Monatsdigest

[Regionalforum-Saar] auswanderer nach kanada

Date: 2013/07/09 08:40:16
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>

heute in der SZ: 

Ihn lockte die Prärie Kanadas

Auswanderer

SZ-Serie, Teil 1

1960 wanderte der St. Wendeler Hans Scheib nach Ontario aus – Neue SZ-Serie

Das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven sucht Geschichten von saarländischen Auswanderern. Hans Scheib ist einer von ihnen: Mit 35 Dollar in der Tasche begann er 1960 in Kanada ein neues Leben.

Von SZ-Redaktionsmitglied Frauke Scholl

Ilderton/St. Wendel. Am 10. August 1960 verließ Hans Scheib seine Heimat Winterbach bei St. Wendel und zog in die Ferne. „Gründe dazu gab es mehrere“, schreibt der Saarländer, Jahrgang 1940, der heute in Ilderton in der kanadischen Provinz Ontario lebt. Scheib hat nach einem SZ-Auswanderer-Aufruf einen Brief an unsere Zeitung geschickt – und der hat dem Deutschen Auswandererhaus in Bremerhaven so gut gefallen, dass die Scheib-Story in die Sammlung aufgenommen wurde. „Sie zeigt wichtige Aspekte der Auswanderung“, sagt Tanja Fittkau, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums. „Außerdem haben wir damit eine Biografie aus Kanada.“ Solche seien seltener als die aus dem klassischen Auswandererland USA.

Nach Kanada zog es Hans Scheib vor über 50 Jahren, als sich der gelernte Maurer nach der Musterung an die Worte des Vaters erinnerte: „Als er heil aus dem Krieg nach Hause gekommen war, schwor er immer wieder, dass keiner seiner Söhne je ein Gewehr anfassen würde.“ Scheib erinnert sich an die Abfahrt am Bahnhof St. Wendel. „Mein Vater sagte zu mir: ,Wenn es dir schlecht geht, schreib uns.'“ Die Worte machten Eindruck: „Ich bin überzeugt, dass dies der Grund ist, warum ich nie Heimweh hatte.“ Er ging auch wegen der „Abenteuerlust“ – es lockten Geschichten über die „unendliche Prärie Kanadas“, von „Rockys, Urwäldern und Niagarafällen“. Die hatte der fantasievolle „Bäcker Lui“ in Winterbach der Dorfjugend erzählt. „Gelogen hatte er nicht“, schreibt Scheib.

Auf dem ehemaligen Truppen-Passagier-Schiff Arkadia kam Scheib am 22. August 1960 in Quebec an. Wenig später landete er in London/Ontario. „Dort angekommen, musste ich unbedingt Arbeit finden. Ich hatte nur noch 35 Dollar in der Tasche“, berichtet Scheib, der als Betonbauer in Saarbrücken und Neunkirchen gearbeitet hatte. Er fand Arbeit, fing an für 85 Cent pro Stunde, später ging es „aufwärts“. Auch mit der Sprache. „Alles, was ich konnte, waren Überbleibsel von den amerikanischen Soldaten, die wir als Kinder ansprachen.“ In der Abendschule lernte er Englisch, was ihm den beruflichen Aufstieg erleichterte – und er lernte ein „Mädchen“ kennen. Heidi Mergenthaler aus Mutterstadt in der Pfalz. Es war „Liebe auf den ersten Blick“. Am 23. September 1963 heiratete das Paar. Später machte sich Scheib selbstständig, blieb in der Baubranche. Die Scheibs bekamen zwei Söhne. Inzwischen haben sie auch vier Enkel, die Großfamilie lebt im eigenen Haus.

Integriert in Kanada war Scheib schnell, so auch im Deutschen Club – mit Schützenverein, Chor und Theater. „Auch das ist das Typische und Schöne an der Geschichte“, sagt Museums-Mitarbeiterin Fittkau. „Die Auswanderer fühlen sich wohl in der neuen Heimat, aber sie behalten ihre Traditionen bei.“ Ähnlich beschreibt es Scheib. Er blicke zufrieden auf eine „Menge Höhepunkte“ in Kanada zurück. Aber den Kontakt nach St. Wendel habe er nie verloren.

Die saarländischen Geschichten liegen zunächst im Archiv des Deutschen Auswandererhauses; ihre Aufbereitung läuft noch. Möglicherweise werden sie nach Angaben des Museums einmal ausgestellt.

[Regionalforum-Saar] Mithilfe bei einer Dialektstudie

Date: 2013/07/18 11:00:53
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>

Guten Morgen,
 
Frau Rauber stammt aus Nohfelden; sie hat letztens diese Email versandt und um Hilfe gebeten. Die Teilnahme dauert etwa 10 Minuten - also, wer Lust hat, kann ja den Link ausprobieren.
 
Mit freundlichem Gruß
 
Roland Geiger
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich studiere im Master-Studiengang Germanistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und untersuche im Rahmen einer Seminararbeit einige sprachliche Besonderheiten der moselfränkisch-rheinfränkischen Mundart des Saarlandes. Hierfür benötige ich die Hilfe von dialektsprechenden Saarländern und Saarländerinnen aus allen Landkreisen und Altersklassen, um ein möglichst repräsentatives Ergebnis zu erhalten. Bei meiner Recherche bin ich im Internet auf Ihre Kontaktdaten gestoßen und hoffe, dass sich auf diesem Wege vielleicht einige interessierte Heimatfreunde finden lassen, die sich dazu bereit erklären würden, die nachfolgende Umfrage auszufüllen:

https://www.umfrageonline.com/s/98359df

Gerne darf die Umfrage auch an Freunde und Bekannte weitergeleitet werden - je mehr Teilnehmer, desto repräsentativer wird das Ergebnis. Ich bedanke mich bereits im voraus für Ihre Mühe und sende Ihnen freundliche Grüße aus Nohfelden!

- Natascha Rauber

[Regionalforum-Saar] Graben für Germanien. Arc häologie unterm Hakenkreuz

Date: 2013/07/20 13:44:37
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>

From:    Miriam Sénécheau
         <miriam.senecheau(a)geschichte.uni-freiburg.de>
Date:    20.07.2013
Subject: Rez. Ex: Graben für Germanien. Archäologie unterm Hakenkreuz
------------------------------------------------------------------------

Bremen, 10.03.2013-08.09.2013
Focke-Museum. Bremer Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte
<http://www.focke-museum.de/de/sonderausstellungen/aktuell/germanien>

Katalog: Focke-Museum Bremen (Hrsg.): Graben für Germanien. Archäologie
unterm Hakenkreuz. Unter Mitarbeit von Sandra Geringer, Frauke von der
Haar, Uta Halle, Dirk Mahsarski und Karin Walter. Stuttgart: Theiss
Verlag 2013. ISBN 978-3-8062-2673-7; 216 S., 150 Abb.; EUR 29,95
(Buchhandelsausg.)/EUR 24,90 (Museumsausg.).

