Monatsdigest

[Regionalforum-Saar] bitte eintragen!

Date: 2022/03/01 14:50:21
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Bitte eintragen!

In vier Wochen halte ich auf der Genealogica zwei Vorträge. Einer davon handelt vom „Prinz von Palästina“, der in den 1760ern St. Wendel besuchte. Bei den Recherchen, die schon etliche Jahre zurückliegen, hat mir der Historiker Tobias Mörike geholfen. Als ich also nachschaue, was er seitdem so getan hat, stoße ich auf einen Artikel, den Herr Mörike über einen ähnlichen Reisenden namens Schidid bin Sayf Hobaysch verfaßte, der am 7. Mai 1727 die Herzog-Augugst-Bibliothek in Wolfenbüttel besuchte.

Erschienen ist der Beitrag als einer von 21 Essays in dem Band „Bitte eintragen! Die Besucherbücher der Herzog August Bibliothek 1667-2000“, herausgegeben von Hole Rößler und Marie von Lüneburg.
ISBN 978-3-447-11664-0

Auf der Rückseite des Buches steht, daß die Bibliothek, deren berühmtester Leiter Gotthold Ephraim Lessing war, seit 1667 ein Besucherbuch führt, in dem alle Besucher sich einzutragen angehalten wurden. In den 21 kurzweiligen Essays stellt der Band prominente, erstaunliche und bemerkenswerte Besucher beiderlei Geschlechts aus vier Jahrhunderten vor, den den Weg nach Wolfenbüttel auf sich nahmen“. Jedem Artikel ist ein Faksimile aus dem Buch mit der Passage vorangestellt, auf der sich dieser betreffende Besucher verewigt hat.

Unter den Eintragenden finden sich Politiker wie Dichter wie Künstler wie Kaufleute beiderlei Geschlechts, und zu jedem gibt es Interessantes zu berichten (auch wenn ich - ich gestehe es - von  über der Hälfte nie zuvor gehört habe).

Leider konnte ich bisher nicht herausfinden, ob es eine Aufstellung - in graphischer oder Textform - aller Besucher gibt, u.a. weil ich notwendig bin, ob ich dort ggf. jemand Bekannten aus unserer Kante finde.

Ein paar mal mußte ich lachen, etwa in dem Artikel über Ludwig Uhland, der gekommen war, um zu studieren, aber dazu kam er nicht, weil alle möglichen Leute sich in seinem Glanz sonnen wollten und ihn von der Arbeit abhielten.

Und über ein Detail aus dem Epilog und den „pikanten“ Druckfehler in einer Bibel aus dem Jahre 1731:

„Für die zahlreiche Klasse von Reisenden, der es in Bibliotheken und Museen, hauptsächlich um die Schau der sogenannten Kuriositäten zu thun ist, liegt beständig die hallische Bibel aufgeschlagen, worin eine Unterlassungssünde des Setzers einer groben Begehungssünde das Wort redet; denn das sechste Gebot, als hätte Satan die Lettern geordnet, oder die Korrektur besorgt, lautet hier wie folgt: Du sollst ehebrechen. Es ist kaum zu sagen, wie sich das ausnimmt.“

Das Buch - erschienen 2021 - gibt’s für 19,80 Euro im Fachhandel; ich habs aber auch schon antiquarisch gesehen, z.B. bei booklooker für ein paar Euro weniger.

Mir hats gut gefallen.

Roland Geiger

[Regionalforum-Saar] Fwd: Einwohnerbuch zu den V ölklinger Stadtteilen Fenne - Fürstenhausen

Date: 2022/03/02 09:00:15
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>


-------- Weitergeleitete Nachricht --------
Betreff: Einwohnerbuch zu den Völklinger Stadtteilen Fenne - Fürstenhausen
Datum: Wed, 2 Mar 2022 08:03:21 +0100
Von: heimatk.verein(a)warndt.de
An: alsfassen(a)web.de


                                                                       01.03.2022

 

 

Sehr geehrter Herr Geiger,

 

der Heimatkundliche Verein Warndt e.V. möchte Sie darüber informieren, dass ab 10.03.2022 unser „Einwohnerbuch zu den Völklinger Stadtteilen Fenne - Fürstenhausen“ mit den Geburten vor 1911 und den Heiraten vor 1941 erscheinen wird. Dieses Ortsfamilienbuch beschreibt über 22500 Personen, die in den beiden Stadtteilen Völklingens seit den Anfängen wohnten. Für die Erstellung des Buches wurden neben Kirchenbüchern insbesondere die Standesamtsregister systematisch ausgewertet. Ebenso die Daten aus den genealogischen Publikationen zum Saarland und den umliegenden Regionen. Es wurden auch die Hauseigentümerliste von 1836 sowie die Volkszählungen aus den Jahren 1849, 1855 und 1861 einbezogen; ebenso Wählerlisten von 1884 bis 1920 und Einwohnerlisten von 1906 bis 1953. Mit den Auswertungsergebnissen konnten eine Vielzahl von Personen aufgenommen werden, welche standesamtlich nicht erfasst waren. Durch Einbeziehung von Zu- und Abgangslisten während des Ersten Weltkrieges und den Folgejahren, konnten auch genaue Wohnplätze der Familien ab der Benamung der Straßen in Fenne und Fürstenhausen zugeordnet werden.

Das Buch hat insgesamt 2014 Seiten DIN A4 und ist in zwei Teilbände unterteilt, die auch nur im Zweierpack verkauft werden. Der Preis für die zwei Teilbände beträgt 44,50 € zzgl. eventueller Versandkosten.

 

Erhältlich ist das Buch bei:

 

Heimatkundlicher Verein e.V.

Am Bürgermeisteramt 5

66333 Völklingen

 

Tel. 06898/43626

E-Mail: heimat.verein(a)warndt.de

 

 

 

Mit freundlichem Grüßen

 

Dieter Leismann

 

 

 

 

 

[Regionalforum-Saar] 1832 protestierten St. Wendeler für Freiheit

Date: 2022/03/08 08:38:46
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Gestern in der Saarbrücker Zeitung. Was in eckigen Klammern steht, stand nicht in der Zeitung:

1832 protestierten St. Wendeler für Freiheit [Komischer Satz - kann man "für" etwas protestieren? Ich dachte immer, man protestiert "gegen" etwas. "Für etwas" wird demonstriert. Oder?]

St Wendel. Das Thema ist aktueller denn je. Wie es damals zur der Aktion kam, beleuchtet das Stadtarchiv in einer Vortragsreihe. Fünf Termine sind geplant. Die SZ stellt das Programm schon mal vor.

Von Evelyn Schneider

Es ist imposant, das Gemälde, das Walter Hannig in den 1960er-Jahren geschaffen hat. Es zeigt den Besuch Kaiser Maximilians I. 1512 in St. Wendel [wie ihn sich Dr. Hannig in den 1960ern vorstellte] und nimmt eine Wand des Sitzungssaals komplett ein. Dieser trägt passenderweise inzwischen den Namen des letzten Ritters, wie der weltliche Herrscher ob seiner Vorliebe für Turniere auch genannt wurde. Doch der Raum im historischen Rathaus am Schlossplatz erinnert nicht nur an die Geschichte der Stadt, er ist selbst ein Teil davon. „Er war [vermutlich] der erste protestantische Betsaal in St. Wendel“, sagt Nicolas Pontius vom Stadtarchiv. Und zwar zu jener Zeit, als Herzogin Luise in dem Gebäude wohnte. Von 1824 bis 1831 lebte die Stammmutter der Windsors [neben ein paar anderen - wer sich in Familienforschung ein bißchen auskennt, weiß, daß jeder Sterbliche mindestens zwei Großmütter hat(te), selbst die Blaublütigen] in der heutigen Kreisstadt.

Ein passendes Ambiente also, um sich mit einer weiteren Episode der St. Wendeler Historie zu beschäftigten:  dem Freiheitsfest 1832. Parallel zu dem bekannten Hambacher Fest (27. Mai bis 1. Juni 1832) auf dem gleichnamigen Schloss setzten auch die Bürger in der Kreisstadt ein Zeichen für Gleichheit und Freiheit [und dafür, daß sie die Coburger zum Teufel wünschten]. Sie trafen sich zunächst am 27. Mai 1832 zu einem Fest auf dem Bosenberg, wo der protestantische Pfarrer Carl Juch, der mit Herzogin Luise nach St. Wendel gekommen war, eine Rede hielt. Im Anschluss zogen die Teilnehmer in die Innenstadt, um vor der Kellerschen Wirtschaft (heute Spinnrad) einen Freiheitsbaum aufzustellen. „Damals war einiges los, das St. Wendeler Volk hat sich nicht [mehr] ohne Weiteres der Amtsgewalt unterworfen“, sagt St. Wendels Bürgermeister Peter Klär (CDU).

2022 jährt sich der Bürgerprotest zum 190. Mal. „Das Jubiläum haben wir zum Anlass genommen, um an das Thema Freiheit zu erinnern“, so Klär. Durch den Krieg in der Ukraine habe dieses gerade wieder an Aktualität gewonnen. Als die Planungen des Stadtarchivs zu der Vortragsreihe begannen, war daran noch nicht zu denken.

Vom 21. April bis zum 19. Mai sind fünf Termine vorgesehen. „Wir haben uns für eine chronologische Herangehensweise bei den Themen entschieden“, erläutert Historikerin Andrea Recktenwald vom Stadtarchiv.  Die Vortragsreihe „St. Wendel im Vormärz“ beginnt am 21. April mit dem Thema „Wie sich St. Wendel auf die Coburger Zeit vorbereitete“. Referent ist Bernhard Planz, Heimatforscher und Studiendirektor im Ruhestand. „Somit starten wir quasi noch zu der Zeit der Französischen Revolution (1789 bis 1799, Anm. d. Red.)“, erläutert Recktenwald. „Liberté, Égalité, Fraternité“ war deren Leitspruch. Diese Werte  – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit  – haben die St. Wendeler kennen und schätzen gelernt. Vor allem die akademische Oberschicht legte Wert auf Grundrechte wie Meinungs- oder Pressefreiheit. „Diese Überzeugungen wollten die Menschen im Fürstentum Lichtenberg nicht aufgeben“, sagt Recktenwald. So habe sich der Aufstand allmählich entwickelt. Recktenwald selbst geht m zweiten Vortrag (28. April) mit dem Titel „Die Stadt St. Wendel im Fürstentum Lichtenberg“ auf jene Zeit von 1819 bis 1832 ein. Zwischen dem selbstbewussten Bürgertum und Herzog Ernst III. von Sachsen-Coburg-Saalfeld (ab 1826 Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha), der ein Verfechter des französischen Absolutismus war, kam es immer wieder zu Konflikten aufgrund der finanziellen und verwaltungstechnischen Situation des Gebiets.  „Es bildeten sich zwei Oppositionen  – eine städtische und eine bürgerlich-liberale“, erläutert Recktenwald. Mit diesen Bewegungen beschäftigt sich der für das Stadtarchiv tätige Historiker Josef Dreesen. Er hat seinem Vortrag am 5. Mai den Titel „Die demokratische Opposition in St. Wendel im Vormärz“ gegeben. Darin thematisiert der Historiker neben der Opposition aus Bürgern und Stadträten die sogenannte Kellersche Gesellschaft. Dieser politische Stammtisch im gleichnamigen Gasthaus wurde 1831 von  Pfarrer Karl Juch sowie den Lehrern Johannes Schue und Philipp Sauer gegründet. Es entwickelte sich eine politische bürgerlich-liberale Opposition. Später wurde der Advokat Nikolaus Hallauer, der auch Gastredner beim Hambacher Fest war, zu deren Wortführer.

„So gerieth ihm leider der reichthum seine Geistes zum Fallstrick“: Mit diesem Zitat hat Referent Gerhard Koepke seinen Vortrag über „Carl Wilhelm Reginus Juch, dem ersten evangelischen Pfarrer in St. Wendel, Konrektor am Herzoglichen Lyzeum und Aktivist des Vormärz“ überschrieben.  Darin geht der ehemalige Superintendent des Kirchenkreises Saar-Ost in der Evangelischen Kirche im Rheinland auf das Leben und Wirken des Geistlichen ein, der unter anderem beim St. Wendeler Friedensfest auf dem Bosenberg eine Rede hielt.

