Date: 2023/04/06 22:28:52
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Leider wieder eine interessante Konferenz, die nur vor Ort
stattfindet:
Veranstalter Universität Hamburg,
Forschungsgruppe
"Gewalt-Zeiten"
Veranstaltungsort Gästehaus der Universität Hamburg,
Rothenbaumchaussee 34
20148 Hamburg
Vom - Bis 12.05.2023 - 13.05.2023
Deadline 01.05.2023
Website
https://www.geschichte.uni-hamburg.de/forschung/forschungsprojekt-gewalt-zeiten/forschungsgruppe-gewalt-zeiten.html
Von Franziska Quaas, Forschungsgruppe "Gewalt-Zeiten", Universität Hamburg
Die Zerstörungen von Städten im Zuge kriegerischer
Auseinandersetzungen
markieren oftmals wichtige Zäsuren der Geschichte. Doch nur
selten bedeuten
diese Gewaltepisoden auch das Ende dieser Städte. Im Rahmen
dieser Konferenz
nehmen wir das Spannungsverhältnis zwischen disruptiver Gewalt
und
Kontinuitätsprozessen am Beispiel von Belagerung, Eroberung,
Zerstörung und
Weiterexistenz von Städten näher unter die Lupe und analysieren
die
Vielschichtigkeit von GewaltZeiten.
Bilder angegriffener und zerstörter Städte gehören zu den
erschütterndsten
Symbolen, die wichtige Zäsuren markierten. Doch so einschneidend
diese
Gewaltepisoden gewesen sind, bedeuteten sie meist nicht das Ende
dieser Städte,
sondern zeugen zugleich von der Kontinuität städtischer
Infrastruktur und der
Besiedlung derselben Stadträume. Diese Spannung zwischen
disruptiver Gewalt und
langfristiger Kontinuität nach dem Überstehen der Angriffe soll
in den Fokus
einer kulturhistorisch orientierten Diskussion gestellt werden.
Die Belagerung,
Eroberung, Zerstörung, aber auch das Weiterexistieren der Städte
bietet sich
daher als Musterbeispiel an, um in einem epochenübergreifenden
Vergleich die
Vielschichtigkeit von GewaltZeiten zu analysieren.
Programm
Freitag, 13. Mai 2023
11:00 Uhr
Stadt – Gewalt – Zeit
Christoph Dartmann (Hamburg): Begrüßung und Einführung
Frank Rochow (Cottbus): Vom Ereignis zur Erinnerung.
Theoretische Überlegungen
zur zeitlichen Sedimentierung von Stadtzerstörungen
12:00 Uhr Pause
12:30 Uhr
Die (Nicht) zerstörte Stadt
Franziska Quaas (Hamburg): Si urbs capta fuisset... Zum Abbruch
von
Belagerungen und zum Verzicht auf die Zerstörung von Städten in
der früh- und
hochmittelalterlichen Kriegführung
Lennart Gilhaus (Bonn/Essen): Sturmangriffe als Zeiten der
Entgrenzung - Die
Zerstörung von Moye als Modell für Stadteinnahmen in der
griechischen Welt
13:30 Uhr Mittagessen
15:00 Uhr
Die (nicht) zerstörte Stadt (Fortsetzung)
Gregor Diez (Graz): Corinto delete – Mummius Motive zur
Zerstörung Korinths
Christina Kecht (Passau): "Auch diese Stadt wurde eingeäschert".
Expliziter Urbizid und genozidale Randnotizen in den Res Gestae
des Ammianus
Marcellinus
David Hager (Amiens): "Que de ruines! Quand donc ser-t-on
tranquille?" Die Zerstörung französischer Städte abseits der
Front durch
deutsche Bombardements, 1914–1918
16:30 Uhr
Pause
17:00 Uhr
Narben im Stadtbild
Christian Saehrendt (Thun): Heilung durch Kunst? Die Zerstörung
Kassels im
Zweiten Weltkrieg und die Rekonstruktion als "documenta-Stadt"
Stephan Steiner (Wien): Über die zerstörerische Kraft der
Architektur
Alexander Querengässer (Halle): "Selbst in Dresden findet man
noch eine
Anzahl von Häusern in Ruinen". Die Bombardierung von 1760 und
ihre Folgen
20:00 Uhr Gemeinsames Abendessen
Samstag, 13. Mai 2023
09:30 Uhr
Narben in der Erinnerung
Sebastian Hanstein (Siegen): Zerstörte Städte, Tod, Trauma und
Zirkusspiele als
Trostmittel während der Völkerwanderung in Gallien
Christoph Pretzer (Bern): Ubi est accon, ubi sunt ecclesie
christianorum, qui
ibi erant? Akkon zwischen Untergang und Ewigkeit
10:30 Uhr Pause
11:00 Uhr
Narben in der Erinnerung (Fortsetzung)
Markus Lauert (Paderborn): Die Eroberung Magdeburgs 1631 im
Spiegel der
Historiographie und Topographie Matthäus Merians
Anke Napp (Hamburg): Ruinen als Fokalpunkt von Zerstörung und
Wiedergeburt von
Stadt und Volk
12:00 Uhr
Birthe Kundrus (Hamburg): Abschlusskommentar
Kontakt
Franziska Quaas, M.A.
Forschungsgruppe "Gewalt-Zeiten"
Universität Hamburg
Überseering 35 #5, Ostflügel, Raum 02043
22297 Hamburg
E-Mail: franziska.quaas(a)uni-hamburg.de
Tel.: +49 40 42838 2581
https://www.geschichte.uni-hamburg.de/forschung/forschungsprojekt-gewalt-zeiten/forschungsgruppe-gewalt-zeiten.html
Zitation
Die zerstörte Stadt zwischen Zäsur und Kontinuität. In:
H-Soz-Kult, 06.04.2023,
<www.hsozkult.de/event/id/event-135452>.
Date: 2023/04/10 11:51:05
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
gestern in der Saarbrücker Zeitung
Erster Weltkrieg — Schäfer veröffentlicht Buch
von Johann
Zewe
Der Remarque aus dem Saarland? Buch eines Saarländers über seine
Erlebnisse im
Ersten Weltkrieg erneut veröffentlicht – mit Hilfe der SZ-Leser
Wustweiler · Im Saarland gibt es was Neues: Die kommentierte
Zweitauflage von
Johann Zewes Buch über seine Erlebnisse im Ersten Weltkrieg. Der
Historiker
Franz Josef Schäfer hat es veröffentlicht – mit Hilfe der Leser
der Saarbrücker
Zeitung.
Von Michael
Kipp Chefreporter
„Wer ist Johann Zewe?“ Diese Frage hat Franz Josef Schäfer Ende
Mai 2022
unseren Lesern gestellt. Damals weiß der 70-jährige Historiker
lediglich: Zewe
ist Saarländer. Und: Er hat ein Buch über seine Erlebnisse beim
Russlandfeldzug
im Ersten Weltkrieg veröffentlicht. „Aus der Masurenschlacht nach
Sibirien.
Kriegs-Erlebnisse eines Saarländers“, lauten Titel und Untertitel
des Werks,
gedruckt in der Lebacher Druckerei und Verlagsgesellschaft m.b.H.
Das Erscheinungsjahr
ist nicht angegeben. Zewe gibt im Buch jedoch einen Hinweis, aus
dem Schäfer
schlussfolgert, dass die Drucklegung 1932 erfolgt sein muss.
Ein Fund im Antiquariat
Das seltene Buch findet und kauft der pensionierte Lehrer vor ein
paar Jahren
im Alt-Saarbrücker Antiquariat für 100 Euro. Ein Buch, das ihn in
Aufmachung
und vor allem auch in der Schreibe an Erich Maria Remarques im
Antikriegsroman
„Im Westen nichts Neues“ erinnert. „Es fällt auf, dass das Cover
von Remarques
Erstausgabe aus dem Jahre 1929 und Zewes Kriegserinnerungen
ähnlich gestaltet
sind. Möglicherweise wurde Johann Zewe von Remarques Publikation
inspiriert,
seine eigenen Kriegserlebnisse darzustellen“, schlussfolgert der
Wustweiler,
der bis zum Aufruf der Saarbrücker Zeitung nichts über den Autor
wusste. All
seine Recherchen zu Johann Zewe liefen ins Leere.
Ein Autor mit Respekt vorm Feind
Dabei will er nach dem Lesen des Buches vor allem eines: Das Werk
einer
größeren Öffentlichkeit zugänglich machen. Es sei ein wichtiges
Zeitzeugnis:
„Zewe geht vor allem auf Not und Elend als Folgen der
Kampfhandlungen ein“,
erklärt der Historiker. Auch im „Feind“ sieht „er in erster Linie
den Menschen,
dessen Würde er respektiert“, erklärt der ehemalige Lehrer. Das
sei Anfang der
1930er ungewöhnlich. Denn: „Seit 1933 wurde von den
Nationalsozialisten die
Bevölkerung systematisch auf einen neuen Krieg vorbereitet“, sagt
Schäfer. Die
Folge: „Antikriegsliteratur wurde verdammt und als schädlich für
die
Entwicklung der männlichen Jugend diffamiert. Hierzu zählte vor
allem der Roman
,Im Westen nichts Neues‘ von Erich Maria Remarque.“ Und im
Saarland im Kleinen
sicherlich auch Zewes „Masurenschlacht“. Er verschwand völlig von
der
Bildfläche. Bis Schäfer es im Antiquariat fand.
Wer war Johann Zewe?
Das Problem, das er bei der Wiederveröffentlichung hatte: Den
Verlag gibt es
nicht mehr – und ein Buch in den Druck zu bringen, ohne den Autor
zu kennen,
ohne ihn in seinem zeitgeschichtlichen Kontext vorstellen zu
können? Für
Schäfer nicht vorstellbar. Wer war er? Woher kommt er? Das Buch
taucht in
keinem Katalog einer öffentlichen Bibliothek auf, selbst die
Deutsche
Nationalbibliothek in Leipzig und Frankfurt hat das Buch nicht
gelistet.
Schäfer fragt in Archiven an, recherchiert in Bibliotheken, in
Soldatenlisten,
meldet sich bei historischen Vereinen. Orts- und Schulchroniken.
Er findet:
nichts. Daher hat Schäfer vergangenes Jahr die Saarbrücker Zeitung
gebeten, auf
der Suche nach Zewe zu helfen. Und tatsächlich: Mehrere Leser
wussten, wer der
Schriftsteller Johann Zewe war.
Leser der Saarbrücker Zeitung helfen
Als einer von vielen Lesern meldete sich bei Schäfer der Kutzhofer
Historiker
Hans-Joachim Schmidt. Er kennt „Aus der Masurenschlacht nach
Sibirien“ bereits
seit mehr als 20 Jahren, hat selbst Nachforschungen zum Autor
angestellt – und
hat ihn gefunden. In Kutzhof. Er stellt für Schäfer den Kontakt zu
den Enkeln
des 1974 in Kutzhof verstorbenen Johann Zewe her. „Sie haben mir
neben der Vita
ihres Großvaters auch Fotos ihrer Großeltern zur Verfügung
gestellt“, sagt
Schäfer.
Zewe wurde demnach 1891 in Limbach bei Schmelz geboren, hat
Katharina
geheiratet, hat als Bergmann in Göttelborn gearbeitet. Im Zweiten
Weltkrieg ist
„er laut Bundesarchiv in Berlin kein NSDAP-Mitglied“. Zewe gehört
von 1949 bis
1960 als CVP-Mitglied dem Kutzhofer Gemeinderat an. Pazifistisch
sei Johann
Zewe gewesen, schätzt Schäfer, zumindest als er im Jahre 1932
seine
Erinnerungen an seine Soldatenzeit im Ersten Weltkrieg
veröffentlicht. „Der
damalige Rektor der Kutzhofer Volksschule, Willi Uder, und der
evangelische
Pfarrer von Wahlschied, Martin Sinemus, hätten ihn damals beim
Schreiben
unterstützt, berichtet ein Enkel“, sagt Schäfer.
Buch ist nun erhältlich
Genug Wissen, um das Buch wieder zu veröffentlichen – mit Angaben
zum
biografischen und militärhistorischen Kontext als „Sonderband des
Förderkreises
für Heimatkunde und Denkmalpflege Eppelborn“. Die Neuauflage hat
die Druckerei
Ralf Anschüt in Illingen-Uchtelfangen gedruckt. „Der erste Teil
des Buches
bildet eine Einführung“, erklärt Schäfer. „Das eigentliche
Zewe-Buch hat 121
Seiten.“ Die Seiten hat er in einem anderen Papier drucken lassen,
das Cover
haben sie im Orginaldesign gelassen, „inklusive einiger
Stockflecken“, sagt Schäfer.
Sie wollten nicht, dass das Buch ausschaut wie ein neues Buch. Im
Textteil sind
dazu noch „mehr als 40 Anmerkungen zu russischen Dörfern und
Städten
eingefügt“, erklärt Schäfer. Die sind meist vom Historiker Georg
Wurzer, der
Experte für Kriegsgefangene in Russland im Ersten Weltkrieg ist.
„Das Buch kann
über mich zum Preis von 15 EUR plus Versandkosten bezogen werden“,
sagt
Schäfer. Seine E-Mail-Adresse: SchaeferFJ(a)t-online.de. Dazu sei
geplant, in
Kutzhof eine Lesung zu veranstalten. Ein Problem dabei: Es gibt
dort keine
Kneipe mit Saal mehr. Die letzte hat 2018 geschlossen. Sie hieß
„Zewes
Wirtschaft – ein Enkel des Autors hat sie betrieben“, sagt Schäfer
und lacht.
