Monatsdigest

[Regionalforum-Saar] Was so alles im Wald passiert …

Date: 2023/07/06 22:00:14
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Was so alles im Wald passiert …

Die meisten Taufeinträge beschränken sich auf den Namen des Täuflings, seiner Eltern, die Taufzeugen, ggf. noch den Pfarrer. Doch manchmal findet man dort ganze Geschichten.

Im Taufbuch (katholisch) von St. Wendel im Jahre 1719 sind wir auf diesen Eintrag gestoßen, den uns Frau Dr. Margarete Stitz aus St. Wendel transkribiert und übersetzt hat.



Die Vorlage ist natürlich in Latein:

„Hodie 8 Junij Maria Catharina Feßin de heidelberga comparuit et asseruit se ante annum in festo Assumptionis Smae M(ariae) Virginis in Sylva Darmstadiensi solam peperisse filiam, quam Francofurti concepit ex Coitu Christiani Bierman coelibis fidei  Lutheranae, et hactenus celasse filiam suam necdum baptizatam petere, amore Die pro filiae baptismi, quam sub Conditione illi contuli levantibus Margaretha Kirsch et Michaele Schaad Adolescentibus.“

Hier die Übersetzung:

„Heute, am 8. Juni, erschien Maria Catharina Feß aus Heidelberg und erklärte, sie habe vor einem Jahr am Fest der Aufnahme der heiligsten Jungfrau Maria (= 15. August) im Darmstädter Wald ganz allein eine Tochter geboren, die sie in Frankfurt beim Verkehr mit dem ledigen Christian Bierman, lutherischer Konfession, empfangen hatte, und sie habe bis jetzt ihre Tochter verborgen und noch keine Taufe erbeten und die Liebe Gottes an Stelle der Taufe der Tochter (genommen), welche (Taufe) ich ihr bedingungsweise gespendet habe, wobei die Jugendlichen Margaretha Kirsch und Michael Schaad Paten waren.“

Der Name der Tochter ist nicht genannt, aber vermutlich wurde sie nach der Patin „Margaretha“ genannt. Leider taucht keine der Hauptpersonen danach wieder in unserer Geschichte auf.

Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

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Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

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Roland Geiger
Historische Forschung
Alsfassener Straße 17, 66606 St. Wendel
Tel. 06851-3166
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[Regionalforum-Saar] Die Großherzogin. Luise von Baden

Date: 2023/07/09 17:18:50
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Organisatoren
Badisches Landesmuseum Karlsruhe, Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA), Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Frauen & Geschichte Baden-Württemberg e.V., Arbeitsgemeinschaft für geschichtliche Landeskunde am Oberrhein (AGLO)
Karlsruhe, 22.04.2023


Von Lupold von Lehsten, Institut für Personengeschichte, Bensheim

Die letzte Großherzogin von Baden wurde als Luise Prinzessin von Preußen 1830 in Berlin geboren. Sie heiratete 1856 Großherzog Friedrich I. von Baden (1826–1907). Zu ihrem 100. Todestag veranstalteten fünf für das Thema prädestinierte Veranstalter unter der Federführung des Badischen Landesmuseums eine wissenschaftliche Fachtagung im Gartensaal des Karlsruher Schlosses.

Bereits ein Jahr nach der Hochzeit sicherte Luise durch die Geburt des Sohnes Friedrich II. (1857–1928) den Fortbestand der Dynastie. Aber auch bereits am 6. Juni 1859 gründete sie den Badischen Frauenverein und setzte damit ein erstes Zeichen für ein lebenslanges starkes Engagement für ihr Land und die seine Bevölkerung, insbesondere die Frauen. Die Krankenpflegeabteilung des Frauenvereins unterstellte die Großherzogin am 29. Juni 1866 den Statuten des Roten Kreuzes (Luisenschwesternschaft). 1870 wurde ihr ein Privatsekretariat für ihre Korrespondenz und ihre Termine eingerichtet, das Geheime Kabinett der Großherzogin. 1888 starb nicht nur ihr jüngerer Sohn, sondern auch ihr Vater, Kaiser Wilhelm I., und ihr Bruder, Kaiser Friedrich III. Nach dem Untergang der Monarchie 1918 lebte sie, bis zuletzt als Landesmutter verehrt, auf der Mainau und im Schloss Baden-Baden. Wie keine andere Regentin hat Luise die jüngere badische Geschichte geprägt. Dies verdeutlichten eine Reihe von Vorträgen aus verschiedenen Perspektiven.

EWALD FRIE (Tübingen) erläuterte an einem ungewöhnlichen Quellenbestand, wie aus dem Fragmentarischen das Normative entschlüsselt werden sollte und damit die Geschichtswissenschaft dem „Fluch der Retrospektivität“ (nach Christoph Nonn) entgehen könne. Die Lebenswelten des deutschen Kaiserreiches entwickelte Frie aus Anamnese-Akten der Psychiatrie in Westfalen (Landesanstalten in Marsberg und Lengerich) im Jahrzehnt nach der Reichsgründung (1870–1880). Im Untersuchungszeitraum seien vermehrt Kranke adligen Standes eingeliefert worden, deren „militärische Männlichkeit“ außer Kontrolle geraten war. Die normativen Standards des Kaiserreichs setzte Ewald Frie auf dieser Folie als Vermischung derjenigen des gehobenen Bürgertums und des Adels, geprägt durch starkes Wirtschaftswachstum, rasantes Wachstum der Städte, der Massenkultur, von Freizeit- und Vergnügungskultur, Mobilität und dem Aufkommen der Sozialthemen zusammen. Zudem wies Frie u.a. auf den schnell wachsenden Zeitungsmarkt, die neuen Debatten in der Gesellschaft und auch damals schon eine globale Vernetzung hin. Die zugleich entstehenden Gegenbewegungen durch Frauen, durch Zurück-zur-Natur-Gruppen wie dem Wandervogel, durch Rassismus und Ausgrenzungen seien, wie die jüngere Forschung zeige, allerdings in Deutschland nicht stärker ausgeprägt gewesen, als in anderen Nachbarländern. Im Fall des Antisemitismus etwa verwies der Referent auf Frankreich und Russland. Vor diesem Hintergrund wurde das Wirken und das Selbstverständnis der Großherzogin Luise in den folgenden Vorträgen vorzüglich illustriert dargestellt.

Auch für die Großherzogin Luise von Baden gilt als wertvolle, authentische und ergiebige Quelle ihres Wirkens und als Datenbasis für ihre Vernetzung ihre Korrespondenz. Sie hat ihre Korrespondenz – wie für ihren Stand seinerzeit üblich – kontinuierlich gesammelt und chronologisch ablegen lassen. Allerdings geschah dies nicht konsequent. Erst 2012 hinterlegte das Haus Baden den Nachlass der Großherzogin Luise im GLA in Karlsruhe, wo er seitdem von KONRAD KRIMM (Karlsruhe) gesichtet, erschlossen und aufgearbeitet wurde. So konnte Konrad Krimm, verbunden mit einer ausführlichen Einleitung in die Quellen, die zentralen Themen Luises aus ihren Briefwechseln erarbeitet präsentieren und zugleich detailliert von ihren eigenen Zeugnissen berichten. Luise ließ sich ihre Briefe beispielsweise nach dem Tod ihrer Mutter, der Kaiserin Augusta, und dem Tod des Bruders zurückgeben. Konrad Krimm wählte für seine Skizze der Rolle der Großherzogin die Korrespondenz zwischen dem Minister und Politiker Franz von Roggenbach und der Großherzogin Luise auch aus dem Nachlass Roggenbachs aus. Die Korrespondenz und die Verbindung blieben durch ein ungestörtes Vertrauen zwischen Roggenbach, dem Großherzog und der Großherzogin gekennzeichnet. Roggenbach beherrschte perfekt den Tonfall, den das Fürstenpaar schätzte. Ein wichtiges Thema zwischen Luise und Roggenbach waren allerdings die extremen Spannungen in der Familie Hohenzollern seit 1870, insbesondere die Rolle des Thronfolgers Friedrich (III.), und die andauernde Auseinandersetzung Friedrichs, seiner Frau Viktoria und der Kaiserin Augusta mit Bismarck. Luise fragte Roggenbach 1886 erneut um Rat, was sie tun könne, um die Streitigkeiten irgendwie zu mildern. Roggenbach antwortete ihr mit einer vernichtenden Kritik an Friedrich (III.), der nicht herrisch genug, nicht mit festem eigenen Willen ausgestattet, vielmehr ein Versager sei. Das Vertrauensverhältnis Roggenbach-Luise sei durch diese harsche Kritik nicht getrübt worden, ja Roggenbach sei weiterhin als Gesandter beauftragt gewesen, dem sterbenden Bruder beizustehen. Früh skeptisch gegenüber Wilhelm II., kritisierte Roggenbach dessen Umgang mit Antisemiten wie Stöcker und Waldersee. Er erkannte den imperialistischen Irrweg und die Illusion des Traums von der eigenen Größe. Bismarck sah er als einen Abenteurer, Verbrecher, unberechenbaren Spieler. Aber Roggenbach scheute sich wegen der Unberechenbarkeit Bismarcks, 1888 selbst nach Berlin zu gehen. Luise antwortete auf diese Themen nicht. Gemeinsam war beiden, wie Konrad Krimm betonte, wie sie die Grenzen des Liberalismus einschätzten und 1906 den „Großblock“ im Badischen Landtag beurteilten; Nationalliberale und SPD versus das Zentrum sahen sie in hohem Maße skeptisch.

Die Persönlichkeit der Großherzogin Luise als einer engagierten Partnerin an der Seite ihres Ehemanns als regierendem Großherzog stand im Mittelpunkt von drei Vorträgen, die alle die außerordentliche Leistung der Großherzogin als Gründerin staatstragender Frauen- und Sozialvereine und -gesellschaften würdigten. Und bereits ILONA CHRISTA SCHEIDLE (Mannheim) stellte fest, dass es bis heute an einer adäquaten, aktuellen Biografie (einer „Biografie 3.0“) über Luise fehlen würde. Als einziger Kaisertochter, als Kaiserschwester und Tante Wilhelms II., mit der langen Zeit ihrer „Mitregierung“ bei Ehemann und Sohn (51 Jahre) und ihres Wirkens kam ihr eine Sonderstellung zu. Obwohl dem von ihr gegründeten Badischen Frauenverein, der Gefangenenfürsorge und der im großen Stil aufgebauten Krankenpflege (Rot-Kreuz-Schwesternschaft) keine offiziellen staatlichen Positionen zukamen, spielten diese dennoch eine wesentliche Rolle im öffentlichen Leben des Großherzogtums und machten Luise zu einer wichtigen Person des Landes. Mit ihren Gründungen veränderte sie maßgeblich die Bedingungen für die Berufstätigkeit junger Frauen. Luise habe, so die Referentin, durch ihr Vorbild das Engagement vieler „Damen und ihrer Herren“ der besseren Gesellschaft für alle Frauen, mit der Wirkung gefördert, dass für Frauen Ausbildungslehrgänge eingerichtet und Berufe entwickelt wurden. Entstanden aus der Kriegsbedrohung entfalteten sich die Sozialvereine als Friedensdienst. Durch Luises umfassendes Engagement glichen sie und der Großherzog Friedrich eher einem modernen Paar in Arbeitsteilung.

