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[Regionalforum-Saar] Birkenfeld im 18ten Jahrhundert
Datum 2013/03/14 11:10:18
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[Regionalforum-Saar] St. Wendel im 19ten Jahrhun dert - lt. Max Müller und Herrn Planz

Date: 2013/03/11 09:41:43
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

heute in der SZ: 

Im Spannungsfeld der Mächte

Vortrag über Frankreich und St. Wendel im Zeitalter der Französischen Revolution

Über Frankreich und St. Wendel von der Französischen Revolution bis zum Vorabend des Ersten Weltkrieges sprach Bernhard W. Planz. Es war der dritte von vier Vorträgen, die sich den Beziehungen zwischen der Stadt und Frankreich widmen.

St. Wendel. Der im Oktober 2012 verstorbene britische Historiker Eric Hobsbawm prägte für die Zeit von 1798 bis 1914 den Ausdruck „das lange 19. Jahrhundert“. Über diese Zeitspanne, über St. Wendel und Frankreich zur Zeit der Französischen Revolution und der deutschen Nationalstaatsgründung, referierte der Geschichtslehrer Bernhard W. Planz im Mia-Münster-Haus. Es war der dritte Teil einer Vortragsreihe der Kulturlandschaftsinitiative St. Wendeler Land (Kulani), die die Beziehungen zwischen Frankreich und St. Wendel in den vergangenen vier Jahrhunderten beleuchtet. Hintergrund ist das deutsch-französische Jahr, das an die Unterzeichnung des Élysée-Vertrages vor 50 Jahren erinnert.

Frankreich 1789: Politische, wirtschaftliche und soziale Spannungen quälten das Land. Der dritte Stand, alle Franzosen, die weder zum Adel noch Klerus gehörten – immerhin 95 Prozent der Bevölkerung – begehrte auf. Das revolutionäre Feuer war entfacht, das Volk wollte Freiheit und Brot. Ein Prozess von weltgeschichtlicher Bedeutung begann. Auch in St. Wendel hörte man, zunächst zaghaft, die Parolen der Französischen Revolution. Und reagierte: erste Akte zivilen Ungehorsams, ein Petitionskatalog der St. Wendeler Bürger an den kurtrierischen Landesherren, in dem Missstände beklagt wurden. „Es ging aber eher um die Herstellung oder Absicherung von Sonderrechten“, erklärte Planz seinen über 60 Zuhörern. Radikal wie in Frankreich waren die Forderungen vorerst nicht.

„Mit bangen Gefühlen, ja teilweise mit Panik erwartete die Bürgerschaft im Spätherbst 1792 das Einrücken der Revolutionsarmee“, kommentierte Planz weiter. Denn das revolutionäre Frankreich wollte mit Gewalt seine Ideen nach außen tragen und die alte europäische Ordnung bekämpfen. Abermals herrschte Krieg auf dem alten Kontinent. Franzosen, Österreicher und Preußen nisteten sich abwechselnd in St. Wendel ein, lockten mit Freiheitsversprechen, verlangten jedoch Abgaben. Planz: „Die Stadt schlug sich auf keine Seite, wollte dadurch Repressalien entgehen.“ Dennoch: Republikanische Ideen von Freiheit und Gleichheit fielen nun in der Stadt auf fruchtbaren Boden. Vertreter führender Bürgerfamilien forderten einen Anschluss an Frankreich. Und so kam es: Das Nachbarland dehnte sich bis zum Rhein aus, St. Wendel wurde Teil des Saardepartements.

Europa wird neu geordnet

Frankreich 1799: Napoleon errang die Macht, führte seine „Grande Armée“ durch Europa, bis in die Weiten Russlands und musste sich schließlich geschlagen geben. 1815 in Wien: Die Mächtigen ordnen Europa neu. Auch St. Wendel war Thema, denn der Fürst von Sachsen-Coburg sollte für seine Kriegsmühen gegen Frankreich entschädigt werden. Die Wahl fiel auf St. Wendel mit Umland. Damit waren die Einwohner keinesfalls einverstanden, der Fürst auch nicht. Schließlich verscherbelte der Coburger 1834 seinen ungeliebten Besitz an Preußen. Die St. Wendeler plagten währenddessen auch andere Sorgen: Elend, Hunger, Not.