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Miriam Sénécheau, DFG-Forschergruppe 875 "Historische Lebenswelten in
populären Wissenskulturen der Gegenwart" und Institut für Archäologische
Wissenschaften, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
E-Mail:  <miriam.senecheau(a)geschichte.uni-freiburg.de>

Die Sonderausstellung "Graben für Germanien" präsentiert die Rolle von
Archäologen sowie der Archäologie allgemein im Nationalsozialismus für
ein breites Publikum. Sie konzentriert sich auf die Anfang des 20.
Jahrhunderts noch junge Teildisziplin Ur- und Frühgeschichtliche
Archäologie, speziell auf deren Indienstnahme zur Etablierung und
politischen Nutzung eines Germanien- bzw. Germanen-Mythos. Gestützt auf
das Projekt "Vorgeschichtsforschung in Bremen unter dem Hakenkreuz",
seit 2010 von der VolkswagenStiftung im Programm "Forschung in Museen"
gefördert, stehen mehrfach Beispiele aus Bremen und Umgebung im
Mittelpunkt, die allerdings umfassend in einen überregionalen Kontext
eingebunden werden.

Eine Leitlinie der Präsentation besteht darin, die aktive Mitarbeit von
Archäologen in verschiedenen Gremien des NS-Regimes und ihre
persönlichen Motivationen aufzuzeigen. Wissenschaftler und
Laienforscher, so der Tenor der Ausstellung, nutzten nicht nur das
NS-Regime für ihre Karriere und ihre Forschungsinteressen, sondern
konnten beides trotz ihrer Vorbelastung auch nach 1945 weiter verfolgen.
Den zweiten Schwerpunkt bildet der Mythos Germanien selbst, seine
Entstehung und Entwicklung von der Antike bis zur Gegenwart.

Diese Leitthemen wurden in eine insgesamt ansprechende Ausstellung
umgesetzt. Die Vitrinen und Installationen, die fünf großen Themen
zugeordnet sind, verteilen sich auf zwei mit einem Glasgang verbundene
Räume. Schwarz und Weiß dominieren Design und Texte und heben die
Farbigkeit der Objekte hervor. Die ästhetische Schlichtheit und der in
der Summe zurückhaltende Einsatz an Multimedia sind dem Ernst des Sujets
angemessen.

In welches Hauptnarrativ Texte, Dokumente und Objekte eingebunden sind,
verdeutlicht der Einführungstext: "Anders als später dargestellt waren
Archäologen nicht unpolitisch. Mit ihrer Forschung unterstützten sie die
NS-Ideologie [...]. Die [...] angeblichen Eigenschaften der Germanen
dienten mit als Rechtfertigung für Unterdrückung und Ausgrenzung bis hin
zum Völkermord." Die sich hier schon andeutende Unilinearität bildet
einen Knackpunkt der Ausstellung: Die Lesart, mit der wir uns dem
Material nähern sollen, ist stets vorgegeben. Die an sich gute Idee, die
Inhalte durch plakative Hauptüberschriften zu gliedern und zu
akzentuieren, lässt wenig Freiraum für die eigene Meinungsbildung.

Der Ausstellungsrundgang beginnt mit dem Bereich "Germanien - Funde und
Erfindung". Zitate aus Tacitus' "Germania", Kern vieler bis heute
lebendiger Germanen-Klischees, bilden den Auftakt. Die Wiederentdeckung
der antiken Quellen im 15. Jahrhundert war grundlegend für die
verstärkte Belebung des Germanenmythos im 19. Jahrhundert: Objekte
belegen die Popularität der "Germania" als Personifikation des Deutschen
Reiches, des Hermannsdenkmals als Symbol für nationale Einheit und
Freiheit sowie der germanischen Heldensagen als Erzählungen über die
vermeintlichen Ahnen der Deutschen. Die wissenschaftliche Hinwendung zu
den Germanen veranschaulichen wegweisende Funde und Forschungen: Auf der
Grundlage von Schädelmessungen definierten die Gebrüder Lindenschmit
schon Mitte des 19. Jahrhunderts Skelette aus frühmittelalterlichen
Gräbern als der germanischen "Rasse" zugehörig. Der 1913 entdeckte
"Goldschatz von Eberswalde", ein bronzezeitlicher Hortfund, markiert mit
seiner Interpretation durch den Archäologen Gustaf Kossinna den Beginn
der Überhöhung vermeintlich germanischer Kulturzeugnisse. Klar und auf
wesentliche Eckpunkte konzentriert zeigt dieser Teil der Präsentation,
wie im Laufe mehrerer Jahrhunderte die Vorstellung von Germanen als
Abstammungsgemeinschaft geschaffen wurde. Ein Hinweis auf parallele
Entwicklungen in den Nachbarländern, etwa in Bezug auf die
Keltenforschung und -popularisierung in Frankreich und Großbritannien,
hätte geholfen, die hier vermittelten Inhalte in einen europäischen
Kontext einzuordnen.

Unter der Überschrift "Germanien - Propagierung einer Idee" wendet sich
die Ausstellung der Frage zu, wie das Germanen-Thema den NS-Alltag
durchdrang. Die zentrale Botschaft lautet hier, dem Einführungstext
entsprechend: "Archäologie und NS-Propaganda arbeiten Hand in Hand, um
die Germanen als vermeintliche Ahnen in den Vordergrund zu rücken." In
diesem durch die Objektfülle und Art der Ausstellungsstücke
lebendigsten, ästhetisch ansprechendsten Teil der Gesamtschau nehmen
Repliken von Funden, Modelle sowie figürliche Rekonstruktionen, die in
Sonderausstellungen und Museen der NS-Zeit präsentiert wurden, eine
hervorgehobene Position ein.

An diesen "weißen Raum" schließt sich ein Bereich an, der konzeptionell
besser ganz an das Ende des Rundgangs passen würde: Die Besucher haben
die Möglichkeit, eine Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen zur
Gesamtthematik einzusehen.[1] An dieser Stelle läuft auch die einzige in
die Ausstellung integrierte Präsentation eines archäologischen
Propaganda-Films.