Zum gleichen Thema erläuterte SYLVIA SCHRAUT (München), dass zur Zeit des Kaiserreichs zunächst „nur“ die Bildungsrechte der Frauen errungen worden seien. Der Gründung des Badischen Frauenvereins mit bald über 70.000 Mitgliedern (1859) entsprächen die Gründungen des (Großherzogin-) Alice-Vereins in Hessen (1867), der preußischen Vaterländischen Frauenvereine (1866/1867) und des Bayerischen vaterländischen Frauenvereins (1869). Zu diesen habe der überregionale, nationale „Allgemeine deutsche Frauenverein“ (1865) und der 1866 gegründete „Letteverein“ nicht nur in Ergänzung, sondern auch in einem gewissen Konkurrenzverhältnis gestanden. 1869 kamen noch der „Verband deutscher Frauenbildungs- und Erwerbsvereine“ und 1888 der „Verein für Frauenbildung und Frauenstudium“ hinzu. Während, wie von Sylvia Schraut betont, auf dem Feld der Frauenbildung und Frauenberufstätigkeit durchaus Erfolge im politischen Kampf um die Gleichberechtigung zu verzeichnen gewesen seien (in Baden erreichten junge Frauen 1893 mit der Gründung des ersten deutschen Mädchengymnasiums, des Karlsruher Lessing-Gymnasiums, die Zulassung zum Gymnasium und 1901 die Zulassung zum Hochschulstudium), sei beispielsweise die Modernisierung der juristisch abhängigen Stellung der Frau vom Mann bei der Einführung des BGB „auf der Strecke geblieben“, und auch politische Erfolge im Bereich der politischen Partizipation durch Wahlrechtsreformen seien ausgeblieben. Zu den politischen und juristisch emanzipatorischen Forderungen seien die Großherzogin Luise und der Badische Frauenverein zwar deutlich auf Distanz geblieben, vor Ort seien die Protagonistinnen des Badischen Frauenvereins aber durchaus vielfach zur Kooperation mit den radikaleren Frauenvereinen bereit gewesen. Der badische Verein habe gleichsam die radikalen Positionen integriert, indem er feststellte, alle Menschen hätten das Recht auf Erwerbstätigkeit. Der Handlungsbedarf bliebe jedoch noch sehr groß.

Dass der Badische Frauenverein die politische Gleichberechtigung als Thema zurückstellte und sich dem Anschluss an die überregionale Dachorganisation zunächst entzog, betonte auch SUSANNE ASCHE (Karlsruhe), gleichwohl habe der Badische Frauenverein für ein für die Emanzipation günstiges Klima gesorgt. Der Verein hätte zum Beispiel viel Verantwortung für die Armenfürsorge übernommen. Zugleich hätte der Verein damit die Sozialdisziplinierung der Arbeiterschicht unterstützt. Die Armenfürsorge förderte die Großherzogin persönlich, hatte sie doch 1881 beim Attentat auf ihren Vater neben diesem gesessen. Neben die Kinderspeisung seien die Sophienschule, Flick- und Nähschulen, die Ausbildung und Einstellung von Industrieschul-Lehrerinnen getreten. Es wurden Kochkurse angeboten, da, so die Diagnose des Frauenvereins, die Mädchen unmittelbar nach der Entlassung aus der Schule arbeiten müssten und keine hauswirtschaftlichen Kenntnisse erwerben könnten. Die Einbindung von Frauen in das produzierende Kleingewerbe sei zwar unerlässlich, aber die Fähigkeit, einen gediegenen Haushalt zu führen, hielten die Männer von revolutionären Zusammenkünften in einschlägigen Lokalen ab. Dem Frauenverein kam damit eine wichtige innenpolitische, die Gesellschaft stabilisierende Rolle zu. Er hätte, so Susanne Asche, sozusagen einen „Klassenkampf von oben“ betrieben. Die Großherzogin sei über alle Vorgänge in ihren Vereinen persönlich orientiert gewesen, betonte Asche. Die Prüfungen an der Höheren Töchterschule habe sie beispielsweise so legen lassen, dass sie persönlich daran teilnehmen konnte. Die regionalen Teilvereine hätten dennoch eigenständig agieren können, es habe keine Gängelung gegeben. Die Großherzogin blieb stets eine lernende und lehrende Politikerin und Fürstin. Etwa 50 Meter ihrer persönlichen Bibliothek mit allen zeitgenössischen Berichten und Zeitschriften zu den Fragen, die sie beschäftigten, aus Europa waren zu ihrer Zeit im Karlsruher Schloss vorhanden (heute als Archivbestand im GLA). Auch überregional habe die Großherzogin durchaus Einfluss genommen, etwa im Kontakt mit Gertrud Bäumer (1854-1954) und der Vermittlung von geeigneten Kandidatinnen auf Stellen der überregionalen Verbände.

JUTTA DRESCH (Karlsruhe) stellte u.a. aus der Karlsruher Zeitung das Programm des „großen Jubiläumsjahres 1906“ vor. Man feierte nicht nur den 100. Geburtstag des Großherzogtums, sondern auch den 80. Geburtstag von Großherzog Friedrich, die 50jährige Regierung, die Goldene Hochzeit und die Silberne Hochzeit der Tochter Viktoria, der Königin von Schweden. Die Referentin konnte für die Auswertung und Präsentation auf zahlreiche historische Fotographien von diesem Ereignis zurückgreifen. Der Hofmaler Ferdinand Keller (1842–1922) hatte ein offizielles Doppelbildnis des badischen Großherzogpaares gemalt, welches auch die Einladung schmückte. Außer den zwei Jubelpaaren standen von der Fürstenfamilie mit Sohn Friedrich II. und seiner Ehefrau Hilda Prinz Max und Prinzessin Marie Louise von Baden mit der Prinzessin Maria-Alexandra im Mittelpunkt des damaligen Geschehens. Jutta Dresch erläuterte anhand von Illustrationen die Festveranstaltungen mit Ordensverleihungen und einem Festessen mit dem Kaiser und der Kaiserin, Auftritte der Männergesangvereine Badens, eine Landes-Ausstellung für Kunst und Kunstgewerbe, eine Landwirtschafts- und Gartenausstellung, Feste mit den Abteilungen des Frauenvereins oder dem Leibgrenadierverein. Ein Freiluftkonzert, ein Ballonaufstieg und ein athletisches Meeting des KSV schlossen sich an. Aber das großherzogliche Paar habe auch das neue Krebsforschungszentrum in Heidelberg und Einrichtungen der Wissenschaft besucht und auch damit Karlsruhe und das Großherzogtum international herausgestellt.

Zum Thema passten sehr gut die Präsentationen von SARA DIEDRICH (Karlsruhe) über die Bildnisse der Großherzogin. Zunächst hätten die Bildnisse die Prinzessin und Großherzogin als Person in ihrem sozialen Stand und Geschlecht, in ihrer zeittypischen Geschlechterrolle gezeigt: hoch herrschaftlich und zugleich bescheiden, fürsorglich, die Hilfe ihres Mannes, als Repräsentantin eines konservativen Bildes. Dann hätte sich hinter den Bildern von Luise als Wohltäterin des Volkes eine politische Botschaft entwickelt. Entsprechend ihrem vorangeschrittenen Alter hätten sich die Bilder am Landesmutter-Sujet orientiert. Nunmehr sollten diese die Sichtbarkeit erhöhen, Erinnerung schaffen, Herrschaft legitimieren. Luise bediente sich dabei aller zeitgemäßen auch modernen Techniken: Malerei und weitere Unikattechniken wurden durch Lithographien, Stahlstiche, Photographien und vor allem Postkarten ergänzt. Auch nach 1907, dem Jahr des Todes von Großherzog Friedrich I., blieb Luise stark in der Öffentlichkeit präsent, wie Sara Diedrich aufzeigte. Die Bilder zeigten die Großherzogin-Witwe im Lazarett, beim Packen von Weihnachtspakten für die Front. In ihrer Bildsprache stand sie gleichrangig neben ihrem Mann, wie es auch das offizielle Porträt von Ferdinand Keller 1906 zum Ausdruck brachte. Luise entsprach damit einem gewissen Stand der regierenden Fürstin ihrer Zeit. Sie handelte jedoch in einem Punkt entschieden gegen die Konvention, wie die Referentin betonte: sie räumte 1907 nicht ihren Platz im Schloss, am Schreibtisch, und ließ sich auch weiterhin an diesem Platz tätig darstellen. Von ihrer Mutter, der Kaiserin Augusta, übernahm sie die einspitzige Schneppenhaube als kennzeichnendes Kleidungsstück, die Witwenschneppe, wie sie viele Witwen noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts getragen haben.

Der Kunsthistoriker CHRISTIAN KATSCHMANOWSKI (Bad Schussenried) stellte den 2019 wiedergefundenen Gedenkstein des Pudels „Treu“ der Großherzogin Luise, der direkt neben der Aufgangstreppe zur Großherzoglichen Grabkapelle im Karlsruher Schlosspark entdeckt wurde, in den größeren Zusammenhang der Rolle von Tieren bei Hof, insbesondere von Hunden. Diese seien vielfach in den Parks der Residenzen an bevorzugter Stelle bestattet worden. In der Gedächtnisschrift des Deutschen Roten Kreuzes 1939 zum 100. Geburtstag der Großherzogin findet sich, wie der Referent entdeckte, eine Erinnerung der Oberin Wolff an die Großherzogin und ihren Lieblingshund, den Pudel „Treu“. Die Oberin charakterisierte darin den Pudel in einem Verhältnis zur Großherzogin, welches seinem Namen durchaus gerecht würde. Die Großherzogin sei zudem Protektorin des 1. Karlsruher Kynologenclubs gewesen und habe 1911 eine Preisplakette zu einer internationalen Hundeausstellung in Karlsruhe gestiftet. 19 Fotos fand Katschmanowski in den privaten Alben der Familie, auf denen Luise mit Hunden zu sehen ist, oft spielte man mit den Tieren oder er lief frei herum. Auch Studioaufnahmen mit anderen Hunden sind bekannt, so von Großherzog Friedrich mit einem Jagdhund 1860. Die Bestattung in unmittelbarer Nähe zu Luise bei der Kapelle solle, so der Referent, vermutlich symbolisieren: treu, selbst bis in den Tod. Die Großherzogin folgte mit dem Gedenkstein der Gräfin Valeska Douglas in Gondelsheim, wo die Gräber der Hunde Schlip und Bisch (1913) mit bemerkenswerten Grabsteinen bedacht wurden.

Pfarrer MICHA WILLUNAT (Graben-Neudorf) gab anhand des Briefwechsels der Großherzogin Luise mit dem Prälaten Ludwig Schmitthenner (1858–1932) einen Einblick in ihre Religiosität und Frömmigkeit, wobei er dabei aus seiner 2019 bei Kohlhammer erschienen Dissertation („Kirchenleitung und Seelsorge. Ludwig Schmitthenners Wirken als Pfarrer, großherzoglicher Seelsorger und Prälat der badischen Landeskirche, 1892–1923“) schöpfen konnte. Großherzogin Luise hätte zu Ludwig Schmitthenner ein ebenso enges Vertrauensverhältnis gepflegt wie zum Minister Franz von Roggenbach.

Luises Frömmigkeit spiegelte sich auch in den publizierten Trauertexten nach den Todesfällen der Jahre 1888 und 1907, wie LAILA BAUR (Heidelberg) in einem abschließenden Beitrag aus ihrem Dissertationsprojekt nachwies. Mit ihrer Schrift „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt! Glaubensworte für Tage der Prüfung“ (1910) sei Luise geradezu zu einer landesmütterlichen Trost-Instanz geworden. Sie zelebrierte Trauer-Kompetenz über die Konfessionen hinweg, wenn auch durchaus in den Traditionen von Erweckung und preußischem Kulturprotestantismus. Luise war publizistisch tätig, wenn es ihren Projekten diente. Auch darin hätte die Großherzogin ein ungewöhnliches Vorbild an Engagement, Fleiß und wirkungsvoller Tatkraft gegeben. Auf der Tagung, die durch Führungen durch die Großherzogliche Grabkapelle im Karlsruher Schlosspark ergänzt wurden, wurde deutlich, dass reichlich Quellenmaterial und durchaus aktuelle Themen für Biografien und weitere biografische Forschungen und Beiträge vorliegen.

Konferenzübersicht
Politikverständnis und Herrschaftsausübung
Ewald Frie (Tübingen): Lebenswelten im Deutschen Kaiserreich
Konrad Krimm (Karlsruhe): Vernetzung. Die Korrespondenz Großherzogin Luises mit Franz von Roggenbach
Ilona Scheidle (Mannheim): Luise von Baden, Prinzessin von Preußen – machtvoll und sichtbar ungesehen


Gesellschaftspolitik
Sylvia Schraut (München): Bürgerliche Frauenbewegung und Vaterländischer Frauenverein
Susanne Asche (Karlsruhe): Der Kochtopf im Klassenkampf. Die Innen- und Sozialpolitik der Großherzogin


Inszenierungen
Jutta Dresch (Karlsruhe): Die Jubiläen 1906. Ein Fest des alten monarchischen Deutschlands
Sara Diedrich (Karlsruhe): Großherzogin Luise im Bild. Darstellungen einer Fürstin und Landesmutter
Christian Katschmanowski (Bad Schussenried): Luises treuer Begleiter. Funeralpraxis bei Haustieren als Teil adliger Repräsentation


Öffentlicher und privater Glauben
Micha Willunat (Graben-Neudrof): Gott mit uns? Religiosität und Frömmigkeit im Briefwechsel mit Prälat Ludwig Schmitthenner
Laila Baur (Heidelberg): „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt.“ Inszenierte Trauer – Publizierter Trost


Zitation
Tagungsbericht: Die Großherzogin. Luise von Baden, In: H-Soz-Kult, 08.07.2023, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-137380>.


