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2024/02/12 08:36:56 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Wege der Donauschwaben und vorhandene Forschungsquellen vor allem der josefinischen Ansiedlung |
Datum | 2024/02/13 08:52:52 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Neues Buch „Deutsche Auswa nderer Franz und Nikolaus Dill“ |
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2024/02/09 12:26:54 Horst-Dieter Göttert via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Regionalforum-Saar Nachrichtensammlung, Band 230, Eintrag 10 |
Betreff | 2024/02/01 11:50:00 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Stellenausschreibung des Vereins f ür Landeskunde im Saarland e.V. (VLS) |
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2024/02/12 08:36:56 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Wege der Donauschwaben und vorhandene Forschungsquellen vor allem der josefinischen Ansiedlung |
Autor | 2024/02/13 08:52:52 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Neues Buch „Deutsche Auswa nderer Franz und Nikolaus Dill“ |
Date: 2024/02/13 08:36:55
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Brückle, Wolfgang; Mader, Rachel; Polzer, Brita
(Hrsg.): Die
Gegenwart des Denkmals. Auslegung, Zerstörung, Belebung. Zürich
2023 : diaphanes,
ISBN 978-3-0358-0546-8 525 S. € 50,00
Faludi, Christian; Zänker, Stephan (Hrsg.): Nichts ist so
unsichtbar wie ein
Denkmal [für Ernst Thälmann]. Zur Geschichte eines umstrittenen
Erinnerungsortes. Göttingen 2023 : Wallstein
Verlag, ISBN 978-3-8353-5379-4 168 S. € 22,00
Shanken, Andrew M.: The Everyday Life of Memorials New York 2022 :
Zone
Books, ISBN 978-1-9421-3072-7 435 S. $ 35.00
Thompson, Erin L.: Smashing Statues. The Rise and Fall of
America's Public
Monuments. New York 2022 : W.W.
Norton & Company, ISBN 978-0-3938-6767-1 264 S. $ 15.95
Widrich, Mechtild: Monumental Cares. Sites of History and
Contemporary Art. Manchester
2023 : Manchester
University Press, ISBN 978-1-5261-6811-5 238 S. £ 25.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von Tanja Schult,
Department of
Culture and Aesthetics, Stockholm University
Die Konventionen des bürgerlichen Denkmals bildeten sich nach der
Französischen
Revolution heraus. Bei den Stadtumwandlungen des 19. Jahrhunderts
gehörte das
Denkmal auf den neu angelegten Plätzen und in den Parks einfach
dazu.
Inflationär wurden Denkmäler in die expandierenden Städte
gepflanzt (Shanken,
Life, S. 92, S. 132–135) – von London bis Kapstadt wurden so
Schriftsteller,
Komponisten und Erfinder geehrt. Dieses Inventar umgibt sich mit
einer Aura des
schon immer Dagewesenen und insistiert auf Bleiberecht.
Doch seit den Protestbewegungen Rhodes Must Fall (2015) und Black
Lives Matter
(ab 2013 bzw. verstärkt ab 2020) wurden diese naturalisierten
Platzhalter
weltweit infrage gestellt, zumindest in demokratischen
Gesellschaften. Das eine
oder andere Denkmal musste tatsächlich weichen – darunter eben
auch die
Rhodes-Statue an der Universität Kapstadt (was allerdings, vor
allem in
Südafrika, eine Ausnahmeerscheinung darstellt1). Etwas ist aber heute
grundsätzlich
anders als in Zeiten früherer Denkmalstürze: Es geht in der Regel
nicht darum,
ein Regime oder ideologisches Modell durch ein anderes zu
ersetzen. Das
Interessante an den jetzigen Denkmalstreitigkeiten ist, dass sie
gerade keinen
Regimewechsel wollen. Im Gegenteil: Sie wollen demokratische
Gesellschaften
demokratischer machen; nicht nur, aber auch durch die Umgestaltung
des
öffentlichen Raums. Die hier zu besprechenden Publikationen
beschäftigen sich
alle mit der Frage der Relevanz von Denkmälern in Demokratien.
Denkmalstreit und
Denkmalsturz als
Handlungsoptionen
In „Smashing Statues“ widmet sich Erin L. Thompson nicht nur dem
Sturz, sondern
auch der Entstehung amerikanischer Denkmäler. Teil I des Buches,
Rising,
behandelt die Anfänge moderner Denkmalkultur in den USA. Diese
Zeit beginnt
nicht mit der Errichtung eines Denkmals, sondern mit einem
Denkmalsturz: der
Zerstörung der Reiterstatue von George III. 1776 in New York. Die
Protestierenden sahen es als ihr Recht an, den britischen König
als Symbol
kolonialer Unterdrückung vom Sockel zu stürzen und sein Abbild zu
zerstören.
Thompson hat in Archiven gegraben und sich kritisch durch die
umfangreiche
Literatur gelesen. Sie zeigt die Ausbeutungs- und
Abhängigkeitsverhältnisse
hinter den scheinbar so unschuldigen Symbolen US-amerikanischen
Selbstverständnisses. Die dem Denkmalsturz nachfolgende Welle
neuer Setzungen
war durchweg geprägt von den Produktionsbedingungen der
Sklavenhaltung. Diese
physischen Marker folgten also von Anfang an nicht dem Grundsatz
der
Gleichheit. Der große nationale Selbstbetrug der US-amerikanischen
Gesellschaft
war und ist, dass Gleichheit und Freiheit vor allem die weiße
Einwanderergesellschaft meinen, die die Indigenen verdrängt hatte
und schwarze
Menschen ausbeutete. Die Denkmalproteste als Reaktion auf die
Ermordung von
George Floyd im Jahr 2020 haben ihre Ursache darin, dass die
US-amerikanische
Gedenklandschaft – wie die Gesellschaft an sich – weiter stark von
Ideen weißer
Vorherrschaft geprägt ist. Für den Wandel hin zu einer gerechteren
Gesellschaft
ist es unerlässlich, sich dieser kontaminierten Gedenklandschaft
zu stellen.