Der nächste Abschnitt "Germanien - Auf der Suche nach Belegen" behandelt
zunächst wichtige Personen und Organisationen der archäologischen
Forschung: Alfred Rosenberg, Heinrich Himmler, den "Reichsbund für
Deutsche Vorgeschichte" und das "Ahnenerbe" der SS. Weitere Vitrinen
bilden materialreich ab, wie Laienforscher sich den Themen widmeten:
Ludwig Roselius in der Bremer Böttcherstraße mit dem "Nordischen Thing"
und dem "Museum Väterkunde"; Herman Wirth, Wilhelm Teudt und Hermann
Wille als wichtigste Vertreter der völkischen Bewegung. Am Ende dieses
Raums schließt sich ein erster Kreis: Kommentare aus der
"Germania"-Übersetzung des Volkskundlers Eugen Fehrle zeigen, wie der
Tacitus-Text nicht nur zur Überhöhung der germanischen Kultur
missbraucht wurde, sondern schließlich auch zur Untermauerung der
Rassen-Ideologie. Bei genauem Hinsehen wird in diesem Ausstellungsteil
klar, dass in Bezug auf "die Rolle" "der Archäologen" - anders als in
den Haupttexten der Ausstellung formuliert - zu differenzieren ist:
zwischen archäologiebegeisterten Ideologen wie Rosenberg, die eine
führende Position im System innehatten; unter dem Regime tätigen
Archäologen, von denen sich keineswegs alle gleichermaßen ideologisch
aktiv zeigten; und völkisch motivierten Laienforschern bzw.
Wissenschaftlern, die selbst nicht Archäologen waren. Dass der im
Nationalsozialismus aufgegriffene Germanen-Mythos wesentlich älter und
komplexer ist, wird hier wie an anderen Stellen nicht mehr ausreichend
deutlich.

Im sich anschließenden Glasgang dokumentieren Zitate aus
Vorlesungsverzeichnissen zur Ur- und Frühgeschichte die Durchdringung
der akademischen Lehre mit der Germanen-Thematik. Die steigende Zahl von
Lehrstühlen und ausgebildeten Archäologen wird plastisch anhand von
räumlichen Modell-Installationen gezeigt. Spätestens hier wäre eine
Einbettung in größere Zusammenhänge wünschenswert gewesen: Die Frage,
wie die universitäre Implementierung und Ideologisierung des Faches zu
beurteilen ist - im Vergleich zu anderen Disziplinen wie der
Mittelalterlichen Geschichte, der Landesgeschichte, der Volkskunde, der
Philosophie etc. -, bleibt in der gesamten Ausstellung unbeantwortet.
Eine Kontextualisierung hätte verdeutlichen können, dass die
Indienstnahme von Wissenschaft im Nationalsozialismus kein alleiniges
Merkmal der Ur- und Frühgeschichtsforschung bildete. Auch hätte an
dieser Stelle klargestellt werden können, dass es sich bei der
wachsenden Zahl an Lehrstühlen und Absolventen im Vergleich mit den
anderen archäologischen Disziplinen um eine nachholende Etablierung im
Rahmen einer anstehenden (wenngleich politisch gerade passenden und
entsprechend genutzten) Akademisierung des Fachs handelte.

Auf die weiße Raumumgebung und den lichtdurchfluteten Gang folgt das
Dunkel: Ab hier ist die Raumumgebung schwarz. Auch die Fülle der
Dokumente verlangt vom Besucher eine hohe Bereitschaft, sich auf die
weiteren Themen einzulassen: Denkmalpflege und exemplarisch vorgestellte
Forschungsgrabungen ab 1933 sowie die Vereinnahmung bestimmter Plätze
und Funde im deutschen Reichsgebiet für die völkische Ideologie.

Der sich anschließende Teil "Germanien - Eroberung von Europa und der
Welt" behandelt die Arbeit von Archäologen im Kontext des
Kriegsgeschehens ab 1939. Knappe Informationstexte und Archivmaterial
umrunden, geordnet nach Stichworten wie "ausplündern", "aushorchen",
"ausbeuten", "ausrotten", als schwarzer Fries eine auf einen riesigen
Tisch projizierte Europakarte. Sie veranschaulicht die Verschiebung von
Grenzen im Kriegsverlauf und markiert Standpunkte von Objekten, die für
NS-Wissenschaftler archäologisch, kunsthistorisch und/oder politisch
interessant waren. Die im Rundfries angeführten Beispiele gliedern sich
in die zentrale, am Eingang zu diesem Bereich formulierte Botschaft ein:
"Seit Kriegsbeginn nutzen sie [die Archäologen] jede Gelegenheit, um
hinter der Front vermeintlich Germanisches auszugraben. Dabei setzen sie
sogar Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge ein. In Osteuropa plündern die
Archäologen Museen [...]. Mit ihren Aktivitäten unterstützen die
NS-Archäologen den Ausgrenzungs- und Vernichtungskrieg." Unter der
Zwischenüberschrift "Archäologen werden zu Tätern" lautet der Text: "In
den besetzten Gebieten rauben die Archäologen Kunst- und Kulturgüter
[...]. Während sie in West- und Nordeuropa öffentliche Sammlungen
verschonen, ist ihre Gier in Osteuropa grenzenlos. Gleichzeitig
spionieren sie die lokale Bevölkerung aus. Völkermord und
Kriegsverbrechen nehmen sie zumindest zur Kenntnis. Sie scheuen nicht
davor zurück, Kriegsgefangene zur Arbeit auf Grabungen einzusetzen."
Während die Ausstellung bis hier an emotionalisierenden Inszenierungen
spart, gipfelt sie nun in eine wirkmächtig gestaltete Installation:
Umgeben von der Farbe Schwarz, den bedeutungsstarken Begriffen an den
Wänden und dem akustisch überwältigenden, fortwährenden Geschützdonner
fällt es schwer, sich dem vorgegebenen Narrativ über Archäologen als
aktiv an Propaganda und Verbrechen beteiligten Anhängern des Regimes zu
entziehen. Ein Beispiel macht deutlich, dass die Interpretation von
Quellen zuweilen einseitig ausfällt: Ein Zitat der Krankenschwester und
Archäologin Thea Haevernick, die in einem Brief an den Archäologen Gero
von Merhart über den Einsatz von Juden als Zwangsarbeiter berichtet,
dient in der Ausstellung als Zeugnis für Mittäterschaft von Archäologen
am Programm "Vernichtung durch Arbeit". Dem Augenzeugenbericht wären,
wenn man es gewollt hätte, auch ein Bedauern der beobachteten Zustände
oder gar Kritik am System zu entnehmen gewesen. Auf die Frage, in
welchem Verhältnis die Beteiligung von Archäologen am Kriegsgeschehen
und an Kriegsverbrechen zu flächendeckend ausgeübten Praktiken im
"Dritten Reich" (und im Zweiten Weltkrieg überhaupt) steht, wird weder
hier noch an anderer Stelle eingegangen.