[Regionalforum-Saar] Den Frieden gewonnen? Städt e nach 1648 im Vergleich

Date: 2023/07/09 17:23:07
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Den Frieden gewonnen? Städte nach 1648 im Vergleich

Veranstalter:
Exzellenzcluster Religion und Politik der WWU Münster, Institut für vergleichende Städtegeschichte Münster, Stadtarchiv Münster: Dr. Angelika Lampen (Institut für vergleichende Städtegeschichte), Prof. Dr. Ulrike Ludwig (Historisches Seminar, WWU Münster), Dr. Peter Worm (Stadtarchiv Münster), Dr. Nikolas Funke (Historisches Seminar, WWU Münster), Dr. Philip Hoffmann-Rehnitz (Institut für vergleichende Städtegeschichte)

Veranstaltungsort:
Rüstkammer im Historischen Rathaus Münster, Zugang über Stadtweinhaus, Prinzipalmarkt 6-7
48143 Münster

Vom - Bis 28.09.2023 - 29.09.2023

Website
https://www.uni-muenster.de/Staedtegeschichte/veranstaltungen/tagung_frieden_gewonnen.html

Von Philip Hoffmann-Rehnitz, Historisches Seminar, Universität Münster

Am 28. und 29.09.2023 findet in Münster im Rahmen des Jubliäums 375 Jahre Westfälischer Friede die Tagung "Den Frieden gewonnen? Städte nach 1648 im Vergleich" statt. Im Zentrum der Tagung stehen diejenigen Vorgänge und Prozesse, die auf den Abschluss eines Friedens wie desjenigen von 1648 folgten. In vergleichender Perspektive werden frühneuzeitliche Städte und die besonderen Problem- und Konfliktlagen, mit denen sich diese in der Nachkriegszeit konfrontiert sahen, in den Blick genommen.

Die historische Friedensforschung – und dies gilt insbesondere für diejenige zum Westfälischen Frieden – hat sich bislang vornehmlich mit den Prozessen und Faktoren beschäftigt, die zum Abschluss von Friedensvereinbarungen bzw. -verträgen geführt haben. Weit weniger im Fokus standen diejenigen Vorgänge, die auf einen solchen Friedensschluss folgten: Wie wurden Friedensvereinbarungen also wahrgenommen, inwieweit und in welcher Weise wurden sie umgesetzt? Welche Probleme waren damit und mit den Folgen des Krieges gerade auf lokaler Ebene verbunden, und wie wurde versucht, mit diesen umzugehen?

Die Tagung setzt sich mit solchen Fragen auseinander, indem der Fokus auf die besonderen Bedingungen und Entwicklungen in städtischen Gesellschaften gerichtet wird. Der Schwerpunkt liegt auf der Zeit nach dem Westfälischen Frieden, jedoch in vergleichender Perspektive, indem weitere Nachkriegszeiten im frühneuzeitlichen West- und Mitteleuropa in den Blick genommen werden. Drei Problemkomplexe, in denen sich der ambivalente Charakter solcher Übergangszeiten vom Krieg zu einem (dauerhafteren) Frieden besonders gut greifen lässt, stehen dabei im Mittelpunkt: (1) Konfliktlagen, die als kennzeichnend für städtische Nachkriegsgesellschaften der Frühen Neuzeit erscheinen; (2) die vielfältigen Fragen, die mit dem Problem der Integration und Desintegration zusammenhängen; und (3) die Art und Weise, wie sich Entwicklungen der Nachkriegszeit auf den städtische Raum auswirkten und sich in diesem manifestierten.

Programm

Donnerstag, 28. September 2023

09:00–09:20 Uhr
Ulrike Ludwig (Münster) et al.: Begrüßung und Einleitung

Sektion 1 „Konflikte“
Leitung/Moderation: Horst Carl (Gießen)

09:20–10:10 Uhr
Philip Hoffmann-Rehnitz (Münster) et al.: „da man des lieben friedens noch keines weges versichert“: Konfliktkonstellationen und Problemwahrnehmungen in Münster nach dem Westfälischen Friedenskongress

10:10–11:00 Uhr
Christoph Volkmar (Magdeburg): Wie Magdeburg einmal den Frieden gewann und zweimal verlor

11:00–11:20 Uhr
Kaffeepause

11:20–12:10 Uhr
Dirk Niefanger (Erlangen): „Der Fried hat uns genarrt.“ Nachkrieg im urbanen Umfeld. Literarische Perspektiven im 17. Jahrhundert

12:10–13:00 Uhr
Simon Karstens (Trier): Routinen des Unfriedens – die Stadt Trier in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts

Sektion 2 „Integration/Desintegration“
Leitung/Moderation: Gabriele Haug-Moritz (Graz)

14:30–15:20 Uhr
Fabian Schulze (Augsburg): Kreistage als Friedenskongresse? Warum für die Herbeiführung des Friedens auch Städte fernab von Westfalen und Nürnberg eine Rolle spielten

15:20–16:10 Uhr
Christian Landrock (Magdeburg): „Die Waisen des Mars.“ Die (Re-)Integrationsversuche ehemaliger Soldaten des Dreißigjährigen Krieges am Beispiel der kursächsischen Stadt Zwickau

16:10–16:40 Uhr
Kaffeepause

16:40–17:30 Uhr
Jens Niebaum (Münster): Stadträumliche Erneuerung im Zeichen der Dynastie: Wien nach 1645 und 1683

17:30–18:20 Uhr
Renger de Bruin (Utrecht): Eine Stadt in Krieg und Frieden, Utrecht 1648–1748

Ab 19:00 Uhr
Abendessen

Freitag, 29. September 2023

Sektion 3 „Raum“
Leitung/Moderation: André Krischer (Freiburg)

09:00–09:50 Uhr
Nikolas Funke (Münster): Der Weseler Stadtraum während des „Hundertjährigen Krieges“ am Niederrhein (c.1570–1672)

09:50–10:40 Uhr
Judith Pollmann (Leiden): Post-war chronicling and urban space in the early modern Low Countries

10:40–11:00 Uhr
Kaffeepause

11:00–11:50 Uhr
Eva-Bettina Krems (Münster): München nach dem Dreißigjährigen Krieg: Neudefinitionen von höfischen und städtisch-bürgerlichen Räumen

11:50–12:40 Uhr
Martin Scheutz (Wien): Die erste Gründerzeit Wiens nach 1683 – die Neubesetzung der Vorstadt nach der zweiten Belagerung Wiens durch die Osmanen

14:00–15:30 Uhr
Abschlusspodium mit Horst Carl, Gabriele Haug-Moritz und André Krischer
Moderation: Ulrike Ludwig

Kontakt

Institut für vergleichende Städtegeschichte
Königsstraße 46
48143 Münster
istg(a)uni-muenster.de

Anmeldungen unter https://go.wwu.de/d8u5p oder per E-Mail an istg(a)uni-muenster.de.

https://www.uni-muenster.de/Staedtegeschichte/veranstaltungen/tagung_frieden_gewonnen.html




Zitation

Den Frieden gewonnen? Städte nach 1648 im Vergleich. In: H-Soz-Kult, 07.07.2023, <www.hsozkult.de/event/id/event-137481>.




[Regionalforum-Saar] Genealogieseminar „Vertief ende Familienforschung“ 2023 auf der Burg Lichtenberg n ahe Kusel

Date: 2023/07/09 17:49:56
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Genealogieseminar „Vertiefende Familienforschung“ 2023 auf der Burg Lichtenberg nahe Kusel

Das genealogische Seminar findet am Wochenende des 21. auf 22. Oktober 2023 in der Jugendherberge der Burglichtenberg nördlich von Kusel statt.
[=>https://burglichtenberg.pfaelzerbergland.de/]

Unser Programm:

Karl-Heinz Bernardy
Französische Zivilstandsurkunden - Tipps zum besseren Verständnis

Beate Busch-Schirm
Die Ostindische Kompanie

Andreas Hauch
Burgführung

Dr. Dominikus Heckmann
Verwandtschaftsbäume im Mittelalter

Dr. Hans-Joachim Kühn
Eine kleine Archivkunde.
Hinweise zum Aufbau und zur sinnvollen Nutzung von Archiven

Dr. Hans-Joachim Kühn (Sonntag)
Zitate und Quellennachweise. Wie geht das richtig?

Dr. Helmut Priewer
Von Helminthen, Milben und Menschen - parasitäre Krankheiten aus medizinhistorischer Sicht

Uwe Traschütz
Computergenealogie in der Forschergemeinschaft am Beispiel von TNG


Das Programm geht über zwei Tage; es beginnt am Samstag um 10 Uhr mit der Begrüßung und endet am Sonntagmittag mit dem Mittagessen.
Alle Vorträge finden ausschließlich in deutscher Sprache und in Präsenz vor Ort statt.

Die Teilnahme am Seminar beinhaltet alle Vorträge sowie die Unterbringung in der Jugendherberge im Einzelzimmer (inkl. Bad!) mit Vollpension und kostet je nach Teilnehmerzahl zwischen 130 und 150 Euro.

Wie immer besteht die Möglichkeit, freitags mittags schon anzureisen (dann kommt eine Übernachtung mit Frühstück in Höhe von 39,30 Euro hinzu).

Ihre Anmeldung richten Sie bitte an mich direkt:

Roland Geiger, Alsfassener Straße 17, 66606 St. Wendel
Email alsfassen(a)web.de

Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

[Regionalforum-Saar] Frankenholz, Haupstrasse 97

Date: 2023/07/10 22:26:08
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Guten Abend,

diese Anschrift stammt aus dem Jahre 1911, hat sich aber wohl verändert, denn heute gibt es in Frankenholz keine Hauptstraße mehr.
Weiß jemand, wie die Anschrift heute heißt?

Vielen Dank.

--
Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

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Roland Geiger
Historische Forschung
Alsfassener Straße 17, 66606 St. Wendel
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Re: [Regionalforum-Saar] Frankenholz, Haupstrasse 97

Date: 2023/07/11 10:29:51
From: anneliese.schumacher(a)t-online.de <anneliese.schumacher(a)t-online.de>

Das könnte heute die Höcherbergstraße sein.

 

Anneliese Schumacher

Zentrale Fachberaterin Foto bei der Stiftung BSW

Osenbachstr. 28

66649 Oberthal

Tel. 06854 9097440

zb-bsw-foto(a)magenta.de

 

 

 

-----Original-Nachricht-----

Betreff: [Regionalforum-Saar] Frankenholz, Haupstrasse 97

Datum: 2023-07-10T22:26:12+0200

Von: "Roland Geiger via Regionalforum-Saar" <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

An: "Stefan Reuter via Regionalforum-Saar" <regionalforum-saar(a)genealogy.net>, "saarland-l(a)genealogy.net" <saarland-l(a)genealogy.net>

 

 

 

Guten Abend,

diese Anschrift stammt aus dem Jahre 1911, hat sich aber wohl verändert, denn heute gibt es in Frankenholz keine Hauptstraße mehr.
Weiß jemand, wie die Anschrift heute heißt?

Vielen Dank.

--
Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

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Roland Geiger
Historische Forschung
Alsfassener Straße 17, 66606 St. Wendel
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Re: [Regionalforum-Saar] Genealogieseminar „Vertief ende Familienforschung“ 2023 auf der Burg Lichtenberg n ahe Kusel

Date: 2023/07/11 19:22:47
From: schubertbrigitte(a)t-online.de <schubertbrigitte(a)t-online.de>

Hallo Roland

Dass Du so eine einladende "location" ( auf  neudeutsch) gewählt hast, um das einst so beliebte Treffen der Familienforscher  stattfinden zu lassen, hat mich verführt, mich hiermit dazu anzumelden!

Immer vorausgesetzt, dass mein gesundheitlicher Zustand dies zuläßt!

