerinnen, strukturiert und konstruiert diese plausibel anhand der Begriffe des "Herkunfts-", des "Kloster-" und des "Missionsraums" und spannt damit einen weiten Bogen von den 1920er-Jahren bis in die 2000er-Jahre. Wohl aufgrund dieser großen Zeitspanne bleibt die Geschichte von "Missionarinnen in Südafrika nach 1945" teilweise schwach ausgeleuchtet. Dies gilt besonders für die "Missionsräume", in denen die Ordensschwestern der während der Apartheidära unterprivilegierten Mehrheitsbevölkerung begegneten. Freilich interessiert sich Gugglberger vornehmlich für die europäischen Akteurinnen in diesen Räumen, was vielleicht erklärt, warum die lokale Bevölkerung nur schemenhaft dargestellt wird. Aber immerhin war es die Arbeit auf den Missionsstationen, in den "Homelands" und mit den dort lebenden Menschen, warum die Interviewpartnerinnen nach Südafrika auswanderten. In dieser Arbeit erfüllten sich ihre Vorstellungen von Missionsarbeit. Wo sich das Buch genannten Begegnungsräumen zuwendet, werden vor allem die beruflichen Aufgaben der Ordensschwestern sichtbar, weniger die Gruppe von Menschen, auf die sich diese Tätigkeiten bezogen. Eine Interviewpartnerin berichtet in der Rückschau auf die Apartheidära, sie habe "ja nur mit schwarzen Menschen" gearbeitet und alles erfahren, "was die Leute mitgemacht haben, was die Leute heute noch mitmachen" (S. 230). Dies spricht für tiefe Einblicke in die Lebenswelten der vom Apartheidregime unterdrückten Mehrheitsbevölkerung. Leider wird dieser Bereich in dem Buch nicht weiter ausgeführt. . Stattdessen wird die lokale Bevölkerung den LeserInnen in überwiegend anonymisierter Form präsentiert, als "schwarze Mädchen", "Angestellte" (S. 202), als "Frauen aus der Umgebung" (S. 214) oder schlicht als "die Leute" (S. 215). Diese Anonymisierung und Marginalisierung ist umso verwunderlicher, als die Autorin in Anlehnung an Forschungsergebnisse der postcolonial studies zu Recht auf die Handlungsmacht der lokalen AkteurInnnen in den Missionsräumen hinweist. Hinzu kommt eine bisweilen unkritische Annäherung an Interviewpassagen, welche die Missionsräume thematisieren. So berichtet eine Ordensschwester, die im "Homeland" Transkei eingesetzt war, sie sei "eben sehr stolz auf die Transkei" gewesen und habe "diese Apartheid gar nie so erfahren wie im Rest von Südafrika". Daraus folgert Gugglberger, dass die Interviewpartnerinnen, die in Gegenden mit einer "schwarze[n] Bevölkerungsmehrheit" eingesetzt waren, "die Auswirkungen der Apartheidpolitik nur wenig zu spüren" bekamen. Anders habe sich dies in und um Mariannhill verhalten, da dort die Trennung nach "Rassen" allgegenwärtig gewesen sei (S. 228). Diese Beobachtung mag zutreffen, blickt man ausschließlich auf die Auswirkungen der sogenannten Petty Apartheid. Die Politik der Grand Apartheid hingegen, welche die nach rassistischen Kriterien klassifizierten Bevölkerungsgruppen in Wohnräumen voneinander trennte, zeichnete sich gerade durch eine vom Apartheidregime gewollte Unsichtbarkeit aus. In den Städten erzielte das Regime diese Wirkung mittels natürlicher und künstlicher Barrieren, die zwischen den einzelnen "Group Areas" lagen.