Der Frage, wie es mit den Initiatoren dieses Protests danach weiterging, widmet sich der Jurist Franz-Josef Kockler, der vor seinem Ruhestand als Vorsitzender Richter am Saarländischen Oberlandesgericht in Saarbrücken tätig war. Sein Vortrag (19. Mai) mit dem Titel „Die Kellersche Gesellschaft – die Unruhen des Jahres 1832 im Fürstentum Lichtenberg und ihre gerichtliche Aufarbeitung“ setzt den Schlusspunkt zu der Reihe. Zahlreiche Ermittlungs- und Gerichtsakten hat Kockler durchforstet, um das Geschehen vor Gericht und die Urteile zu skizzieren. „Es gibt sowohl Zeugenaussagen von Bürgern als auch von Vertretern des Fürstentums Lichtenberg“, merkt Historikerin Recktenwald an.

Der historische Maximiliansaal bietet die Bühne für die Vortragsreihe. Je nachdem, welche Coronaregelungen in April und Mai gelten, variiert die Zahl der Besucher. „Wir werden mit Anmeldungen arbeiten“, kündigt Bürgermeister Klär an. Sollten die Anfragen die [relativ kleine] Raumkapazität deutlich übersteigen, gebe es die Möglichkeit, kurzfristig zu handeln. Dabei seien sowohl der Umzug in einen größeren Veranstaltungsraum als auch ein zweiter Termin für einen Vortrag denkbar. „Wegen Corona haben wir bislang eher vorsichtig geplant“, sagt Recktenwald.

www.sankt-wendel.de

Auf einen Blick

Die Vortragsreihe „St. Wendel im Vormärz“ ist vom 21. April bis zum 19. Mai im Maximiliansaal im historischen Rathaus in St. Wendel geplant. Beginn ist jeweils um 19 Uhr. Das Programm sieht vor:

Donnerstag, 21. April: „Wie sich St. Wendel auf die Coburger Zeit vorbereitete“. Referent: Bernhard Planz.
[Interessante Überschrift - sie impliziert, daß die St. Wendeler schon seit der franz. Revolution wußten, daß die Franzosen nach gut 20 Jahren „Geschichte“ sein würden und die vom Wiener Kongress das Amt St. Wendel umgestalten und teilweise den Coburgern zuteilen würden.]

Donnerstag, 28. April: „Die Stadt St. Wendel im Fürstentum Lichtenberg 1819 bis 1832“. Referentin: Andrea Recktenwald.

Donnerstag, 5. Mai: „Die demokratische Opposition in St. Wendel im Vormärz“. Referent: Josef Dreesen.

Donnerstag, 12. Mai: „,So gerieth ihm leider der reichthum seine Geistes zum Fallstrick‘“– Carl Wilhelm Reginus Juch, erster evangelischer Pfarrer in St. Wendel und Konrektor am Herzoglichen Lyzeum, Aktivist des Vormärz‘“. Referent: Gerhard Koepke.

Donnerstag, 19. Mai: „Die Kellersche Gesellschaft – die Unruhen des Jahres 1832 im Fürstentum Lichtenberg und ihre gerichtliche Aufarbeitung“. Referent: Franz-Josef Kockler.

Re: [Regionalforum-Saar] 1832 protestierten St. Wendeler für Freiheit

Date: 2022/03/08 09:21:12
From: anneliese.schumacher(a)t-online.de <anneliese.schumacher(a)t-online.de>

Laut dem Wahrig Synonymwörterbuch sind beide Begriffe gleichgestellt. 

Grüße

Anneliese Schumacher

 

 

 

-----Original-Nachricht-----

Betreff: [Regionalforum-Saar] 1832 protestierten St. Wendeler für Freiheit

Datum: 2022-03-08T08:50:41+0100

Von: "Roland Geiger via Regionalforum-Saar" <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

An: "Regionalforum" <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

 

 

 

Gestern in der Saarbrücker Zeitung. Was in eckigen Klammern steht, stand nicht in der Zeitung:

1832 protestierten St. Wendeler für Freiheit [Komischer Satz - kann man "für" etwas protestieren? Ich dachte immer, man protestiert "gegen" etwas. "Für etwas" wird demonstriert. Oder?]

St Wendel. Das Thema ist aktueller denn je. Wie es damals zur der Aktion kam, beleuchtet das Stadtarchiv in einer Vortragsreihe. Fünf Termine sind geplant. Die SZ stellt das Programm schon mal vor.

Von Evelyn Schneider

Es ist imposant, das Gemälde, das Walter Hannig in den 1960er-Jahren geschaffen hat. Es zeigt den Besuch Kaiser Maximilians I. 1512 in St. Wendel [wie ihn sich Dr. Hannig in den 1960ern vorstellte] und nimmt eine Wand des Sitzungssaals komplett ein. Dieser trägt passenderweise inzwischen den Namen des letzten Ritters, wie der weltliche Herrscher ob seiner Vorliebe für Turniere auch genannt wurde. Doch der Raum im historischen Rathaus am Schlossplatz erinnert nicht nur an die Geschichte der Stadt, er ist selbst ein Teil davon. „Er war [vermutlich] der erste protestantische Betsaal in St. Wendel“, sagt Nicolas Pontius vom Stadtarchiv. Und zwar zu jener Zeit, als Herzogin Luise in dem Gebäude wohnte. Von 1824 bis 1831 lebte die Stammmutter der Windsors [neben ein paar anderen - wer sich in Familienforschung ein bißchen auskennt, weiß, daß jeder Sterbliche mindestens zwei Großmütter hat(te), selbst die Blaublütigen] in der heutigen Kreisstadt.

Ein passendes Ambiente also, um sich mit einer weiteren Episode der St. Wendeler Historie zu beschäftigten:  dem Freiheitsfest 1832. Parallel zu dem bekannten Hambacher Fest (27. Mai bis 1. Juni 1832) auf dem gleichnamigen Schloss setzten auch die Bürger in der Kreisstadt ein Zeichen für Gleichheit und Freiheit [und dafür, daß sie die Coburger zum Teufel wünschten]. Sie trafen sich zunächst am 27. Mai 1832 zu einem Fest auf dem Bosenberg, wo der protestantische Pfarrer Carl Juch, der mit Herzogin Luise nach St. Wendel gekommen war, eine Rede hielt. Im Anschluss zogen die Teilnehmer in die Innenstadt, um vor der Kellerschen Wirtschaft (heute Spinnrad) einen Freiheitsbaum aufzustellen. „Damals war einiges los, das St. Wendeler Volk hat sich nicht [mehr] ohne Weiteres der Amtsgewalt unterworfen“, sagt St. Wendels Bürgermeister Peter Klär (CDU).

2022 jährt sich der Bürgerprotest zum 190. Mal. „Das Jubiläum haben wir zum Anlass genommen, um an das Thema Freiheit zu erinnern“, so Klär. Durch den Krieg in der Ukraine habe dieses gerade wieder an Aktualität gewonnen. Als die Planungen des Stadtarchivs zu der Vortragsreihe begannen, war daran noch nicht zu denken.

Vom 21. April bis zum 19. Mai sind fünf Termine vorgesehen. „Wir haben uns für eine chronologische Herangehensweise bei den Themen entschieden“, erläutert Historikerin Andrea Recktenwald vom Stadtarchiv.  Die Vortragsreihe „St. Wendel im Vormärz“ beginnt am 21. April mit dem Thema „Wie sich St. Wendel auf die Coburger Zeit vorbereitete“. Referent ist Bernhard Planz, Heimatforscher und Studiendirektor im Ruhestand. „Somit starten wir quasi noch zu der Zeit der Französischen Revolution (1789 bis 1799, Anm. d. Red.)“, erläutert Recktenwald. „Liberté, Égalité, Fraternité“ war deren Leitspruch. Diese Werte  – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit  – haben die St. Wendeler kennen und schätzen gelernt. Vor allem die akademische Oberschicht legte Wert auf Grundrechte wie Meinungs- oder Pressefreiheit. „Diese Überzeugungen wollten die Menschen im Fürstentum Lichtenberg nicht aufgeben“, sagt Recktenwald. So habe sich der Aufstand allmählich entwickelt. Recktenwald selbst geht m zweiten Vortrag (28. April) mit dem Titel „Die Stadt St. Wendel im Fürstentum Lichtenberg“ auf jene Zeit von 1819 bis 1832 ein. Zwischen dem selbstbewussten Bürgertum und Herzog Ernst III. von Sachsen-Coburg-Saalfeld (ab 1826 Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha), der ein Verfechter des französischen Absolutismus war, kam es immer wieder zu Konflikten aufgrund der finanziellen und verwaltungstechnischen Situation des Gebiets.  „Es bildeten sich zwei Oppositionen  – eine städtische und eine bürgerlich-liberale“, erläutert Recktenwald. Mit diesen Bewegungen beschäftigt sich der für das Stadtarchiv tätige Historiker Josef Dreesen. Er hat seinem Vortrag am 5. Mai den Titel „Die demokratische Opposition in St. Wendel im Vormärz“ gegeben. Darin thematisiert der Historiker neben der Opposition aus Bürgern und Stadträten die sogenannte Kellersche Gesellschaft. Dieser politische Stammtisch im gleichnamigen Gasthaus wurde 1831 von  Pfarrer Karl Juch sowie den Lehrern Johannes Schue und Philipp Sauer gegründet. Es entwickelte sich eine politische bürgerlich-liberale Opposition. Später wurde der Advokat Nikolaus Hallauer, der auch Gastredner beim Hambacher Fest war, zu deren Wortführer.

„So gerieth ihm leider der reichthum seine Geistes zum Fallstrick“: Mit diesem Zitat hat Referent Gerhard Koepke seinen Vortrag über „Carl Wilhelm Reginus Juch, dem ersten evangelischen Pfarrer in St. Wendel, Konrektor am Herzoglichen Lyzeum und Aktivist des Vormärz“ überschrieben.  Darin geht der ehemalige Superintendent des Kirchenkreises Saar-Ost in der Evangelischen Kirche im Rheinland auf das Leben und Wirken des Geistlichen ein, der unter anderem beim St. Wendeler Friedensfest auf dem Bosenberg eine Rede hielt.

Der Frage, wie es mit den Initiatoren dieses Protests danach weiterging, widmet sich der Jurist Franz-Josef Kockler, der vor seinem Ruhestand als Vorsitzender Richter am Saarländischen Oberlandesgericht in Saarbrücken tätig war. Sein Vortrag (19. Mai) mit dem Titel „Die Kellersche Gesellschaft – die Unruhen des Jahres 1832 im Fürstentum Lichtenberg und ihre gerichtliche Aufarbeitung“ setzt den Schlusspunkt zu der Reihe. Zahlreiche Ermittlungs- und Gerichtsakten hat Kockler durchforstet, um das Geschehen vor Gericht und die Urteile zu skizzieren. „Es gibt sowohl Zeugenaussagen von Bürgern als auch von Vertretern des Fürstentums Lichtenberg“, merkt Historikerin Recktenwald an.

Der historische Maximiliansaal bietet die Bühne für die Vortragsreihe. Je nachdem, welche Coronaregelungen in April und Mai gelten, variiert die Zahl der Besucher. „Wir werden mit Anmeldungen arbeiten“, kündigt Bürgermeister Klär an. Sollten die Anfragen die [relativ kleine] Raumkapazität deutlich übersteigen, gebe es die Möglichkeit, kurzfristig zu handeln. Dabei seien sowohl der Umzug in einen größeren Veranstaltungsraum als auch ein zweiter Termin für einen Vortrag denkbar. „Wegen Corona haben wir bislang eher vorsichtig geplant“, sagt Recktenwald.

www.sankt-wendel.de

Auf einen Blick

Die Vortragsreihe „St. Wendel im Vormärz“ ist vom 21. April bis zum 19. Mai im Maximiliansaal im historischen Rathaus in St. Wendel geplant. Beginn ist jeweils um 19 Uhr. Das Programm sieht vor:

Donnerstag, 21. April: „Wie sich St. Wendel auf die Coburger Zeit vorbereitete“. Referent: Bernhard Planz.
[Interessante Überschrift - sie impliziert, daß die St. Wendeler schon seit der franz. Revolution wußten, daß die Franzosen nach gut 20 Jahren „Geschichte“ sein würden und die vom Wiener Kongress das Amt St. Wendel umgestalten und teilweise den Coburgern zuteilen würden.]