Im fünften und letzten Teil "Germanien - Der Mythos lebt weiter" liegt
das Hauptaugenmerk zum einen auf der Fortsetzung von
Wissenschaftlerkarrieren nach 1945, zum anderen auf dem Fortleben
völkischer und national motivierter Motive. Eine Vitrine versammelt
aktuelle Beispiele, die zeigen, dass sich die Germanen weiter (oder:
wieder) großer Beliebtheit erfreuen. Da der "Beitrag zur
Aufklärungsarbeit" einen explizit formulierten Auftrag bildet (so Karin
Walter im Katalog, S. 183), hätte es sich gelohnt, sowohl das Thema
Alltagskultur heute als auch den Bereich Rechtsextremismus deutlicher zu
konturieren. So ist im Text zu "alltäglichen Germanenbildern" zwar die
Rede von völkischem Gedankengut, das sich etwa in Schulbüchern erhalten
habe. In der Vitrine selbst fehlen aber Beispiele, die in ihrer
Deutungshoheit gewichtiger wären als Wikinger in der Joghurt-Werbung
oder im Playmobil-Format.

Es ist ein großes Verdienst der Kuratoren, das komplexe Thema pointiert
aufbereitet zu haben. Flankiert wird die Ausstellung durch ein
umfangreiches Begleitprogramm. Ein Multimediaguide steht Besuchern
ebenfalls zur Verfügung. Alle Themen der Ausstellung können im Katalog
vertieft werden. Der Herausforderung, in kurzer Zeit eine aus
überwiegend eigenen Forschungen hervorgehende Präsentation zu
entwickeln, haben sich die Ausstellungsmacher unter stringenter
Verfolgung ihrer Thesen erfolgreich gestellt.

Genau dies bildet jedoch, wie schon mehrfach anklang, ein Problem: Die
verallgemeinerte, allerdings auf konkreten Persönlichkeiten und Organen
der NS-Zeit beruhende Einschätzung, die insbesondere Dirk Mahsarski und
Uta Halle auch in anderen Arbeiten zum Thema vertreten haben[2],
erscheint zu eindimensional. Die Beteiligung weiterer Wissenschaftler an
der Ausstellung und am Katalog[3] wäre möglicherweise ein Korrektiv
gewesen. Die von den Kuratoren selbstbewusst getroffene und von den
Medien vielfach aufgenommene Einschätzung, die Ausstellung beleuchte
"erstmals das spannungsvolle Verhältnis von Politik und Archäologie im
Nationalsozialismus"[4], relativiert sich nur durch mitgebrachte
Vorkenntnisse oder bei der aufmerksamen Lektüre des Begleitbandes.[5]

Schließlich hätte eine kritische Selbstreflexion zur Positionierung der
Archäologie(n) heute die Ausstellung bereichern können: Wenn auch unter
anderen Vorzeichen und auf der Grundlage anderer Strukturen, so
bestimmen doch ebenso in unserer Gegenwart gesellschaftspolitische
Trends über die Ermöglichung von Forschungsprojekten und die
Interpretationsrichtung ihrer Ergebnisse. Beispiele für die Verflechtung
von Archäologie und Politik, etwa im Bereich der Konstruktion von
Identitäten und Herkunftsgeschichten, lassen sich auch heute finden.
Über Verbrechen der NS-Zeit und beteiligte Wissenschaftler aufzuklären
ist wichtig. Genauso wichtig ist ein Nachdenken über die eigene Rolle im
jeweiligen System. So ist der Ausstellung zu wünschen, dass sie zur
weiteren Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Politik, Ethik und
Wissenschaft anregt.


Anmerkungen:
[1] Der Büchertisch trägt Belege für die in der Ausstellung
präsentierten Ergebnisse zusammen. Eine wichtige, auch für den Katalog
kaum genutzte Publikation fehlt: Heiko Steuer (Hrsg.), Eine hervorragend
nationale Wissenschaft. Deutsche Prähistoriker zwischen 1900 und 1995,
Berlin 2001.
[2] Vgl. u.a. Dirk Mahsarski, Herbert Jankuhn, 1905-1990. Ein deutscher
Prähistoriker zwischen nationalsozialistischer Ideologie und
wissenschaftlicher Objektivität, Rahden/Westf. 2011; Uta Halle, Die
Externsteine sind bis auf weiteres germanisch! Prähistorische
Archäologie im Dritten Reich, Bielefeld 2002.
[3] Allein 16 der 23 Katalogbeiträge stammen von bzw. wurden unter der
Beteiligung von Uta Halle und Dirk Mahsarski verfasst. Kritischer
Besprechungsaufsatz: Ulrich Veit, Vom schwierigen Umgang mit der
Vorgeschichtsforschung im Dritten Reich. Gedanken anlässlich der
Publikation zur Bremer Ausstellung "Graben für Germanien. Archäologie
unterm Hakenkreuz", in: Ethnographisch-Archäologische Zeitschrift 52
(2011), S. 266-279 (2013 veröffentlicht).
[4] Anne-Katrin Axt, Pressemitteilung: Graben für Germanien. Archäologie
unterm Hakenkreuz, URL:
<http://www.focke-museum.de/downloads/pm_germanien_11_2012.pdf>
(14.7.2013).
[5] Frühere Ausstellungen zur Thematik u.a.: "L'archéologie en Alsace et
en Moselle au temps de l'annexion", Musée Archéologique Strasbourg 2001;
"Propaganda, Macht, Geschichte. Archäologie an Rhein und Mosel im Dienst
des Nationalsozialismus", Rheinisches Landesmuseum Trier 2002.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Jan-Holger Kirsch <kirsch(a)zeitgeschichte-online.de>

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<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/type=rezausstellungen&id=175>

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[Regionalforum-Saar] Der König als Krieger. Zu m Verhältnis von Königtum und Krieg im Mittela

Date: 2013/07/20 13:46:28
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>

From:    Tobias Jansen <s5tojans(a)uni-bonn.de>
Date:    20.07.2013
Subject: Tagber: Der König als Krieger. Zum Verhältnis von Königtum
         und Krieg im Mittelalter
------------------------------------------------------------------------

Otto-Friedrich-Universität Bamberg; Zentrum für Mittelalterstudien
Bamberg; gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung für
Wissenschaftsförderung
13.03.2013-15.03.2013, Bamberg