Das Buch kostet 15 Euro; zu bestellen bei Franz Josef Schäfer:
SchaeferFJ(a)t-online.de; oder bei der Gemeindeverwaltung Eppelborn,
gemeinde(a)eppelborn.de, (0 68
81) 96 90;
oder bei der
levoBank in Eppelborn,
info(a)levo-bank.de,
Tel: (0 68 81) 5 09-40 40. ISBN 978-3-00-075196-7.
Date: 2023/04/10 11:56:12
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Gelesen in der Saarbrücker Zeitung und gefunden
in http://landesgeschichte-saar.de/stream/
Veranstaltungsreihe zum 175-jährigen Jubiläum
Saarbrücken, 3. April 2023 – Die Kommission für Saarländische
Landesgeschichte veranstaltet in Zusammenarbeit mit der
Universität des
Saarlandes, dem Stadtarchiv Saarbrücken, dem Historischen Museum
Saar sowie der
Villa Lessing eine Veranstaltungsreihe zum 175-jährigen Jubiläum
der Revolution
von 1848/49. Die Reihe trägt den Titel „Die Revolution von
1848/49. Regional
und Transnational“ und umfasst mehrere Vorträge und eine
Filmvorführung.
Die Revolution von 1848/49 gilt als eines der entscheidendsten
Ereignisse der
deutschen Demokratie- sowie Nationalstaatsgeschichte. Obwohl sie
letztendlich scheiterte, hatte sie weitreichende Folgen für die
Geschichte
Europas im 19. und 20. Jahrhundert und wird noch heute kontrovers
diskutiert.
Mit der Veranstaltungsreihe „Die Revolution von 1848/49. Regional
und
Transnational“ werden unterschiedliche Aspekte der Revolution vor
Ort
beleuchtet und kritisch hinterfragt.
Die Veranstaltungsreihe beginnt am 20. April 2023 mit einem
Vortrag von Prof.
Dr. Andreas Fahrmeir (Frankfurt a.M.) zum Thema „Die Revolution im
deutschen Südwesten“ im Historischen Rathaussaal Saarbrücken.
Am 29. Juni wird Prof. Dr. Gabriele Clemens (Saarbrücken) im
Historischen
Museum Saar über die „48er Revolution an Saar und Mosel in
weiblicher
Perspektive“ sprechen.
Am 5. Juli referiert Dr. Sarah Panter (Mainz) im Historischen
Museum Saar
über „Revolutionsflüchtlinge als Akteure globaler Mobilität und
lokaler
Differenzierung, 1849-1914“.
Katharina Thielen (Saarbrücken) rückt am 7. September „‘Wühler‘
und
‚Heuler‘. Revolutionäre Juristen in der Reaktionszeit“ in den
Fokus.
Zum Abschluss der Veranstaltungsreihe wirft Prof. Dr. Theo Jung
(Halle) am 7.
November im Rahmen des Jahresvortrags der Kommission in der Villa
Lessing
„Kritische Perspektiven auf eine demokratiegeschichtliche
Vereinnahmung“ der
Revolution 1848/49. Die Vorträge beginnen jeweils um 18 Uhr und
sind
kostenfrei.
Zusätzlich findet am 17. Mai um 19 Uhr eine Filmvorführung des
DEFA-Films „…und
wieder 48“ aus dem Jahr 1948 in Kooperation mit dem Kino 8 1/2
statt. Der
Medienhistoriker Prof. Dr. Clemens Zimmermann (Saarbrücken) wird
einen
einführenden Kurzvortrag halten. Für die Filmvorführung wird ein
Eintrittspreis von 7€ (6€ ermäßigt) erhoben.
Informationen zur Veranstaltungsreihe sowie
Streaming-Möglichkeiten finden Sie
unter: landesgeschichte-saar.de/stream
Date: 2023/04/14 20:35:00
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Liebe Freundinnen und Freunde der Ahnenforschung, der Ahnenforscher Stammtisch Unna möchte euch sehr herzlich zu seiner folgenden Online-Veranstaltung auf Zoom einladen: Ahnenforscher Stammtisch Unna Online-Vortrag BAUERN ODER LEHNSMANNEN - EIN BEITRAG ZUM NEUZEITLICHEN LEHNSWESEN mit dem Referenten Jürgen Sturma am Donnerstag, dem 20. April 2023 um 19 Uhr auf Zoom! Einladung mit Teilnahmemöglichkeit: https://www.ahnenforscher-stammtisch-unna.de/2023/03/11/einladung-zum-online-vortrag-bauern-oder-lehnsmannen-ein-beitrag-zum-neuzeitlichen-lehnswesen-am-20-04-2023/ Wir würden uns sehr freuen, euch wieder zahlreich zu dieser Online-Veranstaltung auf Zoom begrüßen zu dürfen. Liebe Grüße Georg (Palmüller) AHNENFORSCHER STAMMTISCH UNNA E-Mail: info(a)ahnenforscherstammtisch.de Homepage: https://www.ahnenforscher-stammtisch-unna.de Facebook: https://www.facebook.com/afstunna Twitter: https://twitter.com/ahnenforscher Instagram: https://www.instagram.com/ahnenforscherstammtischunna/ _____________________________________ International German Genealogy Partnership (IGGP) mailing list Write new topics to IGGP-L(a)genealogy.net Mailing list administration https://list.genealogy.net/mm/listinfo/iggp-l IGGP website https://iggp.org/ IGGP Conference 2023 Crossroads and Connections: Find your Family Story Wo Wege sich kreuzen: Finde Deine Familiengeschichte Find all information here: bit.ly/IGGPConference2023
Date: 2023/04/16 11:34:59
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Nach langer Abstinenz treffen sich mal wieder die Nachtwächter aus allen Teilen von Rheinland-Pfalz, und ich als Ausländer (Saarländer) darf auch dorthin. CU Roland Geiger
Attachment:
Nachtwächter Konvent 2023 Plakat und Handzettel-38d82 d38.jpg
Description: JPEG image
Date: 2023/04/18 10:01:15
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Date: 2023/04/21 10:23:33
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Guten Morgen,
am Dienstag, 25 Juli, wird Jörg A. Künzer im Rahmen der
Monatstreffen der Arbeitsgemeinschaft
für Saarländische Familienkunde (ASF) einen Vortrag mit dem Titel
„Die Grablege
im ehemaligen Kloster Wörschweiler. Eine Excursion zu Grafen,
Rittern und Äbten"
halten.
Aus dem Inhalt:
- die verschiedenen Ausgrabungen mit Skelett- und
Grabplattenfunden
- Geschichte und Genealogie der beigesetzten Personen
- Beschreibung der Grabplatten mit Inschriftenkunde und Infos zur
Heraldik
Wo: im Lesesaal des Landesarchivs Saarbrücken
wann: am 25. Juli ab 17.30 Uhr
Der Eintritt ist frei; eingeladen ist jederman.
Mit freundlichen Grüßen
Roland Geiger
Date: 2023/04/21 10:46:34
From: Hans-Joachim Hoffmann via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Henn’sche Buchhandlung und Heinrich Böll Stiftung Saar laden ein
Buch im Gespräch
Hans-Joachim Hoffmann, Verwirrende Wege.
Entstehung, Zerschlagung und Neuaufbau demokratischer Strukturen
Wann: 21. April 2023 - 18.30 Uhr
Wo: Henn’sche Buchhandlung, Inh. Karl-Heinz Köhler
66564 Ottweiler, Enggass 2
1923 – 2023
Da sich das Krisenjahr 1923 der Weimarer Republik zum hundersten Male jährt, trat die Heinrich Böll Stiftung Saar an Karl-Heinz Köhler, den Inhaber der altgesessenen Henn’schen Buchhandlung in Ottweiler, mit der Bitte heran, in den Räumen dieser Buchhandlung eine Lesung zur Publikation Hans-Joachim Hoffmanns
Verwirrende Wege.
Entstehung, Zerschlagung und Neuaufbau demokratischer Strukturen
anzubieten. Dieser Bitte kam Karl-Heinz Köhler gerne nach und lädt daher zu einer Lesung des Autors unter dem Motto „Buch im Gespräch“ ein. Dieses Motto verdeutlicht, dass die Lesung eingebettet wird in ein Gespräch, das Klaus Burr, Ehrenmitglied des Stadtgeschichtlichen Museums Ottweiler, mit dem Verfasser dieser Publikation führen wird.
Dazu bietet das Jahr 2023 einen geeigneten Anlass, denn es gilt als Krisenjahr der Weimarer Republik. In einer Rezension zu dem „Handbuch der Weimarer Republik“ von Nadine Rossol/Benjamin Ziemann (Hg.), Aufbruch und Abgründe, Darmstadt 2021 führte Eckart Conze, Professor für Neuere und Neuste Geschichte an der Philipps-Universität Marburg, aus:
„Selten war in Deutschland - [...] die Weimarer Republik so präsent wie in den vergangenen Jahren. [...] Anders jedoch als in der frühen Bundesrepublik beherrscht nicht das ebenso selbstgewisse wie beruhigende ‚Bonn ist nicht Weimar‘ der Wirtschaftswunderjahre Erinnerung und Vergegenwärtigung, sondern die mahnend beschworene Möglichkeit ‚Weimarer Verhältnisse‘. Zugleich transportiert ‚Babylon Berlin‘ ein Bild von Weimar in die Wohnzimmer, das insbesondere die späten Jahre der Republik auf die Gleichzeitigkeit, die Spannung von avantgardistischer Kultur sowie wildem Nachtleben in Berlin einerseits und dem Aufstieg der Nationalsozialisten andererseits reduziert. Die alte Vorstellung vom Weimarer Tanz auf dem Vulkan setzt sich so ins Netflix-Zeitalter fort und erreicht ein Millionenpublikum.“ (Süddeutsche Zeitung Nr. 72, Montag, 27. März 2023)
Die im Titel des rezensierten Handbuches angesprochenen „Aufbrüche und Abgründe“ kommen auch auf lokaler Ebene in Hoffmanns Publikation „Verwirrende Wege“ deutlich zur Sprache und werden von Klaus Burr in der Unterredung mit dem Autor thematisiert.
Im Anschluss an die Lesung besteht die Möglichkeit zur Diskussion.
Die Henn’sche Buchhandlung, die Heinrich Böll Stiftung Saar sowie der Autor und Klaus Burr freuen sich auf Ihr Kommen.
Date: 2023/04/21 19:11:50
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Der Rezipient ist im Werk – Differenzerfahrung
und
Adressatenbezug in Reisedarstellungen des 15.-18. Jahrhunderts
Organisatoren Forschungsbibliothek Gotha
99084 Gotha
Vom - Bis 29.09.2022 - 30.09.2022
Von Peter Bohnert, Universität Vechta
Bis heute prägen Reiseberichte unsere Vorstellungen von anderen
Ländern und
Menschen, von Fremdbild und (europäischem) Selbstbild. Was wollten
die
frühneuzeitlichen Autoren ihren Lesern wie mitteilen? Galt auf dem
Buchmarkt
tatsächlich immer „travel sells“ oder mussten die Autoren
bestimmte Erwartungen
des Publikums erfüllen? Wie spiegeln sich diese Erwartungen in den
Reiseberichten wider? Inwiefern lenkten der Zweck der Reise oder
die sozialen
und beruflichen Prägungen des Reisenden seine Aufmerksamkeit?
Diesen Fragen
ging der interdisziplinäre Workshop „Der Rezipient ist im Werk –
Differenzerfahrung und Adressatenbezug in Reisedarstellungen des
15.–18.
Jahrhunderts“ an der Forschungsbibliothek Gotha der Universität
Erfurt aus
einer medien- und kulturhistorischen Perspektive nach.
SUSANNE FRIEDRICH (Erfurt/München) und MONIKA MÜLLER
(Erfurt/Gotha) stellten
bei der Einführung zunächst heraus, dass es sich bei den
Reiseberichten der
Frühen Neuzeit nicht (nur) um Selbstzeugnisse handelte. Ausgehend
von Wolfgang
Kemps einprägsamer These, „der Betrachter ist im Bild“, sei der
Rezipient eines
Reiseberichts bereits im Werk enthalten. Aufgrund der großen
Konkurrenz auf dem
Buchmarkt musste jeder Reisebericht etwas Einzigartiges besitzen,
aber zugleich
auch Wiedererkennungseffekte ermöglichen, um bei seiner
potentiellen Leserschaft
Aufmerksamkeit hervorrufen zu können. Daher dachten die Autoren
bereits beim
Verfassen des Reiseberichts an die Erwartungen und das Wissen der
Adressaten,
an die sich die Publikation richten sollte. Da von verschiedenen
Seiten
(Verleger, Kupferstecher etc.) in das Werk vor der
Veröffentlichung
eingegriffen wurde, kann bei vielen Reiseberichten eher von einer
kollektiven
Autorenschaft gesprochen werden.
SUSANNE KNAEBLE (Dresden) widmete sich der Frage nach dem
intendierten Publikum
der Gothaer Handschrift des „Herzog Ernst D“. Die Fassung D der
Abenteuerfahrt
von Herzog Ernst zeichnet sich durch eine besondere Betonung der
„Höfigkeit“
aus. Sie bot somit ein Angebot zur Rezeption höfischen Verhaltens,
das
insbesondere Frauen ansprach. Hierdurch konnte eine neue
Leserschaft gewonnen
werden.