Donnerstag, 28. April: „Die Stadt St. Wendel im Fürstentum Lichtenberg 1819 bis 1832“. Referentin: Andrea Recktenwald.

Donnerstag, 5. Mai: „Die demokratische Opposition in St. Wendel im Vormärz“. Referent: Josef Dreesen.

Donnerstag, 12. Mai: „,So gerieth ihm leider der reichthum seine Geistes zum Fallstrick‘“– Carl Wilhelm Reginus Juch, erster evangelischer Pfarrer in St. Wendel und Konrektor am Herzoglichen Lyzeum, Aktivist des Vormärz‘“. Referent: Gerhard Koepke.

Donnerstag, 19. Mai: „Die Kellersche Gesellschaft – die Unruhen des Jahres 1832 im Fürstentum Lichtenberg und ihre gerichtliche Aufarbeitung“. Referent: Franz-Josef Kockler.


[Regionalforum-Saar] Aufstand der Frauen - demnäch st auch in diesem Kriegstheater

Date: 2022/03/08 10:13:40
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Aufstand der Frauen.

„Hannes, guck mal ausm Fenster - ooch, die armen Jungens, guck mal, noch ganz junge Burschen. Werden in Ketten durch die Straße geschleppt.

Das sind doch die von gestern, ja, genau, da ist der mit den blonden Haaren, den gestern der Feldwebel getreten hat, als er vor unserem Haus hingefallen ist.
Ja, das ist der, guck mal, wie er humpelt.

Was meinst Du? Das sind Deserteure? Die haben Angst bekommen, als im Gefecht auf sie geschossen wurde und sind weggerannt?

Naja, ich würde auch Angst bekommen, wenn jemand auf mich schießt.

Ich weiß, ich weiß, ich bin ja auch nur ne Frau. Aber stell Dir mal vor, das sei unser Jakob? Könnte er glatt sein, die da draußen sind auch nicht viel älter.

Und was geschieht mit ihnen? WAS? Aufgehängt? Aber die sind doch noch so jung, das sind doch halbe Kinder.

Hannes, da muß man doch was machen. Wie - Du kannst nicht … wohl eher, Du willst nicht.

Ach so, stimmt. Wenn Du was machst, schlagen sie Dich zusammen und nehmen Dich mit oder schießen Dich gleich übern Haufen.

Arme Kerle.

Hannes, weißte was? Ich könnte was machen - ich und die anderen Frauen. Ihr sagt doch immer, wir Frauen dürften nichts allein entscheiden, bei allem müssen wir Euch Männer fragen. Und wenn wir etwas machen und es geht schief, dann können wir nichts dafür, weil wir ja keine Rechte haben.“

Wie das ausging, steht heute in der SZ, kommt aber wohl erst im Laufe des Tages online. Ich werde es nachreichen.

Es ist die Geschichte etlicher Frauen und Männer aus St. Wendel, die sich gegen die Obrigkeit auflehnten, weil sie meinten, sie wären im Recht resp. die Obrigkeit im Unrecht.
Ist natürlich nicht dasselbe, wenn heute Leute auf die Straße gehen, um zu protestieren oder zu demonstrieren. Damals - lange her - gings um eine gerechte Sache, heute ist es peinlich.
Damals gings gegen Unrecht und Tyrannei, heute gegen die rechtmäßig gewählte Regierung. Nicht vergleichbar.

Es ist eine Geschichte, die in St. Wendel als „Frauenrevolte“ verkauft wird.
In wikipedia fand ich dazu ein Zitat von Johannes Agnoli: „Revolten kennen im allgemeinen nur das Scheitern, sonst wären sie Revolutionen. Die gescheiterte Revolte indessen greift in die Geschichte ein, sie setzt Zeichen, die teils verschwinden, um später wieder aufzutauchen, sie verändern doch die Welt.“

Nun, die „Revolte“ taucht immer wieder mal auf - sei es im Volksblatt 1936 oder im Heimatbuch des Kreises St. Wendel 1950. Und natürlich heute in der Saarbrücker Zeitung anläßlich des Weltfrauentags 2022 - ich finde das immer cool, wenn man sich Typen und Ereignisse zum Vorbild nimmt, die eigentlich dazu nicht geeignet sind. Der Sturm auf die Bastille und Wernher von Braun lassen grüßen.

Wie diese Revolte in St. Wendel ausging, was aus den Deserteuren wurde, weiß niemand - vermutlich wurden sie aufgehängt oder an die Wand gestellt, was man halt so mit Deserteuren macht. Auch weiß niemand, warum  man die Soldaten überhaupt nach St. Wendel gebracht hat - sie gehörten laut Überlieferung zum Regiment Royal Deux Pont in Zweibrücken, das mit dem Kurfürstentum Trier nichts und St. Wendel gar nichts zu tun hat - ich gestatte mir das Wortspiel - eigentlich ist eine Steigerung von „nichts“ Fubbes.

Was wir sicher wissen - aus den Akten im Stadtarchiv St. Wendel und im Landeshauptarchiv Koblenz - ist, daß dieser Sturm im Wasserglas die beteiligten St. Wendeler teuer zu stehen kam - sie wurden vom Kurfürsten mit Geldstrafen belegt.


Agnes Angel geb. Haßdenteufel
* um 1700 in Eckelhausen
Ehefrau des Schmieds Heinrich Angel (oo 22.08.1724)
*03.11.1739 in St. Wendel
Haus 259.
Hospitalstraße, gegenüber der Eimündung von Steiningers Gäßchen


Elisabetha Angel geb. Haßdenteufel
* 1727 in St. Wendel
Ehefrau von Heinrich Angel (oo 09.08.1753)
Sie ist vermutlich die Schwiegertochter von Agnes Angel.
* 02.03.1760 in St. Wendel
Haus 46, oberer Stock.
Balduinstraße, heute Cafe am Brunnen.


Catharina Becker geb. Montz
ca. 1716
Ehefrau des Schmieds Anton Becker aus Haupersweiler (oo 11.02.1738)
Sie ist vermutlich die Schwägerin von Elisabetha Monz.
ggf. Haus 267
Ecke Luisenstraße - Hospitalstraße


Christina Breininger geb. Neis
* um 1710 in Hoppstetten
Ehefrau von Jacob Breuninger (oo 22.01.1737)
ggf. Haus 182.
Luisenstraße, Domgalerie


Johann Georg Clamen (Clomen),
Nagelschmied
Ehemann von Anna Elisabeth Moser (oo vor 1745 nicht in St. Wendel)
vermutlich Haus 273.
Luisenstraße, Radsport Fuchs


Georg Adam Frantz
oo 13.01.1754 (ggf. auch 28.11.1754)
Catharina Sauder (ggf. Sander oder Sünder), * vermutlich aus Zweibrücken
Er ist ehemaliger Soldat, der auf der Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz diente, und arbeitet in der Stadt als Glaser.
ggf. Haus 302.
Im Graben, Geburtshaus Maler Lauer, heute Imbißstand Müller.


Anna Maria Hallauer geb. Chillot
* um 1700 in Otzenhausen
Ehefrau von Nikolaus Hallauer (oo vor 1731). Sechs Kinder, von denen die jüngste, Angela, am 08.07.1747 auf die Welt kam. Sie ist die Schwester von Anna Barbara Clara Jung geb. Chillot.
vermutlich Haus 114.
Balduinstraße, heute Brunnenlädchen


Susanna Humes = Hymmes oder Hinnes geb. Klem
* 10. August 1720 in St. Wendel
Ehefrau von Theodor Himmes aus Hildesheim (oo 1751).
Sie war hochschwanger mit ihrer zweiten Tochter Susanna.


Anna Barbara Clara Jung geb. Chillot
verw. Hallauer
* um 1700 in Otzenhausen
Ehefrau von Heinrich Junck (oo 09.05.1736)
Ihre Tochter Anna Catharina ist gerade ein Monat auf der Welt (* 25.04.1757).
Sie ist die Schwester von Anna Maria Hallauer.
Haus 271.
Luisenstraße,
Metzgerei Sannikolo


Anna Barbara Keller geb. Breininger
* 25.11.1737 in St. Wendel
Ehefrau von Johann Keller aus Freisen (oo 23.01.1753).
Sie ist mit ihrem dritten Kind im 5. Monat schwanger (Johann, * 28.09.1757).
Sie ist die älteste Tochter von Christina Breiniger geb. Neis.


Maria Catharina Keller geb. Friedrich
* ca. 1710  + 01.01.1777 in St. Wendel
Ehefrau des Bäckers Michael Keller (oo 1735).
Michael Keller heiratet am 28.01.1777 in 2. Ehe Barbara Lieb, die ihm 9 Kinder schenkt.
Haus 139.
Josefstraße, heute WVW


Angela Knoll = Angelica Knoll geb. Müller
* ca. 1723 in Oberlinxweiler
Ehefrau von Heinrich Knoll (oo 30.01.1731)
Vermutlich Haus 167.
Fruchtmarkt, das linke der drei Angel-Häuser


Clara Lauer geb. Mentzer
* ca. 1720
Ehefrau von Johann Lauer (oo 23.07.1743).
Sie ist vermutlich eine Nichte mütterlicherseits von Johann Georg Clamen (Clomen).
Vermutlich Haus 341.
Im Graben, (abgerissen) zwischen Flashpoint und Eisdiele Lido


Anna Johannetta Lion geb. Daniel
* in Lebach
Ehefrau des Handelsmannes Carl Lion (oo 1752). Mutter von zehn Kindern, im Moment im 2. Monat schwanger mit ihrem 4. Kind, Michael, der am 12.12.1757 geboren wird. Sie stirbt vor 1778, denn ihr Ehemann Karl heiratet im März 1778 erneut.
Haus 274.
Luisenstraße, heute China-Restaurant


Margaretha Liser geb. Bertelot
* ca. 1710
Ehefrau von Peter Lieser aus St. Wendel.
Haus 199.
Im Dreieck, neben Haus Fuchs (soll abgerissen werden)

 (Maria) Elisabetha Monz geb. Mentzer
* 13.05.1716 in St. Wendel
Ehefrau des Witwers Johann Montz (oo 27.04.1741)
Sie ist eine Schwester von Clara Lauer.
Haus 163 Fruchtmarkt, Pfarrbücherei
oder 204 Im Dreieck, linke Seite
oder 268
Ecke Luisenstraße - Hospitalstraße
oder 348 Eckhaus im Graben - Grabenstraße


Magdalena Riber = Riefer verw. Staub geb. Sauder oder Sander oder Schmelzer
geb. ca. 1719
Witwe von Johann Staub (1700-1747) und Ehefrau von Michael Riefer aus Alsfassen (oo 03.07.1749). Wohnt vermutlich in Alsfassen (Sibbmichels ist Michael Riefers Elternhaus).


Johann Heinrich Riott = Riotte
* 10.12.1714
oo 26.01.1741
Anna Margaretha geb. Reiser
* 29.08.1721 o. 13.04.1723
+ vermutl. 05.10.1778
sie war hochschwanger mit ihrem Sohn Heinrich (* 21.06.1757
in St. Wendel).
Vermutlich Haus 22.
Balduinstraße, Max Müllers Elternhaus!


Anna Dorothea Schwan geb. Bauer
* 17.08.1706 in Urweiler
Ehefrau von Nikolaus Schwan (oo 18.09.1725)
Vermutlich Haus 171 (
Wilhelm Schwan im unteren Stock und Joann Riotte im oberen)
Fruchtmarkt, Nosse Hous, Geburtshaus von Philipp Jakob Riotte.


Maria Catharina Wagner geb. Wahl
* verm. 17.12.1731 St. Wendel oder Oberlinxweiler
Ehefrau von Jacob Wagner aus Breiten (oo 07.02.1747)
Wohnt in Breiten, St. Annenstraße 40.