Bericht von:
Tobias Jansen, Institut für Geschichtswissenschaft, Rheinische
Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
E-Mail: <s5tojans(a)uni-bonn.de>

Um den weitläufigen und noch wenig behandelten Forschungskomplex
'Königtum und Krieg' zu erschließen, setzte sich die durch die Fritz
Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung unterstützte Tagung zum
Ziel, vier verschiedene Themenbereiche zu beleuchten: Eine genauere
Betrachtung sollte sowohl die Frage erfahren, 1) welche Chancen der
Krieg für das Königtum bot; 2) welche verschiedenen Funktionen der König
im Krieg einnehmen konnte; 3) inwieweit bei der Rolle des Königs als
Krieger Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen; 4) welche Risiken
für den Herrscher im Laufe eines Feldzugs bestanden. MARTIN CLAUSS
(Regensburg) stellte einführend das Tagungsthema sowie den
Facettenreichtum dieses Forschungskomplexes vor: Die Forschung reduziert
die Verbindung von Königtum und Krieg bislang auf eher konkrete,
personenbezogene Studien, bietet aber keine übergreifenden
Betrachtungen. In der deutschen Forschung wurde das Thema 'Krieg' nach
dem 2. Weltkrieg lange Zeit gemieden und erst jüngst vor allem unter
kulturwissenschaftlichen Fragestellungen aufgegriffen.

ANDREA STIELDORF (Bamberg) analysierte anhand bildlicher und textlicher
Darstellungen das Bild des Königs als Krieger im hochmittelalterlichen
Reich. Sie stellte heraus, dass trotz der einseitigen Bildüberlieferung
auf Königssiegeln und in liturgischen Handschriften, bei der die sakrale
Legitimation des Herrschers im Vordergrund stand, auch das Kriegertum
für den König weiterhin eine wichtige Rolle spielte. Bei Tapferkeit und
militärischem Erfolg handele es sich, wie am Beispiel der Tugendkataloge
gezeigt wurde, um notwendige Topoi, welche traditionsgebunden, aber
dennoch von mehr als abstrakter Bedeutung waren. Auch die Beschreibungen
physischer Qualitäten in den Quellen, wie etwa in spärlich überlieferten
Heldenliedern, wiesen immer wieder auf den König als Krieger hin.
Darstellungen des Königs als Krieger waren also im gesamten
Hochmittelalter vertreten. Propagiert durch das Königtum und gerichtet
an ein Laienpublikum, dienten sie der Herrschaftssicherung und ergänzten
die sakrale Legitimation. Die Sieghaftigkeit des Königs diente also
realen Interessen, wurde dabei auch als göttliche Approbation
verstanden.

MICHAEL JUCKER (Luzern) ging der Frage des Beutebesitzes und der
ökonomischen Güterverteilung vom Früh- bis zum Spätmittelalter nach. Die
Funktionen des Königs in Bezug auf die Beute lagen sowohl  in der
Regulation der Beute-Akkumulierung, als auch in der Distribution der
erbeuteten Güter. Die Beute stellte sowohl eine ökonomische, als auch
symbolische Ressource dar, die zur Herrschaftskonsolidierung wieder
verteilt werden musste. Bestimmte Güter galten allerdings auch im Krieg
als besonders schützenswert, wie etwa kirchliche Besitzungen oder sich
langsam regenerierende landwirtschaftliche Kulturen (z.B. Weinstöcke).
Lassen sich im Fall von Plünderungen und der Beuteakkumulation keine
geraden Entwicklungslinien feststellen, so trat im Fall der Distribution
im Verlauf des Mittelalters sehr wohl eine Änderung auf. Wurde anfangs
die Beute meist über den König, welcher als eine Art "Relaisstation"
fungierte, etwa an besonders treue Untertanen weitergegeben, so ist im
Laufe des Spätmittelalters eine Tendenz hin zur Monetarisierung des
Beutesystems (Söldnerwesen) auszumachen. Im Spätmittelalter ist zudem
eine abnehmende Funktion des Königs als Distributor zugunsten der
Beutemeister zu beobachten, welche die Beute je nach Rang oder Aufwand
an die Feldzugsteilnehmer verteilten.

ALHEYDIS PLASSMANN (Bonn) untersuchte die englischen Könige im Krieg mit
ihren keltischen Nachbarn Schottland, Wales und Irland in den Jahren
1066-1216. Speziell ging sie den Fragen nach, worin die persönliche
Teilnahme der Monarchen begründet lag, welche Korrelationen es zwischen
innerenglischen Angelegenheiten und den Feldzügen gab und ob und wie
diese Probleme von den englischen Nachbarn ausgenutzt wurden. Englische
Kriegszüge gegen Schottland erfolgten ausnahmslos als Abwehrmaßnahmen
gegen schottische Einmischungen in "innenpolitische" Probleme Englands.
Ein eigenständiges englisches Engagement in Schottland ist erst nach dem
Verlust der Normandie unter König Johann zu beobachten. In Bezug auf die
walisischen Gebiete ist die besondere Rolle der Marcher Lords
hervorzuheben, die sich gegen die Guerillataktiken der Waliser zur Wehr
setzten. Die englische Forderung nach Suprematie wurde mittels
Unterwerfung und Tributzahlung erreicht. Nach anfänglich guten
Beziehungen zu den Irischen Hochkönigen kam es erst im Jahr 1169 zu
ersten Eroberungen aufgrund eines militärischen Hilferufs durch einen
der Unterkönige. Größere militärische Aufmerksamkeit wurde Irland erst
im Jahr 1210 wiederum durch König Johann zuteil. Resümierend ging es den
englischen Königen bis ins Hochmittelalter um die Bewahrung der
formellen Suprematie über ihre "barbarischen" Nachbarn. Schnelle Erfolge
begründen die kurze Dauer der Feldzüge. Erst nach dem Verlust des
größten Teils der kontinentalen Besitzungen, die bis dahin im Zentrum
der militärischen Aufmerksamkeit gestanden hatten, rückten Irland,
Schottland und Wales an eine hervorgehobene Stellung auf der
militärischen Prioritätenliste Englands.