Ausgehend von Berichten südwestdeutscher Mitarbeiter der VOC
untersuchte PHILIP
HAHN (Tübingen) die Intentionen und Wirkungen von
deutschsprachigen
Reiseberichten über Ostindien im 17. und 18. Jahrhundert. Nach
ihrer Rückkehr
betätigten sich viele Ostindienfahrer als Gastwirte und nicht ihn
ihrem
angestammten Handwerksberuf. Die (zunächst in den Gastwirtschaften
erzählten)
Berichte wurden lokal rezipiert, was die Migration von
Arbeitswilligen zur VOC
zur Folge hatte. Hinsichtlich der gedruckten Reiseberichte ist
festzustellen,
dass diese oft überformt wurden, um dem Buchmarkt bzw. den von der
Apodemikenliteratur gesetzten Erwartungen zu entsprechen, wobei
bereits im 18.
Jh. durch die „gelehrte Welt“ versucht wurde, die Berichte von
Handwerkern zu
diskreditieren. Manche Autoren wandten sich daher auch bewusst an
ihresgleichen, für die der Reisebericht zur praktischen Anleitung
werden
konnte.
Danach erfolgte eine Präsentation von ausgesuchten Originalen aus
den Beständen
der Forschungsbibliothek Gotha. In dieser werden rund 90
handschriftliche
Reiseberichte, darunter 14 Reisetagebücher, verwahrt. Darüber
hinaus verfügt
die Bibliothek über eine umfangreiche Sammlung an Druckwerken der
Signaturengruppe „Geographica“.
In diesem Kontext stellte BERND ULRICH HUCKER (Vechta) den
Frühdruck Straßburg
1519 von „Thyl Vlenspiegel“ vor, den die Forschungsbibliothek
Gotha besitzt.
Die (fiktive) Biographie ist zugleich ein Wegweiser zu den
Handwerkerwahrzeichen der Städte, in denen der umherreisende Narr
sein Unwesen
trieb. Die Kenntnis der Wahrzeichen diente den wandernden
Handwerksburschen vom
15. bis 18. Jahrhundert zur Legitimation, weshalb sie in vielen
Reisebeschreibungen genannt werden. Einige dieser Objekte finden
sich sogar in
den Eulenspiegel-Holzschnitten wieder, dennoch gehörten
Handwerkerkreise nicht
zu den intendierten Rezipienten.
MONIKA MÜLLER ging der Frage nach, ob es sich bei Caspar
Schmalkaldens „Reisen
nach West- und Ostindien“ um einen Reisebericht handelt. Jener
reiste zwischen
1642 und 1652 im Auftrag von WIC und VOC nach Brasilien und Asien
und arbeitete
dort als Soldat und Landvermesser. Nach seiner Rückkehr wurde er
Kanzlist am
Gothaer Hof und hielt seine Reiseerfahrungen in mehreren,
inhaltlich zum Teil
nur lose Schnittmengen aufweisenden Handschriften fest. Im Text
finden sich
durchaus Parallelen zu bereits veröffentlichten landeskundlichen
Beschreibungen, doch ist nicht von einer direkten Abschrift
auszugehen. Es sind
vor allem die Zeichnungen in der Handschrift, die deutliche Bezüge
zu
zeitgenössischen Werken des Druckmedium und der Malerei aufweisen.
Die in der
Forschungsbibliothek Gotha verwahrte, prächtig illustrierte
Handschrift mit
Zeichnungen und Deckfarbenmalerei sind für einen reinen
Privatgebrauch geradezu
einzigartig. Es ist anzunehmen, dass diese wohl zunächst für den
Unterricht
oder das gelehrte Gespräch am Gothaer Hof dienen sollte – ein
Plan, der aber
wohl nicht zur Ausführung gelangte. Auffallend ist, dass auch in
der bildlichen
Darstellung soziale Hierarchien dargestellt werden.
Beeinflusst von Schmalkaldens Reisebericht begab sich Johann
Wilhelm Vogel
(1657-1723) auf Reisen, zu dem SUSANNE FRIEDRICH vortrug. Er
schrieb über die
in den Diensten der VOC unternommene Reise innerhalb von sechzehn
Jahren zwei unterschiedliche
Berichte, von denen sich wiederum je zwei Versionen erhalten
haben. Dabei
transformierte er die teilweise logbuchartigen Berichte je nach
intendierten
Rezipienten, indem er andere Erlebnisse auswählte, Teile ergänzte
und verschob
oder Formulierungen veränderte. Hierbei wurde der Einfluss der
Schriftlichkeitskultur der VOC zunehmend zurückgedrängt. Vogel
orientierte sich
an den Vorstellungen eines thüringischen oder
norddeutsch-protestantischen
Publikums, indem er bspw. Vergleiche zu landläufigen Früchten und
Gemüsen zog.
Neben der Anfertigung seiner Berichte konnte er insbesondere seine
in den
Goldminen von Sumatra gemachten Erfahrungen und mitgebrachten
Dokumente als
soziales Kapital erfolgreich einsetzen und kann daher als ein
Musterbeispiel
für gelungene Integration nach der Rückkehr nach Europa bezeichnet
werden.
DANIELA HACKE (Berlin) diskutierte den Bericht von Robert Knox „An
Historical
Relation of the Island of Ceylon“ (1681) im Kontext der Bemühungen
der Royal
Society, Reisen und Reiseberichte im englischen Empire durch
Fragelisten einer
systematisierenden Untersuchungsmethode zu unterwerfen. Knox‘
Bericht war
jedoch ohne eine solche Beobachtungslenkung entstanden und wurde
vor der
Publikation u.a. von Robert Hooke überarbeitet. Er legte
besonderen Wert auf
„observations“, die tatsächlich nicht nur mit den Augen, sondern
mit allen
Sinnen gemacht wurden. Um die geographische Distanz zum
persönlichen Erleben
für die Leser zu verringern, beschrieb Knox seine sinnlichen
Erfahrungen. Bemerkenswert
ist hierbei die Einbeziehung aller Sinnesorgane, insbesondere des
Geschmacks-
und des Tastsinns. Am Beispiel der Ananas zeigt sich allerdings,
dass hier die
sprachliche Ausdrucksfähigkeit an ihre Grenzen stößt. Diese
Aufwertung von
anderen Sinnesorganen als den Augen ist im Kontext epistemischer
Diskurse zu
betrachten. Die multisensorischen Praktiken werden zu Techniken
kolonialen
Wissenserwerbs. Hierbei wird ein Erfahrungswissen geschaffen, das
in das
englische (Geschmacks-) Wissen eingebunden wird.
ANNETTE KRANEN (Bern) stellte Grafiken von Reisen in den östlichen
Mittelmeerraum um 1700 mit einem Schwerpunkt auf Cornelis de
Bruijn vor. Für
den frühneuzeitlichen Reisenden war die Verwendung von Bildern
etwas
Selbstverständliches. Manche vertraten sogar die Auffassung,
Bilder seien zur
Beschreibung der besuchten Orte besser als Texte geeignet und
nahmen für die in
ihren Reiseberichten abgedruckten Illustrationen Authentizität,
Neuheit und
Genauigkeit in Anspruch. Die Levante war zwar den wenigsten
Europäern aus
eigener Anschauung bekannt, jedoch gab es aufgrund von
Antikenrezeption, der
Bibel und der Reiseliteratur feste Erwartungen der Leserschaft,
neben Neuem
auch Bekanntes zu sehen. Gerade das Bekannte bürgte dabei für die
Glaubwürdigkeit. Daher wurde die Bebilderung der Reiseberichte an
den
intendierten Adressatenkreis angepasst, dienten doch
Illustrationen nicht nur
der genaueren Beschreibung der besuchten Orte, sondern auch als
handfestes
Verkaufsargument. Als Authentizitätsbeweis wurden teilweise
Zeichner oder Maler
in die Druckplatte gestochen, um den Anschein der
Augenzeugenschaft zu geben.
Jedoch wurden die Stiche häufig ohne konkretes Anschauungsmaterial
angefertigt
und aus Versatzstücken älterer Druckvorlagen zusammengestellt.
Auch konnte es bei
der Anfertigung der Druckplatten zu Konflikten zwischen dem
künstlerischen
Selbstverständnis der Kupferstecher und dem Anspruch auf
Authentizität und
Genauigkeit des Reisenden kommen.
HARUKA OBA (Kurume/Japan) referierte über die deutsche Übersetzung
eines
Reiseberichts der Tensho-Gesandtschaft. Dieser Reisebericht
beschreibt die
Reise von vier jungen, vom Jesuitenorden in Nagasaki
ausgebildeten, japanischen
Adligen nach Europa, die 1585 mit einer Papstaudienz in Rom ihren
Abschluss
fand. Der Reisebericht erfuhr eine große Resonanz, da er eine
Reise von Fremden
durch für sie fremde europäische Gegenden beschreibt. Die
Wahrnehmung Europas
durch die japanischen Jugendlichen wird jedoch kaum darstellt. Die
1587 in
Dillingen herausgegebene erste deutschsprachigen Übersetzung wurde
dem
bayerischen Thronfolger Maximilian (I.) gewidmet und diesem wohl
zum Eintritt
in das Jesuitengymnasium in Ingolstadt geschenkt. Aufgrund des
Paratexts, der
betont, dass die jungen adeligen Japaner aufgrund der
Wahrhaftigkeit des Katholizismus
nach Rom reisten, erhielt der Reisebericht zusätzlich den
Charakter eines
Fürstenspiegels und wurde so an den Widmungsempfänger angepasst.
Darüber hinaus
dokumentierte die Übersetzung Bayerns Stellung als größter
Unterstützer der
jesuitischen Weltmission und trug so zur Festigung der
jesuitischen Stellung in
Bayern bei. Sie erfüllte die Erwartung einer katholischen
Leserschaft im
konfessionellen Zeitalter.
DORIS GRUBER (Wien) sprach über Darstellungen osmanischer Fauna in
Reiseberichten und ihr (intendiertes) Publikum am Beispiel von
phantastischen
Tierwesen. Dabei stützte sie sich auf erste Ergebnisse des
Digital-Humanities-Projekts „Ottoman Nature in Travelogues,
1501–1850: A
Digital Analysis (ONiT)“ der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften. Das
Korpus umfasst etwa 1.500 zwischen 1500-1850 entstandene
Druckschriften, die
durch computergestützte Methoden wie z.B. automatische
Bildextraktion
ausgewertet werden. Phantastische Tierwesen kommen gehäuft in
Berichten über
das Osmanische Reich vor, insbesondere in deutschen Übersetzungen.
Im Vorderen
Orient bestand eine lange kulturelle Tradition der magischen
Tierwesen, z.B. in
Bibel, antiker Literatur und Historiographie. Die Reiseberichte
führen neben
Augenzeugenberichten als empirischen Beweisen für die Existenz von
Fabelwesen
wie Einhörnern oder Meermenschen auch Autoritäten wie Plinius zur
Bekräftigung
an. Bilder von phantastischen Tierwesen dienten als zusätzliche
Legitimation
und sollten Verkaufsargumente für ein auf Exotik und Fremdheit
neugieriges
Publikum sein. Hierbei wurden Bildplatten aus praktischen Gründen
oft
wiederverwendet, was aber zu Divergenzen zwischen Text und Bild
führte. Die
Bebilderung wurde in verschiedenen Auflagen verändert und auch
konfessionell
angepasst. Auch zeigen sich Reflexe von Feindbildern, die auf die
Konflikte des
Osmanischen Reichs mit Habsburg oder Venedig zurückzuführen sind.
Hierdurch
wurden kulturelle Identitäten geschaffen, die zur Verfestigung von
Stereotypen
und Vorurteilen führten.
JULIA BÖTTCHER (Erlangen/Nürnberg) trug zur Adressatenorientierung
in Berichten
von Forschungsreisenden im 18. Jahrhundert vor. Um ein breites
Publikum
anzusprechen, musste ein konsensfähiger Reisebericht hergestellt
werden. Hierzu
musste das Verhalten des Forschers nachvollziehbar sein und er
über eine
integre geistig-moralische Grundhaltung verfügen, die sich neben
der
Aufrichtigkeit gegenüber dem Forschungsgegenstand auch im
korrekten Umgang mit
Tieren und der einheimischen Bevölkerung zeigte. Der reisende
Wissenschaftler,
der seinen Habitus als Forscher wahren musste, war als Teil der
Gelehrtengesellschaft auch ein Teil der Rezipientengruppe. Durch
die
Korrespondenz mit Akademien hielt er auch von unterwegs den
Kontakt zu seinen
Rezipienten. Durch genaue Beschreibung der Arbeitsumgebung vor Ort
sollten
Zweifel an der Wissenschaftlichkeit der Forschung ausgeräumt
werden. Hierbei
war es erforderlich, auf bereits etablierte Arbeitsmethoden
zurückzugreifen. Bei
der Einordnung der Forschungsergebnisse wurde darauf geachtet,
dass die
Beschreibungen und Abbildungen konsensfähig waren, wobei die
Sehgewohnheiten
der Heimatregion berücksichtigt wurden.