Selbst wenn eine solche Überzeugung nicht allgemein geteilt wird,
hat sie
neuerdings an Rückhalt gewonnen.2 Denkmäler sind untote
Wiedergänger
(Shanken, Life, S. 352), deren einstige Bedeutung durch
Denkmalstreitigkeiten
erneut zum Leben erweckt wird, sich durch diese Kontroversen meist
aber auch
verschiebt. Tatsächlich sind es gerade die gegenwärtigen
Denkmalkonflikte, die
zum Neu-Sehen der steinernen Hinterlassenschaften einladen und die
Beteiligten
anregen zu überlegen, wer sie als Gesellschaft sein wollen (ebd.,
S. 14).
Obgleich bereits in der Einleitung zur Anthologie „Die Gegenwart
des Denkmals“3 betont wird, dass die
Beseitigung von
Denkmälern nicht einer Auslöschung von Geschichte gleichkommt und
solche
Pauschalisierungen schlicht ahistorisch sind (Brückle / Mader /
Polzer,
Gegenwart, S. 11), wird dieses irrige Argument im selben Band
dennoch
angeführt, ausgerechnet von Aleida Assmann, die zudem behauptet,
Denkmäler
seien „jahrhundertelang“ vergessen gewesen und nun plötzlich –
„durch einen
Normenwandel in der Gesellschaft“ und erst infolge von Migration –
Gegenstand
von Diskussionen geworden (ebd., S. 89). Thompson hält solcher
Argumentation
entgegen (mit Blick auf eine US-amerikanische Gesellschaft, die
seit 500 Jahren
vom Sklavenhandel geprägt ist), dass die Entscheidungsmacht, für
wen oder was
Denkmäler errichtet werden und ob diese stehen bleiben dürfen,
äußerst
ungerecht in der Gesellschaft verteilt ist. Menschen, die
jahrelang gegen
Denkmäler protestierten, wurden systematisch ignoriert. Sie sehen
in der
Vandalisierung oder dem Denkmalsturz ein letztes Mittel, überhaupt
eine
Reaktion auf ihr Anliegen zu erhalten (Thompson, Statues, S. 33).
So dauerte es
Jahrzehnte, bis es im Juni 2020 zum Sturz der
Edward-Colston-Statue in Bristol
kam, wie es Andrea Bruggmann in ihrem hervorragenden Artikel zeigt
(Brückle /
Mader / Polzer, Gegenwart, S. 231).
Anders als Assmann argumentiert im gleichen Sammelband Jules Pelta
Feldman, die
sich intensiv mit dem Mythos der Geschichtsauslöschung durch
Denkmalsturz
auseinandersetzt. Feldman verteidigt Denkmalstürze und macht
deutlich, dass wir
uns der Logik der auf uns gekommenen Denkmäler nicht unterwerfen
müssen. Gerade
wenn wir Denkmälern Wirkungsmacht zugestehen und diese Objekte
bestimmte Werte
transportieren, die den demokratischen Idealen fundamental
entgegenstehen,
haben wir laut Feldman nicht nur das Recht, sondern auch die
Pflicht, diese dem
Stadtraum wieder zu entziehen (Brückle / Mader / Polzer,
Gegenwart, S. 145).
Das hat nichts mit Geschichtsvergessenheit oder -auslöschung zu
tun. Es geht um
den Entzug der Ehrerbietung, die ein Personendenkmal immer
impliziert
(Thompson, Statues, S. 171). Feldman erinnert daran, wie bei der
Bewertung von
Denkmalstürzen mit zweierlei Maß gemessen wird. Während es einigen
Kritiker:innen einleuchtet, dass nach dem Ende der Sowjetunion
oder des Regimes
von Saddam Hussein Denkmäler fallen mussten, um von
menschenverachtenden
Systemen Distanz zu gewinnen, schelten teils dieselben Personen
das Entfernen
von Denkmälern für Sklavenhändler als Auslöschung der Geschichte.
Da Denkmal und Denkmalsturz seit der Antike zusammengehören, gilt
es, den
Denkmalsturz zu entdramatisieren (Shanken, Life, S. 301). Das
Beispiel des
gestürzten Colston und dessen Umzug ins Museum zeigen, dass die
Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus dadurch keineswegs
beendet war. Im
Gegenteil: Erst dank der musealen Kontextualisierung kommt es zu
einer breiten
Aufarbeitung vergangenen Unrechts und seiner Nachwirkungen in der
Gegenwart.
Feldman legt überzeugend dar, dass die Neukonzipierung oder
Beseitigung von
Denkmälern, die in bestimmten späteren Konstellationen als
„toxisch“ empfunden
werden, keine Abkehr von Verantwortung ist, sondern ein Bekenntnis
zur
Erinnerungsarbeit. Demnach sind Denkmalstürze Versuche, das
kollektive
Gedächtnis einer Auffrischung zu unterziehen. Die
Auseinandersetzung mit der
Vergangenheit erfolgt gerade auch durch das Abarbeiten an den
etablierten
Zeichensetzungen.
Es ist eher verhängnisvoll, wenn diese Form der Konfrontation
nicht erfolgt –
wie es Barbara Kristina Murovec am Beispiel der fast unverändert
gebliebenen
Stadtlandschaft Ljubljanas hervorhebt (Brückle / Mader / Polzer,
Gegenwart, S.
189–209). Nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens wurden die meisten
Denkmäler in
der slowenischen Hauptstadt aus den vorangegangenen Jahrzehnten
weder zerstört
noch musealisiert. Stattdessen wurden sie genutzt, um „in
ideologisch-nostalgischer Verbrämung die Werte der kommunistischen
Revolution
[zu] bewahren“ (ebd., S. 192). Im Großen und Ganzen blieben die
Manifestationen
alter Wertvorstellungen erhalten. Wenn uns die Vehemenz der
gegenwärtigen
Denkmalstürze mitunter auch verstören mag, sind sie vor diesem
Hintergrund doch
eigentlich ein gutes Zeichen. Das Abarbeiten an Denkmälern birgt
eine Chance;
es kann – wie im Fall Colston – zur Revision des Selbstbildes und
zu einem
neuen Gemeinschaftssinn führen.
Stehen Denkmäler auch stramm und starr da wie unverrückbare
Wahrheiten, sind sie
doch keine Quellen über die historischen Ereignisse oder Personen,
an die sie
erinnern, selbst wenn sie immer wieder so gesehen werden (Shanken,
Life, S.