Johannetta Weber geb. Staub
* in Alsweiler
Ehefrau des Witwers Matthias Weber (oo 10.01.1736)


nicht zuordenbar:
Barbara      *Schulle
Catharina   *Schue




[Regionalforum-Saar] Pocken, Masern und die Spanische Grippe. Seuchen in St. Wendel 1793-1919

Date: 2022/03/08 14:23:20
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Arbeitsgemeinschaft für Saarländische Familienkunde e. V. (ASF)

Band 7 der „Quellen zur saarländischen Familienkunde“

Pocken, Masern und die Spanische Grippe
Seuchen in St. Wendel 1793-1919
von Dr. Helmut Priewer und Roland Geiger

In der Pfarrei St. Wendel gab es zwischen 1793 und 1807 215 Todesopfer an Pocken. Das waren 19 % aller Verstorbenen dieses Zeitraums. Zusätzlich forderten Masern, Keuchhusten und das Kindbettfieber ihren Blutzoll. Etwas mehr als 100 Jahre später schlug die Spanische Grippe auch in St. Wendel zu, gefolgt von einer tödlichen Ruhrepidemie.

Die Autoren sind Dr. Helmut Priewer, der seit vielen Jahren das Leben und Sterben von Menschen vergangener Zeiten anhand der Kirchenbücher verschiedener Orte im Westerwald aus historisch-demographischer Sicht auswertet, und der Historiker Roland Geiger aus St. Wendel, Betreuer des dortigen Pfarrarchivs.

Die Autoren sind den Spuren der Seuchen gefolgt und haben sie umfangreich ausgewertet.

Zusätzlich gibt es begleitende Texte über die Stadt St. Wendel, ihre innerstädtischen Friedhöfe, Ärzte und (katholischen) Priester.

Einen breiten Raum nimmt eine genealogische Aufstellung der Verstorbenen ein:
von 1793-1807 im Kreis ihrer Familien und 1918-1919 als Einzelpersonen.

Das Opus erscheint als Taschenbuch im Format DinA 5, hat 497 Seiten mit etlichen Abbildungen in Schwarz-Weiß und wiegt 915 Gramm.

Es kann zum Preis von 15 Euro (plus Versand in Deutschland 3,50 Euro, sonst 7,50 Euro) bestellt werden

=> über den Shop der ASF [https://asf-onlineshop.de/product_info.php?products_id=51v] oder direkt direkt bei
=> Roland Geiger (alsfassen(a)web.de)

Der Versand erfolgt als Großbrief mit beigefügter Rechnung.



 

[Regionalforum-Saar] Frauenrevolte in St. Wendel - wi e man sich die Geschichte schönredet

Date: 2022/03/09 23:16:11
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Gestern morgen in der Saarbrücker Zeitung, St. Wendeler Teil:

„Als St. Wendeler Frauen das Gefängnis stürmten

1757 hat das vermeintlich schwache Geschlecht Courage bewiesen. Als Frauenrevolte ist die Befreiungsaktion in die Stadtgeschichte eingegangen. Anlässlich des Weltfrauentags hat die SZ zurückgeschaut auf das Ereignis und mit der Frauenbeauftragten den Bogen geschlagen zwischen damals und heute.

Von Evelyn Schneider

16 Jahre lang regierte Angela Merkel als Bundeskanzlerin, Annalena Baerbock vertritt aktuell die Interessen Deutschlands als Außenministerin, und Christine Lambrecht hat den Posten der  Verteidigungsministerin inne. Eines ist den dreien gemein. Sie sind Frauen in wichtigen politischen Ämtern. In der heutigen Zeit ist dies, zumindest hierzulande, ein vertrautes Bild. Doch das war nicht immer so.

„Im 18. Jahrhundert ging die politische Macht von den Männern aus“, sagt Andrea Recktenwald vom St. Wendeler Stadtarchiv. Frauen kümmerten sich um Haus und Hof sowie um die Erziehung der Kinder. Sie sollten tüchtig, tugendhaft und zurückhaltend sein.

Letzteres traf auf eine Gruppe St. Wendeler Frauen allerdings nicht zu. Ihr resolutes Auftreten im Jahr 1757 sorgte nicht nur damals für Aufsehen, sondern brachte ihnen zudem  einen Platz in der Geschichte der Stadt ein. Die Rede ist von der sogenannten Frauenrevolte, bei der das vermeintlich schwache Geschlecht sich für sieben Deserteure stark machte.

Am 2. April 1757 trafen die Männer in St. Wendel ein. Sie hatten das Regiment Royal Deux Ponts in Zweibrücken unerlaubt verlassen. Dieses Regiment, so erläutert die Historikerin Recktenwald, war ein Jahr zuvor durch ein Abkommen zwischen König Ludwig XV. von Frankreich und Herzog Christian IV. von Pfalz-Zweibrücken entstanden und Frankreich unterstellt. Im Mai 1757 verließ das Regiment die Region um Zweibrücken und stieß zur französischen Armee, um im Siebenjährigen Krieg (1756  bis 1763) zu kämpfen. Warum die Gruppe der Soldaten desertierte, ist nicht bekannt. „Vielleicht sollten die Männer eingezogen werden und wollten dem entgehen. Das könnte man vermuten“, sagt Recktenwald.

In der Kreisstadt blieben die Männer nicht unbemerkt. Sie wurden verhaftet und sollten am folgenden Tag nach Zweibrücken zurückkehren. Doch zunächst weigerte sich Amtmann Franz Ernst von Hame, die Deserteure Hauptmann Wimpfen ohne kurfürstlichen Befehl zu übergeben. Doch dann wurden sich die beiden einig, von Hame willigte in den Abtransport ein.

„Ein Gruppe von St. Wendeler Frauen hat davon Wind bekommen“, berichtet Recktenwald. Sie fassten daraufhin den Entschluss, den Inhaftierten zur Hilfe zu eilen. „Sie schlossen sich mit einigen Männern zusammen und befreiten die Deserteure aus dem Gefängnis.“ Dem Stadtarchiv liegt über das Geschehen der Bericht des kurtrierischen Korporals Breithecker vor, in dem es heißt: „Das bürgerliche Wachthauß (wurde) angefallen, gestürmet, die wachtstubben Thür zerschmettert, die Trierischen Soldaten in Schach gehalten, gewachet, gehalten, und denen Arrestaten die Fenster aufgemachet“.

Die Deserteure ergriffen die Chance und flohen. „Zwei von ihnen wurden angeschossen“, berichtet die Historikerin, wobei einer der Verletzten von einer Frau im Schwanenhaus in Sicherheit gebracht wurde. Dieses befindet sich neben dem alten Rathaus, in dem heute das Stadtarchiv untergebracht ist. „Was aus den Deserteuren wurde, ist nicht bekannt“, sagt Recktenwald. Aber die St. Wendeler Frauen hatten ihr Ziel, die Männer aus dem Gefängnis zu befreien, erreicht.

Eine solche Aktion, so sagt die Historikerin, sei auch heute noch eine Meldung wert. „Dass in der damaligen Zeit aber Frauen einen solchen Aufstand anzettelten, war außergewöhnlich.“ Sie kenne nichts Vergleichbares.

Der Befreiungsschlag hatte übrigens Konsequenzen für die Beteiligten. Es kam zu einem Gerichtsverfahren, in dessen Folge 22 Frauen und drei Männer zu einer Geldstrafe von insgesamt 100 Goldgulden und zu dreiviertel der Gerichtskosten verurteilt wurden. Später hat Kurfürst Johann Philipp von Walderdorff den Frauen einen Teil der Geldstrafe erlassen.

Hintergrund

St. Wendeler Frauenrevolte. Die Befreiung der Deserteure aus dem Gefängnis hatte Folgen für die Beteiligten. Es kam zu einer Gerichtsverhandlung. Wie Akten zu entnehmen ist, wurden dabei folgende Personen zu Geldstrafen verurteilt: Georg Adam Franz, Johann Georg Clomen, Johann Henrich Riott[e], Clara Jungs, Clara Lauers, Agnes Angel, Margaretha Rioth, Catharina Schue, Susanna Humes, Christina Breiniger, Anna Maria Hallauer, Magdalena Ri[ef]er, Barbara Keller, Barbara Thulle; Johannetta Weber, Johannetta Lion, Elisabetha Mons, Catharina Frans, Margaretha Liser, Angela Knoll, Dorothea Schwang, Catharina Becker, Elisabetha Angel, Maria Catharina Keller, und Maria Catharina Wagner.

Internationaler Frauentag: Der Aktionstag wird jährlich am 8. März begangen. Das feste Datum gibt es seit dem Jahr 1921, der erste Frauentag fand aber bereits 1911 statt. Er entstand als Initiative verschiedener sozialistischer Organisationen in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg im Kampf um die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das Wahlrecht für Frauen sowie die Emanzipation von Arbeiterinnen.

Das Stadtarchiv hat die Ereignisse der Frauenrevolte anhand von Akten aus dem Landeshauptarchiv Koblenz rekonstruiert. Außerdem sind zu dem Thema ein Artikel von Klaus Jung im Heimatbuch des Kreises St. Wendel aus dem Jahr 1950 erschienen sowie ein Aufsatz von Max Müller im St. Wendeler Volksblatt vom 26. August 1936.

Warum die Frauen sich so für die Deserteure einsetzten, ist nicht überliefert. „Möglicherweise haben die Frauen mit den Männern mitgefühlt und sich gefragt, wie es wäre, wenn ihre Söhne und Männer in deren Haut steckten“, sagt Recktenwald und betont, dass dies allerdings nur eine Vermutung sei.

Was immer letztlich der Auslöser gewesen sein mag. „Die Frauen haben mutig gehandelt und Zivilcourage bewiesen, davon können wir auch heute noch etwas lernen“, ist Melanie Laub, Frauenbeauftragte der Stadt St. Wendel, überzeugt. Die Aktion zeige, dass ein Miteinander wichtig ist – zwischen den Frauen, aber auch zwischen Frau und Mann. Von damals bis heute habe sich unglaublich viel getan, was die Rechte des vermeintlichen schwachen Geschlechts betrifft. Seit 1918 gibt es beispielsweise das Frauenwahlrecht, seit den 1970er-Jahren dürfen Frauen ohne die Erlaubnis ihres Gatten einen Beruf ausüben.

Doch gerade in der Arbeitswelt zeigt sich auch: „An einigen Stellen sind wir von Gleichberechtigung noch weit entfernt“, sagt Laub. Stichwort: Bezahlung. „Der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern liegt etwa bei 19 Prozent“, rechnet die Frauenbeauftragte vor. Dabei würden Frauen in der Regel, um anerkannt zu werden, eher mehr arbeiten, sich mehr engagieren als ihre männlichen Kollegen. Am vergangenen Montag, 7. März, war der sogenannte Equal Pay Day. Dieser Aktionstag, so erläutert Laub, markiere den Moment, von dem an Frauen Geld für ihre Arbeit bekommen. Zuvor haben sie quasi ihren Job unbezahlt erledigt. Damit wird auf den angesprochenen Gehaltsunterschied zwischen den Geschlechtern aufmerksam gemacht.

Auch innerhalb der Familie gebe es auch heute noch klassische Rollenmodelle. Mit der Elternschaft ginge oft die Frage einher, wer steckt beruflich zurück, arbeitet möglicherweise in Teilzeit. Oft seien dies die Frauen.

Für Melanie Laub ist es wichtig, das Thema Gleichberechtigung immer wieder anzusprechen. Dafür ist der Weltfrauentag, der am heutigen 8. März, zelebriert wird, ein guter Anlass. Als „feministischer Kampftag“ 1911 initiiert, würde der Tag heute eher zum Anlass genommen, die Frauen zu feiern. Gerne werden auch mal Blumen verteilt. „Das ist eine schöne Geste“, findet Laub. „Aber wir sollten auch wichtige Themen ansprechen.“


[Regionalforum-Saar] Online Konferenz Genealogica 2022 - Programm / Agenda

Date: 2022/03/15 10:15:17
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Guten Morgen,

hier ist das Programm der Genealogica, die onlie am 2. und 3. April stattfinden wird.