[1] Durch die Errichtung von "Homelands", wie zum Beispiel der Transkei, gelang dies auf dem Land noch leichter, da es dort kaum Berührungspunkte zwischen den einzelnen Gruppen gab. Unsichtbar sollte die Grand Apartheid vorrangig für die privilegierte Minderheitsbevölkerung sein. Die Bewohner der Transkei hingegen bekamen diese Politik mit voller Wucht zu spüren. Ihr Leben war durch extreme Armut, Überbevölkerung und Ausbeutung durch das Wanderarbeitssystem geprägt.[2] Zudem wurde der Aufbau der "Homelands" von massiven Zwangsumsiedlungen begleitet. Noch mehr als anderen kirchlichen Mitarbeitern aus dem Ausland war es den von Gugglberger interviewten Ordensschwestern möglich, umfassende Einblicke in die Lebenswelt der "Homelands" zu erhalten, die für den Großteil der "Weißen" unsichtbar blieb. Gugglberger sind die Bestandteile des "Apartheidprogramms" bekannt. Daher irritiert es umso mehr, dass sie einige Erzählungen ihrer Interviewpartnerinnen historisch nicht genau kontextualisiert. Zudem wäre zu fragen, warum die Ordensschwestern während der lebensgeschichtlichen Interviews nur wenig über konkrete Kontakte sprachen und die "Homeland"-Politik durchaus positiv bewerteten. Auf Erkenntnissen aus der Oral History aufbauend könnte dann gefragt werden, wie diese "erinnerten Erzählungen"[3] konstruiert und welchem "hochaffektiv besetzten Verarbeitungs-, Konstruktions- und Sinnbildungsprozeß"[4] sie unterworfen sind. Möglicherweise wäre für die Analyse dieser Erzählungen die Einbeziehung von Archivquellen oder "Rundbriefen", die regelmäßig von Ordensschwestern an Verwandte und Bekannte geschickt wurden, hilfreich gewesen. Als Lektüre empfiehlt sich Gugglbergers Studie für Leserinnen und Leser, die einen tiefen Einblick in die Geschichte eines Missionsordens im 20. Jahrhundert erhalten möchten. Für diejenigen, die sich für transnationale Begegnungsräume im Lokalen und Reaktionen europäischer christlicher Missionarinnen auf das südafrikanische Apartheidsystem interessieren, gilt diese Empfehlung leider nur bedingt. Anmerkungen: [1] Vgl. Ulrich Jürgens / Jürgen Bähr, Johannesburg. Stadtgeographische Transformationsprozesse nach dem Ende der Apartheid (=Kieler Arbeitspapiere zur Landeskunde und Raumordnung 38), Kiel 1998, S. 4; Ulrich Jürgens, Gemischtrassige Wohngebiete in südafrikanischen Städten (=Kieler Geographische Schriften, Bd. 82), zugl. Diss., Kiel 1991, S. 61. [2] Vgl. Christoph Marx, Südafrika. Geschichte und Gegenwart, Stuttgart 2012, S. 250-251. [3] Malte Thießen, Gedächtnisgeschichte. Neue Forschungen zur Entstehung und Tradierung von Erinnerungen, in: Archiv für Sozialgeschichte 48 (2008), S. 607-634, hier S. 614. [4] Dorothee Wierling, Oral History, in: Michael Maurer (Hrsg.), Aufriß der historischen Wissenschaften, Bd. 7. Neue Themen und Methoden der Geschichtswissenschaft, Stuttgart 2003, S. 81-151, hier S. 97. Diese Rezension wurde redaktionell betreut von: Kirsten Heinsohn <xhq643(a)hum.ku.dk> URL zur Zitation dieses Beitrages <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2015-1-055> |
Date: 2015/01/28 16:14:49
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Salve,
ich habe heute diese Einladung erhalten, die ich gern an die Liste
weiterleite.
Mit freundlichem Gruß
Roland Geiger
Free at last, Free at last, Thank God Almighty I‘m Free at last“ -
diese Zeile aus einem afroamerikanischen Spiritual schmückt das Grab
von Martin Luther King, Friedensnobelpreisträger und Ikone der
Bürgerrechtsbewegung.
