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2010/11/09 08:52:18 Rolgeiger [Regionalforum-Saar] Heinrich Schwingel aus Oberlinxweiler gestorben |
Datum | 2010/11/10 08:09:52 Rolgeiger [Regionalforum-Saar] Tholix – der erste Saarl änder in Stein |
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2010/11/01 23:12:38 Armin Neis [Regionalforum-Saar] Einladung bitte veröffentli chen! |
Betreff | 2010/11/07 21:44:05 Rolgeiger [Regionalforum-Saar] Erbsenzähler |
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2010/11/09 08:52:18 Rolgeiger [Regionalforum-Saar] Heinrich Schwingel aus Oberlinxweiler gestorben |
Autor | 2010/11/10 08:09:52 Rolgeiger [Regionalforum-Saar] Tholix – der erste Saarl änder in Stein |
Date: 2010/11/09 19:45:04
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...
Guten Abend,
ich schaue im Landesarchiv
Saarbrücken seit ein paar Monaten die Wiedergut-machungsakten der Jahre 1948/49
durch und bin heute mittag auf einen Fall aus Tholey aus dem Jahre 1949
gestoßen. Im April 1949 meldeten sich aus
Houston, Texas, Artur Kahn und sein Bruder Alfred Kahn, beide Kaufleute, und
machten Wiedergutmachungsansprüche aus einem Hausverkauf aus dem Jahre 1940
geltend. Im April 1940 hatte ihre Mutter
Emilie Katz, Witwe von Albert Kahn, das Haus an das Ehepaar Nikolaus Gross und
Irene Boullay aus Lebach verkauft, allerdings statt der vereinbarten 5000
Reichsmark nur 4000 erhalten. Allerdings schaffte sie es nicht mehr, damit
auszureisen. 1941 wurde sie in Tholey ergriffen und nach Polen deportiert und in
einem der Konzentrationslager ermordet. Das Anwesen selber, daß gegenüber der
Einmündung in die Bahnhofstraße stand, die zum ehemaligen Bahnhof hinunterführt,
wurde im April 1942 für 8500 Reichsmark an die Strassen- und Strombauverwaltung
verkauft und kurz nach Kriegsende abgerissen. In einem Schreiben von 1950 heißt
es dazu, die Strassen- und Strombauverwaltung sei „als Behörde ihrer
Zweckbestimmung gemäß verpflichtet“ gewesen“, das Gebäude zu erwerben, um ein
öffentliches Bedürfnis zu befriedigen, nämlich ein Verkehrshindernis zu
beseitigen.“ Im Klageverfahren, das am Landgericht
Saarbrücken abgewickelt wurde und in einem Vergleich endete (die Behörde zahlte
an die Kläger, das Ehepaar kam ohne blaues Auge davon), wandte sich der
Rechtsanwalt der Kläger in einem Brief an das Landgericht, der leider sehr gut
zum heutigen Tag paßt. Der Rechtsanwalt Dr. Sam Jacobson
wurde ebenfalls in Deutschland geboren und war dort ca. 35 Jahre alt
Rechtsanwalt und 30 Jahre als Notar tätig. Am 1.12.1938 verlor er seine
Rechtsanwaltszulassung, verließ Deutschland im April 1939 und ließ sich im April
1940 in Texas nieder. Hier ist ein Auszug aus seinem Brief vom 15. Mai 1950:
„Emilie Kahn hat vor, bei und nach dem Abschluß des Vertrages unter
einem furchtbaren physischen und moralischen Zwange gestanden. Es sollen nur
einige Fakten aus der Judenverfolgung hervorgehoben werden, die Frau Kahn
unmittelbar berührt haben und hinsichtlich ihrer Person sowohl als
Kollektivzwang als auch als Individualzwang angesprochen werden müssen.
Es ist bekanntlich der Beschluß der Naziregierung vom 22. Januar
1942 durch die Alliierten aufgefunden und in den ausländischen Zeitungen als das
sog. „Wannseer Protokoll betreffend die Endlösung der Judenfrage“ veröffentlicht
worden. Nach diesem Protokoll hat damals die officielle Naziregierung unter
Mitwirkung von 17 Staatssekretären beschlossen, 11 Millionen europäischer Juden
durch eingehend in dem Beschluß dargelegte Gewaltmassnahmen grausamster Art wie
Sklavenarbeit, Vergasung etc. auszurotten. Dieser unsagbare Terror wird
ausdrücklich damit begründet, daß die Regierung bis dahin versucht habe, die
Juden zur Auswanderung zu zwingen, dass ihr dies aber nur bei einer halben
Million gelungen sei. Es steht jetzt fest, daß die Naziregierung gemäß diesem
Beschluß 6 Millionen Juden ums Leben gebracht hat.
Im November 1938 verübte sie einen Progrom unter den Juden
Deutschlands, indem sie etwa 30000 Juden verhaftete, wovon viele Tausend
umgekommen sind, während der Rest nur unter dem Versprechen unverzüglicher
Auswanderung entlassen wurde mit der Androhung sofortiger Deportation zum Zwecke
der Beseitigung bei Nichterfüllung des Versprechens.
Seitdem stand jeder deutsche Staatsbürger jüdischen Glaubens unter
der Gefahr der Deportation und Ermordung, so auch Frau Kahn, die nun in
Todesangst gezwungen war, schnellstens auszuwandern und sich ihres Besitzes zu
jedem beliebigen Preise zu entäussern, um die Voraussetzungen der zur
Auswanderung notwendigen Unbedenklichkeitsbescheinigung erfüllen zu können.
Es gelang ihr aber nicht, und an ihr hat sich ihre Todesangst voll
verwirklicht, sie wurde deportiert und in Auschwitz vergast; das gleiche
Schicksal erlitten zahlreiche ihrer Verwandten und besten Freunde.
Die Situation der Frau Kahn war dadurch besonders verschlimmert,
dass ihr Sohn Alfred, der mit ihr zusammenlebte und einen Viehhandel betrieb,
existenzlos wurde, weil ihm als Juden die Legitimationskarte entzogen wurde und
er, um sein Leben zu retten, da er als junger Mann nach den Nazimethoden
besonders gefährdet war, zur unverzüglichen Auswanderung gezwungen war. Frau
Emilie Kahn war so ganz vereinsamt und der durch den Naziterror aufgehetzten
judenfeindlichen Bevölkerung in Tholey ausgeliefert. Frau Kahn wäre es doch ohne
diesen brutalen Zwang nicht eingefallen, auf ihre alten Tage ihre Heimat zu
verlassen und sich all ihres Hab und Gut zu entschlagen, ohne in der Lage zu
sein, über den absolut unzureichenden Gegenwert verfügen zu können.“
Einen schönen und besinnlichen Abend
wünsche ich Roland Geiger, St.
Wendel |