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2024/03/20 23:28:22 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Einladung zur Eröffnung der A usstellung KREUZWEG im Kloster Tholey |
Datum | 2024/03/23 15:51:22 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] „Ahnenforschung in den USA : Die US-Volkszählung“ |
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2024/03/15 10:44:36 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Grewenig gegen Tholey, yter Teil |
Betreff | 2024/03/04 11:43:29 Stefan Reuter via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Markus Philipp: Saarbrücker Straßennamen |
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2024/03/20 23:28:22 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Einladung zur Eröffnung der A usstellung KREUZWEG im Kloster Tholey |
Autor | 2024/03/23 15:51:22 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] „Ahnenforschung in den USA : Die US-Volkszählung“ |
Date: 2024/03/21 13:13:22
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Autor Thomas Meyer,
Erschienen München 2023: Piper
Verlag
Anzahl Seiten 520 S.
Preis € 28,00
ISBN 978-3-492-05993-0
Inhalt meinclio.clio-online.de/uploads/media/book/toc_book-79837.pdf
Rezensiert für H-Soz-Kult von René Schlott,
Leibniz-Zentrum für
Zeithistorische Forschung Potsdam
Das legendäre Gespräch von Hannah Arendt mit Günter Gaus in dessen
Sendereihe
„Zur Person“ aus dem Jahr 1964 beginnt etwas holprig. Nachdem Gaus
seine
Gesprächspartnerin, die erste Frau in der Interviewreihe, mit den
Worten
vorgestellt hat, sie sei eine „Philosophin“, protestiert Arendt:
„Mein Beruf
[…] ist politische Theorie. Ich fühle mich keineswegs als
Philosophin.“1 Als Gaus daraufhin nach
dem Unterschied
zwischen Philosophie und politischer Theorie fragt, holt Arendt zu
einer
längeren, keineswegs widerspruchsfreien Antwort aus, in der sie
schließlich zwischen
dem Menschen als philosophierendem und handelndem Wesen
differenziert.
Letzterer Kategorie rechnet sie sich selbst zu.
Thomas Meyer folgt dieser Selbstdeutung Arendts und präsentiert
sie in seiner
Biografie, deren Einleitung ein programmatisches Zitat aus dem
Gaus-Interview
vorangestellt ist („Alles Denken ist Nachdenken, der Sache nach –
denken.“),
als politisch Handelnde – manche Rezensenten meinen gar als
„politische
Aktivistin“2 –, etwa als Angehörige
eines
Unterstützerkreises für den Gustloff-Attentäter David Frankfurter
und als
Mitarbeiterin, später Geschäftsführerin der „Commission on
European Jewish
Cultural Reconstruction“ (1944 bis 1952/53).
Dem Philosophen Meyer, Herausgeber einer seit 2020 erscheinenden
„Studienausgabe“ der Werke Arendts3, ist es aber vor allem
gelungen, zahlreiche
neue Quellen zu Arendts Engagement bei der Rettung von Kindern und
Jugendlichen
aus Europa während ihres Exils in Genf und Paris zusammenzutragen
und
auszuwerten. Ungefähr ein Viertel seiner fast 500-seitigen
Darstellung hat
Meyer der Jugend-Alijah und deren organisatorischen Hintergründen
eingeräumt.
Es war zwar bereits bekannt, dass Arendt sich während ihrer Zeit
in der
französischen Hauptstadt von 1934 bis 1940 in der Bewegung
engagierte (und
während dieser Phase kaum mehr etwas schrieb und nichts
veröffentlichte). Aber
Meyer kann zahlreiche wertvolle Details hinzufügen und überzeugend
verdeutlichen, wie wichtig dieser Lebensabschnitt für die Denkerin
Arendt
werden sollte.