Hier erfahrt Ihr mehr => https://genealogica.online/

02. April 2022 RAUM 1 RAUM 2 Workshopraum   03.April 2022 RAUM 1 RAUM 2 Workshopraum
10 Uhr   Steppenkinder     10 Uhr Einführung in die DNA-Genealogie (M. Jäger) Bloggen für Familienforscher (T. Kracke)  
11 Uhr DNA-Genealogie für Interessierte und Einsteiger (T. Bals) Der FamilySearch Stammbaum - die eigene Familiengeschichte für die Ewigkeit bewahren (G. Palmüller)     11 Uhr myHeritage   WikiTree zum Anfassen und Mitmachen (F. Straub)
12 Uhr Parsimonius und Schopper - Zwei Lutherschüler und ihre Nachkommen in Südhessen (A. Stephan) Heredis     12 Uhr Podiumsdiskussion Tanja Ortsrecherche Sachsen (L. Thiele)  
13 Uhr CompGen  
Workshop Alte Schriften (C. Jungk)
  13 Uhr Genealogische Quellen in der Weltstadt Hamburg (A. Bentschneider) Ancestry  
14 Uhr   Ahnenblatt (D. Böttcher)   14 Uhr Der Prinz aus Palästina (R. Geiger) Militärquellen (R. Schäfer)  
15 Uhr Die Reise um die Welt (R. Geiger) Familienforschung und Suchmaschinen (W. Neidhardt)     15 Uhr Jüdische Familienforschung (S. Akabayov)  
Workshop Biographie Arbeit (S. Dellemann)
16 Uhr Mit DNA Geheimnissen auf der Spur (U. Brandenburg) Kids Genealogie - Den Nachwuchs für die Familienforschung begeistern (T. Kracke)     16 Uhr Donauschwäbische Auswanderer nach Ungarn im 18. Jahrhundert und ihre Herkunft (G. Junkers)  
17 Uhr         17 Uhr ABSCHLUSS    

 Roland Geiger


[Regionalforum-Saar] josefstag

Date: 2022/03/19 10:34:23
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Heute morgen bin ich früh aufgestanden, doch statt in den Keller zu gehen zu meinen Schwiegereltern, habe ich mich hinterm Vorhang versteckt. Heute - so haben es alle erzählt - würden sie kommen. In Zweierreihen auf dem Bürgersteig, die Straße zwischen sich. In weiten Abständen von etlichen Metern. Man wird sie nicht hören, ihre Stiefel haben relativ weiche Sohlen. Sie werden ganz vorsichtig kommen, ihren Karabiner in der Vorhalte. Total angespannt. Bereit, sofort auf alles zu schießen, was sich bewegt. Eine gefährliche Situation. Da kann eine falsche Bewegung, ein kleines Mißverständnis zu einer Katastrophe führen. Für die Betroffenen.

Aber die Straße bleibt ruhig; nichts zu sehen. Da legt sich eine Hand auf meinen Rücken, und ich springe erschreckt auf - und reiße fast den Vorhang ab.

„Was machst Du da?“ fragte meine Frau, die schlaftrunken die Treppe herunterkommt. Ich bin verwirrt und stammele: „Aber die Soldaten …“. Da schüttelt sie den Kopf und murmelt etwas über überbordende Phantasie. „Du solltest nicht so spät noch die Nachrichten sehen. Das geschieht nicht hier, sondern tausend Kilometer weg. Und für Deine Forschung solltest Du Dir im Moment ein anderes Thema suchen.“

Sie hat natürlich recht. Da unten auf der Straße wird niemand auftauchen. Meine Schwiegereltern sitzen auch nicht dort im Keller. Sie sind schon tot, er vor neun Jahren, sie im vergangenen Juli. Aber sie saßen einmal in so einem Keller, er ein paar Straßen weiter im Keller seines Elternhauses und sie in ihrem im Nachbarort.

Das war auch der 19. März gewesen, der Tag des hl. Josef, heute ein Samstag, damals ein Montag. Und draußen auf der Straße waren wirklich Soldaten gewesen.
Amerikanische Soldaten einer amerikanischen Infanteriedivision.
Heute genau vor 77 Jahren.

Alles hat sich nur in meiner Phantasie abgespielt. Gebe Gott, daß ich es nie wirklich erleben muß. Das wünsche ich jedem.

Alsfassen am 19. März 2022

Roland Geiger

Re: [Regionalforum-Saar]   josefstag

Date: 2022/03/19 10:50:18
From: Robert Morsch via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Gut gemacht, Roland, dir ein Lob! - Robert

--
Diese Nachricht wurde von meinem Android Mobiltelefon mit GMX Mail gesendet.
Am 19.03.2022, 10:34 schrieb Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>:

Heute morgen bin ich früh aufgestanden, doch statt in den Keller zu gehen zu meinen Schwiegereltern, habe ich mich hinterm Vorhang versteckt. Heute - so haben es alle erzählt - würden sie kommen. In Zweierreihen auf dem Bürgersteig, die Straße zwischen sich. In weiten Abständen von etlichen Metern. Man wird sie nicht hören, ihre Stiefel haben relativ weiche Sohlen. Sie werden ganz vorsichtig kommen, ihren Karabiner in der Vorhalte. Total angespannt. Bereit, sofort auf alles zu schießen, was sich bewegt. Eine gefährliche Situation. Da kann eine falsche Bewegung, ein kleines Mißverständnis zu einer Katastrophe führen. Für die Betroffenen.

Aber die Straße bleibt ruhig; nichts zu sehen. Da legt sich eine Hand auf meinen Rücken, und ich springe erschreckt auf - und reiße fast den Vorhang ab.

„Was machst Du da?“ fragte meine Frau, die schlaftrunken die Treppe herunterkommt. Ich bin verwirrt und stammele: „Aber die Soldaten …“. Da schüttelt sie den Kopf und murmelt etwas über überbordende Phantasie. „Du solltest nicht so spät noch die Nachrichten sehen. Das geschieht nicht hier, sondern tausend Kilometer weg. Und für Deine Forschung solltest Du Dir im Moment ein anderes Thema suchen.“

Sie hat natürlich recht. Da unten auf der Straße wird niemand auftauchen. Meine Schwiegereltern sitzen auch nicht dort im Keller. Sie sind schon tot, er vor neun Jahren, sie im vergangenen Juli. Aber sie saßen einmal in so einem Keller, er ein paar Straßen weiter im Keller seines Elternhauses und sie in ihrem im Nachbarort.

Das war auch der 19. März gewesen, der Tag des hl. Josef, heute ein Samstag, damals ein Montag. Und draußen auf der Straße waren wirklich Soldaten gewesen.
Amerikanische Soldaten einer amerikanischen Infanteriedivision.
Heute genau vor 77 Jahren.

Alles hat sich nur in meiner Phantasie abgespielt. Gebe Gott, daß ich es nie wirklich erleben muß. Das wünsche ich jedem.

Alsfassen am 19. März 2022

Roland Geiger

_______________________________________________ Regionalforum-Saar mailing list Regionalforum-Saar(a)genealogy.net https://list.genealogy.net/mm/listinfo/regionalforum-saar

[Regionalforum-Saar] ASF Treffen am 29. März ist abgesagt

Date: 2022/03/20 11:02:31
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Guten Morgen,

das geplante Monatstreffen im März 2022 der ASF (Dienstag, 29. März) ist abgesagt worden.
--
Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

--------------------

Roland Geiger
Historische Forschung
Alsfassener Straße 17, 66606 St. Wendel
Tel. 06851-3166
email alsfassen(a)web.de
www.hfrg.de

[Regionalforum-Saar] Fwd: Online-Vortrag: "And th ey lived happily ever after..." – Geschlechterr ollen bei Disney (28.3.), GAAS PolSci Conference 2022 (19.-21.5.)

Date: 2022/03/21 19:56:02
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Title: Online-Vortrag: "And they lived happily ever after..." – Geschlechterrollen bei Disney (28.3.), GAAS PolSci Conference 2022 (19.-21.5.)
Hallo,

vielleicht interessiert sich jemand dafür.

Roland Geiger




-------- Weitergeleitete Nachricht --------
Betreff: Online-Vortrag: "And they lived happily ever after..." – Geschlechterrollen bei Disney (28.3.), GAAS PolSci Conference 2022 (19.-21.5.)
Datum: Mon, 21 Mar 2022 19:16:14 +0100
Von: Atlantische Akademie Rheinland-Pfalz e.V. <info(a)atlantische-akademie.de>
Antwort an: info(a)atlantische-akademie.de
An: alsfassen(a)web.de


 

Sehr geehrter Herr Geiger,

adlig, attraktiv, abhängig: Disneyprinzessinnen und andere Frauenfiguren des Zeichentrickimperiums zeichnen sich, genau wie ihre männlichen Counterparts, traditionell durch konventionelle und veraltete Geschlechterrollen aus. In den letzten Jahren scheint die Walt Disney Company allerdings mit dem bewährten Klischee zu brechen und produziert Animationsfilme, die starke und unabhängige Frauen zeigen. Doch schafft es Disney wirklich, mit alten Rollenbildern aufzuräumen? Und lebt der Erfolg von Disneyfilmen nicht von eben diesem Frauen- und Männerbild? Diese und weitere Fragen beantwortet Dr. Véronique Sina von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in ihrem Vortrag und bespricht das durch Disney Animationsfilme vermittelte binäre Geschlechtermodell, welches vor allem in den sogenannten Märchen- und Prinzessinnenfilmen seit Jahrzehnten propagiert wird.


Photo: Canva

Online-Vortrag:
"And they lived happily ever after..." –
Geschlechterrollen bei Disney

 
Referentin:
Dr. Véronique Sina
(Institut für Film-, Theater-, Medien- und Kulturwissenschaft
der Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
 
Montag, 28. März, 18.00 Uhr
 
Sprache: Deutsch
 
Sie können sich hier für die Veranstaltung anmelden.
 
Diese Veranstaltung findet mit freundlicher Unterstützung des Auswärtigen Amts statt.

In Kooperation mit:
Gleichstellungsstelle Stadt Kaiserslautern

Where the magic comes to you: In der Reihe Discovering Disney sprechen wir mit verschiedenen Expert*innen über die Walt Disney Company und ihr Unterhaltungsimperium von Zeichentrickklassikern bis hin zu Disney World. Wir laden Sie herzlich hierzu ein.


Weitere Informationen zu dieser Veranstaltung finden Sie auf der Website der Atlantischen Akademie.



GAAS PolSci Conference 2022:
Political Norms and Normative Politics?
Development, Stagnation, Erosion

 
  Thursday, May 19th – Saturday, May 21st

Hybrid
Senatssitzungssaal, Uni-Hauptgebäude, FSU Jena,
Fürstengraben 1, 07743 Jena and ClickMeeting
 
Language: English
 
You can register for the conference here.

Partner: Political Science Department, Friedrich-Schiller-University Jena

Political norms shape the political system with a mixture of constitutional, statutory, and informal regulations. These formal and informal expectations have shaped the political system of the United States over time, with significant changes since the days of the Founding Fathers, but also more recently. The decades of bipartisanship and Atlanticism, which have shaped the era since the end of World War II are mostly gone.

The 2022 Annual Meeting of the Political Science Section of the German Association for American Studies (GAAS) examines the changes and/or erosions of political norms as well as normative politics and reflects on the immediate and potential long-term consequences in the political system of the United States, and how these processes compare to other democracies.