35). Vielmehr geben sie Aufschluss darüber, wie zu einem
bestimmten Zeitpunkt
an ein bestimmtes Ereignis oder eine Person erinnert wurde. Oft
geschieht dies
in einem großen zeitlichen Abstand (ebd., S. 295f.). Die
realisierten Werke
spiegeln also in erster Linie die Wertvorstellungen der
Denkmalsetzer:innen
wider (S. 26, S. 287). Sie können durchaus dazu ermuntern, an
einen
historischen Moment zu erinnern oder sich damit
auseinanderzusetzen. Mit ihnen
steht und fällt aber nicht das geschichtliche Wissen. Diese
Einsichten sind
keineswegs neu, doch ist es immer wieder wichtig, sie zu
vergegenwärtigen.
Wenn wir zudem erkennen, dass es oft einfach (männliche)
Eitelkeit, Ruhmsucht
und Größenwahn waren, die zu Durchführung der absurdesten
Denkmalvorhaben
führten, wird eine Entfernung dieser Objekte denkbar. Am Beispiel
Gutzon
Borglums (1867–1941) zeigt Thompson, wie Künstler Denkmalvorhaben
strategisch
nutzten, um ihre Karriere anzukurbeln und wirtschaftlich davon zu
profitieren
(Thompson, Statues, S. 19, S. 63–95). Borglum hängte wiederholt
das Mäntelchen
nach dem Wind und schreckte vor einer Mitgliedschaft im
Ku-Klux-Klan nicht
zurück, um das Stone Mountain Memorial bei Atlanta zu
verwirklichen. Nach
Streitigkeiten über dieses Projekt widmete er sich, auch aus
finanzieller Not,
in den 1920er- und 1930er-Jahren mit gleicher Hingabe Mount
Rushmore in South
Dakota. Diese gigantischen Bildhauerarbeiten locken jährlich
Millionen von
Tourist:innen.
Was tun mit ererbten
Denkmälern?
Der zweite Teil von Thompsons Buch, Falling, widmet sich der
Frage, was mit den
auf uns gekommenen Zeugnissen geschehen soll.
Konföderierten-Denkmäler
visualisieren Ideen weißer Vorherrschaft. Sie waren Statements
darüber, wer die
Stadt kontrollierte, und sollten schwarze Amerikaner:innen
einschüchtern. Zwar
waren sie nur ein Machtmittel neben anderen (wie dem fehlenden
Wahlrecht für
Schwarze, den Lynchmorden etc.), aber sie waren sichtbar, Tag und
Nacht: Sie
wurden bewusst vor Gerichtsgebäuden aufgestellt – an Orten, die
eigentlich für
demokratische Teilhabe und Rechtsprechung standen. Schwarzen wurde
immer aufs
Neue eingebläut, dass sie Staatsbürger zweiter Klasse waren.4
Die meisten Autor:innen sind sich einig, dass visuellen
Platzhaltern weißer
Vorherrschaft, von Kolonialismus oder patriarchalen Ordnungen
heute kritisch
begegnet werden muss (Thompson, Statues, S. 57; Brückle / Mader /
Polzer,
Gegenwart, S. 299). Nur wie dies geschehen soll, darin besteht
keine Einigkeit.
Mitunter werden diese Machtdemonstrationen aufgrund ihrer
künstlerischen
Gestaltung als bewahrenswert angesehen, was aber nicht
zwangsläufig ihren
Fortbestand im öffentlichen Raum impliziert. Überkommene Denkmäler
als
Lehrstücke, quasi zur Abschreckung stehen zu lassen, spielt die
Erfahrungen von
Menschen herunter, die weiter unter Rassismus, Antisemitismus,
Imperialismus
und Sexismus leiden, wie es Pelta Feldman überzeugend darlegt. Es
ist naiv zu
glauben, solche Denkmäler hätten keine Attraktionskraft, dienen
sie doch
rechtsradikalen Gruppen nicht selten als Versammlungsort. Zudem
zeigt der
Aufschrei über eine mögliche Entfernung umstrittener Denkmäler,
dass die Werte,
für die sie stehen, tatsächlich noch relevant sind (Shanken, Life,
S. 300).
Ginge es nur darum, historische Zeitschichten zu konservieren,
wären eine
Verlagerung ins Museum oder eine digitale Dokumentation annehmbare
Alternativen. Wann ist ein Denkmal so kontaminiert, dass es aus
dem
öffentlichen Raum entfernt werden sollte, und wer entscheidet
darüber?
Letztlich geht es hier auch um Ressourcenverteilung: Innerhalb der
vergangenen
zehn Jahre wurden in den USA 40 Millionen Dollar für den Erhalt
von
Konföderierten-Gedenkorten ausgegeben (Thompson, Statues, S. 154).
Thompson stellt dar, wie der Denkmalschutz nicht einfach
erhaltenswürdiges
Kulturgut schützt, sondern etablierte Machtverhältnisse zementiert
(Statues, S.
181). In den USA hat die schwarze Bevölkerung die Mythenbildung
der Konföderierten-Denkmäler
von Anfang an durchschaut und sich dagegen gewehrt, obgleich das
Aufbegehren
gegen diese Herrschaftszeichen mitunter lebensgefährlich war.
Heute steht die
Vandalisierung oder Zerstörung von Denkmälern unter Strafe. Es ist
äußerst schwierig
(und in den USA aufgrund der seit 2015 verschärften Gesetzgebung
ganz
besonders), selbst höchst problematische Denkmäler auf legalem
Wege zu
entfernen (ebd., S. 119). Dies geht soweit, dass in manchen
Bundesstaaten
selbst ein Verrücken untersagt ist. Thompson zeigt, dass es gerade
diejenigen
sind, die sich eifrig gegen Cancel Culture aussprechen, die
jegliche
Veränderung canceln (S. 194). Wer im öffentlichen Raum etwas
ändern will, wird
zu zivilem Ungehorsam gezwungen.
In ihrer radikalen Forderung, Denkmäler einzuschmelzen, die weiße
Vorherrschaft
proklamieren und damit Schwarzen weiter das Gefühl geben,
unerwünscht zu sein
(S. 44), unterscheidet sich Thompson von den meisten anderen
Autor:innen. Für
sie ist es keine Lösung, solche Denkmäler an den Stadtrand oder
auf Friedhöfe
umzusetzen. Sie vergleicht das mit einem Priester, der sich an
Kindern
vergangen hat. In einem Dorf mag er weniger Kindern begegnen als
in der Stadt,
aber kein einziges Kind darf Gewalt ausgesetzt werden (Thompson,
Statues, S.