Dies gilt etwa im Hinblick auf ihre bis heute umstrittenen
Äußerungen zu den
Ereignissen in „Little Rock“ 1957, dem Streit um die
Diskriminierung schwarzer
Schülerinnen und Schüler einer Highschool im US-Bundesstaat
Arkansas – ein
Fall, den Meyer differenziert, aber seiner Protagonistin gegenüber
keineswegs
unkritisch einzuordnen weiß; oder auch bezogen auf ihr
ambivalentes Verhältnis
zum Staat Israel, den die überzeugte Zionistin Arendt, die 1935
einige der
geretteten Kinder selbst nach Palästina begleitet hatte, wegen des
aus ihrer
Sicht historisch diskreditierten Nationalstaatskonzepts ablehnte.
Sie verfolgte
eine andere Staatsidee, die in heutigen Maßstäben einer
konföderativen
„Einstaatenlösung“ nahekommt und die sie in einem von Meyer
übersetzten
Interview der „New York Post“ 1946 konkretisierte: „Eine Jordan
Valley
Authority sollte eingerichtet werden, um das Land zu entwickeln.
Palästina
könnte dann so viele Juden und Araber aufnehmen, wie es möchte.
Lokale Räte
dieser beiden Völker könnten eine Grundlage für eine neue
politische Struktur
bilden.“ (S. 243)
Wie andere längere zitierte Quellen in der Biografie, darunter
zahlreiche
Briefe von und an Arendt, Gutachten und Referenzschreiben für sie
sowie ein zum
Ausgang der biografischen Darstellung genommener, selbst
verfasster Lebenslauf
Arendts vom Mai 1941 (S. 19–21) ist der Interviewtext aus der „New
York Post“
in einer Schreibmaschinen-Typografie vom übrigen Fließtext
abgesetzt – eine
originelle Gestaltungsidee, die sofort ins Auge fällt und die
Zeitgebundenheit
der Texte anschaulich macht.
Biografietheoretisch interessant ist Meyers Anwendung des bei Karl
Mannheim
entlehnten, später auch von Reinhart Koselleck aufgenommenen
Begriffspaares
„Erfahrungsraum“ und „Erwartungshorizont“, dem Meyer einen von
Arendt zuerst in
„Vita activa“ (1960) entwickelten „Erscheinungsraum“ zur Seite
stellt. En
détail zeichnet Meyer den mit dem Jahr 1933 völlig zerstörten
„Erfahrungsraum“
Arendts aus Herkunft und Kindheit in einer assimilierten
bürgerlichen
Königsberger Kaufmannsfamilie, Studium in Marburg und Heidelberg
und Promotion
bei Karl Jaspers mit einer Arbeit zu Augustinus nach. Im Pariser
Exil sowie mit
dem Wissen um Auschwitz und die Shoah war Arendt dann jeder
„Erwartungshorizont“ genommen, und sie musste an einem neuen
„Erscheinungsraum“
arbeiten, als dessen Ergebnis Meyer vor allem ihr 1951
publiziertes Werk „The
Origins of Totalitarianism“ sieht, dem vier Jahre später mit
„Elemente und
Ursprünge totaler Herrschaft“ eine inhaltlich differente deutsche
Ausgabe
folgte.
Den „Origins“ widmet Meyer eines seiner zehn Kapitel in der nicht
durchgehend
chronologischen Darstellung, während er alle anderen Bücher
Arendts gemeinsam
in einem weiteren Kapitel bespricht, in dem sich auch inhaltliche
Fehler
finden. So erschien das Original von Raul Hilbergs „The
Destruction of the
European Jews“ 1961 in einem einzigen voluminösen Band. Erst
später – 1985 in
den USA und 1990 in Deutschland – wurde es ergänzt und erweitert
in drei Bänden
herausgegeben. Meyer tut Hilbergs Darstellung Unrecht mit der
Behauptung,
dessen Werk, das von einer Akribie für Zahlen geprägt war und im
Anhang eine
eigens erstellte Berechnung der Gesamtzahl der Holocaust-Opfer
enthielt, habe
„nicht in Ansätzen auf ähnliches Zahlenmaterial [wie Arendt]
zurückgreifen
können“ (S. 443). Und Christopher Brownings Studie „Ordinary Men“
(1992) untersuchte
eben nicht „ganz normale Männer“ der SS (S. 307), sondern die
Angehörigen eines
Reserve-Polizeibataillons.