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Lauterstr. 2
D-67657 Kaiserslautern
Tel.: +49(0)631-366100
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[Regionalforum-Saar] Der Architekt in der Frühen Neuzeit. Ausbildung – Karrierewege – Berufsfe lder

Date: 2022/03/21 20:08:54
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

A.-V. Bognár: Der Architekt in der Frühen Neuzeit

Der Architekt in der Frühen Neuzeit. Ausbildung – Karrierewege – Berufsfelder
von Anna-Victoria Bognár

Reihe Höfische Kultur interdisziplinär (HKI) – Schriften und Materialien des Rudolstädter Arbeitskreises zur Residenzkultur (2)

Erschienen Heidelberg 2020: Heidelberg University Publishing
Anzahl Seiten 566 S.
Preis € 69,90
ISBN
978-3-947732-78-4
URL https://doi.org/10.17885/heiup.580

Rezensiert für H-Soz-Kult von Marina Beck, Institut für Kunstgeschichte, Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg

Anna-Victoria Bognár untersucht in ihrer Dissertation die Entwicklung des Berufsbildes der „Entwerfer“ und „Planer“, die wir heute als Architekten bezeichnen, im deutschsprachigen Raum des Alten Reiches zwischen 1500 und 1800. Im Detail werden hierbei die Berufsausbildung und Reisetätigkeiten, die verschiedenen Formen der Auftragsvergabe und Dienstverhältnisse, die unterschiedlichen Aufgabenbereiche sowie die Arbeitsteilung im Sinne der Abgrenzung des Tätigkeitsfeldes des Architekten zu anderen Berufen genauer betrachtet. Des Weiteren werden der Rang und Status sowie die Frage nach der künstlerischen Souveränität des Architekten in den Blick genommen. Die Arbeit knüpft damit unmittelbar an wichtige methodische Fragestellungen der Künstlersozialgeschichte an, die sich in den letzten Jahren unter anderem intensiv mit der sozialgeschichtlichen Verortung des Malers als Zunfthandwerker und/oder Hofkünstler beschäftigt haben.[1]

Die Arbeit gliedert sich neben Einleitung (Kapitel 1), Resümee (Kapitel 4) und dem umfangreichen Quellenanhang in zwei große Hauptkapitel. Kapitel 2 behandelt allgemein die Grundlagen der Berufstätigkeit der Architekten; Kapitel 3 im Speziellen den Bauamtsarchitekten. In Kapitel 2 werden nach einer Begriffsgeschichte des Architekten (2.1) die verschiedenen Möglichkeiten der Architektenausbildung (2.2), die Reisen von Architekten sowie ihre Beweggründe, solche zu unternehmen (2.3), und verschiedene Tätigkeitsfelder (2.4) untersucht.

Bognár erweitert in ihrer Arbeit die Definition des Architekten folgendermaßen: Der Architekt entwirft im künstlerischen, technischen und wirtschaftlichen Sinn, was nach modernem Verständnis ebenfalls Ingenieure und Bauunternehmer umfasst, und leitet die Ausführung dieser Arbeiten. Damit ist ein Architekt nicht nur „Entwerfer“, sondern auch „Bauleiter oder -führer“ (S. 54). Eine wesentliche Erkenntnis dieses Kapitels ist, dass es den Architekten in der Frühen Neuzeit nicht gab. Stattdessen bildeten sich eine Vielzahl von handwerklichen Berufen, die eine zünftische Ausbildung erfahren hatten, sowie Personen, die eine theoretische Ausbildung an Akademien oder Universitäten erhalten hatten, zu Entwerfern weiter. Zu den großen Leistungen Bognárs zählt es, diese Berufsgruppen identifiziert und ihre unterschiedlichen Wege aus ihrem ursprünglichen Berufsfeld hin zum Berufsbild des Architekten aufzuzeigen.

In Kapitel 3 wendet sich Bognár dann der speziellen Berufsgruppe der Architekten in Bauämtern zu. Detailliert zeichnet sie anhand unterschiedlicher Bauämter im Reich nach, unter welchen Arbeitsbedingungen die Architekten angestellt waren, welche Aufgaben sie hatten und wie ihre Entlohnung erfolgte. Mit dieser Fokussierung legt Bognár eine gelungene Detailstudie vor, die anhand eines Berufsfeldes eingehend aufzeigt, wie der Arbeitsalltag des Architekten aussah. Um den regionalen, zeitlichen, ständischen und konfessionellen Unterschieden der einzelnen Territorien im Reich gerecht zu werden, trifft die Autorin bei ihrer Analyse eine repräsentative Auswahl von Bauämtern an verschiedenen Höfen und in Städten, um dort die Tätigkeit des Architekten zu untersuchen. Das Kapitel basiert auf dem umfangreichen Quellenstudium Bognárs, die neben Dienstanweisungen, Dekreten, Ordonanzen, Konzepten und Gehaltslisten zahlreiche Bestallungen und Instruktionen ausgewertet hat. Letztere werden in einem 100 Seiten umfassenden Quellenanhang in Transkription zur Verfügung gestellt.

Methodisch beschreitet Bognár in ihrer architekturhistorischen Dissertation, die an der Fakultät für Architektur- und Stadtplanung an der Universität Stuttgart eingereicht wurde, ungewöhnliche Wege: Neben kunst- und architekturgeschichtlichen Ansätzen wie dem umfangreichen Quellenstudium sowie philologischen Methoden zur Begriffsdefinition wertet Bognár empirisch nach sozialwissenschaftlichen Fragestellungen 409 Architektenbiografien aus, um hierdurch quantitative Aussagen zu gewinnen.[2] Gestützt auf diese Datenbasis bildete sie sieben so genannte Kohorten in Generationenabschnitten von je 25 Jahren. Anhand dieser Daten kann die Autorin konkrete Aussagen beispielsweise hinsichtlich der Frage treffen, wie viele Architekten aus Familien stammten, in denen der Vater bereits im Bauhandwerk tätig oder bei Hof angestellt war. Diese Vorgehensweise ermöglicht es Bognár die Biografien der verschiedenen Entwerfer, die über unterschiedliche Wege zum Architektenberuf gelangten, nach allgemeinverbindlichen Kriterien auszuwerten und miteinander systematisch zu vergleichen. Die Auswertungen werden in den Kapiteln jeweils in tabellarischer Form abgedruckt und im Text kontextualisiert. Die einzelnen Ergebnisse zur Ausbildung und Berufsausübung der Architekten nach Kohorten finden sich abschließend pointiert in dem Kapitel „Musterhafte Karrieren“ im Resümee zusammengefasst.

Bognárs methodische Vorgehensweise und ihre inhaltliche Fragestellung stellen in mehrfacher Hinsicht ein Novum in der Forschung dar. Die Autorin identifiziert eine Vielzahl von Berufen, die wir heute als Architekten fassen, und ermöglicht anhand der ausgewerteten Biografien einen Einblick in die Lebensläufe von Personen, die diesem Beruf nachgingen. Durch ihren innovativen methodischen Zugang der quantitativen Analyse werden die verschiedenen Karrierewege erstmals aufgearbeitet und vergleichbar gemacht, wodurch sich die Entwicklung des Berufsbildes des Architekten in der Frühen Neuzeit nun nachvollziehen lässt. Das große Verdienst der Autorin ist es hierbei, konsequent den kompletten Zeitraum der Frühen Neuzeit zu untersuchen, womit auch die vermeintlich architekturarme Zeit des Dreißigjährigen Krieges mitberücksichtigt wird. Geschickt bindet Bognár in ihrer Analyse immer wieder Rückbezüge zwischen den Architektenkarrieren und der Entwicklung der Epochen (Spätmittelalter, Renaissance, Dreißigjähriger Krieg, Barock, Frühklassizismus) sowie den relevanten zeitgenössischen architekturhistorischen Themen (z.B. Festungsarchitektur) ein. Das umfangreich erhobene Quellenkorpus wird in dem umfassenden Anhang übersichtlich aufbereitet, was den Leser:innen ein systematisches Weiterarbeiten mit dem Material erlaubt.

In ihrer Arbeit betrachtet Bognár handwerkliche und akademische Ausbildungswege sowie die Arbeit des Architekten im städtischen und höfischen Umfeld. Die Fokussierung auf den Architekten in den meist an Höfen situierten Bauämtern (Kapitel 3) widerspricht dem nicht, sondern spiegelt die Arbeitsrealität des zunehmend um Professionalisierung und Anerkennung seiner Position bemühten Architekten in der Frühen Neuzeit wider.[3] Bognárs in der Einleitung gestellte Frage, „ob der moderne Architekt dem höfischen oder städtischen Raum“ zuzuordnen ist und „ob er der akademischen oder der handwerklichen Ausbildung entspringt“ (S. 13), lässt sich mit diesem Professionalisierungsprozess beantworten (Kapitel 4.3). Er führte zu einer Kompetenzentwicklung und -erweiterung, die zunehmend nicht mehr durch die zünftische Ausbildung erfolgen konnte. Dadurch verloren die Handwerker die Chance, entsprechende Stellen in den Bauämtern zu erhalten, und wurden von akademisch gebildeten Personen verdrängt. Hier wäre eine Einbindung der aktuellen künstlersozialgeschichtlichen Forschung wünschenswert gewesen, die sich jüngst unter ähnlichen Fragestellungen mit der Berufsgruppe des Malers auseinandergesetzt hat. Leider fehlen entsprechende Hinweise auf diesen wichtigen methodischen Ansatz und weitere Vergleichsbeispiele.[4]

Bognár schließt mit ihrer Dissertation für den Architektenberuf eine wichtige Lücke in der sozialhistorischen und künstlersozialgeschichtlichen Forschung. Erstmals wird hier der Architektenberuf als sozial- und kulturhistorisches Phänomen in einer umfangreichen Arbeit, die zahlreiche Quellen zugänglich macht, umfassend erforscht. Damit ergänzt sie sinnfällig die Arbeiten, welche in den letzten Jahren zur Ausbildung und Berufsausübung des Malers bei Hof und in der Zunft in der Frühen Neuzeit im Alten Reich erschienen sind.

Anmerkungen:
[1] Verwiesen sei hier exemplarisch auf die zahlreichen Projekte, die in der Trierer Arbeitsstelle für Künstlersozialgeschichte an der Universität Trier unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Andreas Tacke umgesetzt worden sind. Unter den zahlreichen Publikationen sind zu nennen: für die Hofkünstler Jens Fachbach, Hofkünstler und Hofhandwerker am kurtrierischen Hof in Koblenz/Ehrenbreitstein 1629–1794, Petersberg 2017, sowie Andreas Tacke u.a. (Hrsg.), Hofkünstler und Hofhandwerker in deutschsprachigen Residenzstädten der Vormoderne, Petersberg 2017; und zu den Künstlern als Zunfthandwerkern die Quellenedition von Andreas Tacke u.a. (Hrsg.): Statuta pictorum. Kommentierte Edition der Maler(zunft)ordnungen im deutschsprachigen Raum des Alten Reiches, 5 Bde., Petersberg 2018, sowie die zahlreichen von Andreas Tacke, Birgit Münch und anderen herausgegebenen Bände aus der Schriftenreihe „Kunsthistorisches Forum Irsee“, die sich mit Künstler:innen, Künstlerhäusern, Künstlerfesten, Künstlerreisen usw. auseinandersetzen.
[2] Die Auswahl der Architektenbiografien erläutert Bognár auf S. 25f. Eine Auflistung der ausgewerteten Architekten, ihre Zuordnung zu einer Kohorte und der Literaturverweis auf die Biografie finden sich im Anhang auf S. 490–501.
[3] Dies begründet auch die Aufnahme des Buches in die Reihe der „Schriften und Materialien des Rudolstädter Arbeitskreises zur Residenzkultur“, da die Analyse der Tätigkeit des Architekten im höfischen Umfeld gerade für die Residenzenforschung einen großen Mehrwert liefert.
[4] Siehe Anm. 1.

Zitation
Marina Beck: Rezension zu: Bognár, Anna-Victoria: Der Architekt in der Frühen Neuzeit. Ausbildung – Karrierewege – Berufsfelder. Heidelberg 2020: ISBN 978-3-947732-78-4, , In: H-Soz-Kult, 22.03.2022, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-93248>.




[Regionalforum-Saar] Pocken, Masern und die Spanische Grippe

Date: 2022/03/25 19:49:42
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Pocken, Masern und die Spanische Grippe

Der Schmied Franz Karl Weisgerber (1760-1821) aus St. Wendel und seine Ehefrau Maria Magdalena Gessner (1762-1807) hatten zwischen 1792 und 1807 10 Kinder, von denen vermutlich nur ein Sohn seine Kindheit überlebte. Zwei Mädchen starben 1806 bei der Geburt (und ihre Mutter nach Geburt und Tod der jüngeren im Kindbett), ihre Schwester Barbara wurde 10 Monate alt. Eine  weitere Tochter Barbara (5 Monate) und Sohn Wendel (5 Jahre) starben im März 1799, die Zwillinge Adrian und Anna Maria mit 7 Monaten im Dezember 1804. Wendel, Barbara und die Zwillinge erlagen den beiden „großen“ Pockenepidemien, die im damals gewohnten Rhythmus von 5 Jahren auftraten.