CARSTEN ECKERT (Gotha) stellte die Rezeption der geognostischen
Reisen des
Leopold von Buch (1774-1853) durch Gebirgsregionen Europas dar und
verortete
ihn im Forschungsnetzwerk seiner Zeit. Im Fokus standen dabei
dessen
kleinformatige Reisetagebücher. Der heute fast in Vergessenheit
geratene Freund
Alexander von Humboldts trug auf seinen Fußreisen
Gesteinssammlungen zusammen
und prägte geologische Begriffe, die über die geologische Fachwelt
hinaus sogar
Bestandteil der Umgangssprache und Alltagsliteratur wurden.
Bei der regen Abschlussdiskussion wurde nochmals deutlich, dass
die Reisenden
stets die räumliche Bindung der Rezipienten mitdachten. Durch eine
möglichst
sinnesnahe Beschreibung sollte die geographische Distanz der Leser
zum
persönlichen Erleben des Autors überbrückt werden. Nötig sei eine
mediensensible Forschung, die Praktiken, Konventionen und
Traditionen der
Wissensgenerierung und -darstellung berücksichtige. Hier sei nach
epistemischen
Umbrüchen und Entwicklungen zu fragen und wie sie sich in den
Reiseberichten
widerspiegeln. An dieser Stelle wäre in weiteren Forschungen zu
untersuchen, ob
sich diese Erkenntnisse auch auf andere Reisegattungen wie
beispielsweise die
fürstliche Kavalierstour übertragen lassen. Als spezifisch für die
Erfahrungsvermittlung in der Frühen Neuzeit wurde
herausgearbeitet, dass es zu
einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr genügte, lediglich an einem
Ort gewesen
zu sein, sondern dies musste auch glaubwürdig dargestellt werden.
Hierbei
halfen die von der Reise mitgebrachten (Natur-)Objekte, die aber
auch zur
Ansprache anderer Rezipientenschichten verwendet wurden. Die
Reiseberichte
können heute auch als wichtige Hilfe im Bereich der Museologie bei
Fragen der
Provenienz oder Sammlungsgeschichte, insbesondere bei Naturalia,
dienen. Hier
wird die Gegenwart zum – allerdings unintendierten – Rezipienten
frühneuzeitlicher Reiseberichte.
Abschließend führte Monika Müller durch die prachtvollen
historischen
Schauräume der Forschungsbibliothek Gotha.
Konferenzübersicht:
Kathrin Paasch (Gotha): Begrüßung
Susanne Friedrich (Erfurt/München) und Monika Müller
(Erfurt/Gotha): Einführung
Susanne Knaeble (Dresden): Wissen über Gott und
Welt-Erfahrungsvermittlung in
der Gothaer Handschrift des „Herzog Ernst D“
Philip Hahn (Tübingen): Exotische Unterhaltung oder Anleitung zur
Arbeitsmigration? Intentionen und Wirkungen von deutschsprachigen
Reiseberichten über Ostindien im 17. und 18. Jahrhundert
Präsentation und Diskussion von Originalen
Bernd Ulrich Hucker (Vechta), Impulsreferat: „Thyl Vlenspiegel“,
Straßburg 1519
Monika Müller (Erfurt/Gotha): Caspar Schmalkaldens „Reisen nach
West- und
Ostindien“ – ein Reisebericht?
Susanne Friedrich (Erfurt/München): Johann Wilhelm Vogel und die
Goldminen von
Sumatra. Eine Reise, zwei Druckversionen, zwei Zueignungen und
drei Vorreden
Daniela Hacke (Berlin): “I have written nothing but (…) what I am
assured of by
my own personal knowledge”: Robert Knox, Robert Hooke und die
Kunst des Reisens
im englischen Empire
Annette Kranen (Bern): Durch die Augen der Reisenden. Grafiken von
Levante-Reisen um 1700 zwischen Autopsie und Kopie
Haruka Oba (Kurume): Warum veröffentlicht man Reiseberichte über
Japaner? Der
Paratext zur deutschen Übersetzung des italienischen
Reiseberichtes der Tensho
Gesandtschaft (1587)
Doris Gruber (Wien): Darstellungen osmanischer Fauna in
Reiseberichten und ihr
(intendiertes) Publikum
Julia Böttcher (Erlangen-Nürnberg): Integre Reisende und Wissen in
vertrauter
Form: Adressatenorientierung in Berichten von Forschungsreisenden
im 18.
Jahrhundert
Carsten Eckert (Gotha): Mit Hammer, Fernglas und Lupe zu Fuß durch
Europa – Die
Geognostischen Reisen des Leopold von Buch um 1800
Monika Müller (Erfurt/Gotha): Führung durch die historischen
Schauräume der
Forschungsbibliothek Gotha
Zitation
Tagungsbericht: Der Rezipient ist im Werk – Differenzerfahrung und
Adressatenbezug
in Reisedarstellungen des 15.-18. Jahrhunderts, In: H-Soz-Kult,
21.04.2023, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-135557>.
Date: 2023/04/23 10:20:29
From: Hans Schmitt <hans(a)hans-schmitt.de>
Von meinem iPad gesendet
Date: 2023/04/28 08:43:27
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Nur großes Chaos
Das „Saarvenir“ ist einfach nur peinlich statt gelungen
Die Tourismuszentrale hat ein Souvenir für das Saarland
entwickelt. So, wie es
auch andere Bundesländer Touristen mitgeben. Das Ergebnis ist
jedoch abschreckend
und peinlich.
Von Thomas
Sponticcia, Redakteur Wirtschaft
an rechnet mit einem spontanen Rache-Auftritt von Jan Böhmermann
am Saarland,
fühlt sich erinnert an Hape Kerkeling, der als konzertierender
Sänger mit einem
völlig verunglückten Lied Konzertgäste zu überzeugen versucht
(Hurz!) oder
sieht sich bestenfalls in einen Loriot-Sketch versetzt. So, wie
er auch in
einem Theater aufgeführt werden könnte.
In einem Theater, dem Theater im Viertel in Saarbrücken, war es
dann auch, wo
am Donnerstag eine irritierende, zeitweise verstörende Premiere
stattfand. In
den Hauptrollen: Birgit Grauvogel als Chefin der
Tourismuszentrale und Jürgen
Barke als Wirtschaftsminister, der zugleich auch
Aufsichtsratschef der
Tourismuszentrale ist. Schon als sich der Vorhang öffnet,
zeichnet sich im
Publikum eher Verwirrung als Begeisterung ab. Fragende Gesichter
suchen schnell
nach dem Sinn des Ganzen. Das „Stück“, das hier aufgeführt wird,
trägt den
Titel „Saarvenir“. Von einem Happy End sind alle Beteiligten
jedoch sehr
entfernt.
Es ist die Rede vom Saarland, das nun endlich auch sein Souvenir
haben will,
damit sich Touristen „wohlwollend“ an ihren Aufenthalt in der
Region erinnern.
Während jedoch Berlin sein Brandenburger Tor hat, Köln den Dom
und Paris den
Eiffelturm, ist das saarländische Ergebnis bestenfalls peinlich.
Im
„Saarvenir“, wie das Souvenir wortspielend heißt, sind gleich
acht
Sehenswürdigkeiten hineingepresst worden. Von der Saarschleife
über das
Saar-Polygon bis hin zum Weltkulturerbe. Und natürlich muss auch
noch Lyoner
rein. Das Ganze gleicht einem großen Chaos – wie ein
unaufgeräumtes Zimmer.
Fragt sich, wer dieses „Saarvenir“ wohl daheim seiner Familie
oder Freunden
zeigen will, statt es irgendwo in einer Ecke verstauben zu
lassen?
Es zeigt sich einmal mehr: Gut gemeint, ist nicht gleich gut
gemacht. Und es
ist zugleich typisch für das Saarland: Wieder einmal kann man
sich nicht
entscheiden, was man wirklich will. Wenn es wenigstens die
Saarschleife oder
das Saar-Polygon alleine gewesen wären. Aber es ist ähnlich wie
in der Politik
an der Saar: Es fehlt die Eindeutigkeit, die Vision, ein klarer
Leuchtturm, für
was das Land künftig eigentlich stehen will. Birgit Grauvogel
räumt ein, dass
das „Saarvenir“ gewagt ist. So was habe kein anderes Bundesland.
Man werde
darüber sprechen. Vielleicht besser nicht.
---------------
Es gibt noch einen Artikel dazu in der SZ, aber den konnte ich
im Netz nicht
finden. Der o.a. Kommentar genügt aber meines Erachtens auch.
Meine erste
Reaktion, als ich die Abbildung vorn auf dem Titelbild der SZ
sah, daß in dem
Konstruktionschaos der St. Wendeler Dom sicher nicht drin war,
weil unsere
Kante oben rechts im Saarland meistens vergessen war. Als ich
den Artikel las
und die Abtei Tholey darin entdeckte und mir das Ding genauer
anschaute, war
ich froh, daß der Dom da nicht drauf ist. Kleines entsteht im
Kleinen, das ist
so bei uns in der Provinz.
gr
Date: 2023/04/28 09:24:26
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Saarbrücker Zeitung, B4, 22.-23. April 2023
Schul-Amoklauf in Saarbrücken – nach dem 6. Schuss versagte der
Revolver
„Tatort Saarland“ Schul-Amoklauf in Saarbrücken – er schoss sechs
Mal und
setzte sich dann neben sein blutendes Opfer
Saarbrücken · Vor gut 150 Jahren wurde Saarbrücken zum Schauplatz
einer
grausamen Bluttat, dem ersten Amoklauf an einer Schule. Es ist der
erste
dokumentierte Fall der Welt. Gymnasiast und Mobbingopfer Julius
Becker wollte
Rache und nahm einen Revolver mit in den Unterricht.
Von Florian
Rech
Julius Becker lädt seinen Revolver in der Mittagspause:
Schießpulver, Papier,
Bleigeschoss, dann die Zündhütchen. Es soll kein normaler Schultag
werden für
den 18-jährigen Saarbrücker. Er will Rache üben an seinem
Banknachbarn Gustav
Eybisch. Rache für Schmähungen, Spottgedichte, für eine
scheußliche
Kreidezeichnung an einer Wand des Saarbrücker Gymnasiums.
Nach dem sechsten Schuss versagte der Revolver
In der Pause nach der ersten Stunde des Nachmittagsunterrichts
erhebt sich
Julius Becker wortlos von seinem Platz in der hinteren Bankreihe.
Er nimmt
seine Waffe und zielt auf den Kopf des neben ihm sitzenden Gustav
Eybisch.
Sechs Mal zieht er den Abzug durch. Eybisch bricht zusammen. Zwei
Kugeln
treffen den in der ersten Reihe sitzenden Primaner Adolph Brandt.
Beim letzten
Schuss versagt der Revolver . Panik macht sich breit, der Rest der
Klasse
flüchtet zur Tür. Becker setzt sich neben den blutenden Eybisch
und sagt:
"Geht und ruft die Polizei!"
Vor 144 Jahren, lange vor den schrecklichen Ereignissen von
Littelton,
Winnenden und Erfurt, war Saarbrücken der Schauplatz einer
grausamen Bluttat an
einer Schule. Am 25. Mai 1871 schoss der Gymnasiast Julius Becker
auf zwei
seiner Mitschüler. Beide Opfer überlebten die Schüsse trotz
schwerster
Kopfverletzungen.
Die Tat im damals einzigen Gymnasium im Saarland, dem heutigen
Ludwigsgymnasium, sorgte überregional für Schlagzeilen. Peter
Wettmann-Jungblut, Historiker und Archivar des Saarländischen
Landesarchivs,
hat über den Fall geforscht. „Die Aktenlage zu Julius Becker ist
dürftig. Die
Prozessakten sind alle am Ende des Zweiten Weltkrieges verbrannt“,
sagt
Wettmann-Jungblut.
Jahresberichte der Schule und die Prozessberichte aus alten
Zeitungen sind
seine wichtigsten Quellen. Sie geben Auskunft über das Vorleben
des späteren
Schützen. Laut Wettmann-Jungblut kämpfte dieser vergebens um die
Anerkennung
seiner Lehrer und Mitschüler. Der Historiker beschreibt ihn als
„Einzelgänger
mit einer unübersehbaren narzisstischen Persönlichkeitsstörung“.
Mit seinen Mitschülern am Gymnasium, das damals in der heutigen
Friedenskirche
in der Wilhelm-Heinrich-Straße untergebracht war, kam der
Sonderling Becker
nicht gut klar. Offenbar war er oft dem Spott seiner
Klassenkameraden
ausgesetzt - ein Mobbingopfer, das höchstwahrscheinlich auch gern
selbst auf
Konfrontationskurs ging. Mit seinem späteren Opfer Gustav Eybisch
soll sich
Becker öfter geschlagen haben. Bei einem Saarbrücker Büchsenmacher
besorgte
sich Becker zwei Wochen vor der Tat einen Revolver samt Munition,
damals selbst
für einen Minderjährigen kein Problem. Laut Historiker
Wettmann-Jungblut wurden
hierzulande erst 1922 erste Gesetze erlassen, die den Besitz und
das Führen von
Schusswaffen regelten.
Beckers Ziel war der „verfeindete“ Eybisch
Nach dem Amoklauf ließ sich Becker widerstandslos verhaften. In
seinen Taschen
fand die Polizei einen Dolch und zwei an Eybisch gerichtete
Zettel.