Also merke mich bitte vor.

Grüße Brigitte

 

 

 

-----Original-Nachricht-----

Betreff: [Regionalforum-Saar] Genealogieseminar „Vertiefende Familienforschung“ 2023 auf der Burg Lichtenberg nahe Kusel

Datum: 2023-07-09T18:00:01+0200

Von: "Roland Geiger via Regionalforum-Saar" <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

An: "Stefan Reuter via Regionalforum-Saar" <regionalforum-saar(a)genealogy.net>, "saarland-l(a)genealogy.net" <saarland-l(a)genealogy.net>, "Pfalz-L" <pfalz-l(a)genealogy.net>, "Hunsrueck-L" <hunsrueck-l(a)genealogy.net>, "KENT CUTKOMP via IGGP-L" <iggp-l(a)genealogy.net>

 

 

 

Genealogieseminar „Vertiefende Familienforschung“ 2023 auf der Burg Lichtenberg nahe Kusel

Das genealogische Seminar findet am Wochenende des 21. auf 22. Oktober 2023 in der Jugendherberge der Burglichtenberg nördlich von Kusel statt.
[=>https://burglichtenberg.pfaelzerbergland.de/]

Unser Programm:

Karl-Heinz Bernardy
Französische Zivilstandsurkunden - Tipps zum besseren Verständnis

Beate Busch-Schirm
Die Ostindische Kompanie

Andreas Hauch
Burgführung

Dr. Dominikus Heckmann
Verwandtschaftsbäume im Mittelalter

Dr. Hans-Joachim Kühn
Eine kleine Archivkunde.
Hinweise zum Aufbau und zur sinnvollen Nutzung von Archiven

Dr. Hans-Joachim Kühn (Sonntag)
Zitate und Quellennachweise. Wie geht das richtig?

Dr. Helmut Priewer
Von Helminthen, Milben und Menschen - parasitäre Krankheiten aus medizinhistorischer Sicht

Uwe Traschütz
Computergenealogie in der Forschergemeinschaft am Beispiel von TNG


Das Programm geht über zwei Tage; es beginnt am Samstag um 10 Uhr mit der Begrüßung und endet am Sonntagmittag mit dem Mittagessen.
Alle Vorträge finden ausschließlich in deutscher Sprache und in Präsenz vor Ort statt.

Die Teilnahme am Seminar beinhaltet alle Vorträge sowie die Unterbringung in der Jugendherberge im Einzelzimmer (inkl. Bad!) mit Vollpension und kostet je nach Teilnehmerzahl zwischen 130 und 150 Euro.

Wie immer besteht die Möglichkeit, freitags mittags schon anzureisen (dann kommt eine Übernachtung mit Frühstück in Höhe von 39,30 Euro hinzu).

Ihre Anmeldung richten Sie bitte an mich direkt:

Roland Geiger, Alsfassener Straße 17, 66606 St. Wendel
Email alsfassen(a)web.de

Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger



[Regionalforum-Saar] M

Date: 2023/07/13 07:27:55
From: Hans Schmitt <hans(a)hans-schmitt.de>


Von meinem iPad gesendet

[Regionalforum-Saar] Unbrauchbare Väter. Üb er Muster-Männer, Seitenspringer und flüchtende Erz euger im Lebensborn

Date: 2023/07/16 18:48:28
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Unbrauchbare Väter. Über Muster-Männer, Seitenspringer und flüchtende Erzeuger im Lebensborn

Autorin: Dorothee Schmitz-Köster
Erschienen Göttingen 2022: Wallstein Verlag
Anzahl Seiten 160 S., 47 Abb.
Preis € 24,00
ISBN 978-3-8353-5325-1

Rezensiert für H-Soz-Kult von Yves Müller, Institut für Landesgeschichte, Halle an der Saale

Bis heute kann der „Lebensborn e.V.“ als ‚unterforscht‘ angesehen werden. Hatte schon Georg Lilienthal in den 1980er-Jahren dieses Forschungsdesiderat beschrieben, scheint sich daran auf den ersten Blick wenig geändert zu haben.[1] Eine der wenigen Ausnahmen bilden die Veröffentlichungen von Dorothee Schmitz-Köster.[2] Die promovierte Sachbuchautorin und Journalistin ist als Kennerin des Lebensborn bekannt. Nun hat sie erneut eine Arbeit zum Thema vorgelegt. In dieser mit zahlreichen Fotografien illustrierten Untersuchung stehen die biologischen Erzeuger der in den Lebensborn-Heimen zur Welt gekommenen Kinder im Mittelpunkt. Die „Lebensborn-Väter“, als welche die Autorin diese bis dato wenig beachtete Gruppe in dem Komplex des Lebensborn e.V. allgemein benennt, blieben in vielen Fällen anonym – und sind es bis heute, denn die Urkunden der Vaterschaftsanerkennung sind verschollen.

1935 wurde der Lebensborn auf Veranlassung Heinrich Himmlers gegründet und in das Vereinsregister eingetragen. Im Jahr darauf eröffnete das erste Lebensborn-Heim in Oberbayern. Ab 1941 expandierte der Lebensborn vor allem nach Nord- und Westeuropa, aber auch nach Ost- und Südosteuropa. 24 Heime existierten im Deutschen Reich und den besetzten Gebieten, allein zehn in Norwegen. Nach dem Krieg wurden die Heime geschlossen. Jahrzehntelang wurden die dort geborenen Kinder über ihre Herkunft – und über ihre Erzeuger – im Unklaren gelassen.

Die nun veröffentlichte Studie ist in sechs Kapitel unterteilt. Der Einführung folgt in einem ersten inhaltlichen Kapitel eine Rekonstruktion der männlichen Ermächtigungs-Strategien. Diese lägen zum einen in einer „Forcierte[n] Männlichkeit“ (S. 18), also der Anrufung tradierter Männlichkeitsformen, zum anderen in der „Eroberung des weiblichen Raums“ (S. 28). Demnach ergänzten sich beide zunächst widersprüchlich erscheinenden Strategien.

Auf Grundlage von Statistiken und vom Lebensborn selbst erfassten Datenmaterial kann Schmitz-Köster aufzeigen, welche Berufe und Organisationsmitgliedschaften die Väter aufwiesen und in welchem Verhältnis sie zur Mutter standen (ehelich/unehelich). Im Gegensatz zum vom Lebensborn selbst kolportierten und bis heute standhaft sich haltenden elitären Bild des Lebensborn als Organisation für SS-Angehörige gab nur etwa die Hälfte der Väter eine SS-Zugehörigkeit an. Der interessante Befund, dass von den SS-Mitgliedern mehrheitlich ehelich gezeugte Kinder in den Heimen waren, während bei der nahezu gleich großen Gruppe der „Sonstigen“ eher uneheliche Kinder gezeugt wurden, wird leider nicht weiterverfolgt.

Das umfangreichste, mit „Entwurf einer Typologie“ betitelte Kapitel behandelt zwei männliche Akteursgruppen. Zunächst werden die als „Symbolische Väter“ überschriebenen SS-Funktionäre vorgestellt. Dabei nahm der „Reichsführer-SS“ Himmler eine herausragende Rolle ein, weil er sich vielfach in alltägliche Belange und bei individuellen Problemen einschaltete, oft Patenschaften übernahm und damit zum „strenge[n] und fürsorgliche[n] Vater“ (S. 49) stilisiert werden konnte. Die Heimleiter jedoch waren die tatsächlich zentralen Figuren, wie die Autorin am Beispiel Gregor Ebners erläutert. Der Mediziner Ebner wirkte über viele Jahre als Leiter des ältesten Lebensborn-Heims „Hochland“.

Die männlichen Erzeuger hingegen seien die „Reale[n] Väter“, deren Biogramme Schmitz-Köster aus ihren über viele Jahre geführten Interviews und den zusammengetragenen Korrespondenzen der Frauen und Männer mit dem Lebensborn und anderen SS-Institutionen erstellt hat. Dabei zeichnet sie ein Bild von durch Berufstätigkeit und Kriegseinsatz mehrheitlich abwesenden Vätern, die in der Ehe untreu waren und auch nach Kriegsende und Gefangenschaft oft nicht zur Familie zurückkehrten. Die präsentierten Männer waren als Gestapo- und SD-Funktionäre im „Osteinsatz“ vielfach in die Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden eingebunden. Den Kern dieses Kapitels bildet eine Aufschlüsselung in neun Typen von Männern anhand der zahlreichen Einzelbeispiele, wobei allerdings die tatsächliche Beispielhaftigkeit infrage steht, da Schmitz-Köster fast ausschließlich die Fälle von SS-Männern referiert, während sie Männer ohne SS-Zugehörigkeit seltener in den Blick nimmt.

Unter ersteren war auch der SS-Gruppenführer Erwin Rösener, an dem sich beispielhaft die eigentliche Funktion des Lebensborn ablesen lässt. Rösener hatte den Rang eines Höheren SS- und Polizeiführer Alpenland im besetzten Slowenien und gilt als einer der Hauptverantwortlichen für die im Rahmen der „Bandenbekämpfung“ gegen die Zivilbevölkerung begangenen Verbrechen, für die er nach 1945 von einem jugoslawischen Gericht zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. 1942 entband eine Schauspielerin, mit der er eine außereheliche Beziehung führte, ein Kind von ihm in einem Lebensborn-Heim. Rösener war bereits kinderlos verheiratet. Als sich seine Ehefrau von ihm scheiden ließ und auch die Geliebte sich von ihm trennte, war ihm dies alles offenbar sehr peinlich, besonders da er seiner Ansicht nach damit Himmler „Kummer bereiten“ musste (zit. nach S. 87). In diesem wie anderen Fällen diente die Unterbringung der werdenden Mütter in den Einrichtungen des Lebensborn der Geheimhaltung der Schwangerschaften vor den Ehefrauen, der Verwandtschaft oder allgemein der Öffentlichkeit. Deutlich wird, dass der Lebensborn in aller Regel als Agentur der Männer handelte, um ihre oft unehelichen Kinder diskret auf die Welt zu bringen.

Schwieriger gestalteten sich Fälle, in denen sich die Erzeuger entzogen. Eine Entbindung in einem Heim konnte nur stattfinden, wenn die Frauen die Namen der Männer angegeben hatten. Weigerten sich diese, die Vaterschaft anzuerkennen, folgten einerseits Vernehmungen der Frauen, andererseits ausschweifende Korrespondenzen bis hin zu disziplinarischen Maßnahmen. Hier macht Schmitz-Köster neun Strategien der Männer aus, um eine Anerkennung der ungewollten Vaterschaft zu verhindern und einer damit verbundenen Zahlung von Alimenten zu entgehen.

Die letzten Abschnitte dieses Kapitels („Falsche Väter“, „Ersatz-Väter“) widmen sich denjenigen Fällen, in denen Männer als Väter, Adoptivväter oder Pflegeväter an die Stelle der tatsächlichen Erzeuger getreten waren. Die betroffenen Kinder erfuhren durch eigene Recherchen oft erst Jahrzehnte später, wer ihr leiblicher Vater gewesen ist. So wie der Sohn von Hans Adolf Prützmann, der als Höherer SS- und Polizeiführer Ukraine für zahlreiche Verbrechen verantwortlich war und bei Kriegsende in alliierter Kriegsgefangenschaft Suizid beging. So kommt die Autorin anhand ihrer anschaulichen Fallbeispiele zu dem insgesamt beachtenswerten Befund, dass die verschiedenen Väter-Typen zwar für die Kinder und die Mütter merkwürdig abwesend waren. Doch blieben sie gleichzeitig sehr präsent in ihrem in den Dokumenten überlieferten Handeln.