170). Thompson zufolge ist es der Selbstfindung sich wandelnder
Gesellschaften
durchaus zuträglich, vorhandene Denkmäler kritisch auf ihre
Existenzberechtigung hin zu befragen (S. 182). Manchmal brauche es
Tabula rasa,
um Neuanfänge zu ermöglichen.
Vor diesem Hintergrund erstaunt das zähe Festhalten am 1958
eingeweihten
Denkmal für Ernst Thälmann auf dem Weimarer Buchenwaldplatz. Der
von Christian
Faludi und Stephan Zänker herausgegebene Sammelband hat seinen
Ursprung in den
heftigen Debatten, die der von den Verfassern im November 2021
selbst
initiierten, kurzfristigen Verhüllung des Weimarer Denkmals
folgten. Es dauert
gute 90 Seiten (und eigentlich bis S. 126), bevor erläutert wird,
wer Thälmann
war. Der von Nationalsozialisten ermordete KPD-Vorsitzende wurde
in der DDR zu
propagandistischen Zwecken ausgebeutet, gerade auch um Walter
Ulbrichts eigenen
Führungsanspruch zu legitimieren (Faludi in Faludi / Zänker,
Denkmal, S. 60).
Ohne Zweifel diente dieser prominenteste Vertreter des
kommunistischen
Widerstands als Symbolfigur des antifaschistischen Gründungsmythos
der DDR
immer wieder als Projektionsfläche. Der staatsoffizielle
Thälmann-Kult blieb
bis zum Ende der DDR unwidersprochen. Ausgeklammert wurde, dass
der
Moskau-treue Thälmann und seine Anhänger zur Destabilisierung der
Weimarer
Republik beigetragen und so den Nationalsozialisten den Weg
bereitet hatten
(Annette Leo in Faludi / Zänker, Denkmal, S. 126–129). Aber
braucht die
demokratische Erinnerungskultur in Deutschland wirklich einen
Christo-Effekt
für das Denkmal, um sich weiter an diesem männlichen Personenkult
abzuarbeiten?
Das Plädoyer für die Erhaltung des Monuments, um damit das
SED-Regime und seine
im Stadtraum gewachsenen Geschichtsverdrehungen zu entlarven,
verkennt, dass
diese komplexen Strukturen schwer verständlich sind. Aufgabe des
Stadtraums ist
es nicht, permanent Geschichtslektionen anzubieten. Eine kritische
Aufarbeitung
Thälmanns kann auch erfolgen, ohne dass das Ehrenmal im
öffentlichen Raum
stehenbleibt. Der Band ist ein wichtiger Beitrag zur lokalen
Erinnerungskultur
(mit einem sehr lesenswerten Beitrag Annette Leos zum 1986
eingeweihten
Thälmann-Denkmal in Berlin-Pankow), von dem man sich jedoch
gewünscht hätte,
dass er der internationalen Forschung mehr Beachtung geschenkt
hätte.
Einigkeit im Umgang mit Denkmälern herrscht zumindest in einem
Aspekt: Es ist
nicht bedeutungslos, wer und was im öffentlichen Raum zu sehen
ist, denn
potenziell können diese Visualisierungen weiter Vorstellungen von
Geschichte
prägen und alternative Geschichtsbilder daran hindern,
Sichtbarkeit zu erlangen
(vgl. Thompson, Statues, S. 148). Wie können wir demokratische
Strukturen
schaffen, die nicht nur zur Errichtung neuer Denkmäler führen,
sondern auch zur
Entfernung solcher Denkmäler, die als überholt oder
diskriminierend empfunden
werden? Diejenigen Gruppen, die jetzt Denkmäler stürzen wollen,
werden mitunter
als nicht-repräsentativ für die Mehrheitsgesellschaft angesehen.
Allerdings
wurden auch die Denkmäler, die unsere Städte bis heute dominieren,
zumeist von
einer kleinen Gruppe einflussreicher Personen errichtet. Wer
profitiert davon,
dass bestimmte Denkmäler stehenbleiben?
Denkmalwollen und Alltag
Während Denkmäler immer wieder als Ausdruck nationalen
Selbstverständnisses
untersucht werden (so von Imke Girßmann am Beispiel des seit
langem geplanten
Berliner Freiheits- und Einheitsdenkmals in Brückle / Mader /
Polzer,
Gegenwart), zeigt der Architekturhistoriker Andrew M. Shanken,
dass die
Erwartung, ein Denkmal solle an jemanden oder etwas erinnern, nur
eine von
vielen Funktionen ist (Life, S. 31). Shanken interessiert sich für
das
Zusammenspiel von Stadtentwicklung und Denkmalaufstellung bzw.
-verbleib. Er
hebt hervor, dass es vielfach auch Zufälle und praktische
Notwendigkeiten wie
Fragen der Verkehrssicherheit sind, die über den Aufstellungsort
bestimmen (S.
151).
Zwar verweisen Denkmäler darauf, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt
die
Möglichkeit hatte, sich in den Stadtraum einzuschreiben. Nach oft
langwierigen
Verhandlungen und mitunter pompösen Einweihungsfeiern sind
Denkmäler aber
einfach Teil des Stadtmobiliars, wie bestrebt sie auch immer sein
mögen, etwas
Besonderes zu sein (Shanken, Life, S. 32). Der Alltag ist
allerdings ungnädig.
Denkmäler werden von Hundedreck und parkenden Autos, blinkenden
Reklameschildern und ratternden Straßenbahnen in Mitleidenschaft
gezogen. Sie
werden durch Luftverschmutzungen verunreinigt, werden
vernachlässigt oder
verfallen. Sie sind Wetter und Jahreszeiten ausgeliefert.
Denkmalstürze sind
also längst nicht die einzige Gefahr, die den meist doch auf Dauer
angelegten
Erinnerungszeichen drohen. Vernachlässigung oder
Dekontextualisierung durch
Umplatzierung können genauso – wenngleich weniger Aufsehen
erregend – zu ihrer
Diskreditierung oder Bedeutungslosigkeit beitragen (Shanken, Life,
S. 18, S.
107, S. 193). Zudem war die Moderne oft schonungslos (S. 203) und
priorisierte
den Autoverkehr, statt die Bedeutungsaufladung von Denkmälern
durch ihre
Platzierung im Stadtraum zu respektieren. Um touristenfreundliche,
nostalgisch
verklärte, scheinbar historische Innenstädte zu kreieren, verkam
das Denkmal
vielerorts zu einem pittoresken Stadtverschönerungsobjekt (S. 180,
S. 189, S.
199).