Bei den menschlichen Pocken handelt es sich um eine schwere akute Virusinfektion, die durch Tröpfcheninfektion übertragen wird und mit einem ausgeprägten Krankheitsgefühl, hohem Fieber und einem extremen Hautausschlag, das sich später zu einem häufig eitergefüllten Pustelausschlag entwickelt, einhergeht und unbehandelt mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tode führte. Sie traten früher alle fünf Jahre auf und forderten viele Opfer, vor allem unter Kindern bis zu 10 Jahren. Überlebende der Seuche wurden immun, trugen aber den Virus in sich. Nach fünf oder sechs Jahren, wenn „genügend“ Neugeborene dazugekommen waren, schlug sie wieder zu.

So erging es auch der Familie Weisgerber. Wendel (*1794) und Barbara starben 1799, Johann überlebte. Er steckte vermutlich seine jüngeren Geschwister Wendel (*1801), Adrian und Anna Maria an, die 1805 erkrankten. Von den dreien überlebte nur Wendel.

Franz Karl Weisgerber, Schmied
S.v. Peter und Maria Riefer
*29.11.1760 Wnd +10.09.1821 Wnd
oo 01.09.1789 Wnd
Maria Magdalena Gessner
T.v. Nikolaus Gessner und Anna Maria Greif
*18.11.1762 Wnd +05.01.1807 Wnd
in puerperio (Wochenbett)

Kinder von Franz Weisgerber und Maria Gessner:
i. Johann *12.02.1792 Wnd +???
ii. Wendel *29.03.1794 Wnd +29.03.1799 Wnd an Pocken
iii. Heinrich *11.08.1796 Wnd +03.01.1798 Wnd
iv. Barbara *04.08.1798 Wnd +24.03.1799 Wnd an Pocken
v. Barbara *28.01.1800 Wnd +09.11.1800 Wnd
vi. Wendel *13.09.1801 Wnd +28.02.1870 Wnd
vii. Adrian *26.04.1804 Wnd +05.12.1804 Wnd an Pocken
viii. Anna Maria *26.04.1804 Wnd +10.12.1804 Wnd an Pocken
ix. Tochter *02.01.1806 Wnd +02.01.1806 Wnd
x. Tochter *30.12.1806 Wnd +30.12.1806 Wnd

Im katholischen Kirchenbuch St. Wendel hat der damalige Pfarrer Castello mit seinen Kaplänen im Zeitraum von 1793 bis 1807 bei den meisten Todesfällen die Todesursache aufgeschrieben. Darauf basierend haben Dr. Helmut Priewer und ich sie analysiert und in ihrem neuen Buch „Pocken, Masern und die Spanische Grippe. Seuchen in St. Wendel 1793-1919“ veröffentlicht.

Im Jahre 1799 starben im Amt St. Wendel elf Männer und zwölf Frauen im Alter von 30 bis 75 Jahren und 152 Kinder unter 8 Jahren, von denen 135 zwischen Februar und August den Pocken zum Opfer fielen. Das waren 16 Prozent, also gut 1/6tel der zwischen 1791 und 1798 geborenen 843 Kinder.

Davon und einigem mehr erfahren Sie in dem neuen Buch „Pocken, Masern und die Spanische Grippe“, das heuer von der Arbeitsgemeinschaft für Saarländische Familienforschung (ASF) herausgegeben wurde. Sie erhalten es für 15 Euro (plus 3,50 Porto) auf der Website der ASF [https://asf-onlineshop.de] oder außerhalb der Liste direkt bei mir [alsfassen(a)web.de].


Inhalt:

Seuchen in St. Wendel                                                   6
Geschichtliches zu St. Wendel                                        15
Pocken                                                                       19
Keuchhusten                                                               38
Masern                                                                      45
Kindbettfieber                                                             52
Grippe                                                                       60
Ruhr                                                                          88
St. Wendel aus historisch-demographischer Sicht             113
Friedhöfe in St. Wendel                                               121
Geistliche in St. Wendel 1793-1807                               186
Ärzte in St. Wendel 1918/1919                                     193
Todesursachen in St. Wendeler Familien 1793-1807          197
Betroffene Familien in der Pfarrei St. Wendel 1793-1807     203
Alle Toten von 1918 und 1919                                       429


Roland Geiger



[Regionalforum-Saar] Lebensborn. Nationalsozialistisc he Geburtenpolitik, Entbindungsheime und die „Eindeut schung“ von Kindern aus den besetzten Gebieten

Date: 2022/03/29 10:22:24
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Lebensborn. Nationalsozialistische Geburtenpolitik, Entbindungsheime und die „Eindeutschung“ von Kindern aus den besetzten Gebieten

Veranstalter Barbara Stelzl-Marx (Graz) / Lukas Schretter (Wien), Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung (BIK)

19.01.2022 - 19.01.2022

Von Nadjeschda Stoffers, Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien

Der SS-Verein Lebensborn e.V. wurde 1935 von Heinrich Himmler gegründet und sollte dazu dienen, die vom NS-Regime deklarierte „arische Rasse“ zu fördern: einerseits durch Unterstützung von als „arisch“ eingestuften werdenden Müttern in Form von Entbindungs- bzw. Mütterheimen, andererseits durch „Eindeutschung“ von geraubten Kindern aus besetzten Gebieten, die in ihrem Aussehen ebenfalls „arische“ Kriterien erfüllten. Das nationalsozialistische Weltbild des Vereins und seine Aktivitäten beeinflussen teilweise bis heute die Biografien von in den Heimen geborenen oder „eingedeutschten“ Personen.

Das Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung Graz – Wien – Raabs (BIK) organisierte im Zuge eines laufenden Forschungsprojekts zum Lebensborn-Heim Wienerwald [1] einen Workshop zum internationalen wie interdisziplinären Austausch. Das Forschungsprojekt findet in Kooperation mit der Universität Graz statt und wird vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank, dem Land Niederösterreich und dem Zukunftsfonds der Republik Österreich gefördert. Der vorliegende Bericht bietet Einblicke in die Vorträge und Diskussionsrunden sowie eine Reflexion und einen Ausblick.

Nach einer Begrüßung, kurzen Projektvorstellung und Danksagung von Barbara Stelzl-Marx (Graz) und einleitenden Worten von Lukas Schretter (Wien) gewährte RUDOLF OSWALD (Reichertshofen) einen Einblick, wie mit den Kindern, die von den Alliierten im Lebensborn-Heim Hochland/Steinhöring aufgefunden worden waren, im Zeitraum 1945–1948 verfahren wurde. Oswald verwies auf die großen Schwierigkeiten bezüglich der Identifizierung der Kinder, deren wahre Identitäten der Verein in vielen Fällen nur schwer oder gar nicht feststellen konnte. Er zeichnete die aktive Rolle des Caritasverbandes und der Katholischen Jugendfürsorge München-Freising nach, die für die Vermittlung sowie Repatriierung der Kinder zuständig waren. Durch die ihm vorliegenden Quellen erkannte Oswald eine Ambivalenz im Umgang der beiden Institutionen mit diesen Kindern: Einerseits wurden sie engagiert ins Umland vermittelt, andererseits wurde mit den internationalen Suchdiensten nicht umfassend zusammengearbeitet.

SABINE NACHBAUR (Wien) widmete sich dem Schicksal jener Kinder, die den rassistischen Kriterien des Lebensborn e.V. nicht entsprachen und demnach als nicht „erbbiologisch wertvoll“ bzw. nicht der „Auslese“ entsprechend galten. Sie ging der Frage nach, wie die Leitung des Heims Wienerwald mit jenen Fällen umging und welche Vorgehensweisen bzw. -muster sich diesbezüglich erkennen lassen. Nach aktuellem Stand der laufenden Untersuchung konnte Nachbaur in diversen Archiven drei bestätigte Opfer der „Kindereuthanasie“ ausmachen, deren institutionelle Stationen sie dem Plenum präsentierte: Alle drei Säuglinge bzw. Kleinkinder starben in „Kinderfachabteilungen“. Als Todesursache ist in den Totenbüchern und Krankenakten „Idiotie“ bzw. Lungenentzündung angegeben. Nachbaur verwies darauf, dass die Aufarbeitung der Ermordung von Lebensborn-Säuglingen und -Kleinkindern, die nicht dem nationalsozialistischen Ideal entsprachen, aber auch die Recherchen zum Umgang mit schweren Krankheiten bei „auserlesenem“ Nachwuchs die Forschungen sowohl zum Lebensborn e.V. als auch zur NS-Bevölkerungs- und Rassenpolitik um weitere wichtige Aspekte ergänzen.

CLARA RÖMER (Berlin) stellte die Ergebnisse ihrer quantitativen Untersuchung der Parameter rund um den Gebärvorgang in Lebensborn-Heimen im Vergleich zu zeitgenössischen Kliniken vor. Römer schlüsselte die vergleichenden Werte zu Ereignissen bzw. medizinischen Eingriffen während und nach Geburten auf und hielt fest, dass die Anzahl von 7.089 Geburten in Lebensborn-Heimen Himmlers ehrgeizigen Plänen nicht annähernd entsprach. Sie verwies darauf, dass die Lebensborn-Heime aufgrund der bevorzugt konservativen/nicht-operativen Geburtshilfe, der Verlegung von Risikoschwangerschaften in allgemeine Kliniken sowie dem Konzept der Hausschwangerschaften primär junge, erstgebärende Frauen beherbergten. Dementsprechend konnte Römer in den Lebensborn-Heimen u.a. vergleichsweise höhere Raten an Dammrissen und Brustdrüsenentzündungen (trotz der nationalsozialistischen Propagierung des Stillens) sowie niedrigere Raten in den Bereichen Früh- und Totgeburten, Thrombose, Wochenbettfieber und Säuglingssterblichkeit konstatieren.

MATTHIAS DAVID (Berlin) gewährte Einblicke in die Geschichte der Organisation und Aufstockung des medizinischen Personals der Lebensborn-Heime und hielt fest, dass anfangs viele Ärzte (es handelte sich mit einer Ausnahme um Männer) keinen fachspezifischen Schwerpunkt in Frauenheilkunde/Geburtshilfe hatten. Anschließend gab er einen Überblick über die Aufgabenbereiche der Lebensborn-Ärzte (Leitung der Geburten, Betreuung des Wochenbetts, Propagierung des Stillens, ärztliche Betreuung der Kinder sowie Meldung gelisteter Krankheiten). Dann stellte David die drei fachärztlichen Berater, die als Reaktion auf vermehrte Beschwerden neu hinzugezogen worden waren, deren biografische Werdegänge sowie ihre Aufgabenbereiche vor. Schlussendlich präsentierte er ein wiederkehrendes biografisches Muster der beratenden Fachärzte: den frühen Eintritt in die NSDAP, die erfolgreiche Karriere in der SS sowie eine klare pro- bzw. antinatalistische Einstellung, die strikt auf der NS-Rassenideologie fußte.

GEORG LILIENTHAL (Korbach) sprach über die von den Nationalsozialisten als „Banditenkinder“ bezeichneten Personen: Kinder jugoslawischer Partisanen, deren Eltern im Zuge der Kämpfe ermordet oder deportiert worden waren und die für ihre geplante „Eindeutschung“ in das Gebiet des Deutschen Reiches transportiert wurden. In Celje/Slowenien waren es laut Lilienthal etwa 700 Kinder, von denen die jüngsten, etwa 30 Säuglinge bzw. Kleinkinder, ins Lebensborn-Heim in Kohren-Salis überführt wurden. Der Großteil der damals entführten Kinder konnte mittlerweile ausfindig gemacht werden, der Verbleib mancher liegt aber weiterhin im Dunkeln. Die Biografien dreier Kinder sowie die Forschungsgeschichte dahinter stellte Lilienthal genauer vor: Zwei erfuhren erst Jahrzehnte später von ihrer wahren Herkunft, wobei der frühe Tod der einen Person auf die erlebten Traumata zurückzuführen sein dürfte, während die andere Person im Alter von über 80 Jahren von einem nunmehr versöhnten Blick auf die eigene Lebensgeschichte berichtet. Die dritte Person war 1947 „repatriiert“ worden und konnte dank eines liebe- und verständnisvollen Umfelds die erlebten Geschehnisse verarbeiten. Lilienthal schloss mit dem Hinweis, dass die Lebenswege dieser drei Personen exemplarisch für die drei verschiedenen Formen der Traumabewältigung der „Banditenkinder“ lesbar seien: das Zerbrechen, das Hadern sowie die Versöhnung mit dem eigenen Schicksal.