Ein historiografischen Standards genügendes Buch hat Schmitz-Köster jedoch nicht vorgelegt. Schon die ein breites Lesepublikum ansprechende Wortwahl („durchgecheckte Erzeuger“, S. 12; „Lendengott“, S. 96) ist ein wenig gewöhnungsbedürftig. Auch die verwendete Gegenwartsform ist für das geschichtswissenschaftliche Leseempfinden irritierend, wird doch die von Historiker:innen selbstauferlegte Distanz sprachlich allzu sehr durchbrochen. Eine solche Zurückhaltung gegenüber ihrem Gegenstand versucht die Autorin auch erst gar nicht vorzutäuschen. Auf die Nennung von Quellenbelegen und Jahreszahlen verzichtet Schmitz-Köster hingegen. Wo Quellen fehlen, spekuliert die Autorin und gibt dies sogar selbst zu („Alles Spekulation“, S. 135). Mitunter leistet sich Schmitz-Köster fehlgehende Annahmen, wie beispielsweise bei der spekulativen Bemerkung über die im sogenannten „Osteinsatz“ dienstverpflichteten Männer, die seien „vielleicht“ (S. 39) für die SD, Sipo oder Gestapo tätig, obwohl sie ebenso wahrscheinlich in den Landkreisverwaltungen oder sonstigen Behörden in die besetzten Gebiete abgeordnet worden sein könnten.

Trotz der Einschränkungen öffnet die Autorin die Perspektive auf die zentrale, aber von der Forschung bislang weitgehend ignorierte Gruppe der Erzeuger. Gerade weil sie für Mütter wie Kinder oft abwesend waren, blieben sie lange auch unsichtbar. Das hat Schmitz-Köster mit ihrem instruktiven Sachbuch nun geändert – und damit zugleich den Blick geweitet für weitere Nachforschungen.

Anmerkungen:

[1] Georg Lilienthal, Der „Lebensborn e.V.“. Ein Instrument nationalsozialistischer Rassenpolitik, Frankfurt am Main 2003.

[2] Dorothe Schmitz-Köster, Kind L 364. Eine Lebensborn-Familiengeschichte, Berlin 2007; dies., „Deutsche Mutter, bist du bereit…“ Der Lebensborn und seine Kinder, Berlin 2010; dies., Lebensborn lebenslang. Die Wunschkinder der SS und was aus ihnen wurde, München 2012; dies., Raubkind – Von der SS nach Deutschland verschleppt, Freiburg im Breisgau 2018.

Zitation

Yves Müller: Rezension zu: Schmitz-Köster, Dorothee: Unbrauchbare Väter. Über Muster-Männer, Seitenspringer und flüchtende Erzeuger im Lebensborn. Göttingen 2022 , ISBN 978-3-8353-5325-1,, In: H-Soz-Kult, 17.07.2023, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-118021>.



[Regionalforum-Saar] Lesehilfen

Date: 2023/07/19 09:12:07
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Guten Morgen,

gestern habe ich jemanden die beiden nachstehenden Bücher empfohlen, und ich dachte mir, vielleicht interessiert das allgemein. Das erste fand ich noch bei Amazon, das zweite ist vergriffen und wird teilweise zu horrenden Preisen gehandelt. Beide stammen vom gleichen Autor, Paul Arnold Grun.


Leseschlüssel zu unserer alten Schrift

Paul Arnold Grund, * Stettin 30.06.1872, † Göttingen 14.03.1956, hat 1935 ein Taschenbuch der deutschen (wie auch der humanistischen) Schriftkunde für Archivbenutzer, insbesondere Familienforscher, Heimatforscher, Studierende, Geistliche und Kirchenbuchbenutzer geschaffen, das wir im Original-Reprint neu aufgelegt haben, weil es für alle, die mit alten Dokumenten arbeiten müssen, keine vergleichbare Hilfe gibt. Wir wissen inzwischen aus Erfahrung, wie schwer es ist, mit einer Schrift umzugehen, die jahrhundertelang das Schrifttum beherrschte und nun in wenigen Jahrzehnten bereits fast völlig in Vergessenheit geriet. Deshalb bieten wir Ihnen auch Titel, Inhaltsverzeichnis und Vorwort bereits in Antiqua und geben dem Büchlein ein deutsches Normalalphabet mit. Der „Leseschlüssel zu unserer alten Schrift“ soll vornehmlich in der Hand des forschenden Laien die Möglichkeit geben, den Inhalt der alten Archivalien zu erschließen. Gruns „Leseschlüssel“ ist seit seinem Erscheinen zu einem der besten Hilfsmittel nicht nur für den Genealogen, sondern für jeden Archivbenutzer geworden und wird als das Nachschlagebuch mit der Bezeichnung „Der Grun“ oft und gern für Buchstabenformen, Zahlen, Abkürzungen usw. herangezogen. Mit 12 Tafeln der Buchstabenformen, griechischen Schrift, Abkürzungen, Zahlen usw. und 54 Tafeln ausgewählter Schriftproben aus dem 14. bis 19. Jahrhundert nebst gegenübergestellter Übertragung.


Das zweite Buch ist:

Schlüssel zu alten und neuen Abkürzungen

Ein Wörterbuch lateinischer und deutscher Abkürzungen des späten Mittelalters und der Neuzeit, mit einer historischen und systematischen Einführung für Archivbenutzer, Studierende, Heimat- und Familienforscher. Die Abkürzungen sind originalgetreu nachgebildet, so daß mit diesem Buch ein echtes Hilfsmittel für das Studium von Archivalien geschaffen wurde. Es ist weder von Paul Arnold Grun beabsichtigt gewesen, noch ist es möglich, in einem handlichen Abkürzungsschlüssel ein auch nur einigermaßen erschöpfendes Verzeichnis lateinischer und deutscher Abkürzungen zu bringen. Dieses trifft besonders für die Neuzeit zu, in der vielfach ein willkürliches Verfahren, Worte abzukürzen, Platz gegriffen hat. Und doch legte Grun gerade auf die Erfassung der Abkürzungen aus der Zeit etwa von 1500 bis 1900 den größten Wert, da das Standardwerk des Italieners Adriano Capelli „Lexicon abbreviaturarum“, jetzt in 5. Auflage in Mailand erschienen, nur die Abkürzungen aus der Zeit vor 1500 bringt. Mit Schriftstücken, die nach 1500 entstanden sind, haben gemeinhin aber Archivbenutzer, Studierende, Heimat- und Familienforscher, die Kirchenbuchführer und alle an derartigem Quellenstudium interessierte Kreise im deutschsprachigen Bereich in erster Linie zu tun. jeder, der in der Archivpraxis steht, spürt täglich das Fehlen eines derartigen Hilfsmittels, das er vertrauensvoll dem paläographisch nicht geschulten Benutzer in die Hand geben kann.

Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

Re: [Regionalforum-Saar]   Lesehilfen

Date: 2023/07/19 09:44:02
From: Matthias Gard via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Also das zweite Buch habe ich vor gar nicht allzu langer Zeit neu als Reprint käuflich erworben für unter zwanzig Euro in der Reihe Grundriss der Genealogie Band 6! Gibt es, wie ich gerade gesehen habe, auch bei Thalia online.

Grüße,
M. Gard

--
Matthias Gard M.A.,
St. Wendel/Niederkirchen
Am 19.07.23, 09:12 schrieb Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>:

Guten Morgen,

gestern habe ich jemanden die beiden nachstehenden Bücher empfohlen, und ich dachte mir, vielleicht interessiert das allgemein. Das erste fand ich noch bei Amazon, das zweite ist vergriffen und wird teilweise zu horrenden Preisen gehandelt. Beide stammen vom gleichen Autor, Paul Arnold Grun.


Leseschlüssel zu unserer alten Schrift

Paul Arnold Grund, * Stettin 30.06.1872, † Göttingen 14.03.1956, hat 1935 ein Taschenbuch der deutschen (wie auch der humanistischen) Schriftkunde für Archivbenutzer, insbesondere Familienforscher, Heimatforscher, Studierende, Geistliche und Kirchenbuchbenutzer geschaffen, das wir im Original-Reprint neu aufgelegt haben, weil es für alle, die mit alten Dokumenten arbeiten müssen, keine vergleichbare Hilfe gibt. Wir wissen inzwischen aus Erfahrung, wie schwer es ist, mit einer Schrift umzugehen, die jahrhundertelang das Schrifttum beherrschte und nun in wenigen Jahrzehnten bereits fast völlig in Vergessenheit geriet. Deshalb bieten wir Ihnen auch Titel, Inhaltsverzeichnis und Vorwort bereits in Antiqua und geben dem Büchlein ein deutsches Normalalphabet mit. Der „Leseschlüssel zu unserer alten Schrift“ soll vornehmlich in der Hand des forschenden Laien die Möglichkeit geben, den Inhalt der alten Archivalien zu erschließen. Gruns „Leseschlüssel“ ist seit seinem Erscheinen zu einem der besten Hilfsmittel nicht nur für den Genealogen, sondern für jeden Archivbenutzer geworden und wird als das Nachschlagebuch mit der Bezeichnung „Der Grun“ oft und gern für Buchstabenformen, Zahlen, Abkürzungen usw. herangezogen. Mit 12 Tafeln der Buchstabenformen, griechischen Schrift, Abkürzungen, Zahlen usw. und 54 Tafeln ausgewählter Schriftproben aus dem 14. bis 19. Jahrhundert nebst gegenübergestellter Übertragung.


Das zweite Buch ist:

Schlüssel zu alten und neuen Abkürzungen

Ein Wörterbuch lateinischer und deutscher Abkürzungen des späten Mittelalters und der Neuzeit, mit einer historischen und systematischen Einführung für Archivbenutzer, Studierende, Heimat- und Familienforscher. Die Abkürzungen sind originalgetreu nachgebildet, so daß mit diesem Buch ein echtes Hilfsmittel für das Studium von Archivalien geschaffen wurde. Es ist weder von Paul Arnold Grun beabsichtigt gewesen, noch ist es möglich, in einem handlichen Abkürzungsschlüssel ein auch nur einigermaßen erschöpfendes Verzeichnis lateinischer und deutscher Abkürzungen zu bringen. Dieses trifft besonders für die Neuzeit zu, in der vielfach ein willkürliches Verfahren, Worte abzukürzen, Platz gegriffen hat. Und doch legte Grun gerade auf die Erfassung der Abkürzungen aus der Zeit etwa von 1500 bis 1900 den größten Wert, da das Standardwerk des Italieners Adriano Capelli „Lexicon abbreviaturarum“, jetzt in 5. Auflage in Mailand erschienen, nur die Abkürzungen aus der Zeit vor 1500 bringt. Mit Schriftstücken, die nach 1500 entstanden sind, haben gemeinhin aber Archivbenutzer, Studierende, Heimat- und Familienforscher, die Kirchenbuchführer und alle an derartigem Quellenstudium interessierte Kreise im deutschsprachigen Bereich in erster Linie zu tun. jeder, der in der Archivpraxis steht, spürt täglich das Fehlen eines derartigen Hilfsmittels, das er vertrauensvoll dem paläographisch nicht geschulten Benutzer in die Hand geben kann.

Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

_______________________________________________ Regionalforum-Saar mailing list Regionalforum-Saar(a)genealogy.net https://list.genealogy.net/mm/listinfo/regionalforum-saar

[Regionalforum-Saar] Anat Feinberg. Die Villa in Berl in. Eine jüdische Familiengeschichte 1924–1934

Date: 2023/07/19 12:23:54
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Anat Feinberg. Die Villa in Berlin. Eine jüdische Familiengeschichte 1924–1934

Erschienen Göttingen 2022: Wallstein Verlag
Anzahl Seiten 232 S.
Preis € 26,00
ISBN 978-3-8353-5315-2

Rezensiert für H-Soz-Kult von  Jakob Stürmann, Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow

Berlin ist seit langem ein multi- und transkultureller Ort, der von ganz unterschiedlichen Migrationsbewegungen geprägt wurde und wird. Für die 1920er-Jahre beschreibt Karl Schlögel die Millionenstadt als „Ostbahnhof Europas“, die auch zehntausende Jüdinnen und Juden aus dem östlichen Europa durchquerten.[1] Einige von ihnen trugen dazu bei, dass die Hauptstadt der Weimarer Republik für eine Dekade „die Metropole hebräischer Kultur“ wurde.[2] Anat Feinberg, Professorin für hebräische und jüdische Literatur an der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg, beschreibt dieses kurzlebige Milieu. Im Mittelpunkt ihrer Erzählung steht die Familie Grüngard, die zwischen 1924 und 1934 in Berlin wohnte und dessen Villa im bürgerlichen Bezirk Schöneberg zu einem zentralen Veranstaltungsort der zionistischen Bewegung avancierte.