Denkmäler sind eben vieles gleichzeitig. Manches davon
widerspricht sich. An
sie werden hohe moralische, ja kathartische Erwartungen geknüpft,
doch
tatsächlich werden sie oft übersehen oder zu ganz anderen als den
intendierten
Zwecken genutzt (Shanken, Life, S. 8f., S. 17, S. 321–354). Die
Wahrnehmung
eines Werks hängt immer auch von den jeweiligen Rezipient:innen ab
(ebd., S.
22, S. 27, S. 97). An manchen Tagen laufen wir gleichgültig an
einem Denkmal
vorbei, an anderen suchen wir es vielleicht ganz bewusst auf. Es
kann als
Treffpunkt dienen oder zur Orientierung im Stadtraum. Dabei
verfehlt das
Denkmal mitunter seine ursprünglich intendierte Funktion;
funktionslos ist es
dadurch aber nicht.
Trotz der meist starren Form ist die Bedeutung von Denkmälern
nicht statisch
(Shanken, Life, S. 15). Durch ihre Platzierung im öffentlichen
Raum sind sie
besonders anfällig für Veränderungen. Shanken zeigt, wie selbst
durch minimale
Eingriffe Bedeutungsverschiebungen entstehen (S. 61, S. 178),
zumindest
zeitweilig: Aufgeklebte Wackelaugen verleihen dem
selbstzufriedenen Dichterfürsten
eine ungewollte Komik; selbstgestrickte Kleidung auf bronzenem
Leib entblößt
die Absurdität weiblicher Nacktheit im öffentlichen Raum; und eine
Gruppe
erschöpfter, hungriger Tourist:innen, die die Stufen eines
Denkmals für einen
ihnen gleichgültigen General als Rückenlehne und Picknickplatz
nutzt, beraubt
es damit seines Anspruchs auf ernsthafte Ehrerbietung. Aber all
diese, von den
Denkmalsetzer:innen wohl kaum beabsichtigten Nutzungen laden auch
zum steten
(Neu-)Sehen der Werke ein.
Mitunter verschiebt oder verliert sich die Bedeutung von
Denkmälern, wenn sie
im Zuge von Urbanisierungsprozessen umplatziert oder ihnen andere
Werke zur
Seite gestellt werden. Shanken testet Begriffe wie „Musters“,
„Clusters“,
„Groupings“, um diese Bedeutungsverschiebung durch Ansammlung zu
verstehen, und
vergleicht die Wirkung mit derjenigen eines Eintopfs (S. 175, S.
233): Aus den
einzelnen Zutaten entsteht etwas Neues. Der Autor veranschaulicht,
dass die
Bedeutung von Denkmälern niemals fixiert ist (S. 257), auch weil
die
Wahrnehmung von und das Verhalten an diesen Zeichensetzungen sich
ständig
ändern. Zeitlichkeit und Wertewandel sind die wichtigsten
Parameter für
Neuinterpretationen von Denkmälern. Monumente, die heute als
toxisch empfunden
werden – wie diejenigen zu Ehren von Christoph Kolumbus – waren
einst
Selbstermächtigungsprojekte: Die von anderen Weißen als
minderwertig
angesehenen Italiener versuchten ihren Anspruch auf Anerkennung
einzufordern
und ihre Verbundenheit mit den USA zu demonstrieren (Thompson,
Statues, S.
103ff.). Damals spielte es keine Rolle, dass der „Entdecker“
bewohntes Land
vereinnahmte. Proteste gegen die zahlreichen Kolumbus-Denkmäler
gab es dann
aber schon seit den 1970er-Jahren. Erst in jüngster Zeit kam es zu
Konsequenzen
– einige dieser umstrittenen Statuen wurden entfernt, wie in
Chicago und San
Francisco im Jahre 2020.
Denkmalverständnis heute:
Globale
Verflechtungen und Dissens als Denkmalfunktion
Denkmäler dienten immer wieder dazu, entstehende
Nationalstaatlichkeit zu
illustrieren und zu festigen. Die seit eh und je existierenden
globalen
Verflechtungen in der Denkmalkultur wurden dabei oft übersehen.
Georg Kreis
schildert (in Brückle / Mader / Polzer, Gegenwart), wie sehr sich
das nationale
Denkmalschaffen in der Schweiz schon immer an internationalen
Entwicklungen in
der Kunst orientierte und auf transnationalen Kooperationen
beruhte, vor allem
was international tätige Künstler betraf. Thompson erinnert daran,
dass die
Denkmalproduktion in den USA jahrzehntelang auf den
(kostspieligen) Import von
kunsthandwerklichem Können aus Europa angewiesen war. Besonders
relevant für
die aktuellen Denkmaldebatten sind Izabel Barrosʼ
Reflexionen. Sie verweist darauf, dass durch Denkmäler geehrte
Persönlichkeiten
Teil einer globalen Geschichte waren (wie Kolumbus oder Colston)
und dass der
Umgang mit dieser Geschichte daher nicht bloß national oder lokal
gedacht
werden kann. Sie plädiert dafür, „eine globale Geschichte global
zu erzählen
und eine verstrickte Geschichte verstrickt zu erzählen“. Dabei
geht es nicht
nur darum, nicht-weiße Menschen an Aufarbeitungsprozessen
teilhaben zu lassen,
sondern nicht-europäische Wissenschaftler:innen in Forschungen und
Debatten
einzubinden (Brückle / Mader / Polzer, Gegenwart, S. 223). Es geht
um Mehrstimmigkeit,
die zu weiteren Nuancen beiträgt, jenseits der etablierten
Standarderzählung.