Ein Buch von mehreren hundert Seiten enthält wohl unvermeidlich
solche
Detailfehler und auch einige Längen. Nicht immer ist Meyers
Darstellung ein
reines Lesevergnügen. Wenn er Arendt in ihrem Buch „Vita activa“
(1960) einen
„mäandernden Stil“ attestiert (S. 433), dann bewahrheitet sich
wieder einmal
das Bonmot, dass Biografien mindestens so viel über Biografierende
wie über
Biografierte offenbaren. Die Aussageabsicht manch umständlicher
Satzkonstruktionen Meyers wird auch beim zweiten Lesen nicht
klarer. Andere
Sätze haben in ihrer Prägnanz geradezu literarische Qualität:
„Hannah Arendt
war eine Jüdin aus Königsberg.“ (S. 35) Einige Charakterisierungen
etwa von
Heinrich Blücher („wie gesagt ein Frauentyp, heute hier, morgen
dort“, S. 165)
und von Martin Heidegger („dem Träger eigenwillig modischer
Anzüge“, S. 73)
sind dagegen etwas schräg geraten. Begriffsschöpfungen wie
„Porno-Antisemiten“
(S. 293) oder „Qualmgrazie“ (S. 319) wirken deplatziert. Und
Meyers Nachweise
von Quellen sind nicht völlig konsistent – Fußnoten setzt er nur
sehr sparsam,
und dem Buch fehlt ein Verzeichnis der verwendeten
Sekundärliteratur.4
Über Hannah Arendt eine neue Biografie vorzulegen, war in
Anbetracht der Fülle
schon vorhandener Literatur und auch angesichts des 1986 auf
Deutsch
erschienenen Standardwerks zu Leben und Werk Arendts aus der Feder
ihrer
Schülerin und einzigen Doktorandin Elisabeth Young-Bruehl5 ein mutiges und letztlich
gelungenes
Vorhaben, für das Meyer Respekt zu zollen ist, auch wenn er nicht
„Die
Biografie“ vorgelegt hat. Dieser etwas vollmundige Untertitel mag
verlegerischen Marketing-Gesichtspunkten geschuldet sein. Denn
selbstverständlich hat auch Meyers Arendt-Biografie Lücken,
beispielsweise in
der Rezeptionsgeschichte. Andere Leerstellen sind einer mangelnden
Quellenlage
geschuldet, wie der Autor selbst einräumt.
Aber Meyer hat sich für eine Darstellung entschieden, die ihre
Schwerpunkte
entlang neuer Quellenfunde und bislang wenig beachteter Dokumente
und Aspekte
ihres Lebens setzt. So gibt es in dieser Biografie, die der Autor
„eine Reihe
von Annäherungen“ nennt (S. 31), ein sehr anregendes Kapitel über
Arendts
Verhältnis zur Literatur und ein aufschlussreiches über die
„Medienintellektuelle“
Hannah Arendt zu entdecken, die zugleich ein „Medienprofi“ war und
ihren
anhaltenden Ruhm nicht zuletzt ihrem virtuosen Umgang mit den in
ihrer
Lebenszeit neu etablierten Massenmedien Radio und Fernsehen
verdankt.6 Meyer macht deutlich, dass
Arendt das
„Wagnis der Öffentlichkeit“, so ihre eigenen Worte, nicht scheute,
selbst wenn
dies schon damals Reaktionen hervorrief, die wir heute als „Cancel
Culture“
oder „Shitstorm“ bezeichnen würden: Publikationszusagen wurden
zurückgezogen
und langjährige Freundschaften beendet. Doch Arendts Denken lebte
vom
Widerspruch gegen den Zeitgeist, wie etwa das eingangs zitierte
Gaus-Interview
beweist, das bis heute millionenfach im Netz abgerufen wird.