Auch wenn der Spiritual dabei eher auf die jenseitige Freiheit abstellt, soll sich unser Kooperationsseminar gemeinsam mit dem Weiterbildungszentrum Ingelheim, dem US-Generalkonsulat und den Landeszentralen für politische Bildung in Rheinland-Pfalz sowie Hessen der Frage nach den diesseitigen Lebensbedingungen der Afroamerikanerinnen und Afroamerikaner in der Geschichte und Gegenwart der USA widmen: „Free At Last“? Afroamerikanische
Geschichte und Gegenwart in der politischen Kultur der USA Mehr Informationen, den Programmflyer sowie Anmeldemöglichkeiten finden Sie unter: http://www.atlantische-akademie.de/freeatlast-seminar-2015. Ausgehend von einer Betrachtung der Ursprünge und Formen der Sklaverei in Nordamerika sowie des rassistischen Alltags insbesondere im US-amerikanischen „tiefen Süden“ analysiert das Seminar die Emanzipationsgeschichte der Schwarzen von der US-Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre um Martin Luther King über ihre Radikalisierung in der Black Power-Bewegung bis hin zur Gegenwart der USA unter ihrem ersten schwarzen Präsidenten Barack Obama. Die politischen und gesellschaftlichen Probleme und Ungerechtigkeiten gegenüber der afroamerikanischen Bevölkerung haben die Politik in den USA tief geprägt. Mit dem Amtsantritt Obamas scheint die Bürgerrechtsbewegung ein zentrales Ziel erreicht zu haben - doch zugleich ist das Verhältnis zwischen den afroamerikanischen Bürgerrechtlern und dem schwarzen Präsidenten ambivalent. Das Seminar verknüpft Informationen zur Rolle und zum Selbstverständnis der Afroamerikaner in der historisch-politischen Entwicklung der USA mit einer Analyse der gegenwärtigen gesellschaftlichen Beziehungen zwischen „schwarz“ und „weiß“. Es soll insofern vor allem einen Beitrag zum „Verstehen“ der inneren Strukturen der Welt- und Ordnungsmacht Amerika leisten. Wir würden uns freuen, wenn Sie an unserer Veranstaltung teilnehmen und im Freundes- und Bekanntenkreis darauf hinweisen könnten. Mit freundlichen Grüßen Dr. David Sirakov Atlantische Akademie e.V. |
Date: 2015/01/28 16:15:59
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Am Freitag, dem 27.
Februar stellt Rainer Freyer (www.saar-nostalgie.de) sein Buch Saar
Nostalgie im Raum der Rohrbacher Heimatfreunde
vor. Er beschreibt in seinem Buch,
genau wie auf seiner Webseite, die Zeit im Saarland von 1945-1959. Beginn ist um 18 Uhr im Raum
der Rohrbacher Heimatfreunde in der Bahnhofstraße (Hintereingang Stadtwerke) Hierzu ergeht an alle
Interessierten eine herzliche Einladung. Der Eintritt hierzu ist
frei. |
Date: 2015/01/28 18:22:35
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Hallo,
diese Email kam über eine andere Liste.