Dabei ist die Entfernung als toxisch geltender Denkmäler nur der
Anfang. Der
breitere Anspruch ist es, die globalen Ungerechtigkeiten, die als
Folge des
Kolonialismus weiter bestehen, transnational wiedergutzumachen.5
Die von Wolfgang Brückle, Rachel Mader und Brita Polzer
herausgegebene
Anthologie „Die Gegenwart des Denkmals“ zeichnet sich durch ihren
kunsthistorischen Schwerpunkt aus. Die spannendsten Beiträge
finden sich unter
den Überschriften „Kritik, Teilhabe und Kampf um Repräsentation“
sowie
„Zentralität und Dezentralität“. Franz Krähenbühl zeigt, dass
Denkmäler auch in
gegenwärtigen Demokratien instrumentalisiert werden können, etwa
zur
Imageaufbesserung und zu nationaler Selbstvermarktung.
Aufschlussreich ist auch
ein Beitrag Brita Polzers, der sich der Rolle von Denkmälern in
der Literatur
widmet (S. 446ff.). Weitere solcher Streifzüge, vielleicht zu
Denkmälern in
Spiel- und Reklamefilmen, wären künftig wünschenswert, um das
Wirken von Monumenten
auch jenseits des im traditionellen Sinn „öffentlichen Raums“ zu
verstehen.
Insgesamt veranschaulicht die Anthologie, wie sehr sich unsere
Annahmen davon,
was ein Denkmal ist, wie es aussieht, wer es errichtet, wie es
wirkt und
rezipiert wird, gewandelt haben. Weder ist das heutige Denkmal an
genretypische
Materialien gebunden (Granit, Marmor, Bronze) noch ist es
notwendigerweise auf
Dauer im öffentlichen Raum angelegt. Von Interesse ist zudem nicht
nur das Werk
selbst, sondern ebenso dessen aktive Nutzung sowie das Nachleben,
auch in den
von ihm ausgehenden Spinn-Offs.
In einem weiteren Beitrag bietet Brita Polzer einen historischen
Abriss über
die Entstehung und Eigenschaften des für das Genre so
einflussreichen
Gegendenkmals. Ihr Artikel zeigt anhand von sieben Fallbeispielen,
wie sich
durch die dialogische Gegenüberstellung von Denkmal und
Gegendenkmal ein „im
öffentlichen Raum materialisierte[s] Streitgespräch“ ergibt
(Brückle / Mader /
Polzer, Gegenwart, S. 166). Gegendenkmäler sind hier weit gefasst
und schließen
künstlerische Interventionen wie temporäre Lichtprojektionen mit
ein. Es geht
Polzer vor allem um das dieser Gattung zugrundeliegende Prinzip
des
Einschreibens von Gegenbotschaften, das Konfrontieren der sichtbar
aufgestellten These mit einer Gegenposition. Durch diese kritische
Befragung
wird etwas Neues erzeugt und gesellschaftliches Umdenken angeregt
(S. 185).
Verena Krieger widmet sich dem jungen Genre des dezentralen
Denkmals, das sich
durch den Aufruf zur Beteiligung, Recherchearbeit und Engagement
auszeichnet.
Das dezentrale Denkmal ist eine Form des kritisch-reflexiven
Denkmals, das sich
seit den 1980er-Jahren herausgebildet hat (Brückle / Mader /
Polzer, Gegenwart,
S. 258). Kriegers Beitrag veranschaulicht die Erneuerung des
Genres, die aus
dem Bemühen resultierte, sich insbesondere mit den
nationalsozialistischen
Menschheitsverbrechen angemessen auseinanderzusetzen (S. 256).
Dadurch hat sich
das Genre radikal revitalisiert und demokratisiert. Denkmäler
wollen nun vor
allem Denkanstöße bieten statt festgefügte Botschaften verbreiten.6 Diese Überlegungen sind
nicht unbedingt
neu, aber in Anbetracht dessen, dass Denkmalvorstellungen
hartnäckig vom
omnipräsenten bürgerlichen Denkmal geprägt sind, weiter nötig.
Anhaltende Denkmalskepsis
versus
Plädoyers für weitere Denkmalsetzungen: Formwille und
Wirkungsmacht von
Denkmälern
Nach der Lektüre dieser spannenden Beiträge verwundern die in den
Publikationen
wiederholt geäußerten Zweifel, ob es überhaupt (noch) sinnvoll
ist, Denkmäler
zu errichten (Thompson, Statues, S. 23). Christina Schröer glaubt
nicht an das
Denkmal als Medium des Aufbruchs in eine pluralistische
Gesellschaft, und
Philip Ursprung behauptet gar, das Genre stelle kein dringendes
Anliegen in der
gegenwärtigen Kunstproduktion dar; er ist überzeugt: Die goldene
Zeit der
Denkmalskulptur sei vorbei (Brückle / Mader / Polzer, Gegenwart,
S. 368, S.
402). So herrscht weiter Unsicherheit, ob Denkmäler sich durch die
Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte erneuert oder an Relevanz
verloren
haben (Shanken, Life, S. 51).
Allen wiederholt geäußerten Untergangszenarien zum Trotz: Das
Genre hat immer
wieder eine erstaunliche Resilienz und Innovationsfähigkeit
bewiesen. Dass das
nicht für die Mehrheit der Denkmäler zutrifft, hängt mit ihren
Produktionsbedingungen
und ihrer Funktionsgebundenheit zusammen, aber auch damit, dass
sich das Genre
stets aufs Neue gegen allzu eng gefasste Denkmalkonventionen und
eine
prinzipielle Denkmalskepsis behaupten muss. Das ist ermüdend.
Viele Beispiele
(gerade auch in Brückle / Mader / Polzer, Gegenwart) beweisen die
Lebendigkeit
des Denkmals als Repräsentations- und Reflexionsform. Es mag am
wiederholten
Missbrauch des Genres liegen, der eine gebetsmühlenartige
Wiederholung
akademischer Distanzierung verlangt. Solche Litanei steht im
Widerspruch zu den
vielen interessanten Beispielen jüngerer Denkmalproduktion. Eine
andere Auswahl
hätte noch eher davon überzeugen können, dass vom gegenwärtigen
Denkmalschaffen
gesellschaftlich relevante und emanzipatorische Impulse ausgehen.
Progressive
und künstlerisch überzeugende Lösungen existieren durchaus.7
Denkmäler regen auf und regen an, aber sie stellen eben immer auch
Versuche
dar, sich in einer widersprüchlichen und stets veränderlichen Welt
zurechtzufinden (Shanken, Life, S. 352). Vielleicht plädieren auch
deshalb die
meisten Autor:innen trotz aller Skepsis für weitere
Denkmalsetzungen. Nur
Thompson gibt zu bedenken, dass gerade die Leere nach einer
Denkmalentfernung
eine Chance sein kann – eine Auszeit, die Gelegenheit bietet zu
überdenken,
welche Art von Denkmal von wem zu welchem Zweck gebraucht wird.