STEFANIE RÜTHER (Göttingen) eröffnete mit einer Betrachtung des Königs
als spätmittelalterlichem Feldherr das Themenfeld der Funktionen des
Königs im Krieg. Ausgehend von der Rezeption der spätantiken Epitoma rei
militaris des Flavius Vegetius Renatus rückte zunächst die Kriegskunst
des Spätmittelalters in den Fokus. Schriften wie der Bellifortis des
Konrad Kyeser stellten vor allem die neuen Feuerwaffen - auch bildlich -
vor. Wie am Beispiel Kaiser Maximilians gezeigt werden kann, entstand
durch die Entwicklung der "Kriegswissenschaft" für die Fürsten das
Erfordernis, ihre Kompetenzen auch auf diesem Feld zu erweitern. Durch
Niederlagen adliger Armeen gegen Nicht-Adelige, wie etwa der Schlacht
von Sempach 1386, traumatisiert, bemühten sich Autoren wie Johann
Seffner in seiner ler von dem streitten um die Widererlangung der
Kontrolle des Adels über das "in Unordnung" geratene Kriegswesen.
Ordnungswissen und taktische Kenntnisse sollten hier Abhilfe schaffen.
Die Rolle des Königs auf dem Feldzug wurde in diesen Traktaten als
kriegführend, aber nicht kämpfend beschrieben. Der Feldherrenhügel und
der Kreis der Kriegsräte wurden zum Platz des Königs, was einem
kriegerischen Ehrerwerb jedoch nicht im Weg stand. Durch diese vor allem
durch die Technisierung des Krieges hervorgerufenen Veränderungen
avancierte die ars belli im Spätmittelalter zur Regierungskunst des
umfassend gebildeten und gelehrten Herrschers.

Eine Fallstudie betrieb TOBIAS WELLER (Bonn) in Bezug auf Otto IV. und
Philipp II. in der Schlacht von Bouvines am 27. Juli 1214. Sowohl die
politische Ausgangslage, als auch die konkrete Vorgeschichte der
Schlacht wurden eingehend behandelt. Das scheinbar ungeplante
Aufeinandertreffen der Kontingente an der Brücke von Bouvines führte zu
einem radikalen Umschwung in den Absichten Philipps, der bis dato einer
Schlacht ausgewichen war. Englische, flandrische und deutsche
Truppenkontingente drängten zum Kampf, da sowohl ihr nomineller Anführer
Otto, als auch der abwesende König Johann in ihrer jeweiligen Heimat
politisch in der Defensive standen und deshalb dringend einen
eindeutigen politischen oder militärischen Erfolg benötigten. Die
Einbindung der taktischen Entscheidungen Philipps II. und Ottos IV. in
den jeweiligen Kriegsrat ist in den Quellen gut bezeugt, wogegen die
Rolle der Monarchen in der Schlacht selbst - auch aufgrund der
einseitigen, französisch geprägten Historiographie - nur schwer fassbar
ist. Klar ist, dass auf beiden Seiten Maßnahmen zum Schutz der Herrscher
getroffen wurden, welche allerdings versagten: Sowohl Philipp als auch
Otto wurden von gegnerischen Soldaten bedrängt und vom Pferd gestürzt.
Dass der Sturz Ottos IV. und seine anschließende Flucht vom Kampfplatz
jedoch Schlacht entscheidend gewesen sind, lässt sich anhand der Quellen
nicht verifizieren. Dem französischen König gab die Schlacht und der
vollständige Sieg Gelegenheit zur rituellen Präsentation der klassischen
Herrschertugenden, wie Gottvertrauen, Tapferkeit, Freigiebigkeit und
Großmut.

MARTIN CLAUSS (Regensburg) betrachtete die Rolle der englischen und
französischen Könige als Feld- und Kriegsherren im Hundertjährigen
Krieg. Er ging der Frage nach, inwiefern das persönliche Eingreifen der
Herrscher Rückschlüsse auf das Verhältnis von Königtum und Krieg
zulässt. Dabei unterschied Clauss drei Typen des königlichen Eingreifens
in den Krieg: Der König als Kriegsherr, der nicht persönlich teilnimmt,
der König als Feldherr, welcher den Kriegszug persönlich anführt, und
der König als Krieger, der aktiv kämpfend in die Kriegshandlungen
einbezogen ist. Fest steht, dass nur in der Frühphase des
Hundertjährigen Krieges Monarchen auf beiden Seiten als Feldherren
agierten. Dies gipfelte in der einzigen Königsschlacht des Konfliktes,
der Schlacht von Crecy im Jahr 1346, in der Edward III. nur als
Feldherr, sein Sohn, der Schwarze Prinz, aber als Krieger auftrat. Die
Gründe für die Abwesenheit von Königen von den Schlachtfeldern waren
vielfältig: So nahmen etwa Heinrich VI. aufgrund seiner Minderjährigkeit
und Karl VI. wegen seiner Geisteskrankheit nicht aktiv am Kampf teil.
Karl V. stellte dahingegen den Typus des roi non combattant dar. Seine
zur Staatsraison aufsteigende Taktik, die großen Truppenkontingente der
Engländer durch einen Guerillakrieg zu zermürben, wurde durch ihren
Erfolg gerechtfertigt, aber ebenso durch die Erfahrung begründet, dass
sein Vater Johann II. als Kombattant bei Poitiers in Gefangenschaft
geraten war. Sonderfälle, wie Krieg führende Kindkönige, wurden ebenso
behandelt, wie der Aspekt der Sicherung einer jungen Dynastie durch
Krieg, wie er im Fall der ersten Valois- und Lancasterkönige begegnet.

UWE TRESP (Potsdam) untersuchte in seinem Vortrag die Wahrnehmung Kaiser
Karls IV. als Krieger auf ihren Anspruch und die Wirklichkeit. Die
Wahrnehmung Karls IV. als Friedenswahrer, die sich sowohl in der
pro-luxemburgischen Propaganda, als auch in der modernen Historiographie
findet, beruht auf der Annahme, dass Kriege nur mit auswärtigen Mächten
geführt würden. Die zahlreichen militärischen Aktivitäten im Reich
wurden als "gewaltsame Polizeiaktionen" interpretiert. Obwohl kaum
Darstellungen überliefert sind, die ihn in Rüstung zeigen, legte Karl
IV. nachweislich großen Wert darauf, von der laienadligen Elite auch als
kriegerischer Anführer akzeptiert zu werden. Das wird besonders deutlich
in seiner Autobiographie, in der er sich als fähiger, militärischer
Führer darstellte, der durch den göttlichen Willen triumphiert. Das
bisherige Forschungsbild in Bezug auf Karl IV. ist also zu revidieren,
wie seine Selbstinszenierung als Feldherr belegt, auch wenn seine
tatsächlichen Fähigkeiten eher im Feld der Strategie und der Bündnisse
gelegen haben dürften. Denn auch in seiner zweiten Lebenshälfte trat
Karl kriegerisch hervor, was er jedoch als Friedenssicherungsmaßnahme
ausgab.