Mit
freundlichem Gruß Roland Geiger ----------------------
Hallo, ich habe ein zweibändiges Lexikon als .pdf-Datei mit Lebensläufen von "jetztlebenden Rechtsgelehrten", Namensnennung in alphabetischer Reihenfolge, jedoch kein Register, gedruckt 1748. Wer die Dateien kostenlos mit www.wetransfer.com haben will, bitte mich direkt anmailen. Ich habe nix dagegen, wenn das auch in andere Mailinglisten weitergleitet wird. Mit freundlichen Grüßen Dietger (Braun) mailto:dietger.braun(a)t-online.de |
Date: 2015/01/30 00:00:29
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
heute in der SZ:
Flucht, Vertreibung und Mord auch hierErste zentrale Holocaust-Gedenkveranstaltung im St. Wendeler LandAm Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus fand zum ersten Mal eine zentrale Gedenkveranstaltung im Landkreis St. Wendel statt. 150 Gäste waren dazu erschienen.Von SZ-Mitarbeiter Daniel AmesOberlinxweiler. „Die Verbrechen der Nationalsozialisten sprengten alle Maße der Grausamkeit“, sagte Landrat Udo Recktenwald in der Kulturscheune. Die Frage, warum die Taten nicht verhindert werden konnten, stehe nach wie vor im Raum. Damit die Verbrechen, die auch in unserem Landkreis stattfanden, nicht vergessen werden, fand am 27. Januar – dem Tag der Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee – erstmals eine zentrale Veranstaltung zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus in Oberlinxweiler statt. Heuer jährt sich nicht nur die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum 70. Mal. Zehn Jahre zuvor votierten die Saarländer für eine Angliederung ans deutsche Reich. In seinem Vortrag legte Bernhard Planz dar, dass schon schon während des Abstimmungskampfes von 1933 bis Anfang 1935 erste Repressionen gegen Minderheiten, Andersdenkende und vor allem gegen die jüdischen Bürger gab. Diese steigerten sich: Synagogen und Friedhöfe wurden geschändet. Das jüdische Gotteshaus in der Kelsweiler Straße wurde in der sogenannten Reichskristallnacht, am 11. November 1938, in Brand gesetzt. Aus Gesprächen mit überlenden jüdischen Zeitzeugen über das Verhalten der nichtjüdischen Bevölkerung berichtete Planz: „Neben Hilfsbereitschaft in durchaus nicht seltenen Fällen standen Passivität, langsames Abwenden und Übersehen und vereinzelt auch fanatischer Antisemitismus.“ Nach der Angliederung des Saargebiets an das Dritte Reich flohen die meisten Juden und Regimekritiker aus ihrer Heimat nach Frankreich, wo sie später die Gestapo aufgriff und in Konzentrationslager deportierte. Mit dem Leben eines jüdischen Flüchtlings beschäftigt sich das Projekt „Wendalinum wider das Vergessen: Fritz Berl war 1938 der letzte jüdische Schüler des damaligen St. Wendeler Knabengymnasiums. Als 14-Jähriger gelang ihm die Flucht zu seinem Onkel nach Israel. Die Schüler der Projektgruppe zeichneten sein Leben nach und traten in Kontakt mit Berls Nachfahren, die schon zu Besuch nach St. Wendel kamen. Eine Erfahrung, die den jungen Menschen „echte, aufrichtige und vor allem persönliche Betroffenheit erfahren ließ“. Für Lehrer und Projektleiter Raphael Groß „eine Erfahrung echter, aufrichtiger und vor allem persönlicher Betroffenheit“, die im zahlen- und datenorientierten Schulunterricht so nicht vermittelbar sei.
StichwortAm 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz. Dadurch wurde die menschenverachtende Todesmachinerie aller Welt bekannt. Damit die Erinnerung an die Verbrechen der Nationalsozialisten nie ein Ende finde, rief Bundespräsident Roman Herzog 1996 den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus ins Leben, der 2005 von den Vereinten Nationen zum internationalen Gedenktag erhoben wurde. ame |
Date: 2015/01/30 18:26:15
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
St. Wendel feiert ein Jubiläum - den 493ten Jahrestag der Besetzung der
Stadt durch Franz von Sickingen.