„Scheinheiliger Schuft! Verleumder! Alles vergeblich! Wir stehen
am Ende!“,
stand darauf. Bei Vernehmungen gab Becker an, er habe den ihm
„verfeindeten“
Eybisch, nicht aber Adolph Brandt erschießen wollen.
Am 15. November 1871 wurde Julius Becker darauf in Saarbrücken der
Prozess
gemacht. Die Staatsanwaltschaft klagte ihn wegen versuchten Mordes
an Eybisch
und des versuchten Totschlags an Brandt an. Julius Becker
widerrief vor dem
Geschworenengericht sein Geständnis. Sein Verteidiger, der
Saarbrücker Anwalt
und Politiker Heinrich Boltz, plädierte auf vorübergehende
Unzurechnungsfähigkeit. Mehrere Gutachter und Zeugen sagten für
und gegen den
jugendlichen Täter aus. Lehrer wollten an ihm „närrisches
Verhalten“ und eine
„Art der Sinnesverwirrung“ beobachtet haben. Mitschüler schätzten
Becker vor
Gericht zwar als "Sonderling" ein, hatten aber nie eine
Geistesstörung bei ihm bemerkt. Für Schuldirektor Hollenberg war
sein Motiv
eine klare Sache: „Abgrundtiefer Hass gegen Eybisch.“
Julius Becker verließ den Gerichtssaal als freier Mann. Das
Gymnasium besuchte
er nicht weiter. 1876 wurde er in die damals noch neue Rheinische
Provinzial
Irrenanstalt Merzig eingeliefert. Aufenthalte in Anstalten in
Pforzheim,
Bendorf, Pützchen und Andernach folgten. Nach 1905 verliert sich
Beckers Spur.
Wann und wo er starb, weiß auch der Historiker Peter
Wettmann-Jungbluth nicht.
--------------------------------------------
Die gleiche Sache - nur in größerem Rahmen - hat 2016 die
Medizinhistorikerin Dr.
Madlen Sell untersucht und daraus ihre Doktorarbeit verfaßt. Ich
lernte sie
damals im Landesarchiv kennen und konnte ihr durch Transkriptionen
etlicher
medizinischer Texte behilflich sein.
Ihre Arbeit wurde wie folgt veröffentlicht:
Anatomie des Amoklaufs
Malaiischer Mengamok und School Shooting
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-658-33103-0
Verlag: Springer
Das Buch kann man für 43 Euro kaufen oder sich auf dieser Website
online
anschauen:
https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-33104-7
Ab Seite 121-143 beschreibt sie darin die Ereignisse von
Saarbrücken und was
danach mit Becker bis zu seinem Tode am 1. April 1912
in Saffig
im Alter von 59 Jahren
geschehen ist.
Roland Geiger
Date: 2023/04/28 09:38:34
From: tomstoermer <tomstoermer(a)t-online.de>
-----Original-Nachricht----- |
Saarbrücker Zeitung, B4, 22.-23. April 2023
Schul-Amoklauf in Saarbrücken – nach dem 6. Schuss versagte der Revolver
„Tatort Saarland“ Schul-Amoklauf in Saarbrücken – er schoss sechs Mal und setzte sich dann neben sein blutendes Opfer
Saarbrücken · Vor gut 150 Jahren wurde Saarbrücken zum Schauplatz einer grausamen Bluttat, dem ersten Amoklauf an einer Schule. Es ist der erste dokumentierte Fall der Welt. Gymnasiast und Mobbingopfer Julius Becker wollte Rache und nahm einen Revolver mit in den Unterricht.
Von Florian Rech
Julius Becker lädt seinen Revolver in der Mittagspause: Schießpulver, Papier, Bleigeschoss, dann die Zündhütchen. Es soll kein normaler Schultag werden für den 18-jährigen Saarbrücker. Er will Rache üben an seinem Banknachbarn Gustav Eybisch. Rache für Schmähungen, Spottgedichte, für eine scheußliche Kreidezeichnung an einer Wand des Saarbrücker Gymnasiums.
Nach dem sechsten Schuss versagte der Revolver
In der Pause nach der ersten Stunde des Nachmittagsunterrichts erhebt sich Julius Becker wortlos von seinem Platz in der hinteren Bankreihe. Er nimmt seine Waffe und zielt auf den Kopf des neben ihm sitzenden Gustav Eybisch. Sechs Mal zieht er den Abzug durch. Eybisch bricht zusammen. Zwei Kugeln treffen den in der ersten Reihe sitzenden Primaner Adolph Brandt. Beim letzten Schuss versagt der Revolver . Panik macht sich breit, der Rest der Klasse flüchtet zur Tür. Becker setzt sich neben den blutenden Eybisch und sagt: "Geht und ruft die Polizei!"
Vor 144 Jahren, lange vor den schrecklichen Ereignissen von Littelton, Winnenden und Erfurt, war Saarbrücken der Schauplatz einer grausamen Bluttat an einer Schule. Am 25. Mai 1871 schoss der Gymnasiast Julius Becker auf zwei seiner Mitschüler. Beide Opfer überlebten die Schüsse trotz schwerster Kopfverletzungen.
Die Tat im damals einzigen Gymnasium im Saarland, dem heutigen Ludwigsgymnasium, sorgte überregional für Schlagzeilen. Peter Wettmann-Jungblut, Historiker und Archivar des Saarländischen Landesarchivs, hat über den Fall geforscht. „Die Aktenlage zu Julius Becker ist dürftig. Die Prozessakten sind alle am Ende des Zweiten Weltkrieges verbrannt“, sagt Wettmann-Jungblut.
Jahresberichte der Schule und die Prozessberichte aus alten Zeitungen sind seine wichtigsten Quellen. Sie geben Auskunft über das Vorleben des späteren Schützen. Laut Wettmann-Jungblut kämpfte dieser vergebens um die Anerkennung seiner Lehrer und Mitschüler. Der Historiker beschreibt ihn als „Einzelgänger mit einer unübersehbaren narzisstischen Persönlichkeitsstörung“.
Mit seinen Mitschülern am Gymnasium, das damals in der heutigen Friedenskirche in der Wilhelm-Heinrich-Straße untergebracht war, kam der Sonderling Becker nicht gut klar. Offenbar war er oft dem Spott seiner Klassenkameraden ausgesetzt - ein Mobbingopfer, das höchstwahrscheinlich auch gern selbst auf Konfrontationskurs ging. Mit seinem späteren Opfer Gustav Eybisch soll sich Becker öfter geschlagen haben. Bei einem Saarbrücker Büchsenmacher besorgte sich Becker zwei Wochen vor der Tat einen Revolver samt Munition, damals selbst für einen Minderjährigen kein Problem. Laut Historiker Wettmann-Jungblut wurden hierzulande erst 1922 erste Gesetze erlassen, die den Besitz und das Führen von Schusswaffen regelten.
Beckers Ziel war der „verfeindete“ Eybisch
Nach dem Amoklauf ließ sich Becker widerstandslos verhaften. In seinen Taschen fand die Polizei einen Dolch und zwei an Eybisch gerichtete Zettel. „Scheinheiliger Schuft! Verleumder! Alles vergeblich! Wir stehen am Ende!“, stand darauf. Bei Vernehmungen gab Becker an, er habe den ihm „verfeindeten“ Eybisch, nicht aber Adolph Brandt erschießen wollen.
Am 15. November 1871 wurde Julius Becker darauf in Saarbrücken der Prozess gemacht. Die Staatsanwaltschaft klagte ihn wegen versuchten Mordes an Eybisch und des versuchten Totschlags an Brandt an. Julius Becker widerrief vor dem Geschworenengericht sein Geständnis. Sein Verteidiger, der Saarbrücker Anwalt und Politiker Heinrich Boltz, plädierte auf vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit. Mehrere Gutachter und Zeugen sagten für und gegen den jugendlichen Täter aus. Lehrer wollten an ihm „närrisches Verhalten“ und eine „Art der Sinnesverwirrung“ beobachtet haben. Mitschüler schätzten Becker vor Gericht zwar als "Sonderling" ein, hatten aber nie eine Geistesstörung bei ihm bemerkt. Für Schuldirektor Hollenberg war sein Motiv eine klare Sache: „Abgrundtiefer Hass gegen Eybisch.“
Julius Becker verließ den Gerichtssaal als freier Mann. Das Gymnasium besuchte er nicht weiter. 1876 wurde er in die damals noch neue Rheinische Provinzial Irrenanstalt Merzig eingeliefert. Aufenthalte in Anstalten in Pforzheim, Bendorf, Pützchen und Andernach folgten. Nach 1905 verliert sich Beckers Spur. Wann und wo er starb, weiß auch der Historiker Peter Wettmann-Jungbluth nicht.
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Die gleiche Sache - nur in größerem Rahmen - hat 2016 die Medizinhistorikerin Dr. Madlen Sell untersucht und daraus ihre Doktorarbeit verfaßt. Ich lernte sie damals im Landesarchiv kennen und konnte ihr durch Transkriptionen etlicher medizinischer Texte behilflich sein.
Ihre Arbeit wurde wie folgt veröffentlicht:
Anatomie des Amoklaufs
Malaiischer Mengamok und School Shooting
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-658-33103-0
Verlag: Springer
Das Buch kann man für 43 Euro kaufen oder sich auf dieser Website online anschauen:
https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-33104-7
Ab Seite 121-143 beschreibt sie darin die Ereignisse von Saarbrücken und was danach mit Becker bis zu seinem Tode am 1. April 1912 in Saffig im Alter von 59 Jahren geschehen ist.
Roland Geiger
_______________________________________________ Regionalforum-Saar mailing list Regionalforum-Saar(a)genealogy.net https://list.genealogy.net/mm/listinfo/regionalforum-saar
Date: 2023/04/28 09:50:22
From: Stefan Reuter via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
_______________________________________________Saarbrücker Zeitung, B4, 22.-23. April 2023
Schul-Amoklauf in Saarbrücken – nach dem 6. Schuss versagte der Revolver
„Tatort Saarland“ Schul-Amoklauf in Saarbrücken – er schoss sechs Mal und setzte sich dann neben sein blutendes Opfer
Saarbrücken · Vor gut 150 Jahren wurde Saarbrücken zum Schauplatz einer grausamen Bluttat, dem ersten Amoklauf an einer Schule. Es ist der erste dokumentierte Fall der Welt. Gymnasiast und Mobbingopfer Julius Becker wollte Rache und nahm einen Revolver mit in den Unterricht.
Von Florian Rech
Julius Becker lädt seinen Revolver in der Mittagspause: Schießpulver, Papier, Bleigeschoss, dann die Zündhütchen. Es soll kein normaler Schultag werden für den 18-jährigen Saarbrücker. Er will Rache üben an seinem Banknachbarn Gustav Eybisch. Rache für Schmähungen, Spottgedichte, für eine scheußliche Kreidezeichnung an einer Wand des Saarbrücker Gymnasiums.
Nach dem sechsten Schuss versagte der Revolver
In der Pause nach der ersten Stunde des Nachmittagsunterrichts erhebt sich Julius Becker wortlos von seinem Platz in der hinteren Bankreihe. Er nimmt seine Waffe und zielt auf den Kopf des neben ihm sitzenden Gustav Eybisch. Sechs Mal zieht er den Abzug durch. Eybisch bricht zusammen. Zwei Kugeln treffen den in der ersten Reihe sitzenden Primaner Adolph Brandt. Beim letzten Schuss versagt der Revolver . Panik macht sich breit, der Rest der Klasse flüchtet zur Tür. Becker setzt sich neben den blutenden Eybisch und sagt: "Geht und ruft die Polizei!"
Vor 144 Jahren, lange vor den schrecklichen Ereignissen von Littelton, Winnenden und Erfurt, war Saarbrücken der Schauplatz einer grausamen Bluttat an einer Schule. Am 25. Mai 1871 schoss der Gymnasiast Julius Becker auf zwei seiner Mitschüler. Beide Opfer überlebten die Schüsse trotz schwerster Kopfverletzungen.
Die Tat im damals einzigen Gymnasium im Saarland, dem heutigen Ludwigsgymnasium, sorgte überregional für Schlagzeilen. Peter Wettmann-Jungblut, Historiker und Archivar des Saarländischen Landesarchivs, hat über den Fall geforscht. „Die Aktenlage zu Julius Becker ist dürftig. Die Prozessakten sind alle am Ende des Zweiten Weltkrieges verbrannt“, sagt Wettmann-Jungblut.
Jahresberichte der Schule und die Prozessberichte aus alten Zeitungen sind seine wichtigsten Quellen. Sie geben Auskunft über das Vorleben des späteren Schützen. Laut Wettmann-Jungblut kämpfte dieser vergebens um die Anerkennung seiner Lehrer und Mitschüler. Der Historiker beschreibt ihn als „Einzelgänger mit einer unübersehbaren narzisstischen Persönlichkeitsstörung“.
Mit seinen Mitschülern am Gymnasium, das damals in der heutigen Friedenskirche in der Wilhelm-Heinrich-Straße untergebracht war, kam der Sonderling Becker nicht gut klar. Offenbar war er oft dem Spott seiner Klassenkameraden ausgesetzt - ein Mobbingopfer, das höchstwahrscheinlich auch gern selbst auf Konfrontationskurs ging. Mit seinem späteren Opfer Gustav Eybisch soll sich Becker öfter geschlagen haben. Bei einem Saarbrücker Büchsenmacher besorgte sich Becker zwei Wochen vor der Tat einen Revolver samt Munition, damals selbst für einen Minderjährigen kein Problem. Laut Historiker Wettmann-Jungblut wurden hierzulande erst 1922 erste Gesetze erlassen, die den Besitz und das Führen von Schusswaffen regelten.