Den öffentlichen Abendvortrag hielt THOMAS SCHARFF (Braunschweig). Er
analysierte die Rolle der karolingischen Herrscher in der Schlacht. Nach
dem Beispiel Karls des Großen vor Pavia 773, kam der Vortragende kurz
auf die Quellen, welche trotz ihrer hohen Qualität doch dünn gesät
seien, zu sprechen. Die persönliche Teilnahme karolingischer Herrscher
an Feldzügen erfolgte unregelmäßig und wurde ansonsten durch ihre Söhne
oder Grafen bestritten. Am wichtigsten war bei persönlicher Anwesenheit
des Herrschers dessen integrative Funktion, indem er versuchte, den
Ehrgeiz der miteinander um Einfluss und Beute konkurrierenden Großen des
Reiches auszugleichen und zwischen den vielen ethnischen Gruppen im Heer
moderierte. Diese Funktion war faktisch von höherer Bedeutung als die
Teilnahme an der Schlacht, was konträr zur verbreiteten Dichtung steht.
Des Weiteren hatte sich der Herrscher sowohl um die Sicherung göttlichen
Beistands zugunsten seines Heeres, als auch um die Verpflichtung
desselben auf christliche Normen zu bemühen. Über die persönliche
Teilnahme von Herrschern an Kämpfen besitzen wir nur sehr wenige
Nachrichten, da die Partizipation am Kampfgeschehen auch schon zu dieser
Zeit als zu riskant betrachtet wurde, und die eigentliche
integrativ-sakrale Funktion des Königs vor Schlachtbeginn schon erfüllt
war.

In Bezug auf die Risiken des Krieges für den König unterzog BASTIAN
WALTER (Wuppertal) die Gefangennahme des Königs auf
spätmittelalterlichen Schlachtfeldern einer genauen Betrachtung. Dies
geschah an den Beispielen der Gefangennahme Davids II. in der Schlacht
von Nevilles Cross 1346, der Johanns des Guten bei Poitiers im Jahr 1356
sowie der Ergreifung Franz' I. in der Schlacht von Pavia 1525. Die
Quellen erwähnen im Vorfeld der Gefangennahme große Waffentaten der
Könige im Kampf, aber auch die extreme Gefahr, in die sie gerieten. Der
Akt der Gefangennahme selbst war meist von einem großen Gedränge um die
Person des Königs geprägt, da um die tatsächliche Ergreifung oft lange
gestritten wurde. Die Entwaffnung erfolgte nach einem stark
ritualisierten Muster durch Übergabe der Waffen und anderer Gegenstände,
die stellvertretend für den König standen, sowie der mehrmaligen
Ableistung des Ehrenwortes durch den Gefangenen. Nach der Gefangennahme
und während der oft jahrelangen, doch unter guten Bedingungen geführten
Haft war ein bezeichnender Statuswechsel bei der Person des Gefangenen
wahrzunehmen. So wurde etwa Johann der Gute in England nicht als König,
sondern als "unser geliebter Feind" bezeichnet. Aus der im
mittelalterlichen Denken nicht vorgesehenen Gefangennahme des Königs
erwuchsen für dessen Reich enorme Probleme: Rivalisierende Gruppen
nutzen das entstandene Machtvakuum zu einem Kampf um die sonst allein
auf die Person des Königs fokussierte Macht.

MALTE PRIEZTEL (Berlin) musste krankheitsbedingt die Teilnahme absagen,
sodass sein Vortragsmanuskript "Der Gefallene Herrscher. Der
Schlachtentod von Königen in der mittelalterlichen Historiographie"
verlesen wurde. Er stellte die für den Herrscher existentielle Gefahr
des Schlachtentodes heraus, die in besonderem Maß bei Thronkämpfen
virulent war. In exemplarischer Manier interpretierte er die
Quellenzeugnisse zum Tod König Manfreds von Sizilien in der Schlacht von
Benevent (26. Feb. 1266) als situationsgebundene, in die allgemeine
Darstellung des Herrschers in der jeweiligen Quelle eingepasste
Berichte.

JÖRG ROGGE (Mainz) fasste die Ergebnisse der Tagung in einer
Abschlussbilanz systematisierend zusammen: Die Position des Königs im
Kampf erfordert von Fall zu Fall eine individuelle Betrachtung. Bei der
Inszenierung beziehungsweise der Selbstinszenierung des Königs als
Kämpfer ist vor allem eine Herrschaft stabilisierende Wirkung zu
beobachten. Die tatsächliche Funktion des Königs erfuhr im Verlauf des
Mittelalters eine Änderung von der aktiven Teilnahme als kämpfender
Feldherr hin zu der des ordnenden Herrschers auf dem Feldherrenhügel.
Ebenso waren die "innenpolitischen" Zustände von enormer Bedeutung für
den Fürsten im Kampf. Der tatsächliche Preis für den prestigeträchtigen
Kampf des Königs in der Schlacht konnte von Verwundungen über
Traumatisierung bis hin zum Tod führen. In der Abschlussdiskussion
wurden weitere Forschungsfelder thematisiert: So kommt man bei einer
übergreifenden Untersuchung des Königs als Krieger nicht umhin, auch die
Kreuzzüge mit einzubeziehen. Ein bisher wenig beachtetes, jedoch nicht
zu unterschätzendes Betätigungsfeld bestünde in Bezug auf die Rolle der
Königinnen und ergänzend der königlichen Familie im Kampf. Ebenso wäre
die Betrachtung des Kampfes aus der Sicht des Königs selbst - soweit die
Quellen dies zulassen - durchaus lohnend. Auch ein Blick auf die
Quellenbewertung wurde problematisiert.

Insgesamt bilden die Tagungsergebnisse einen soliden Ausgangspunkt für
ein aus deutscher Sicht lange unbeachtetes Forschungsfeld, das gerade in
Bezug auf die moderne Kriegs- und Friedensforschung von aktueller
Bedeutung ist.

Konferenzübersicht:

Andrea Stieldorf (Bamberg) / Martin Clauss (Regensburg): Begrüßung und
Einführung

Andrea Stieldorf (Bamberg): Das Bild vom König als Krieger im
hochmittelalterlichen Reich.

Michael Jucker (Luzern): Alles für den König! Beutebesitz und
ökonomische Güterverteilung vom Früh- zum Spätmittelalter.

Alheydis Plassmann (Bonn): Die englischen Könige im Krieg mit den
keltischen Nachbarn.

Stefanie Rüther (Göttingen): Der König als Feldherr - Normen und
Begrenzungen im späten Mittelalter.

Tobias Weller (Bonn): In prima fronte belli - Philipp II. und Otto IV.
auf dem Schlachtfeld von Bouvines.