heute in der SZ:
Kanonendonner über St. WendelSt. Wendel. Die „spektakulärste, lauteste und aufwändigste Veranstaltung 2015 in St. Wendel“ wird, wie es Thomas Wüst vom Amt für Stadtmarketing am Donnerstagmorgen ausdrückte, ausnahmsweise kein Sport-Event sein. „Donner über St. Wendel – Franz von Sickingen und seine Erben“ heißt es am 5. und 6. September. 300 Darsteller werden den Einsatz spätmittelalterlicher Geschütze und Schusswaffen demonstrieren. Laut Wüst ist es 2015 das größte Event dieser Art in Europa. Den Einstieg in den Reigen der etwa 70 Veranstaltungen gibt's übrigens am kommenden Samstag: Beim Tischtennisturnier in der Sporthalle spielen unter anderem der Einzel-Europameister 2013 und Nummer fünf der aktuellen Weltrangliste, Dimitrij Ovtcharov, der Weltranglisten-Neunte Timo Boll, der Olympiasieger und beste Tischtennisspieler aller Zeiten, Jan-Ove Waldner. > Bericht folgt |
Date: 2015/01/30 22:06:34
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Universität Hamburg, Historisches Seminar und Institut
für Volkskunde/Kulturanthropologie; Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. (Landesverband Hamburg) 27.03.2015-29.03.2015, Hamburg, Hamburg, Friedhof Ohlsdorf ('Bestattungsforum'), Fuhlsbütteler Straße 758 Deadline: 13.03.2015 Kriege haben - bedingt durch den Einsatz von Waffengewalt, aber auch durch militärische Bauwerke sowie organisierte Formen von Erinnerungskultur - vielfältige Spuren im städtischen und ländlichen Raum hinterlassen. Dazu zählen nicht nur Schlachtfelder, Bombenschäden und Wracks, sondern auch Gräben, Stellungen, Bunker, Forts und andere Befestigungsanlagen sowie Baracken für Flüchtlinge und ZwangsarbeiterInnen, Memorials und Bestattungsplätze. Auf diese Weise sind vielfältige 'Gedächtnislandschaften' entstanden, die mit ihren Relikten und Artefakten zahlreiche Indizien bieten, wie stark die zerstörerische Wirkung von Kriegen sich bis heute im Raum materialisiert hat und sichtbar geblieben ist. Die Tagung verfolgt dabei das Ziel, insbesondere diese Wechselwirkungen zwischen Krieg, Landschaft und Gedächtnis in ihren kulturellen, historischen und gesellschaftspolitischen Potenzialen auszuloten. Im Mittelpunkt der Diskussionen stehen die kulturellen Strategien im Umgang mit der Materialität des europäischen und außereuropäischen Gedächtnisraumes vom 19. bis zum 21. Jahrhundert. Organisation / Organizers: Dr. Nele Fahnenbruck, Prof. Dr. Norbert Fischer, Dr. Anna-Maria Götz, Prof. Dr. Sabine Kienitz, Prof. Dr. Franklin Kopitzsch Tagungsgebühr für Tagungsgäste: (gilt nicht für ReferentInnen) 60,- Euro inklusive Tagungsverpflegung 20,- Euro ermäßigt für Studierende inklusive Tagungsverpflegung Wars - with their weapons, military fortifications and various forms of organized remembrance - have left their manifold mark on urban and rural landscapes. Battlefields; bomb damage and ruins; trenches; emplacements; bunkers and fortifications; barracks for refugees and forced laborers as well as memorials and burial grounds have created sundry memorial landscapes replete with artifacts and relics testifying to the ways the destructive power of war has manifest itself and remained visible. The purpose of this conference is to explore the interaction of war, landscape and memory and its cultural, historical and sociopolitical potential. Discussion will focus on cultural strategies for dealing with material landscapes of memory in and beyond Europe from the nineteenth to the twenty-first century. ------------------------------------------------------------------------ Programm / Program Freitag / Friday 27.03.2015 18:00-18:30 Grußworte / Welcome address 18:30-19:30 Öffentlicher Abendvortrag / Public evening lecture Christian Fuhrmeister, München: "Heimat in der Fremde" - Das Konzept 'Totenburg' und seine Implikationen (Home Away from Home: The Idea and Implications of the Totenburg) Im Anschluss / Afterwards Offener Wein- und Sektempfang / Public reception with wine and sparkling