Und auch mit seiner instruktiven Biografie hat Meyer den Geschmack
des
Publikums getroffen: Das Buch, eine Weile auf der Bestsellerliste
des „Spiegel“
und auf Platz 1 der Sachbuchbestenliste der „Zeit“, hat inzwischen
die vierte
Auflage erreicht und ist zudem als Hörbuch erhältlich. Eine
englische Ausgabe
ist in Vorbereitung, und Übertragungen in 20 (!) weitere Sprachen
sollen
geplant sein, wie kürzlich bei einer Buchvorstellung in Berlin
bekannt wurde.7
Anmerkungen:
1 Siehe https://www.youtube.com/watch?v=J9SyTEUi6Kw
(14.03.2024). Eine Transkription findet sich unter https://www.rbb-online.de/zurperson/interview_archiv/arendt_hannah.html
(14.03.2024).
2 Paul Bentin, Eine politische
Aktivistin?,
in: Jüdische Allgemeine, 19.10.2023, S. 21, https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/eine-politische-aktivistin/
(14.03.2024).
3 Siehe https://www.piper.de/hannah-arendt-und-die-banalitaet-das-boesen
(14.03.2024). Es sind bereits acht Bände in der Reihe erschienen.
Für den Mai
2024 angekündigt ist der erste Band einer neuen von Meyer
herausgegebenen
vierbändigen Sammlung aller deutschsprachigen oder ins Deutsche
übertragenen
Zeitungsartikel und Aufsätze Arendts, darunter auch bislang
unveröffentlichte
Texte: https://www.piper.de/buecher/vortraege-und-aufsaetze-1930-1938-isbn-978-3-492-31839-6
(14.03.2024). Davon zu unterscheiden ist die Kritische
Gesamtausgabe der Werke
Arendts, ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes
umfassendes
Editionsprojekt, dessen gedruckte Bände im Wallstein-Verlag
erscheinen und
jeweils ein Jahr später im Open Access auf der Projektwebsite
zugänglich sind: https://www.arendteditionprojekt.de
(14.03.2024). Meyer sieht seine „Studienausgabe“ ausdrücklich
nicht in
Konkurrenz zu diesem Projekt; vgl. sein Vorwort in der erweiterten
Neuausgabe
von Hannah Arendt, Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der
Banalität des
Bösen, München 2022, S. 7.
4 Selbst ein wesentlich
schmalerer Arendt-Band
(Werner Renz, ad Hannah Arendt. Eichmann in Jerusalem. Die
Kontroverse um den
Bericht „von der Banalität des Bösen“, Hamburg 2021, 191 S.)
enthält allein in
einem Kapitel mehr Fußnoten als Meyers gesamtes Buch.
5 Elisabeth Young-Bruehl,
Hannah Arendt.
Leben, Werk und Zeit. Aus dem Amerikanischen von Hans Günther
Holl, Frankfurt
am Main 1986 (und öfter). Die englische Originalausgabe erschien
bereits 1982,
nur sieben Jahre nach Arendts Tod, unter dem Titel „Hannah Arendt.
For Love of
the World“ in der Yale University Press. Aktuellere einschlägige
Biografien
sind unter anderem: Annette Vowinckel, Hannah Arendt, Stuttgart
2006, 2.,
durchgesehene und ergänzte Aufl. 2014; Laure Adler, Dans les pas
de Hannah
Arendt, Paris 2005; Kurt Sontheimer, Hannah Arendt. Der Weg einer
großen
Denkerin, München 2005.
6 Zuletzt hat Meyer dem
Verhältnis von Arendt
zu den Medien auch einen hörenswerten Essay im „Nachtstudio“ von
Radio Bayern 2
gewidmet: https://www.br.de/radio/bayern2/programmkalender/ausstrahlung-3451650.html
(14.03.2024), inklusive einer KI-generierten Stimme Hannah
Arendts. Arendt
selbst wurde in den ersten Nachkriegsjahrzehnten oft als Gast in
die Sendung
„Nachtstudio“ eingeladen.
7 Siehe https://www.youtube.com/watch?v=S3-w0PnAtl0
(14.03.2024).
Zitation
René Schlott, Rezension zu: Meyer, Thomas: Hannah Arendt. Die
Biografie. München
2023 , ISBN 978-3-492-05993-0, In: H-Soz-Kult, 19.03.2024, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-141042>.