Aufbegehren in St. Wendel

Als 1848/49 Europa auf die Barrikaden ging, um die soziale und politische Misere anzuprangern, wehte kurzeitig auch in St. Wendel ein revolutionärer Wind. Die Bürgerschaft forderte Presse- und Versammlungsfreiheit, Trennung von Staat und Kirche, Aufhebung von Standesvorrechten. Doch als Allererstes die Einheit Deutschlands – denn das deutsche Gebiet war in Einzelstaaten zersplittert. Planz: „Dies zeigt, dass die Entwicklung eines deutschen Nationalgefühls im Bürgertum der Stadt seinen Abschluss gefunden hat.“

Die rebellierenden Europäer von 1848 unterlagen. Etwas später holte Preußen zum großen Schlag aus, um Deutschland zu einigen, rang Österreich nieder und hielt 1870 Kurs auf Frankreich. Im preußischen St. Wendel diente der Bahnhof als Truppenumschlagsplatz, die Stadt blieb von kriegerischen Handlungen verschont. 1871: Frankreich war geschlagen, das Deutsche Kaiserreich wurde ausgerufen. Im nationalen Taumel wurde der besiegte Nachbar im neuen Reich verhöhnt. „Von Franzosenfeindlichkeit, gar Erbfeindschaft kann aber in diesen Jahren in St. Wendel nicht ansatzweise die Rede sein“, sagte Planz. Nationale Spitzen gegen Frankreich seien erst Folge des Ersten Weltkrieges.

Darauf und auf Frankreich und St. Wendel während des 20. Jahrhunderts wird Bernhard W. Planz am Dienstag, 9. April, im Mia-Münster-Haus eingehen. Beginn des Vortrags ist um 19 Uhr. lk

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Meine Meinung:

Ein sehr langer Vortrag über ein sehr langes Jahrhundert - vor allem ein bißchen zu viel Max Müller, der immer wieder zitiert und genannt wurde. Detailliert ging der Dozent auf die französische Revolution und ihre Gründe ein - leider zu Lasten der Auswirkungen unmittelbar für St. Wendel. Die Säkularisierungen (z.B. kurfürstliche Mühlen, Stiftung Hospital) fielen ebenso unter den Tisch wie Details zu den Plünderungen (z.B. der Kapellen in den Randbezirken). Die Abtrennung der Pfarrei Furschweiler kam nicht vor. Bei der Kellerschen Gesellschaft wurde der Notar Hen nicht genannt, nur die Lehrer und der Rechtsanwalt. Daß in der Magdalenenkapelle nicht nur das Lyzeum geschlossen wurde, sondern die Volksschule gleich mitgeschlossen wurde. Die Zeit zwischen 1803 und 1816 kam oberflächlich weg, von den Franzosen gings direkt zu den Coburgern, die beiden Jahre unter preuß. und österreichischer Verwaltung wurden unterschlagen. Dafür ziemlich breit die Familie Cetto, vor allem Philipp Carl und seine Rolle in der Nationalversammlung. Natürlich kein Wort darüber, daß die Cettos Kriegsgewinnler und Opportunisten waren (und nicht nur die). Dafür hat der Referent seine Fremdwörter erklärt -  im Gegensatz zu dem von ihm auch recht oft genannten Dr. Johannes Schmitt, der seine Vorträge mit Fachbegriffen und Fremdwörten spickt und dem es egal ist, ob der Zuhörer mitkommt oder nicht. Herr Planz trägt sehr angenehm vor, er steht frei vor dem Publikum, sein Leseblatt in der Hand, und liest mit akzentuierter Stimme sehr betont und nicht zu laut vor, dabei nicht leiernd, sondern betonend - und entschuldigt sich jedesmal, wenn er ein Bonmot bringt oder eine saloppe Wendung eingebaut hat. Man kann ihm sehr gut zuhören, ohne müde zu werden oder einzuschlafen.

Nach dem Vortrag geht er auf Fragen detailliert und fachkundig ein; dabei hat er meine Achtung gewonnnen, als er aus der "Lameng" schwierige Fragen beantwortet. Jemand fragt, ob die St. Wendeler nicht lieber zu Bayern gekommen wären als zu den Coburgern. Und Planz antwortet, daß sich a) die Option nicht gestellt hat und b) die Leute die Option nicht gewollt hätten - sie fühlten sich als Objekt, daß die Obrigkeit dorthin zuteilt, wohin es ihr paßt. Da gab es kaum Individualität, jedenfalls nicht in diesen höheren Gefilden. Interessanterweise widersprach der Dozent damit der bisherigen Lehrmeinung, daß die St. Wendeler z.B. in den 1830ern eine Art Revolution versuchten anzuzetteln gegen die Coburger. Denen ging es um ihre unmittelbaren Interessen, dort, wo es ihren Geldbeutel betraf, nicht die hohe Politik. Davon hatten sie keine Ahnung, damit wollten sie in Ruhe gelassen werden.

Alles in allem ein sehr interessanter Vortrag - trotz seiner Schwächen. Richtig was Neues gab es im Vortrag eher nicht, aber - für mich - im Anhang. Z.B. daß die Basilika um 1800 einige Zeit nicht als solche benutzt wurde und warum das dann wieder der Fall war.

Roland Geiger