Tatsächlich ist
es sinnvoll, wenn dem Durcharbeiten des Stadtraums Zeit gegeben
wird. Welch
fatale Folgen es hat, Unsummen in ein allzu rasches Make-over
(hier allerdings
nicht in demokratischer Absicht) zu investieren, zeigt Susanne
Hefti am
Beispiel „Skopje 2014“ (in Brückle / Mader / Polzer, Gegenwart).
Denkmäler waren seit Thomas Nipperdey, Reinhart Koselleck und
anderen lange
Gegenstand historischer Forschung. Nun erhalten sie – ähnlich wie
zur Zeit des
„Gegendenkmals“ Ende der 1980er-Jahre – wieder verstärkt die
Aufmerksamkeit der
Kunstwissenschaft. Zunehmend wird das Denkmal nicht nur als
Ausdruck der
Ideengeschichte gelesen, sondern auch auf seine Ästhetik und seine
Wirkungsmacht hin untersucht. Neben der Analyse von Formensprache,
Materialwahl
und Aufstellungsort rücken das körperliche Erfahren, die
Interaktion mit dem
Denkmal und die Aktionen an ihm in den Mittelpunkt des Interesses.
Gleichzeitig
wächst das Bewusstsein, dass klassische (kunst-)historische
Methoden nicht
ausreichen, die Wirkungsmacht von Denkmälern angemessen zu fassen.
Forschen und Schreiben über
Denkmäler
Bereits 1916 stellte sich der Intellektuelle, Journalist und
Aktivist Freeman
H.M. Murray die Frage, wie Menschen auf die
Konföderierten-Denkmäler reagierten
(Thompson, Statues, S. 60f.). Das Schreiben über Denkmäler
geschieht aber meist
weiter vom Schreibtisch aus. Doch wer die Wirkungsmacht von
Denkmälern
erforschen will, muss vor Ort sein und die lokalen Bedingungen
studieren. Harriet
Senie wies 2008 darauf hin, dass wir eigentlich sehr wenig darüber
wissen, wie
Kunst im öffentlichen Raum tatsächlich wahrgenommen wird. Meist
wird über sie
erst geschrieben, wenn sie Gegenstand eines Skandals, von
Vandalismus oder
Denkmalsturz geworden ist.8 Im Hinblick auf die hohen
Erwartungen,
die an das Genre geknüpft werden, sollten wir auch Zeit dafür
investieren, zu
untersuchen, ob sich diese Erwartungen erfüllen oder was dem im
Wege steht.
Um zu aussagekräftigen Urteilen darüber zu kommen, wie Menschen
Denkmäler in
ihrem Alltag wahrnehmen und was sie ihnen bedeuten, bedarf es
empirischer
Rezeptionsstudien. Anekdotische Betrachtungen reichen nicht aus.
Rezeptionsstudien werden aber weiter gescheut. Sie sind
zeitaufwendig und nicht
Gegenstand kunstwissenschaftlicher Ausbildung. Wohlgemeinte
ethische Auflagen
und GDPR-Anforderungen (General Data Protection Regulation) machen
solche
Studien zunehmend schwierig. Schon die Abbildung von Interaktion
an
öffentlichen Denkmälern kann dem individuellen Recht
widersprechen, nicht
abgebildet zu werden (Shanken, Life, S. 208). Denkmäler sind aber
eben mehr als
nur ästhetische Zeichensetzungen. Wie kann ihr vielfältiger
Gebrauch belegt
werden, wenn die fotografische Dokumentation eingeschränkt ist?
Die Suche nach
angemessenen Methoden sollte fortgesetzt werden.9
Durch ihre Platzierung im öffentlichen Raum gehen Denkmäler
potentiell alle
Menschen an. Das trifft insbesondere für demokratische
Gesellschaften zu. Wenn
Denkmäler außerdem mit Steuergeld finanziert werden, wird die
Frage noch
dringlicher, wie über Kunst im öffentlichen Raum geschrieben wird
und an wen
sich diese Publikationen richten. Nach über 1.500 Seiten Lektüre
fällt auf,
dass die hier vorgestellten Bücher fast alle kürzer hätten
ausfallen können.
Sie richten sich in erster Linie an ein Fachpublikum, und die
ansprechenden
Buchtitel treffen leider oft nicht den Inhalt.
Letzteres trifft vor allem auf Mechtild Widrichs „Monumental
Cares“ zu. Wie
bereits ihr früheres Buch „Performative Monuments“ (2014) weckt
auch der
Haupttitel des neuen Bandes Erwartungen, die dann nicht erfüllt
werden. Während
Widrichs erstes Buch weniger performative Denkmäler behandelt als
vielmehr
darstellt – und das sehr überzeugend –, wie Performancekunst das
Genre Denkmal
nachhaltig beeinflusst hat, lässt der Titel des neuen Buches
vermuten, dass es
darum geht, wie Denkmäler in Gebrauch genommen werden, welche
Öffentlichkeiten
an Denkmälern interessiert sind, welche Bedeutungen ihnen
zukommen, welche
Rolle sie in unseren Gesellschaften spielen, wer sie pflegt und
welche
Interessen an ihnen ausgehandelt werden. In erster Linie
untersucht die Autorin
dann aber, ob es Künstler:innen gelingt, sich dem zu stellen, was
uns heute als
monumental erscheint, im Sinne von überwältigend – wie den großen
Krisen der
Gegenwart (Kriege, Flucht, Klimawandel). Widrich vertieft das
Thema ihres
ersten Buches und will verstehen, wie sich die Kunst entwickelt
hat.
Schwerpunkt ist nun die Frage, was „Öffentlichkeit“ in einer
veränderten
Mediengesellschaft meint und wie sich verschiedene künstlerische
Praktiken mit
geschichtlichen Ereignissen auseinandersetzen, diese
materialisieren und zur
Diskussion stellen. Widrich zufolge soll das dazu beitragen, die
Bedingungen
zeitgenössischer Denkmäler besser zu verstehen (S. 6).