Feinbergs Buch ist eine für den geschichtswissenschaftlichen Kontext unkonventionelle Publikation. Die Literaturwissenschaftlerin nutzt Stilmittel aus der Belletristik, um das Leben der Familie Grüngard im Berlin der Zwischenkriegszeit auf ansprechende Weise wiederzugeben. Das Buch ist in kurze Tagebucheinträge untergliedert, die aus der Feder eines fiktiven Erzählers stammen: David, der „Ziehsohn der Grüngards“ (S. 74), geht im Haus ein und aus. Damit wirkt er als ein literarischer Filter der Autorin. Die Wiedergabe der Geschehnisse aus seiner Perspektive ermöglicht es Feinberg, Wissenslücken, die trotz intensiver historischer Recherche geblieben sind, literarisch zu füllen und so den Leserinnen und Lesern eine ansprechende und zusammenhängende familienbiografische Erzählung zu präsentieren.

Im Zentrum der Geschichte steht die vierköpfige Familie Grüngard. Zu ihr gehören der Vater Faivel, die Mutter Braina, der Sohn Jehuda und die Tochter Ayala. Faivel und Braina stammen beide aus der Stadt Verzholova, die vor dem Ersten Weltkrieg auf dem Staatsgebiet des Russländischen Reiches lag, nur wenige Kilometer entfernt von der Grenze zu Ostpreußen.[3] Ungewollt verschlägt es die Familie nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges nach Leipzig. Mit Hilfe familiärer Netzwerke gelangen sie aber sehr bald nach Stockholm. Erst 1924 ziehen sie, nun mit schwedischer Staatsbürgerschaft, in die pulsierende Hauptstadt der Weimarer Republik. Wie auch in ihren bisherigen Wohnorten sucht die Familie sogleich Anschluss an die zionistische Bewegung. In der darauffolgenden Dekade wird ihre aus 18 Zimmern bestehende Villa für die in Berlin lebenden Jüdinnen und Juden zu einem wichtigen Anlaufpunkt. Dort finden Banketts, Teeabende, zionistische Vorträge, hebräische Literaturabende und Konzerte statt. Nach nur wenigen Monaten scheint es, als ob die Familie Grüngard in Berlin verwurzelt sei. Faivel und Braina sind „bestens im Bilde über alle jüdischen Angelegenheiten in der Stadt“ (S. 44).

In äußerst liebevolle Weise zeichnet Feinberg die Berliner Jahre der Familie Grüngard nach und erweckt damit ein ganz besonderes Milieu der Weimarer Republik neu zum Leben. Die sicherlich in Teilen ausgeschmückten privaten Erzählungen werden mit historischen Fakten verflochten. Dabei stehen Aspekte wie die osteuropäisch jüdische Herkunft, die Sprachenvielfalt der jüdischen Migrationscommunity, generationelle Prägungen und das jeweils individuelle kulturelle und politische Engagement der Familienmitglieder im Vordergrund. Ausgehend von Alltagsschwierigkeiten macht Feinberg außerdem auf die politischen Herausforderungen der Zeit aufmerksam. So erfolgt der Umzug der Familie nach Berlin fast zeitgleich mit dem Aufbruch des jüdischen Dichters Chaim Nachman Bialik in das Mandatsgebiet Palästina. Die Hyperinflation des Jahres 1923, die den Grüngards beim Kauf des Hauses zugutekommt, bringt den bereits in Berlin lebenden Bialik in enorme finanzielle Schwierigkeiten. Zum Jahreswechsel 1925/26, als das kulturelle Leben in der Stadt prosperiert und Braina die Stücke das hebräischen Theaterensembles Habimah besucht, behauptet mit Oscar Wassermann ein Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, dass der Antisemitismus im Land abnehme. Nur fünf Jahre später erringen die Nationalsozialisten bei der Reichstagswahl einen Stimmenanteil von 18 Prozent. Die Partei schätzen Jüdinnen und Juden bereits zu diesem Zeitpunkt als so gefährlich ein, dass über sie vielfach gesprochen und der Begriff „Nazi“ bei hebräischsprachigen Unterredungen verwendet wird.

Parallel zu den sich permanent wandelnden politischen Rahmenbedingungen vollzieht sich der Aufbau und die Stärkung der jüdisch-nationalen Bewegung. Im Buch gelingt es, diese Gleichzeitigkeit aufzuzeigen. In besonderer Weise profitierte die zionistische Bewegung Berlins von der Grüngard-Villa als halböffentlicher Veranstaltungsort. Anhand von Einladungen weist Feinberg nach, dass zahlreiche jüdische Intellektuelle sowie Künstlerinnen und Künstler, wie Sammy Gronemann, Fischl Schneersohn, David Koigen, Olga und Bruno Eisner im Haus ein- und ausgingen. Mit dem Fokus auf den Wohn- und Lebensort der Familie rückt Feinberg auf subtile Weise eine methodische Herausforderung der Geschichtswissenschaft in den Fokus: Kleine und oftmals auch migrantische politische Bewegungen organisieren sich zumeist im privaten Raum und bei halböffentlichen Veranstaltungen. Für dessen Rekonstruktion erscheint der Zugang zu Privatarchiven sehr häufig als unabdinglich. Die Villa in der Freiherr-vom-Stein-Straße war ein solcher Ort.

Ein weiterer von der Autorin hervorgehobener Aspekt ist die Internationalität der zeitgenössischen zionistischen Bewegung. Feinberg verweist nicht nur auf die internationalen Gäste in der Villa. Ebenso kann die Familie auf Netzwerke zurückgreifen, die durch den bereits vollzogenen Migrationsweg entstanden sind. Noch wichtiger erscheint aber, dass der Wunsch zur Übersiedlung nach Eretz Israel innerhalb der Familie eine Grundüberzeugung ist. Sie manifestiert sich auch durch Reisen ins Mandatsgebiet Palästina, wirtschaftliche Investitionen vor Ort und dem Erleben von Antisemitismus in Deutschland. Damit wirkt das Leben in Berlin aus unterschiedlichen Gründen im gesamten Zeitraum als ein Zwischenstopp. Schlussendlich müssen die Grüngards die Stadt im Frühjahr 1934 unter Zwang verlassen.

Auch auf einer zweiten Ebene bricht Feinberg mit früheren Konventionen der deutschen Geschichtswissenschaft. Ihr Buch ist eine Beschreibung der eigenen Familien- und Herkunftsgeschichte: Faivel und Braina sind ihre Großeltern, Jehuda ihr Onkel und Ayala ihre Mutter. Mit Sicherheit ist die persönliche Nähe zum Forschungsobjekt ein zentraler Grund dafür, dass sie mit literarischen Mitteln eine gewisse Distanz und Verfremdung herbeiführt. Wie schwer Feinberg das Verfassen des Buches fiel, deutet sie in einer dem Buch vorangestellten „Rückblende“ an: „So verstrichen Wochen, Monate. Das Material stapelte sich auf und neben dem Schreibtisch, auf den Regalen, sogar auf dem Teppich. Ich habe kein einziges Wort geschrieben.“ (S. 7) Auf derselben Seite bemerkt sie auch, dass sie „kein wissenschaftliches, kein historisches Buch schreiben wollte“. Nichtsdestotrotz verweisen das umfangreiche Literatur- und Quellenverzeichnis und ihre bereits zuvor veröffentlichten wissenschaftlichen Artikel über ihre Familie auf eine akribische Recherchearbeit, die sich gleichsam im Buch wiederfindet.[4]

In Die Villa in Berlin beschreibt Feinberg eine Episode der Berliner Stadtgeschichte, die durch die Machtübertragung an die Nationalsozialisten ein gewaltvolles und tragisches Ende fand. Lange Zeit war die Geschichte der zionistischen Bewegung im Deutschland vor 1933 von der notwendigen Aufarbeitung des Nationalsozialismus und des Holocaust überdeckt. Aus heutiger Sicht erscheint es aber immer wichtiger, sich auch mit den kulturpolitischen Ansätzen des Zionismus in der Zeit der Weimarer Republik auseinanderzusetzen. Dies führt zu einem breiteren Verständnis für die Geschichte der zionistischen Bewegung vor dem Holocaust und zeigt einen wichtigen Aspekt der deutsch-jüdischen Verflechtungsgeschichte in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts – eine umfangreiche Thematik, der sich in den letzten Jahren auch andere Forscherinnen und Forscher angenommen haben.[5] Das besondere Verdienst dieses Buches ist es jedoch, dass es die geschichtswissenschaftlichen Erkenntnisse für ein breiteres Lesepublikum aufbereitet. Somit ist sehr zu hoffen, dass die beeindruckende, hervorragend zu lesende Darstellung auch über das fachwissenschaftliche Publikum hinaus wahrgenommen wird und eine große Leserinnen- und Leserschaft findet.

Anmerkungen:
[1] Karl Schlögel, Berlin Ostbahnhof Europas. Russen und Deutsche in ihrem Jahrhundert, Berlin 1998; für die jüdische Migrationsbewegung aus dem östlichen Europa vgl. Anne-Christin Saß, Berliner Luftmenschen. Osteuropäisch-jüdische Migranten in der Weimarer Republik, Göttingen 2012.
[2] Michael Brenner, Jüdische Sprachen und die neuere deutsch-jüdische Geschichte, in: ders. (Hrsg.), Jüdische Sprachen in deutscher Umwelt. Hebräisch und Jiddisch von der Aufklärung bis ins 20. Jahrhundert, Göttingen 2002, S. 7–10, hier S. 7. Hervorhebung im Original.
[3] Vgl. Anat Feinberg, „Wir laden Sie höflich ein“ – The Grüngard Salon and Jewish-Zionist Sociability in Berlin in the 1920s, in: Gertrud Pickhan / Verena Dohrn (Hrsg.), Transit und Transformation. Osteuropäisch-jüdische Migranten in Berlin 1918–1939, Göttingen 2010, S. 234–253, hier S. 236.
[4] Vgl. neben Literaturhinweis in Fußnote drei auch Anat Feinberg, „The sky of Eretz Israel, my sky“. Berlin and the Early Yishuv as Reflected in the Letters of Feivel Shraga Grüngard, in: Nathanael Riemer (Hrsg.), Jewish Lifeworlds and Jewish Thought. Festschrift presented to Karl E. Grözinger on the Occasion of his 70th Birthday, Wiesbaden 2012, S. 309–320.
[5] Für den deutschsprachigen Raum ist diesbezüglich besonders das Forschungsprojekt „Charlottengrad und Scheunenviertel. Osteuropäisch-jüdische Migranten im Berlin der 1920/30er Jahre“ zu nennen. Hieraus hervorgegangene und für das Thema relevante Publikationen sind u.a.: Tamara Or, Heimat im Exil. Eine hebräische Diasporakultur in Berlin, 1897–1933, Göttingen 2020; Shachar Pinsker, Spaces of Hebrew and Yiddish Modernism – The Urban Cafés of Berlin, in: Gertrud Pickhan / Verena Dohrn (Hrsg.), Transit und Transformation. Osteuropäisch-jüdische Migranten in Berlin 1918–1939, Göttingen 2010, S. 56–76.

Zitation
Jakob Stürmann: Rezension zu: Feinberg, Anat: Die Villa in Berlin. Eine jüdische Familiengeschichte 1924–1934. Göttingen 2022 , ISBN 978-3-8353-5315-2,, In: H-Soz-Kult, 19.07.2023, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-131572>.



Re: [Regionalforum-Saar] Lesehilfen

Date: 2023/07/19 16:12:38
From: Joerg Weinkauf via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>


Am 19.07.2023 um 09:12 schrieb Roland Geiger via Regionalforum-Saar:
Schlüssel zu alten und neuen Abkürzungen


Das Buch ist mit einer Lieferzeit von 1-2 Wochen bei Thalia zu
bestellen, zumindest lt. Homepage.

Gruß Jörg Weinkauf


--
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[Regionalforum-Saar] „Quo vadis“-Buch: De r Skandal der Skandale

Date: 2023/07/31 20:32:31
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

„Quo vadis“-Buch: Der Skandal der Skandale
Sonntag, 30. Juli 2023
von Christian Funck
Quelle: https://www.wndn.de/quo-vadis-buch-der-skandal-der-skandale/

In dem Buch „Abtei Tholey – Quo vadis?“ erhebt Meinrad Maria Grewenig schwere Vorwürfe gegen die Tholeyer Klosterführung. Um einen sachlichen und konstruktiven Debattenbeitrag handelt es sich bei dem Buch leider nicht. „Abtei Tholey – Quo vadis?“ ist ein Pamphlet.