Beckers Ziel war der „verfeindete“ Eybisch
Nach dem Amoklauf ließ sich Becker widerstandslos verhaften. In seinen Taschen fand die Polizei einen Dolch und zwei an Eybisch gerichtete Zettel. „Scheinheiliger Schuft! Verleumder! Alles vergeblich! Wir stehen am Ende!“, stand darauf. Bei Vernehmungen gab Becker an, er habe den ihm „verfeindeten“ Eybisch, nicht aber Adolph Brandt erschießen wollen.
Am 15. November 1871 wurde Julius Becker darauf in Saarbrücken der Prozess gemacht. Die Staatsanwaltschaft klagte ihn wegen versuchten Mordes an Eybisch und des versuchten Totschlags an Brandt an. Julius Becker widerrief vor dem Geschworenengericht sein Geständnis. Sein Verteidiger, der Saarbrücker Anwalt und Politiker Heinrich Boltz, plädierte auf vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit. Mehrere Gutachter und Zeugen sagten für und gegen den jugendlichen Täter aus. Lehrer wollten an ihm „närrisches Verhalten“ und eine „Art der Sinnesverwirrung“ beobachtet haben. Mitschüler schätzten Becker vor Gericht zwar als "Sonderling" ein, hatten aber nie eine Geistesstörung bei ihm bemerkt. Für Schuldirektor Hollenberg war sein Motiv eine klare Sache: „Abgrundtiefer Hass gegen Eybisch.“
Julius Becker verließ den Gerichtssaal als freier Mann. Das Gymnasium besuchte er nicht weiter. 1876 wurde er in die damals noch neue Rheinische Provinzial Irrenanstalt Merzig eingeliefert. Aufenthalte in Anstalten in Pforzheim, Bendorf, Pützchen und Andernach folgten. Nach 1905 verliert sich Beckers Spur. Wann und wo er starb, weiß auch der Historiker Peter Wettmann-Jungbluth nicht.
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Die gleiche Sache - nur in größerem Rahmen - hat 2016 die Medizinhistorikerin Dr. Madlen Sell untersucht und daraus ihre Doktorarbeit verfaßt. Ich lernte sie damals im Landesarchiv kennen und konnte ihr durch Transkriptionen etlicher medizinischer Texte behilflich sein.
Ihre Arbeit wurde wie folgt veröffentlicht:
Anatomie des Amoklaufs
Malaiischer Mengamok und School Shooting
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-658-33103-0
Verlag: Springer
Das Buch kann man für 43 Euro kaufen oder sich auf dieser Website online anschauen:
https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-33104-7
Ab Seite 121-143 beschreibt sie darin die Ereignisse von Saarbrücken und was danach mit Becker bis zu seinem Tode am 1. April 1912 in Saffig im Alter von 59 Jahren geschehen ist.
Roland Geiger
Regionalforum-Saar mailing list
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Date: 2023/04/28 15:40:59
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Dienstag, 2. Mai 2023, 19.00 Uhr
Cusanushaus St. Wendel, Am Fruchtmarkt (Nordseite des Doms)
Die Anfänge der gotischen Architektur
In St. Wendel befindet sich eine der im Saarland recht raren
gotischen
Kirchenbauten noch dazu eine besonders eindrucksvolle Hallenkirche
der
Spätgotik. Wie hat das aber eigentlich angefangen mit dem, was wir
seit dem 19.
Jahrhundert "gotisch" oder "Gotischer Stil" nennen?
Der Vortrag nimmt Sie mit auf eine kurzweilige Reise ins 12.
Jahrhundert zu
mehreren möglichen Ursprüngen der gotischen Architektur, nach
Frankreich und
England, von wo aus diese neue Baukunst schließlich nach ganz
Europa
ausgestrahlt hat.
Was macht "das Gotische" aus?
Ist es die technische Innovation? Spitzbögen, Rippengewölbe oder
Strebewerk
treten ab dem Jahre 1100 an verschiedenen Orten in Europa auf.
Wie vollzieht sich die Entwicklung hin zur gotischen Kathedrale?
Referent: Dr. Bernhard Wehlen Homburg
Der Eintritt ist frei.
Date: 2023/04/29 10:28:23
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Arabisch?
Isch bin de Naachtwächda fónn Sangt Wennel - also eigentlich
ääna fónn tswaii.
Gischde òmend waa isch an da Räi. Hammäi Audo gepaagt, die Pieke
sesamme
geschroubt, die Lamp aangestoch ónn ma alle zwaai iwwa die
Schólda gehängd ónn
bin óm de Dom róm fòa die groß Deea gang, fò se gugga, wer dòh
éss. Die gans
Trepp waa fóll métt junge Läid - also säx ódda siwwe warens
beschdémmt. Alles
junge Kärle ónn kääne älla wie 20. Hann dòh gehuggt ónn óff ihre
Telefone rómgeschbielt.
Jedst wußt isch jòh dass óffm Rathaus irgendwo e Senda hugge
dudd wométt ma fòam
Rathaus ónn aach óffm Blatz fòam Dom e sougudda Empfang hat -
dòh hugge nämlich
sómmasch wie wéndasch junge Läid médda Kabutz fóm Huudie ómm
Kobb ónn duddele óff
denne Dinga róm - so wie die dòa gischde òmend aach. Dò hann
isch dann
gedaacht, machsche mò e Spruch ónn guggsch mò óbbse denne
fastehn. ónn hann
gesaad: kä Wónna, dassna dòh hugge, dò hanna jòh e gudde Empfang
ónn hann óff
die Kärsch aangeschbielt, óff der wóra Trepp se gehuggt hann.
Das hann isch
nadeerlich énn Hochdäitsch gesaagt - awwa das kónnd isch eewe
nét schräiwa weil
isch jòh Blatt schräiwe ónn nédd wääs wie Hochdäitsch se
schräiwa geed. Hann
dadd gesaat, dòh gugge die mich all bleed ahn, als wenn se kää
Woad fastann
hann, ónn dann genn die e Antwoad, médd der isch fastann hann,
dass die mich
wäaglich nét fastann hann. Saad doch der ähn zu mir ónn zuggd
debäi mét da
Schullere: „Arabisch?“ Hann isch bleed geguggt. Hann die
Aaujebraue rónnagezòh
nò dem Moddo „du wéllsch mich doch fa-aasche …“ ónn dòh seed der
grad nómmó: „Arabisch?“
ónn grénst debäi. Dòh hann isch dann die Schullere gezuggt ónn
misch rómgedräät
ónn se steen gelòss. Sch’hätz kénne én English fasuche - awwa
mòh eerlich? Fünf
junge Käarle, énn Sangd Wennel fòam Dom, all ahnstännig
ahngezòh, all e
modernes Telefon én da Hand, ónn schwätze kää Woad Däitsch? Nä,
brouchisch nédd.
de Roland, Naachtwächda fónn Sangt Wennel
Mit freundlichen Grüßen
Roland Geiger
--------------------
Roland Geiger
Historische Forschung
Alsfassener Straße 17, 66606 St. Wendel
Tel. 06851-3166
email alsfassen(a)web.de
www.hfrg.de
Date: 2023/04/30 11:51:52
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Über Stammbücher schreiben. Stand und
Perspektiven der
Erschließung und Erforschung von Freundschaftsbüchern (16.-19.
Jahrhundert)
Organisation: Niedersächsisches Landesarchiv; Herzog August
Bibliothek in
Wolfenbüttel
Förderer Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
38300 Wolfenbüttel
22.03.2023 - 24.03.2023
Von Julia Franziska Freisinger, Kunstgeschichte,
Ludwig-Maximilians-Universität
München
Manu propria scripsit, eigenhändig geschrieben. Unter dem Motto
„Über
Stammbücher schreiben. Stand und Perspektiven der Erschließung und
Erforschung
von Freundschaftsbüchern (16.-19. Jahrhundert)“ wurde das
Sammelmedium Stammbuch
innerhalb einer dreitägigen Veranstaltung unter internationalen
und transdisziplinären
Forschungsperspektiven beleuchtet und diskutiert.
Einen besonderen Anstoß für diese Tagung, die nach 1978 und 1986
fast schon
traditionsgemäß erneut in Wolfenbüttel stattfand, hatten zwei
Forschungsprojekte zur Digitalisierung und Erschließung von
Stammbüchern
gegeben: zum einen die auf drei Jahre angelegte Forschung zum
Großen Stammbuch
des berühmten Augsburger Kunsthändlers und politischen Agenten
Philipp
Hainhofer (1578–1647), das 2020 durch die Herzog August Bibliothek
(HAB)
erworben werden konnte; zum anderen die Digitalisierung und
Erschließung der
Stammbuchsammlung des Niedersächsischen Landesarchivs (NLA) –
Abteilung
Wolfenbüttel.
Am 22. März wurden die Teilnehmenden vor Ort und online in den
historischen
Räumen der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel empfangen:
Nach der
feierlichen Begrüßung in der Augusteerhalle durch PETER BURSCHEL,
dem Direktor
der HAB und SABINE GRAF, der Präsidentin des NLA, erfolgte die
thematische
Einführung von PHILIP HAAS (NLA) und SVEN LIMBECK (HAB).
Das erste Panel widmete sich der Erschließung und Bereitstellung
von
Stammbüchern: Zentrale Fragestellungen bildeten unter anderem die
mediale
Definition der Buchgattung als Sammelform unter Berücksichtigung
ihrer
Charakteristika sowie die fließenden Gattungsgrenzen zu Gäste-
oder
Besucherbüchern und die große Bedeutung der Nachhaltigkeit bzw.
Wiederverwendbarkeit von gewonnenen Daten.
Den Anfang markierte die digitale Edition des Gästebuchs von
Elisabeth Sophie
Marie von Brauschweig-Lüneburg, die von STEPHAN BIALAS-POPHANKEN
(Wolfenbüttel), MAXIMILIAN GÖRMAR (Wolfenbüttel) und JOËLLE WEIS
(Trier)
herausgegeben wird. Berichtet wurde über das buchförmige
Sammelmedium der
Erbprinzessin und späteren Herzogin, worin Inskriptionen von
Besuchern ihrer
Bibelsammlung aus dem 18. Jahrhundert eingeschrieben sind.
Thematisiert wurden
die Herausforderungen und die methodische Herangehensweise bei der
aktuell
entstehenden Kommentierung sowie Analyse von Eintragungstexten via
ediarum. Es
wurden Möglichkeiten zur digitalen Verlinkung der Inskribenten mit
Normdaten
und zur Visualisierung der Ortsregister aus den Herkunftsorten der
Eintragenden
aufgezeigt, wobei die Wiederverwendbarkeit von aktuell ungenutzten
Daten
dargelegt werden konnte. Neben Fragen zum Besucherpublikum, ihrem
Interesse und
Zugang zur Bibelsammlung sowie dem Sammlungskontext stand die
Verwendung des
Gästebuchs entlang von Gattungsgrenzen und einem möglichen
Funktionswandel im
Mittelpunkt des Beitrags.
Der Vortrag von SVEN LIMBECK (Wolfenbüttel) diskutierte gerade
diese Intermedialität
und materielle Hybridität der Alba Amicorum. Dabei wurde das
Stammbuch aus
mediologischer Perspektive als multifunktionale Sammelform
gezeigt, das in
inhaltlich und materiell vielseitiger Gestalt eine bedeutende
Quelle für die
transdisziplinäre Forschung darstellt. Die Alben seien weniger
unter ihrem
Objektcharakter als Bücher zu betrachten, vielmehr in ihrer
Funktion als
Kommunikationsmedium zu verstehen, deren buchförmiges Behältnis
die Sammlung
unterschiedlichster Inhalte aufbewahrte. Das Stammbuch als
multimediale
„Buchsimulation“ sollte folglich nicht nur als textgebundene
Schriftquelle
angesehen werden, sondern in einem sozio-ökonomischen
Kommunikationsprozess
begriffen werden.
Ein weiteres Beispiel, wie die durch die Stammbuchforschung
generierten Daten
nachhaltig gesammelt und verknüpft werden können, zeigte ANDREAS
SCHLÜTER
(Weimar), der das Vorhaben des neuen Thüringer Stammbuchportals in
seinen
Anforderungen und Herausforderungen vorstellte. Dem Ziel, die
Stammbuchbestände
aus über 500 Thüringer Kultureinrichtungen zu erfassen und für die
breite
Öffentlichkeit zugänglich zu machen, stellt sich das Projekt der
Herzogin Anna
Amalia Bibliothek der Klassik Stiftung Weimar: Mithilfe der
Datenverarbeitung
über Kulthura als digitales Kultur- und Wissensportal Thüringen
soll ein
Online-Portal mit übergreifenden Suchfunktionen, der
Bereitstellung von
Digitalisaten, ex- bzw. internen Datenverknüpfungen und weiteren
ergänzenden
Informationen zu den Stammbüchern entstehen. In diesem
Zusammenhang kam auch
die Forderung nach einem allgemein gültigen Datenmodell zur
Sprache.