Doch entgegen der Ankündigung, dass Denkmäler die Hauptrolle
spielen und der
Fokus auf der Gegenwart liegt (S. 14), geht es vor allem erneut um
Performancekunst; der zeitliche Rahmen erstreckt sich bis in die
1950er-Jahre
zurück. Insgesamt ist das Buch, auch rein sprachlich, schwer
zugänglich. Wer
sich dennoch auf die theorielastigen gut 200 Seiten einlässt,
erhält ein paar
wichtige Anregungen, etwa zur Frage, inwieweit sich heutige
Wirklichkeit und
durch Mobiltelefone vermittelte Wahrnehmungen dieser Wirklichkeit
überlappen
(S. 33f.). Physische und virtuelle Räume sind kaum mehr
voneinander zu trennen
(S. 44). Das Nachleben der Denkmäler erreicht erst durch die
Vervielfältigung
in den Social Media seine große Reichweite (S. 1, S. 5f.). Für
Leser:innen, die
genuin am Thema Denkmal interessiert sind, lohnt sich das (leider
sehr kurze)
Schlusskapitel. Dort werden die Erwartungen, die der Buchtitel
weckt, am
ehesten getroffen. Es ist zu hoffen, dass damit der Grundstein für
ein weiteres
Buch gelegt wurde.
Die anderen hier ausgewählten Publikationen reflektieren mehr oder
weniger
deutlich, wie ein Neudenken von Denkmälern auch ein anderes
Schreiben über sie
nach sich ziehen sollte. Ohne Zweifel wird der Sammelband von
Brückle, Mader
und Polzer seinem Anspruch gerecht, zum Verständnis der
vielfältigen Aufgaben
und Funktionen von Denkmälern, sowohl historisch wie gegenwärtig,
beizutragen
(S. 19). Die Anthologie enthält relevante Epochenüberblicke (wie
von Georg
Kreis, einem versierten Kenner der Schweizer Denkmalgeschichte,
oder von Christina
Schröer zu Denkmalsturz und Denkmalfeier in der Französischen
Revolution), aber
auch kürzere Artikel. Das funktioniert, doch zum assoziativen
Schreiben wird
hier nicht eingeladen.
Erin Thompson, Professorin für Kunstkriminalität, wendet sich
direkt an die
Leser:innen. Sie beginnt mit einem Fallbeispiel, das sich wie ein
kleiner Krimi
liest. Auch Andrew M. Shanken (dessen Buch eigentlich aus zweien
besteht; hier
unerwähnt blieb sein Interesse daran, wie das Verhältnis zum Tod
auch das
Denkmalschaffen prägte) versucht, den trockenen akademischen Ton
zu vermeiden.
Mitunter wirkt das etwas zu verspielt und langatmig. Aber wenn er
zeigt, dass
die durch Stau erzwungene Nahsicht eines auf eine Verkehrsinsel
ausgelagerten
Denkmals dessen erzwungene Trivialität begrübeln lässt, wird das
Buch zum
reinen Lesevergnügen (Shanken, Life, S. 157).
Anmerkungen:
1 Zur dortigen Übergangszeit
siehe Sabine
Marschall, Landscape of Memory. Commemorative Monuments, Memorials
and Public
Statuary in Post-Apartheid South Africa, Leiden 2010.
2 So argumentiert auch Susan
Neiman, Learning
from the Germans. Race and the Memory of Evil, London 2019; dt.:
Von den
Deutschen lernen. Wie Gesellschaften mit dem Bösen in ihrer
Geschichte umgehen
können, übersetzt aus dem Englischen von Christiana Goldmann,
München 2020.
3 Der Band ist auch im Open
Access zugänglich:
https://www.diaphanes.net/titel/die-gegenwart-des-denkmals-7067
(01.02.2024).
4 Karen L. Cox, No Common
Ground. Confederate
Monuments and the Ongoing Fight for Racial Justice, Chapel Hill
2021, S. 9, S.
21f.
5 Auch Cox, No Common Ground,
S. 4, sieht in
den US-amerikanischen Denkmalstreitigkeiten nur einen ersten
Schritt hin zu
einer gerechteren Gesellschaft.
6 Christoph Heinrich,
Strategien des
Erinnerns. Der veränderte Denkmalbegriff in der Kunst der
achtziger Jahre,
München 1993, S. 162.
7 Siehe etwa Anna Louise Manly
(Hrsg.), POWER
MEMORY PEOPLE – Memorials of Today. Exhibition Catalogue, Køge
2015; Paul M.
Farber / Kim Lum (Hrsg.), Monument Lab. Creative Speculations for
Philadelphia,
Philadelphia 2020; Annika Enqvist u. a. (Hrsg.), Public Memory,
Public Art.
Reflections on Monuments and Memorial Art Today, Stockholm 2022.
8 Harriet F. Senie, Reframing
Public Art.
Audience Use, Interpretation, and Appreciation, in: Andrew
McClellan (Hrsg.),
Art and its Publics. Museum Studies at the Millennium, Malden
2003, S. 185–200.
9 Hier nur zwei Beispiele:
Danielle
Drozdzewski / Carolyn Birdsall (Hrsg.), Doing Memory Research. New
Methods and
Approaches, Singapore 2019; Diana I. Popescu, Visitor Experience
at Holocaust
Memorials and Museums, London 2023.
Zitation
Tanja Schult, Rezension zu: Brückle, Wolfgang; Mader, Rachel;
Polzer, Brita
(Hrsg.): Die Gegenwart des Denkmals. Auslegung, Zerstörung,
Belebung. Zürich
2023 , ISBN 978-3-0358-0546-8 / Faludi, Christian; Zänker, Stephan
(Hrsg.): Nichts
ist so unsichtbar wie ein Denkmal [für Ernst Thälmann]. Zur
Geschichte eines
umstrittenen Erinnerungsortes. Göttingen 2023 , ISBN
978-3-8353-5379-4 / Shanken,
Andrew M.: The Everyday Life of Memorials New York 2022 , ISBN
978-1-9421-3072-7
/ Thompson, Erin L.: Smashing Statues. The Rise and Fall of
America's Public
Monuments. New York 2022 , ISBN 978-0-3938-6767-1 / Widrich,
Mechtild: Monumental
Cares. Sites of History and Contemporary Art. Manchester 2023 ,
ISBN 978-1-5261-6811-5,
In: H-Soz-Kult, 13.02.2024, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-133116>.