Martin Clauss (Regensburg): Krieg der Könige: Monarchen als Feld- und
Kriegsherren im Hundertjährigen Krieg.

Uwe Tresp (Potsdam): Pacis amator oder princeps militie? Kaiser Karl IV.
als Kriegsherr: Militärische Herrschertugend zwischen Anspruch,
Wirklichkeit und symbolischer Darstellung.

Thomas Scharff (Braunschweig): Wo war Karl der Große eigentlich? Der
karolingische Herrscher in der Schlacht.

Bastian Walter (Wuppertal): Je l´ay pris, je l´ai pris! Die
Gefangennahme von Königen auf dem spätmittelalterlichen Schlachtfeld.

Malte Prietzel (Berlin): Der Gefallene Herrscher. Der Schlachtentod von
Königen in der mittelalterlichen Historiographie.

Jörg Rogge (Mainz): Abschlussreferat und -diskussion.

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[Regionalforum-Saar] Gästeführer braucht das L and

Date: 2013/07/20 14:19:34
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>

heute in der SZ:
 

St. Wendeler Land sucht Gästeführer

Der Lehrgang hierzu beginnt im Oktober – Bewerbungen sind ab Montag möglich

Am 7. Oktober startet der IHK-Zertifikatslehrgang Gästeführer St. Wendeler Land. Wer seine Heimat gerne Besuchern vorstellen möchte und den Umgang mit Menschen mag, kann sich jetzt bei der Tourist-Information St. Wendeler Land bewerben.

Von SZ-Redakteur Volker Fuchs

Bosen. „Ich bin überzeugt von unserer Heimat. Sie ist es wert, dass man sie anderen vorstellt.“ Dies sagt der 62-jährige Willi Schäfer aus Theley. Seit dem Jahr 2000 ist er Gästeführer im St. Wendeler Land. Bei Busfahrten, Radtouren und Wanderungen zeigt er Besuchern die Sehenswürdigkeiten der Region.

Das St. Wendeler Land braucht mehr gut ausgebildete Gästeführer. Da ist sich Martina Scheer, Leiterin der Tourist-Information St. Wendeler Land, sicher. Und deshalb bietet die Tourist-Info gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer eine Weiterbildung zum Gästeführer St. Wendeler Land (IHK) an.

Zum einen will die Tourist-Info den Touristen Angebote machen, dass sie unter fachkundiger Führung die kulturgeschichtlich interessante Region kennen lernen. „Wir möchten darüber hinaus in den nächsten Jahren verstärkt das Gruppengeschäft fördern“, sagt Scheer. Schulklassen, Vereine und Busunternehmen will die Tourist-Info gezielt für Ausflüge in die Region gewinnen. Scheer: „Dafür brauchen wir gut qualifizierte Gästeführer“. Sie prägen das Bild des Gastes von seinem Urlaubsgebiet entscheidend. Sie spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Neugierde und Interesse für das St. Wendeler Land zu wecken und die Besucher zum Verweilen, Weitersagen und Wiederkommen zu motivieren.

Umgang mit Touristen

Der IHK-Zertifikatslehrgang Gästeführer St. Wendeler Land soll Interessenten dazu das Rüstzeug vermitteln. Wer Gästeführer werden will, der muss sich zwischen dem 22. Juli und 16. August bei der Tourist-Info schriftlich bewerben. Das sagt Julia Saar, Ansprechpartnerin bei der Tourist-Info für diesen Lehrgang. Sie stellte im SZ-Gespräch das Konzept vor. 15 Plätze gibt es in dem Lehrgang, die Teilnehmer wählt die Tourist-Info unter allen Bewerbern aus.

Die Weiterbildung startet dann am 7. Oktober und kann berufsbegleitend absolviert werden. Unterricht ist montags und mittwochs ab 17.30 Uhr und/oder samstags ganztags. Lehrgangsorte sind im Freizeitzentrum am Bostalsee und in der Europäischen Akademie in Otzenhausen.

Die angehenden Gästeführer lernen viel über das St. Wendeler Land und auch den Tourismus im Saarland. Es geht bei dem Lehrgang aber auch um Führungsfertigkeiten, Rechtskenntnisse und die organisatorische Kompetenz. Der Eigenanteil der Teilnehmer beträgt 299 Euro. Außerdem müssen sie eine Haftpflichtversicherung haben, um überhaupt als Gästeführer tätig zu sein. Die Weiterbildung ist übrigens Voraussetzung dafür, dass die Gästeführer von der Tourist-Info eingesetzt werden können.

Willi Schäfer hat klare Vorstellungen, was Gästeführer „von Haus aus“ mitbringen sollten: „Sie müssen Menschen mögen. Die Gäste sind uns lieb und teuer, aber nicht immer einfach.“ Und weiter: „Sie müssen eine positive Einstellung zu ihrer Heimat haben und sollten bereit sein, sich selbstständig weiterzubilden.“ Und noch einen Tipp hat Schäfer: „Die Gästeführer müssen gut erzählen können, in freier Rede, zur Geschichte auch die passenden Geschichtchen parat haben.“

Weitere Informationen zu der Weiterbildung zum Gästeführer St. Wendeler Land (IHK) sowie die Bewerberunterlagen gibt es bei der Tourist-Information St. Wendeler Land, Tel. (0 68 52) 90 11 45 oder per E-Mail unter julia.saar(a)bostalsee.de.

Foto: landkreis

Foto: landkreis

Auf einen Blick

„Im Sankt Wendeler Land ist ganz schön was los!“ Das ist der Titel eines Veranstaltungskalenders, den die Tourist-Info einmal in der Woche per E-Mail an touristische Betriebe in der Region schickt. Rubriken des Kalenders sind Veranstaltungen, Aktivitäten und Tipps. Die Betriebe können den gestalteten Kalender im Din-A4-Format ausdrucken und ihren Gästen präsentieren. Die erfahren dann, was wann wo im St. Wendeler Land unternommen werden kann. Auch Schlecht-Wetter-Tipps gibt es. Die Gäste des Center-Parcs werden über zwei Monitore gegenüber der Rezeption im Market Dom und einen weiteren beim Fahrradverleih über die Aktivitäten informiert. „Bisher haben wir schon 300 Betriebe im Verteiler“, sagt Julia Saar, die bei der Tourist-Info für den Bereich Animation und Kommunikation zuständig ist. Wer Angebote für Touristen machen will, der kann sich übrigens bei der Tourist-Info melden. Diese werden dann in den Kalender aufgenommen. Geplant ist zudem, dass alle Infos auf einer entsprechend gestalteten Internetseite eingesehen werden können. vf