Der zweite Themenschwerpunkt befasste sich mit Stammbüchern und
Netzwerken: Im
Vortrag von PHILIP HAAS (Wolfenbüttel) konnte die Bedeutung des
Stammbuchs als
Quelle zur Patronage- und Klientelforschung in Verbindung mit dem
frühneuzeitlichen Städtetyp der Autonomiestadt aufzeigt werden.
Präsentiert
wurden Untersuchungen zum politisch-diplomatischen Stammbuch des
Braunschweiger
Bürgermeisters Franz Dohausen (1605-1673) und den darin sichtbar
werdenden
sozialen Verflechtungsstrukturen. In der Kontextualisierung mit
weiteren
archivalischen Quellen wie Rechnungen, Briefen sowie Bittschreiben
konnten
anhand des Stamm- und Gästebuchs die Persönlichkeit Dohausens als
herzoglicher
Agent sowie politischer Akteur greifbar gemacht und seine
Interessen im
Klientelverhältnis offengelegt werden.
ROBYN DORA RADWAY (Wien) veranschaulichte die transkulturellen
Verbindungen
zwischen den mitteleuropäischen, von Habsburgern regierten
Territorien und dem
Osmanischen Reich, die in Stammbüchern des 16. Jahrhunderts
sichtbar werden. Um
die sozialen Netzwerke des Deutschen Hauses in Konstantinopel
sowie den
grenzübergreifenden Gebrauch von Alba Amicorum unter
Miteinbeziehung von
Reiseberichten zu erforschen, wurden Ansätze der Digital
Humanities angewandt.
Demonstriert wurden Möglichkeiten der digitalen Forschungsmethoden
als
Hilfsmittel zur Untersuchung bzw. Visualisierung von
Personengruppen und
wiederkehrenden Bildtypen mithilfe von Netzwerkgraphen. Im Zuge
dessen wurde
auf Standardisierungsprobleme und die Herausforderungen bei der
Analyse mit Big
Data in der Stammbuchforschung aufmerksam gemacht.
Die Erforschung von albuminternen Netzwerken stellte JULIAN SCHULZ
(Bonn)
anhand seines Dissertationsprojektes zum Stammbuch des Georg
Birkel vor, die
durch Leichenpredigten, Universitätsmatrikel sowie weitere Libri
Amicorum
ergänzt wird: Die digitale Transkription und Edition über das Tool
Squirrel
sowie die prosopographische Erschließung der Stammbuchträgerschaft
erlaubt
einen Einblick in Birkels ego-zentriertes Netzwerk und liefert
wichtige
Informationen zu seiner bisher nur wenig dokumentierten
Biographie. Die von
1599 bis 1616 gesammelten rund 860 enthaltenen Einträge sollen
Aufschlüsse über
ausgewählte Inskribenten, die Reiseanlässe und insbesondere die
Rolle Venedigs
in Bezug auf die Grand Tour geben. Die Analyse der
Stammbuchsprüche und
Dedikationspassagen sowie ihre Klassifikation in der
Differenzierung zwischen
Nähe und Ferne zeichnen ein Bild Birkels als Faktor, Agent und
Freund.
In seinem öffentlichen Abendvortrags erläuterte der
Stammbuchforscher und
Initiator der internationalen Stammbuch-Datenbank Repertorium
Alborum Amicorum
(RAA) WOLFGANG WILHELM SCHNABEL (Erlangen) die Geschichte, den
Stand und die
Perspektiven der Erschließung und Erforschung der
Freundschaftsalben von den
Anfängen bis in die heutige Zeit. Der Themenüberblick reichte von
der
Entstehung der Stammbuchsitte im protestantischen Milieu über das
Aufkommen von
Stammbuchdrucken, sowie der systematischen Analyse ab der ersten
wissenschaftlichen Abhandlung von Michael Lilienthal im 18.
Jahrhundert bis zur
Popularisierung mit dem Einhergehen der sozialen und regionalen
Ausweitung ab
dem späten 19. Jahrhundert. Das damit gestiegene Interesse an den
Alben
förderte die private und öffentliche Sammeltätigkeit,
Katalogisierung und
Ausstellung. Schnabel schilderte die Ausdifferenzierung von
Fragestellungen
unterschiedlicher Forschungsdisziplinen und die Vervielfältigung
von Untersuchungsinteressen
aufgrund der großen Variationsbreite an Gestaltungselementen und
Überschneidungsbereichen mit anderen Sammlungsformen. Der
Entwicklungsschub für
die Stammbuchforschung durch die beiden Wolfenbütteler Tagungen
1978 und 1986
brachte ab 1998 die weltweit bedeutendste, öffentlich zugängliche
Online-Datenbank RAA hervor. Zentral erscheint bis dato die Frage
nach den
Funktionen und Motivationen sowie dem inneren Kommunikationsgefüge
der
Stammbücher, die bereits für Zeitgenossen ein Rätsel darstellten.
Am 23. März wurde die Tagung im Bibelsaal der Biblioteca Augusta
fortgesetzt.
Die dritte Diskussionsrunde war der bildenden Kunst und der Musik
gewidmet.
MARIKA KEBLUSEK (Leiden) stellte die Bedeutung von visuellen
Elementen in
frühneuzeitlichen Stammbüchern in ihrer Verwandtschaft mit
Wappen-, Emblem-
sowie Kostümbüchern heraus. Hervorgehoben wurde die Rolle der
Alben als
Bildersammlungen. Mit anschaulichen Beispielen wurden dem Publikum
visuelle
Netzwerke vor Augen geführt: Dabei konnten die Verknüpfungen von
Bildinhalten
und Darstellungstypen in unterschiedlichen Medien, Orten und
Kontexten, auch
außerhalb der Stammbücher, deutlich gemacht werden. Aufgezeigt
wurde etwa der
Bildtransfer zwischen den meist von anonymen Briefmalern
gefertigten Stammbuchminiaturen
und den weit verbreiteten Druckgraphiken.
Dass Alba Amicorum als Kunst- und Wertobjekte aufgefasst werden
können, bewies
der Beitrag von SABINE JAGODZINSKI (Wolfenbüttel) zum Großen
Stammbuch Philipp
Hainhofers, eines der prächtigsten überlieferten
Freundschaftsalben überhaupt.
Die Bildauswahl der kunstvoll verzierten Seiten mit einer Fülle
von
künstlerischen Techniken, unter anderem Mikrographie und
Seidenmalerei,
veranschaulichten die Sammlung von Einträgen hochrangiger
Persönlichkeiten, wie
Herzögen, Fürsten, Königen und Kaisern. Erklärt wurde der Aufbau
und die
Nutzung der zeitnah veröffentlichten Website zum auf drei Jahre
angelegten
Tiefen-Erschließungsprojekt des Großen Stammbuchs: Neben dem
Digitalisat
beinhaltet die Website unter anderem kommentierte Transkriptionen,
die
Verschlagwortung mit Normdaten, Vergleichsabbildungen und
Literaturangaben.
Leser:innen erhalten zudem Informationen zu Besonderheiten,
Kontexten und
Bezugspunkten innerhalb des Albums. Durch das Projekt werden neue
Künstlerzuschreibungen
und die Rekonstruktion verlorener Inhalte möglich.
Mit WOLFGANG FUHRMANN (Leipzig) rückten nun die auditiven
Gestaltungselemente
in den Fokus der Betrachtungen. Unter dem Titel „Mobile Musik.
Fragmentarische
Formen und translokale Gemeinschaften im 19. Jahrhundert.“ wurden
Fragen nach
der Alltagspraxis und Verwendung von Philotheken im Spannungsfeld
zwischen
repräsentativer Öffentlichkeit und Intimität diskutiert.
Musikstammbücher waren
mit handschriftlichen Einträgen von Musikern oder mit Musiknoten
ausgestattet,
welche die Betrachtenden teils zum Entschlüsseln, musikalischen
Späßen und
Rätseln einluden. Mithilfe ausgewählter Stammbucheinträge konnten
Autographen
berühmter Musiker sowie Musikausschnitte im Zusammenhang mit
menschlichen Netzwerken
unterschiedlicher Personenkreise und Stammbuchbesitzer:innen
aufgezeigt werden.
Thematische Anknüpfungspunkte schuf KATERYNA SCHÖNING (Wien) in
ihrer
Präsentation zu den Wechselwirkungen zwischen Alba Amicorum und
Lautentabulaturen im 16. Jahrhundert. Künstlerische Bestandteile
der
frühneuzeitlichen Stammbücher waren Bilder mit eingefügten Noten
sowie
Darstellungen von Musizierenden, Noteneinträge und
Lautentabulaturen. Die
Notation von Musikstücken in der Verschränkung mit Philotheken ist
in unterschiedlicher
Ausprägung zu finden. Zu klären ist etwa, ob es sich dabei um
Stammbücher mit
integrierten bzw. angebundenen Lautentabulaturen oder um
Lautentabulaturen bzw.
Liederbücher mit Elementen von Libri Amicorum handelt.
Einen Höhepunkt der Tagung bildete die Präsentation von
ausgewählten
Doppelseiten des originalen Großen Hainhofer-Stammbuchs im
Lesesaal der Herzog
August Bibliothek, das von SABINE JAGODZINSKI zu den jeweiligen
Einträgen
begleitet wurde. Vorgestellt wurden das Porträt des Kaisers Rudolf
II. in
Seidenmalerei und die anbei befindliche Miniatur seiner Krönung im
Kreis von
sechs Kurfürsten, versehen mit seiner eigenhändigen Unterschrift.
Gezeigt wurde
zudem die in eine heraldisch-allegorische Darstellung eingebettete
Inskription
Herzog Philipps II. von Pommern Stettin und sein in Mikrographie
ausgeführtes
Porträt, bestehend aus kunstvoll drapierten,
religiös-philosophischen
Textelementen. Dem Publikum dargeboten wurden darüber hinaus zwei
unabhängige
Einträge: die Federzeichnung Lucas Kilians mit Obelisken-Motiv für
Herzog
August den Jüngeren von Braunschweig-Lüneburg und die
Wappendarstellung mit
weiblichen Figuren der Herzoginwitwe Ursula zu Württemberg,
Pfalzgräfin bei
Rhein.
Eingeleitet wurde das vierte Themenfeld zu Materialität und
Performanz durch
KARIN ECKSTEIN (München). Im Fokus der Untersuchungen stand der
Jüngere Titurel
aus der Bayerischen Staatsbibliothek und die Neuverwendung bzw.
Funktionserweiterung jener spätmittelalterlichen Handschrift zu
einem zeitweise
dicht beschriebenen Stamm- bzw. Gästebuch in einer späteren
Nutzungsphase.
Thematisiert wurden die restauratorischen Beobachtungen der teils
fragmentarischen Text- und Bildausstattung aus der frühen Neuzeit
und die
möglichen Motive für die über mehrere Generationen reichende
Umnutzung des
üppig mit Miniaturen ausgestatteten Epos im Familienbesitz der
Fernberger zu
Eggenberg.
DIETRICH HAKELBERG (Gotha) befasste sich mit den
Eintragungskontexten und der
Funktion des Gelehrtenstammbuchs von Johann Philipp Breyne.
Mithilfe von erhaltenen
Reisetagebüchern und Empfehlungsschreiben konnten die
Reisestationen des
Danziger Botanikers von 1702 bis 1704 rekonstruiert werden. Breyne
nutzte das
Gelehrtennetzwerk des Vaters nach und erweiterte dieses unter
anderem durch
Besichtigungen von naturwissenschaftlichen Sammlungen und Gärten.
In
Kombination mit seinen Reiseberichten konnte ein Bild seiner
Person und die
Reiseroute des Naturforschers quer durch Europa zum Zwecke der
Fortbildung und
Kontaktaufnahme gewonnen werden. Insbesondere beschäftigte die
Fragestellung,
welcher Inskribent sich bei welchen Gelegenheiten eingetragen
hatte oder auch
nicht.
MICHAEL WENZEL (Wolfenbüttel) beleuchtete in seinem Vortrag die
Stammbuchpraxis
der kunstdiplomatischen Vermittler-Persönlichkeit Philipp
Hainhofer aus
Augsburg. Neben dem hinzugezogenen, selbstrepräsentativen
Reisetage- und
Reisehandbuch (Reiserelationen) dokumentieren Hainhofers
Freundschaftsalben,
besonders das Große Stammbuch, die Besuche europäischer Herrscher
und Höfe.
Kernfragen des Vortrags bildeten die Auseinandersetzung mit
Hainhofers Akquise
von Stammbucheinträgern und den Strategien, durch welche sich das
Album zu
einem politisch wirkmächtigen agency tool entwickelte. Somit
stellte sich nicht
nur Hainhofer in seiner diplomatischen Reise- und Agententätigkeit
(u.a. für
Philipp II. von Pommern-Stettin) als Akteur heraus, sondern
vielmehr wurde das Große
Stammbuch als eigenständiger Aktant sowie als
grenzüberschreitendes Objekt
politischen Handels in Zeiten des Dreißigjährigen Krieges
sichtbar.