In seinem neuen Buch „Abtei Tholey – Quo vadis? Vision, Hoffnung, Wirklichkeit“ hat der ehemalige Generaldirektor des Weltkulturerbes Völklinger Hütte, Meinrad Maria Grewenig, schwere Vorwürfe gegen den Tholeyer Abt Mauritius Choriol OSB sowie Pater Wendelinus Naumann OSB erhoben.

Grewenigs Sprache ist dabei alles andere als zurückhaltend. Indirekt bezeichnet er P. Wendelinus und Abt Mauritius als scheinheilige „Feinde der Kirche“, „die die frohe Botschaft verdunkeln“ und die ein hartes Urteil erwarteten (siehe Innendeckel). Insbesondere in P. Wendelinus scheint Grewenig den Satan zu sehen: „Hat Satan sich in der Abtei breitgemacht? (…) Hat Gerhard Richter womöglich in seinen Fenstern Hinweise nicht nur auf Engel, sondern auch auf den Teufel gegeben?“ (S. 11). „Denn manche entdecken in seinen Chorfenstern nicht nur Engel, sondern auch Teufelsfratzen“ (S. 61). Grewenig bezeichnet P. Wendelinus als den „Totengräber eines der spannendsten Kulturprojekte des Saarlandes“ (S. 60). Seine Aufgabe sieht Grewenig darin, „das Böse [P. Wendelinus?] zu identifizieren und unschädlich zu machen“ (S. 61). P. Wendelinus und Abt Mauritius sollten „aus der Handlungslinie gebracht werden“ (S. 76).

„Norbert Lammers“ und der „unbedeutendste Mönch“

Die konkrete Kritik ist dabei zum Teil kleinkariert. So kritisiert Grewenig beispielsweise, dass der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert im September 2022 bei seinem Besuch in der Abtei nicht von Abt Mauritius, sondern von P. Wendelinus, dem angeblich „unbedeutendsten“ Mönch der Klostergemeinschaft, empfangen worden sei (S. 40). Dies könne man „nur als große Ignoranz oder den Ausbruch großer Eitelkeit eines Einzelnen deuten“ und offenbare die „eklatante Führungsschwäche des Klosteroberen“ (S. 40).

Andere Deutungsmöglichkeiten kommen für Grewenig nicht in Betracht, sind allerdings wesentlich naheliegender als „Ignoranz“ und „große Eitelkeit“: So ist P. Wendelinus beispielsweise schlicht eloquenter als der Abt, dessen Muttersprache französisch ist.

Besonders peinlich ist, dass Grewenig es dabei nicht einmal schafft, den Namen des hohen Gastes richtig zu benennen: Ein „Norbert Lammers“ (S. 39) ist nämlich niemals Bundestagspräsident gewesen. Sich nicht einmal den Namen einer Person merken zu können, ist nun auch nicht gerade ein Ausweis von Respekt. Als andere Deutungsmöglichkeiten kämen freilich schlampiges Arbeiten und/oder ein schlechtes Lektorat in Betracht.

Verändern der Wahrheit?

Grewenig wirft P. Wendelinus und Abt Mauritius vor, es mit der Wahrheit „nicht so genau“ zu nehmen (S. 40). Peinlich ist dann aber, dass sich in seinem Buch selbst viele falsche Tatsachenbehauptungen finden. Die Liste der – mal mehr, mal weniger gravierenden – Falschbehauptungen und Fehler ist dabei lang.

So behauptet Grewenig zum Beispiel, dass dem Konvent im Jahr 2008 nur noch sechs Mitglieder angehört hätten (S. 82; tatsächlich waren es allerdings etwa 13 Mönche). Auch nicht richtig ist beispielsweise die Behauptung, dass die Tagesschau die Fenster von Gerhard Richter „ausgiebig“ vorgestellt hätte (S. 63). Die 20-Uhr-Tagesschau hatte zwar über die Tholeyer Richter-Fenster berichtet, allerdings mit einem 24-Sekunden-Beitrag. Unter „ausgiebig“ dürfte man wohl doch eher etwas anderes verstehen. Unzutreffend ist auch, dass „[g]anzseitige Medienberichte aller (…) internationalen Zeitungen einschließlich der New York Times“ über das „Wunder von Tholey“ berichtet hätten (S. 62 f.). Die New York Times war vielmehr – soweit bekannt – die einzige große internationale Zeitung, die mit einem großen Beitrag über die Tholeyer Richter-Fenster berichtet hatte.

Überhaupt neigt Grewenig zu Übertreibungen. Die Abtei Tholey habe dank ihres Schutzheiligen, des heiligen Mauritius, Teil am „Gründungsmythos des Heiligen Römischen Reiches“ (S. 34) und die Abtei stehe „für Sternstunden des christlichen Abendlandes, aber auch für die größten Katastrophen der Geschichte“ (S. 78 f.). Die Wiedereröffnung der Abteikirche im September 2020 nennt er ein „mediales Weltereignis“ (S. 11). Diese Übertreibungen benutzt Grewenig wohl bewusst, um einen besonders deutlichen Kontrast zwischen den Erwartungen zur Zeit der Wiedereröffnung der Abteikirche im September 2020 und der jetzigen angeblichen Tristesse zu zeichnen.

Die Weihnachtspredigt von Wittichenau

Auch bei der Schilderung der Geschehnisse um die Weihnachtspredigt des im Juni verstorbenen Tholeyer Paters Joachim Wernersbach OSB (den Grewenig fälschlicherweise als „Pater Joachim Wernesbacher“ bezeichnet), die Anfang Januar bundesweit für mediales Aufsehen gesorgt hatte, nimmt Grewenig es mit den Fakten nicht so genau.

So behauptet er, die „Online-Umfrage“ sei „längst geschlossen“ und das Video der Weihnachtsmesse gelöscht gewesen, als die Abtei Tholey ihre Presseerklärung herausgegeben habe (S. 44). Die Presseerklärung, in der sich die Abtei von P. Joachims Weihnachtspredigt distanzierte, habe in Wirklichkeit als „Ablenkungsmanöver“ von einem „mit harten Bandagen geführten Machtkampf hinter den Mauern der Abtei“ gedient (S. 45). Bei diesem Machtkampf sei es um die lebenslange Versorgung von P. Wendelinus im Kloster gegangen (S. 45). Es gebe nämlich Gerüchte, dass die Wahl von P. Wendelinus in den Konvent im Jahr 2019 unrechtmäßig erfolgt sei (S. 45). In der Folge hätten „Mönche und Brüder (…) das Kloster temporär verlassen“ (S. 45). P. Joachim war seit Sommer 2021 im Bistum Görlitz als Priester tätig gewesen. Bei einer Versammlung der Mönche (Generalkapitel-Sitzung) am 4. Januar 2023, an der auch P. Joachim als Mitglied des Tholeyer Konvents teilgenommen habe, sei es um die Frage gegangen, ob P. Wendelinus rechtsgültig in die Abtei aufgenommen worden sei (S. 46).

Tatsächlich hatte die Abtei die Presseerklärung am 3. Januar 2023 veröffentlicht – an dem Tag, an dem die Kritik an der Predigt von überregionalen Medien aufgegriffen worden war. Offenbar erst seit dem Morgen des 4. Januar 2023 – und damit nach Veröffentlichung der Presseerklärung der Abtei – war die Petition online nicht mehr abrufbar. Das Youtube-Video der Weihnachtsmesse von Wittichenau war zum Zeitpunkt der Presseerklärung ebenfalls noch abrufbar gewesen. Grewenig stellt die Chronologie der Ereignisse somit unzutreffend dar. Dies tut er offensichtlich, um seine These plausibel erscheinen zu lassen, die Presseerklärung (in der man sich von P. Joachims Weihnachtspredigt distanzierte) habe einzig und allein dazu gedient, einen Mitbruder öffentlich an den Pranger zu stellen (S. 74). Kritik an der Reaktion der Abtei auf die Weihnachtspredigt von Wittichenau ist zwar durchaus legitim. Grewenig lässt allerdings völlig außer Acht, dass die Abtei unter massivem medialem und zeitlichem Druck gestanden hatte. Grewenigs Behauptung, Ziel der Abtei sei es gewesen, „einen Medienskandal um jeden Preis zu erzielen“ (S. 45), ist zudem unzutreffend. Umgekehrt ging es der Abtei offensichtlich genau darum, einen aufkochenden Medienskandal zu verhindern.

Aufnahme von P. Wendelinus unrechtmäßig?

Sicher ist, dass es bei der Wahl von P. Wendelinus in den Konvent zu irgendwelchen Unregelmäßigkeiten gekommen sein muss. Die Abtei erklärte in einer Pressemitteilung Ende Mai dieses Jahres, „Rom“ habe „nach reiflicher Erwägung festgestellt, dass dem Pater Wendelinus Naumann keinerlei schuldhaftes Verhalten im Zusammenhang mit seiner Aufnahme in den Tholeyer Konvent vorgeworfen werden kann und seine feierliche Profess, sofern das überhaupt notwendig wäre, kirchenrechtlich saniert.“ Wäre bei der Aufnahme von P. Wendelinus in den Konvent alles „rund gelaufen“, hätte sich „Rom“ wohl kaum mit der Angelegenheit befasst.

Welche Rolle die Generalkapitel-Sitzung für die Pressemitteilung zur Weihnachtspredigt von Wittichenau gespielt haben soll, erschließt sich allerdings nicht. In dieser Sitzung war P. Joachim weiter stimmberechtigt und es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern durch die Pressemitteilung das Wahlverhalten der Mönche im Konvent beeinflusst worden sein soll, wie Grewenig behauptet (S. 46). Fraglich ist auch, welche Mönche Grewenig meint, wenn er behauptet, dass „Mönche und Brüder“ das Kloster auf Grund „spürbarer Verwerfungen“ temporär verlassen hätten (S. 45). Außer P. Joachim kommt hierfür niemand in Betracht.

Geschönte Besucherzahlen?

Grewenig behauptet außerdem, P. Wendelinus habe die Besucherzahlen für 2022 geschönt, um trotz der angeblichen „Misere“ Erfolge zu verkünden (S. 42). Gegenüber dem Saarländischen Rundfunk habe er von 80.000 bis 85.000 Besuchern der Abteikirche gesprochen, während die Zählung der Gemeinde Tholey im Besucherzentrum nur etwa halb so viele Besucher ergeben hätte (S. 45). Warum die Besucherzahlen im Besucherzentrum den von P. Wendelinus verkündeten Kirchenbesucherzahlen widersprechen sollen, bleibt allerdings rätselhaft. Zum einen handelt es sich bei beiden Zahlen um Schätzungen und zum anderen ist natürlich davon auszugehen, dass deutlich mehr Menschen die Kirche als lediglich das Besucherzentrum aufgesucht haben.

Apropos geschönte Zahlen: In einem Werbeflugblatt zu seinem „Quo vadis“-Buch behauptet Grewenig, 6,5 Millionen (!) Leser hätten „bisher im Bereich der Saarbrücker Zeitung, des Trierischen Volksfreundes und des Pfälzer Merkurs die Berichterstattung“ über sein Buch gelesen. Hierzu ist anzumerken, dass die Gesamtauflage der genannten Zeitungen nur 157.061 beträgt, die Reichweite lediglich bei etwa 750.000 liegt und dass sich das Online-Angebot dieser Zeitungen jeweils hinter einer Bezahlschranke versteckt. Die behauptete Anzahl von 6,5 Millionen Lesern dürfte zudem die Einwohnerzahl im Einzugsbereich der genannten Zeitungen etwa um das Drei- bis Vierfache übersteigen. Dass daher tatsächlich 6,5 Millionen Menschen die Berichterstattung der Saarbrücker Zeitungsgruppe über „Abtei Tholey – Quo vadis“ gelesen haben, dürfte daher äußerst fragwürdig und zudem weit unwahrscheinlicher sein, als das 80.000 Leutchen im gesamten Jahr 2022 die Abtei Tholey besucht haben.