wine Samstag / Saturday 28.03.2015 9:30-11:00 I Räumliche Materialisierung - materialisierter Raum (Spatial Materialization - Materialized Space) -Axel Zutz, Cottbus: Landschaftsarchitekturen des Krieges (Landscape Architects of War) -Felix Koltermann, Berlin: Die Landschaft als Erinnerungsraum im Werk israelischer Fotografen (The Landscape as a Place for Remembrance in the Work of Israeli Photographers) 11:00-11:30 Kaffeepause / Coffee break 11:30-13:00 -Gunnar Maus, Kiel: Praktiken ortsbezogenen Erinnerns. Eine Erkundung von Erinnerungslandschaften des Kalten Krieges am Beispiel von Vorbereiteten Sperranlagen (Localized Remembrance: Exploring Cold-War Landscapes of Memory using Prepared Barriers as an Example) -Frauke Brammer, Trier: Die räumliche Materialität der Erinnerung. Spuren kanadischer Militärbasen in der Bundesrepublik Deutschland (The Spatial Materiality of Memory: The Vestiges of Canadian Military Bases in the Federal Republic of Germany) 13:00-14:30 Mittagspause / Lunch 14:30-16:00 II Orte der Zerstörung - Zwangsarbeit (Sites of Destruction - Forced Labor) -Thomas Irmer, Berlin: NS-Zwangsarbeit in Berlin - Erinnerung in der ehemaligen Rüstungsmetropole (Forced Labor in Berlin under National Socialism: Memory in the Former Arms Center of Germany) -Sina Sauer, Hamburg: Ein Ort stört. Relikte des Hannoverschen Bahnhofs zwischen Erinnerung und Stadtplanung (A Disturbing Site: Relicts between Memory and Urban Planning from the Hannover Train Station) 16:00-16:30 Kaffeepause / Coffee break 16:30-18:00 -Akiko Takenaka, Lexington KY: Ruins for Peace: Architectural Survivors of Hiroshima and Nagasaki -Agnieszka Gebczynska-Janowicz, Danzig: The history of the Second World War embedded into the memorial landscape of a city - illustrated with an example of Warsaw and Berlin Sonntag / Sunday 29.03.2015 9:30-11:00 III Schlachtfelder - Landschaften (Battlefields - Landscapes) -Flavio Venturelli, Karlsruhe: Zwischen Gustav- und Gotischer Linie: Besatzung, Widerstand und Befreiung in der Denkmalkulturen der Region Marken, Italien (Between Gustav and the Gothic Line: Occupation, Resistance and Liberation in the Memorial Culture of the ItalianMarche Region) -Christoph Rass/Andreas Stele, Osnabrück: 'Flüchtige' Schlachtfelder als Kriegslandschaften entschlüsseln. Interdisziplinäre Ansätze zwischen Magnetometrie, Archäologie und Geschichtswissenschaft (Fugitives: Deciphering Battlefields as War Landscapes. Interdisciplinary Approaches between Magnetometry, Archeology and History) 11:00-11:30 Kaffeepause / Coffee break 11:30- 13:00 -Silke Göttsch-Elten, Kiel: Visualisierungsstrategien von Schlachtfeldern im 19. Jahrhundert (Visualization Strategies of Battlefields in the Nineteenth Century) -Karla Vanraepenbusch, Löwen: The Great War and Memory in Belgium: Street Names in the Cityscapes of Antwerp and Liège 13:00-14:30 Mittagspause / Lunch 14:30-16:00 IV Gräber - Denkmäler (Graves - Memorials) -Snezana Stankovic, Belgrad / Belgrade: Friedhöfe als Orte der Unruhe (Cemeteries as Places of Unrest) -Susanne Ude-Koeller, Nürnberg / Nuremberg: Kriegsgräberstätten des Ersten Weltkrieges - Akteure, Gestaltung, Deutungsmuster (Military Cemeteries of the First World War - Important Figures, Design, Interpretative Models) 16:00-16:30 Kaffeepause / Coffee break 16:30-18:00 -Malgorzata Swider, Oppeln: Zwischen Vernichtung und Restaurierung. Deutsche Kriegsdenkmäler in Oppelner Schlesien (Between Destruction and Restoration: German War Memorials in Opole Silesia) -Marco Dräger, Göttingen: Krieg, Gesellschaft, Gedächtnis - Kriegerdenkmäler als materialisierte Erinnerung an Kriege (War, Society, Memory: War Memorials as Material Remembrance of Wars) Abschlussdiskussion / Concluding discussion ------------------------------------------------------------------------ Dr. Anna-Maria Götz Universität Hamburg kriegslandschaften(a)uni-hamburg.de URL zur Zitation dieses Beitrages <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=26976> |