Am 24. März war das NLA in Wolfenbüttel Gastgeber der Tagung. Im
fünften Panel
stand zunächst die sprachliche und literarische Praxis in
Stammbüchern im
Mittelpunkt der Betrachtungen: SEBASTIAN CÖLLEN (Uppsala)
referierte über die
Strategien der Selbststilisierung in deutschsprachigen
Stammbucheinträgen des
17. Jahrhunderts. Mittels verschiedener Sprachen erfolgte die
Selbstdarstellung
und -inszenierung sowie Konstruktion der eigenen Persona wie eine
Theatermaske
auf der halböffentlichen Bühne des Stammbuchpublikums. Die Wahl
der Sprache
konnte mit dem Fokus auf mehrsprachige Stammbücher der frühen
Neuzeit in
schwedischen Sammlungen analysiert werden. Beobachtet werden
konnte der Einsatz
der deutschen Sprache vor allem bei humoristischen und auf
Innerlichkeit bzw.
Emotionalität ausgerichteten Texten, die situationsbezogene
Unmittelbarkeit und
persönliche Nähe ausdrücken oder simulieren. Dahingegen sollten
etwa klassische
Sprachen, wie Latein, Gelehrsamkeit und Selbstbeherrschung
suggerieren.
Die Verwendung romanischer Sprachen in Stammbucheinträgen der
Weimarer
Stammbuchsammlung wurde von REMBERT EUFE (Tübingen) untersucht und
der Tübinger
Stammbuchsammlung gegenübergestellt. Der Vortrag gab einen
Überblick über die
prozentuale Gewichtung des Sprachgebrauchs in den ausgewerteten
Textelementen:
Zum Vorschein kam die große Bedeutung von klassischen Sprachen,
Sprachen der
christlichen Tradition und Sprachen aus nicht lateinischen
Schriftsystemen, die
als Sammlerstücke galten. Besonders von süddeutschen und
österreichischen
Inskribenten wurden Einträge mit Italienisch präferiert, an deren
Beispielen
das sprachliche Niveau der Eintragenden und die mündliche
Tradition offenkundig
wurden. Vor allem wurde Mehrsprachigkeit mit italienischen und
französischen
Textelementen um des sozialen Prestiges willen inszeniert, deren
meist kurze
Textpassagen sich auch ohne direkte Sprachkenntnisse zum
Abschreiben eigneten.
Durch das Stammbuch, welches als Quelle für die Sprachenforschung
gilt, wurde
Freude an Sprachen und Mehrsprachigkeit ausgedrückt.
Landesübergreifende, literarische Netzwerke vom 16. bis ins 19.
Jahrhundert
zeigte hingegen MAGNUS ULRICH FERBER (Wolfenbüttel/ Bonn) auf.
Anhand der
Stammbuchsammlung des NLA Wolfenbüttel wurden literarische
Strömungen
unterschiedlichster Sprachgesellschaften und Gruppen vom Barock
bis zur
Romantik fassbar gemacht. Nachverfolgen ließ sich neben dem Wandel
des
Stammbuchgebrauchs, etwa in der Länge bzw. Gestalt der Einträge,
dass die
präsentierten Libri Amicorum als Autographensammlungen bekannter
und heute in
den Hintergrund getretener Schriftsteller dienten. In jenen
Freundschaftsalben
verewigten sich nicht nur Persönlichkeiten, wie Lessing, sondern
es definierten
sich Gruppenidentitäten durch literarische Beiträge und in der
Wahl von
Textzitaten zeitgenössischer bzw. klassischer Autoren.
Kontextualisiert wurden
diese Erkenntnisse etwa durch weitere literarische Quellen, wie
Zeitschriften,
in Zusammenhang mit Gruppierungen wie dem Göttinger Hainbund und
Vertretern des
Braunschweiger Collegium Carolinum.
Daran anschließend fand eine Führung durch die kleine Ausstellung
Monumente der
Freundschaft im Ausstellungssaal des Niedersächsischen
Landesarchivs statt, die
noch bis 30. Juni 2023 zu sehen sein wird. Sorgsam ausgewählte
Beispiele der
über dreihundert Objekte aus der internen, mithilfe der DFG
aktuell
erschlossenen und digitalisierten Stammbuchsammlung in
Wolfenbüttel wurden
durch Herrn FERBER und Herrn HAAS vorgestellt. In der
Kontextualisierung mit
Objekten aus dem Kreis- und Universitätsmuseum Helmstedt wurden
insgesamt
sieben Themenschwerpunkte beleuchtet: Eine Einleitung in die
Materie Stammbuch,
die Entstehung der Sammlung, ältere Stammbuchformen und der Weg
zur
Textgattung, die Gestaltung der Einträge, politische Stammbücher,
Stammbücher
von Frauen, Rezeption und Traditionslinien in Poesiealben und
Social Media.
Im letzten Themenbereich wurden ausgewählte Sammlungen und ihre
Bearbeitung
erörtert. Recherchemöglichkeiten für Stammbücher aus schwedischen
Sammlungen
zeigte DANIEL SOLLING (Uppsala) mithilfe des Online-Portals Alvin
auf, das sich
der Digitalisierung und Verbreitung von Kulturerbe widmet. Mittels
bedeutsamer
Stammbuchexemplare konnte ein Einblick in die Sammlung der
Universitätsbibliothek Uppsala gewährt und auf deren Vielfalt
aufmerksam
gemacht werden. Eine Besonderheit bildete der
Stammbuch-Zwillingsband von Erik
Drake af Hagelsrum, in welchem die Eintragenden nach ihrem
Geschlecht separiert
wurden. Solling gab Aufschluss über die Sammlungsschwerpunkte
sowie die Katalogisierung
und Erschließungspraxis der Stammbuchsammlung der
Universitätsbibliothek
Uppsala.
Durch KATHARINA BEIERGRÖßLEIN (Stuttgart) wurden Stammbücher im
Kontext
kommunaler Überlieferungen am Beispiel der Stammbuchsammlung des
Stadtarchivs
Stuttgart präsentiert. Die derzeit 79 Sammlungsobjekte vom späten
17. bis Mitte
des 20. Jahrhunderts, die unter dem Stichwort „Stammbuch“
erforscht werden,
wurden anhand der Häufigkeit von Namensnennungen im Hinblick auf
ihre sozialen
Netzwerke untersucht. Eine Graphenanalyse, in der
Namenswiederholungen
ausgewertet wurden, zeigte überraschende Ergebnisse: Die
Clusterbildung
offenbarte zeitübergreifende, direkte und indirekte Verbindungen
zwischen den
vornehmlich weiblichen Stammbucheinträgerinnen und den
Hauptakteurinnen als
„Spinnen“ im sozialen Netzwerk der Stammbuchsammlung.
Einen Überblick über die Freundschaftsalben und Stammbuchblätter
der
Staatsbibliothek Bamberg aus dem 16. bis 20. Jahrhundert
ermöglichte BETTINA
WAGNER (Bamberg), die Glanzpunkte der Sammlung, wie die
Rosendarstellung von
Maria Sibylla Merian, präsentierte. Berichtet wurde über die
Entstehung der
Sammlung sowie über das geplante Forschungsprojekt in der
Förderung der
Fritz-Thyssen-Stiftung ab Juli 2023 mit dem Ziel der
Digitalisierung sowie der
Grund- und Tiefenerschließung der Bamberger Stammbuchbestände. Die
Vortragende
gab einen Ausblick auf die Veröffentlichung der Ergebnisse über
die
Verbunddatenbank Kalliope.
In einer Zusammenfassung von PHILIP HAAS und SVEN LIMBECK wurden
die
wichtigsten Themen der Tagung nochmals hervorgehoben: Es konnten
Ideen und
bereits in der Umsetzung befindliche Projekte für die Erschließung
von
Stammbüchern in der sammlungs- und themenbezogenen Forschung unter
den
Anforderungen der jeweiligen Fachdisziplinen gezeigt werden. In
ihrer medialen
Hybridität konnten die Alba Amicorum entlang von Gattungsgrenzen
und
Überschneidungsbereichen näher definiert und mithilfe weiterer
Quellen
kontextualisiert werden. Neben der Forderung eines einheitlichen
Erschließungsstandards wurde der Wunsch nach der Erweiterung und
Erneuerung von
Stammbuchdatenbanken sichtlich. Zukunftsweisend erschienen nicht
nur die
Bündelung und Verknüpfung von Daten in gemeinsamen Datenbanken.
Auch in den
Untersuchungsmethoden des internationalen Fachpublikums wurde die
Orientierung
hin zur Digitalisierung deutlich, die neue Wege für die
Stammbuchforschung
eröffnet.
Konferenzübersicht:
Peter Burschel (HAB) / Sabine Graf (NLA): Begrüßung
Philip Haas (NLA) / Sven Limbeck (HAB): Thematische Einführung
Panel 1: Erschließung und Bereitstellung von Stammbüchern
Moderation: Michael Wenzel
Stephan Bialas-Pophanken (Wolfenbüttel) / Maximilian Görmar
(Wolfenbüttel) /
Joëlle Weis (Trier): „In dieses schöne Buch, soll ich auch etwas
setzen…”. Die
digitale Edition des Gästebuchs der Bibelsammlung von Elisabeth
Sophie Marie
von Braunschweig-Lüneburg
Sven Limbeck (Wolfenbüttel): Intermedialität und materielle
Hybridität.
Überlegungen zur Erschließung von Stammbüchern aus medio-logischer
Perspektive
Andreas Schlüter (Weimar): Das neue Thüringer Stammbuchportal
Panel 2: Stammbücher und Netzwerke
Moderation: Magnus Ulrich Ferber
Philip Haas (Wolfenbüttel): Autonomiestadt oder Patronage und
Klientel? Das
politisch-diplomatische Stammbuch des Braunschweiger
Bürgermeisters Franz Dohausen
(1605-1673)
Robin Radway (Wien): Stammbücher als soziale Netzwerke.
Möglichkeiten und
Gefahren der Forschung anhand von Beispielen des Deutschen Hauses
in
Konstantinopel
Julian Schulz (Bonn): Faktor, Agent, Freund. Georg Birckel als
Adressat von
Stammbucheinträgen deutscher Venedigbesucher am Vorabend des
Dreißigjährigen
Krieges
Öffentlicher Abendvortrag
Moderation: Philip Haas
Werner Wilhelm Schnabel (Erlangen): Stand und Perspektiven der
Erschließung und
Erforschung von Stammbüchern
Panel 3: Kunst und Musik in Stammbüchern
Moderation: Kerstin Losert
Marika Keblusek (Leiden): Images on the Move. Early Modern
Stammbücher as
Visual Networks
Sabine Jagodzinski (Wolfenbüttel): „eximii monumenta favoris“.
Erschließung und
Erforschung des Großen Stammbuchs Philipp Hainhofers
Wolfgang Fuhrmann (Berlin): Mobile Musik. Fragmentarische Formen
und
translokale Gemeinschaften im 19. Jahrhundert
Kateryna Schöning (Wien): Lautentabulatur – Liber amicorum –
Stammbuch. Mediale
und materielle Ausprägung im 16. Jahrhundert und die Rolle des
interdisziplinären Erinnerungs-modus
Präsentation des Großen Hainhofer-Stammbuchs
Panel 4: Materialität und Performanz
Moderation: Brage Bei der Wieden
Karin Eckstein (München): „durch frühere Besitzer verunstaltet“.
Der Jüngere
Titurel der Bayerischen Staatsbibliothek und seine Erschließung
für die
Stammbuchforschung
Earle Havens (Washington): Confessional Identity and Material
Adaption. Printed
and Interleaved Emblem Books Used as Alba Amicorum
Dietrich Hakelberg (Gotha): Stammbuch und Tagebuch im Gepäck. Mit
dem Botaniker
Johann Philipp Breyne auf Reisen, 1702-1704
Michael Wenzel (Wolfenbüttel): Das Album Amicorum als agency tool.
Selbstrepräsentationen seiner Stammbuchpraxis in Philipp
Hainhofers
Reiserelationen
Panel 5: Sprachliche und literarische Praxis in Stammbüchern
Moderation: Sabine Jagodzinski / Sven Limbeck
Sebastian Cöllen (Uppsala): Maskenspiele. Strategien der
Selbststilisierung in
deutschsprachigen Stammbucheinträgen des 17. Jahrhunderts
Rembert Eufe (Tübingen): Die Verwendung romanischer Sprachen in
den
Stammbüchern der Weimarer Sammlung
Magnus Ulrich Ferber (Wolfenbüttel/Bonn): Literarische Netzwerke.
Sprachgesellschaften und literarische Strömungen im Spiegel der
Stammbuch-sammlung des NLA Wolfenbüttel
Präsentation der Wolfenbütteler Stammbücher (Führung durch die
kleine
Ausstellung)
Magnus Ulrich Ferber / Philip Haas
Panel 6: Ausgewählte Sammlungen und ihre Bearbeitung
Moderation: Eva Raffel
Daniel Solling (Uppsala): Die Digitalisierung und Katalogisierung
der
Stammbuchsammlung der Universitätsbibliothek Uppsala (Schweden)
Katharina Beiergrößlein (Stuttgart): Das Stammbuch als Spinne im
Netz der
Bestände. Stammbücher im Kontext kommunaler Überlieferung am
Beispiel der
Stammbuchsammlung des Stadtarchivs Stuttgart
Bettina Wagner (Bamberg): Die Stammbuchsammlung der
Staatsbibliothek Bamberg
Zusammenfassung
Philip Haas / Sven Limbeck
Zitation
Tagungsbericht: Über Stammbücher schreiben. Stand und Perspektiven
der
Erschließung und Erforschung von Freundschaftsbüchern (16.-19.
Jahrhundert),
In: H-Soz-Kult, 29.04.2023, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-135806>.