Der Streit um das Nordportal

Grewenig attackiert P. Wendelinus auch für seine Rolle im „Tholeyer Denkmalstreit“ (S. 70). Im Jahr 2019 hatte die Abtei ohne Genehmigung des Landesdenkmalamts die gestuften Spitzbögen (die Archivolten) des frühgotischen Nordportals entfernen lassen – angeblich, um einen Doppel-T-Träger zur Stabilisierung der Wand einzusetzen. Bereits laut einem Gutachten des Instituts für Steinkonservierung aus dem Jahr 2007 galt das Portal als „stark in seinem Bestand gefährdet.“

Das Landesdenkmalamt forderte daraufhin den Wiedereinbau der ausgebauten Teile. Das Denkmal habe das Recht, „die Spuren der Zeit vorzuzeigen“. Dass ein Relief an Lesbarkeit verliere, müsse möglich sein. Die Abtei strebte hingegen eine Rekonstruktion des infolge der Französischen Revolution sowie durch Wind und Wetter erheblich in Mitleidenschaft gezogenen Portals an. So sollte die religiöse Botschaft des stark verwitterten Portals wieder deutlich werden. Im Feld über der Tür, dem sogenannte Tympanon, befindet sich eine Darstellung von Jesus Christus, der im Moment seiner Auferstehung von den Toten aus dem Grab steigt. Die einst zum Segensgruß erhobene Hand ist jedoch nicht mehr vorhanden. Die Darstellungen in Tympanon und Archivolten waren bzw. sind teilweise bis zur Unkenntlichkeit verwittert.

Das Landesdenkmalamt erkannte die geltend gemachten religiösen Belange jedoch nicht an, weshalb nach § 30 Absatz 1 Satz 2 des Saarländischen Denkmalschutzgesetzes die zuständige kirchliche Oberbehörde – wohl die entsprechende Behörde des Vatikans oder der Nuntius als Vertreter des Papstes in Deutschland – „im Benehmen mit der Obersten Denkmalbehörde“ (dem Kultusministerium) zu entscheiden hat.

Im vergangenen Jahr lenkte die Abtei jedoch überraschender Weise ein und rückte von ihrem Vorhaben des Einbaus einer Rekonstruktion ab. Hierbei kam es wohl zum Bruch der Abtei mit der Unternehmerfamilie Meiser, die die Sanierung der Abtei mit ihren Geldern möglich gemacht hatte. Ob der Wiedereinbau der entfernten Teile überhaupt bewerkstelligt werden kann, ist aber immer noch offen. Die Sanierung des Nordportals ist bis heute unvollendet.

Die Kritik an dem eigenmächtigen Handeln der Abtei ist sicherlich berechtigt. Ob man hierfür allerdings P. Wendelinus – der „von der Abtei mit der Begleitung des Sanierungsvorhabens auf Bauherrnseite betraut worden“ war (S. 70) – alleine den „Schwarzen Peter“ zuschieben kann, ist allerdings fraglich. So wurden die ausgebauten Steine beispielsweise wohl in einer Halle der Unternehmerfamilie Meiser – dem Hauptgeldgeber der Sanierung und Finanzier des noch nicht eingebauten, aber bereits geschaffen neuen Portals – gelagert. Dass die Entscheidung zum Ausbau der Archivolten allein auf P. Wendelinus zurückging, ist daher eher unwahrscheinlich. Firmen-Patriarch Edmund Meiser griff das Landesdenkmalamt im September 2020 zudem scharf als „Verhinderungsamt“ an. Das Verhalten des Denkmalamts sei „[w]irklich ärgerlich“. Es habe „das Ziel völlig aus den Augen verloren“, keinerlei konstruktive Vorschläge gemacht und versuche „fast schon mit allen Mitteln den Einbau des neuen Portals zu verhindern“.

Das Wunder der Richter-Fenster

Weiterhin kritisiert Grewenig, dass P. Wendelinus und Abt Mauritius sich angeblich das „Wunder der Chorfenster von Gerhard Richter“ „auf ihre Fahne schreiben“ würden, „um ihr Renommee zu vergrößern“ (S. 74). Als Beleg hierfür führt Grewenig einzig und allein einen in der FAZ erschienenen Beitrag aus dem September 2022 an. Dieser wurde allerdings nicht von P. Wendelinus oder Abt Mauritius, sondern von einer FAZ-Redakteurin verfasst. Er handelt in erster Linie von der Vaterunser-Übersetzung des Alt-Bundestagspräsidenten Norbert Lammert, in den ersten beiden – schlecht recherchierten – einleitenden Absätzen geht es um das Wunder der Richter-Fenster. Allein hieraus abzuleiten, die Abteiführung wolle die Rolle von Bernhard Leonardy, dem Kantor der Saarbrücker Basilika St. Johann, verschweigen, um das eigene Renommee zu vergrößern, erscheint äußerst fragwürdig.

Denn unter anderem auf der Pressekonferenz der Abtei, auf der die Entwürfe der Richter-Fenster im September 2019 vorgestellt worden waren, hatte Bernhard Leonardy ausführlich davon berichtet, wie er den Kontakt zu Richter hergestellt hatte, und wie es ihm gelang, Richter von dem Projekt zu überzeugen. Auch P. Wendelinus hatte zudem gegenüber wndn.de auf Bernhard Leonardys besondere Rolle im Rahmen der Kontaktaufnahme zu Gerhard Richter hingewiesen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass Leonardys Vermittlungsversuche von der Abteiführung heute verschwiegen werden, gibt es nicht und werden von Grewenig auch nicht benannt.

Des Weiteren behauptet Grewenig, „die wichtigste Existenzgrundlage nach dem Beinahe-Exitus des Klosters 2008“ werde „systematisch verschwiegen“ (S. 74). Rund 15 Millionen Euro hatte die Unternehmerfamilie Meiser wohl zur Sanierung der Abtei beigesteuert (S. 57). Den Vorwurf des systematischen Verschweigens stützt Grewenig lediglich auf einen Artikel: den bereits genannten, aus fremder Feder stammenden FAZ-Beitrag. Dass die umfangreiche Sanierung der Abtei ohne die Unterstützung der Familie Meiser nicht möglich gewesen wäre, ist allerdings allgemein bekannt und wird keineswegs „systematisch verschwiegen“. Im Rahmen der Wiedereröffnung der Abteikirche hatte Abt Mauritius der Familie Meiser beispielsweise öffentlich für deren Unterstützung gedankt. Innerhalb der Abteikirche befindet sich zudem sogar eine Gedenkplakette, die an die Unterstützung der Familie Meiser erinnert.

Berechtigte Kritikpunkte

Grewenig spricht in seinem Buch aber durchaus auch berechtigte Kritikpunkte an: So ist auch knapp drei Jahre nach Einweihung der Richter-Fenster noch kein Kunstführer über die Abteikirche oder die Fenster von Gerhard Richter oder Mahbuba Maqsoodi erhältlich (S. 8 f.), Postkarten von den Richter-Fenstern gibt es auch seit langem nicht mehr zu kaufen (S. 42), Internet- und Social Media-Auftritt sind nahezu inaktiv (S. 41) und die Renovierung des Nordportals ist immer noch nicht abgeschlossen (S. 56). Daher ist es legitim zu fragen, ob die Abtei ihre wirtschaftlichen und touristischen Potentiale nutzt oder durch unprofessionelles Handeln ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage verspielt (S. 81).

Zudem lässt die seit 2009 angestrebte Errichtung eines geistigen Zentrums (S. 59) weiter auf sich warten. Äußerst bedauerlich ist überdies, dass es zwischen der Familie Meiser und der Abtei zum Bruch gekommen ist (S. 76). Die konkreten Hintergründe kann Grewenig mit seinem Buch allerdings auch nicht erhellen.

Polemische Abrechnung

In „Abtei Tholey – Quo vadis?“ beschränkt Grewenig sich allerdings nicht auf den Vortrag sachlicher Kritik, sondern greift P. Wendelinus und Abt Mauritius persönlich an. Die Kritik ist dabei sehr einseitig und – wie gezeigt wurde – in großen Teilen auch unsachlich und polemisch. „Abtei Tholey – Quo vadis?“ wirkt daher wie eine private Abrechnung wegen persönlicher Eitelkeit. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man Grewenigs Werbeflugblatt liest. Dort zitiert Grewenig den Neunkircher Rechtsanwalt Dr. Christian Halm mit der Forderung an Diözesanbischof, benachbarte Äbte und Laien, „gegen diesen [als unwürdig erwiesenen Abt Mauritius] vorzugehen“. Halm war von 2001 bis 2012 Vorsitzender des Fördervereins der Abtei Tholey gewesen und von Johannes Naumann (heute bekannt als P. Wendelinus) aus dem Amt „gedrängt“ worden.

SZ-Redakteurin Cathrin Elss-Sehringhaus mutmaßt zudem, dass Grewenig womöglich „in einer Stellvertreter-Rolle“ für die „enttäuschte Spenderfamilie oder den abservierten Geschäftsführer“ agiere. Dr. Thorsten Klein, seit Mitte 2020 Geschäftsführer der neu gegründeten, der touristischen und kommerziellen Erschließung der Abtei dienenden „St. Mauritius Tholey GmbH“, hatte seinen Posten bereits Ende des Jahres 2020 wieder räumen müssen und war von P. Wendelinus als Geschäftsführer ersetzt worden. Die damalige Erklärung der Abtei, die Abberufung sei einvernehmlich und „planmäßig“ erfolgt, war dabei wenig überzeugend. Grewenig mutmaßt, die Funktion habe P. Wendelinus offensichtlich „aus reinem Eigennutzen und persönlicher Eitelkeit“ gereizt (S. 41). Es ist allerdings nicht ersichtlich, welchen finanziellen oder sonstigen „Eigennutzen“ P. Wendelinus aus dieser Position ziehen sollte. Grewenig behauptet, seitdem bezeichne P. Wendelinus sich gerne als „Sprecher der Abtei“ (S. 41). Als solcher wurde er in Medien allerdings nachweislich auch schon zuvor bezeichnet. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass entweder Unstimmigkeiten oder Finanzierungsfragen zu Kleins Demission geführt haben: Denn ohne Gesellschafterzuschuss war Kleins Geschäftsführer-Gehalt wohl nicht zu bezahlen.

Ob Grewenig tatsächlich in einer „Stellvertreter-Rolle“ agiert, bleibt Spekulation. Grewenig ist mit dem Ehepaar Edmund und Ursula Meiser zwar wohl bekannt: Er und Ursula Meiser sind Mitglieder der Komturei Speyer/Kaiserslautern des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem. Letztendlich ist aber offen, was genau Grewenig zu seiner polemischen Abrechnung mit P. Wendelinus und Abt Mauritius geritten hat.

Missbrauch des Namens der Abtei?

Unverständlich ist auch, dass Grewenig fordert, P. Wendelinus und Abt Mauritius „aus der Handlungslinie“ zu bringen (S. 76). Im Konvent befindet sich derzeit nämlich niemand, der P. Wendelinus und Abt Mauritius mit deren Qualitäten und Eigenschaften als Führungspersönlichkeiten ersetzen könnte. Zum „Wohle der Abtei Tholey“, wie Cathrin Elss-Sehringhaus meint, handelt Grewenig daher sicherlich nicht. Dies gilt insbesondere auch mit Blick auf die reißerische Bewerbung seines Buches auf BILD-Niveau („Lüge“, „Sabotage“, „Heuchelei“, „Intrigen“) in der Saarbrücker Zeitung „im Tandem“ mit Cathrin Elss-Sehringhaus. Soweit ersichtlich hat bis heute auch kein anderes Medium als die Saarbrücker Zeitungsgruppe über Grewenigs Buch berichtet – über ein Buch, für das sich angeblich allein 6,5 Millionen Leser der Saarbrücker Zeitungsgruppe interessieren.

Unredlich ist zudem, dass Grewenig zum Vertrieb seines Buches die Internet-Adresse (Domain) „abtei-tholey.saarland“ und damit den Namen der Abtei Tholey benutzt. Dadurch wird nämlich der Eindruck erweckt, dass die Abtei selbst das „Quo vadis“-Buch vertreibt oder zumindest dem Gebrauch ihres Namens zugestimmt hat. Auf Grund einer bestehenden Verwechselungsgefahr kommt eine sogenannte Namensanmaßung in Betracht. Da auch nicht von einer Zustimmung der Abtei auszugehen ist, dürfte die Abtei Tholey gegen Grewenig einen zivilrechtlichen Anspruch auf Löschung der Domain „abtei-tholey.saarland“ haben.