Den Prozess der „Eindeutschung“ weiterer vermeintlich „arischer“ Kinder aus dem Banat/Rumänien untersuchten JOEY RAUSCHENBERGER (Heidelberg) und VERENA MEIER (Heidelberg/Berlin). Sie gaben zuerst einen Überblick über die „Verwandten-Nachumsiedlung“ von „Volksdeutschen“ im Banat. Anschließend gingen sie näher auf 25 in diesem Kontext ins „Reich“ transportierte Waisenkinder und deren „rassenbiologische“ Untersuchung durch den Lebensborn-Arzt Gregor Ebner im Sommer 1941 in einem Lager der Volksdeutschen Mittelstelle (VoMi) auf Schloss Langenzell/Heidelberg ein. Ebner teilte die Kinder in drei Gruppen ein. Danach wurden die Kinder als „(sehr) gut brauchbar“ oder „ungenügend“ für das „Volkstum“ eingestuft und je nach Kategorisierung und Alter entweder zu Pflege- bzw. Arbeitsplätzen vermittelt oder für den Eingriff der Zwangssterilisation empfohlen. Eine Besonderheit des Unterfangens lag laut Rauschenberger und Meier in der bemerkenswerten Spontanität bzw. Kurzfristigkeit der Aktion, die sich beispielsweise in improvisierten rassenanthropologischen und erbhygienischen Kriterien und Kategorien feststellen ließ, die erst im späteren Verlauf vom Lebensborn e.V. systematisiert wurden.

FRANZISKA LAMP (Wien) untersuchte die Ehevermittlung als Instrument nationalsozialistischer Bevölkerungspolitik. Zunächst ging sie auf die institutionelle Einbettung von Ehevermittlungseinrichtungen sowie die nationalsozialistischen Gesetzesgrundlagen für Eheschließungen und Eheverbote ein, um anschließend die von ihr ausgeforschten Zielgruppen der nationalsozialistischen Ehevermittlungsinitiativen vorzustellen. Ab Mitte der 1930er-Jahre wurden erste Ehevermittlungsstellen für zwangssterilisierte Frauen und Männer sowie für Personen, die als „natürlich unfruchtbar“ galten, eröffnet, ab den 1940er-Jahren Stellen für Kriegsversehrte und Kriegerwitwen sowie andere als „erbgesund“ definierte Menschen. Lamp konstatierte wie ihre Vorrednern die ambivalente Verflechtung von pro- und antinatalistischen Maßnahmen und betonte zudem, dass auch die Ehevermittlungsstellen in ihrer Tätigkeit diskriminierend wirkten, insbesondere gegenüber zwangssterilisierten Menschen. Zudem gewährte sie einen Einblick in die innerparteilichen Kontroversen rund um die NS-Ehevermittlungsstellen, strich Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Behandlung der verschiedenen Personengruppen hervor und zeichnete die rhetorischen Argumentationslinien und Erwartungshaltungen des NS-Regimes gegenüber den jeweiligen Gruppen nach.

RICHARD WALLENSTORFER (Wien) tauchte in den Komplex der Historizität der Ablaufstruktur des Lebensborn e.V. anhand rechtlicher Weisungen ein. Er gab zunächst einen Überblick zu Kategorien von Weisungen, die den Verein betrafen, um anschließend Hintergründe und Weisungsbefugte zu erläutern. Dabei handelte es sich um Allgemeine Anordnungen, Ärztlichen Anordnungen, die gesundheitliche Themen wie beispielsweise die zügigere Meldung von Verstorbenen betrafen, Verwaltungsanordnungen, die mitunter Aufschluss über den finanziellen Spielraum des Vereins sowie seiner Priorisierungen geben, Sonderanordnungen, die eine breite thematische Variation von Verkehrsregelungen bis zum Umgang mit von gefallenen SS-Männern schwangeren Frauen aufweisen, SS-Befehle, deren Struktur anhand eines melderechtlichen Beispiels erklärt wurde, und nicht zuletzt Verordnungen, die am Beispiel einer Zuständigkeitsabgrenzung des Vereins erläutert wurden. Anhand der diesbezüglichen Korrespondenzen, so Wallenstorfer, lassen sich die Ursachen, Inhalte und Zeitpunkte der Verwaltungsänderungen in einen größeren Deutungsrahmen einbetten und liefern dementsprechend neue Perspektiven zur Erforschung der Ablaufstruktur des Lebensborn e.V.

DOROTHEE SCHMITZ-KÖSTER (Berlin) berichtete über ihre jahrzehntelangen Erfahrungen des Interviewens und Publizierens der Geschichten der Lebensborn-Kinder. Sie gewährte zunächst Einblicke in das Zustandekommen ihrer bisherigen Publikationen und behandelte anschließend fünf Themenschwerpunkte: erstens die Bereitschaft von Zeitzeugen, über ihre Geschichte zu sprechen – und den Balanceakt zwischen Empathie und Distanz, den die interviewende Person zu leisten hat, zweitens verschiedene mögliche Interviewszenarien, die eines geübten Umgangs bedürfen, weiters das Phänomen der vermeintlichen Zeitzeugen, die Lebensborn-Fälle in ihrer Umgebung vermuten, denen aber die Indizienlage widerspricht, viertens die Situation in Archiven und Ämtern, wobei Schmitz-Köster hierbei den Fokus auf die Fortschritte der letzten 15 Jahre legte. Zuletzt verwies sie auf die Diskrepanz zwischen Rezeption und Legende: Bei ihren Lesungen wurde und wird sie von Besuchern wiederholt auf die Legende des Lebensborns als „NS-Zuchtanstalt“ angesprochen. Obwohl es sich dabei um einen Mythos handelt, der sowohl eine Reduktion des Themenkomplexes auf sex and crime als auch eine (weiterführende) Diskriminierung der betroffenen Kinder darstellt, hält sich dieses Narrativ laut Schmitz-Köster hartnäckig, was auf die Notwendigkeit weiterer Öffentlichkeitsarbeit hinweist.

LUKAS SCHRETTER beendete die Vortragsreihe mit seinem Überblick zur Geschichte des Lebensborn-Heims Wienerwald und dessen wissenschaftlicher Rezeption. Während zur „Eindeutschung“ von großteils polnischen Kindern im Heim Alpenland/Gmunden eine umfangreiche Publikation vorliegt, war die Auseinandersetzung mit dem Heim Wienerwald bisher gering. Ausnahmen stellen wenige wissenschaftliche Qualifikationsarbeiten, die Recherchen eines Lokalhistorikers sowie einzelne autobiografische, künstlerische und belletristische Arbeiten dar. Schretter schlüsselte die verschiedenen Verwendungszwecke des Hauses im Laufe des 20. Jahrhunderts auf. Das Lungensanatorium, das von zwei (jüdischen) Ärzten 1904 gegründet worden war, wurde 1938 nach dem „Anschluss“ arisiert. Bis 1945 diente es als einziges Entbindungsheim des Lebensborn e.V. in der „Ostmark“. Unmittelbar nach Kriegsende wurde das Gebäude zuerst als Kinderheim, anschließend als Erholungsheim der Österreichischen Gewerkschaft bzw. der Wiener Gebietskrankenkasse genutzt. Seit wenigen Jahren in privater Hand, verfällt es zu einem lost place. Ebenso gab Schretter Einblicke in die verschiedenen Quellen, die das BIK für das aktuelle Forschungsprojekt nutzt: u.a. standesamtliche Akten aus Pernitz, zeitgenössische Fragebögen über die Mütter, Egodokumente von Heimbewohnerinnen sowie Interviews, die mit verschiedenen Personengruppen wie etwa dort geborenen Personen, deren Müttern, Angestellten, Anrainern etc. geführt werden.

Die abschließende Diskussionsrunde streifte weiterführende Fragestellungen und betonte indirekt die vielversprechenden Möglichkeiten der interdisziplinären wie internationalen Zusammenarbeit. Angesprochen wurden u.a. die Enttabuisierung des Themas in Österreich, die daraus folgende Möglichkeit einer Vernetzung sowie damit einhergehend die wünschenswerte Verknüpfung von Forschung und öffentlichen Medien. Ebenso ging es vertiefend um die Interviewsituation und die zeitliche Dringlichkeit des Projekts Lebensborn-Heim Wienerwald – einerseits, weil diese Facette der österreichischen Zeitgeschichte viel zu lange unerforscht geblieben ist, andererseits, weil die Zeitzeugen dementsprechend bereits im fortgeschrittenen Alter sind. Ein weiterer Punkt, den das verfallende, mit rechten Graffiti besprayte Gebäude in Pernitz/Feichtenbach förmlich provoziert, ist die Frage nach dem öffentlichen Umgang mit einem solchen Haus. Wiederkehrende Muster, die sich durch die verschiedenen Vorträge zogen, waren zudem der nationalsozialistische Dualismus einer sowohl pro- als auch antinatalistischen Haltung sowie die Tatsache, dass der Lebensborn e.V. seine eigenen großformatigen Ansprüche zur zahlenmäßigen Förderung der „arischen Rasse“ mit den Geburten- sowie „Eindeutschungs“-Zahlen in seinen Heimen nicht einmal annähernd erfüllte.

Der Workshop diente der Reflexion abgeschlossener und laufender wissenschaftlicher Forschungen sowie der Präsentation wertvoller Projektideen. Die Erforschung des Lebensborn-Heims Wienerwald schließt ein bis heute andauerndes Forschungsdesiderat. Sie liefert einerseits wertvolle weitere Aspekte in der Erforschung der NS-Bevölkerungs- und Rassenpolitik, andererseits bietet sie Chancen zur öffentlichen Aufarbeitung und Vernetzung von Betroffenen. Für das kommende Jahr sind daher öffentliche Veranstaltungen in Kooperation mit Personen geplant, die in Lebensborn-Heimen geboren wurden oder einen Teil ihrer Kindheit dort verbracht haben.


Konferenzübersicht:
Barbara Stelzl-Marx (Graz) / Lukas Schretter (Wien): Begrüßung und Einleitung
Rudolf Oswald (Reichertshofen): Repatriierung oder Vermittlung? Zum Schicksal der 1945 im Lebensbornheim „Hochland“/Steinhöring aufgefundenen Kinder
Sabine Nachbaur (Wien): „Erbbiologisch wertvoller“ Nachwuchs? Kranke und nicht der „Auslese“ entsprechende Kinder im Lebensborn-Heim Wienerwald
Clara Römer / Matthias David (Berlin): „Lebensborn e.V.“ als Teil der nationalsozialistischen Geburtenförderung – eine Auswertung der geburtshilflichen Ergebnisdaten der deutschen „Lebensborn“-Heime im „III. Reich“
Clara Römer / Matthias David: Anmerkungen zur Rolle der sog. Beratenden Ärzte im „Lebensborn e.V.“
Georg Lilienthal (Korbach): „Banditenkinder“ im „Lebensborn“. Spurensuche und Schicksale
Joey Rauschenberger (Heidelberg) / Verena Meier (Heidelberg/Berlin): „Als sehr gut brauchbar für unser Volkstum“ oder „als ungenügend zu gelten“ – der Lebensborn e.V. der SS und sein Beitrag zur Selektion und „Eindeutschung von Kindern aus dem Banat 1941
Franziska Lamp (Wien): Ehevermittlung als Instrument nationalsozialistischer Bevölkerungspolitik
Richard Wallenstorfer (Wien): Von Ärztlichen Anordnungen zum SS-Befehl. Der Lebensborn e.V. analysiert anhand von Weisungen
Dorothee Schmitz-Köster (Berlin): Lebensborn – lebenslang? Meine Forschungen über die SS-Organisation
Lukas Schretter (Wien): Lebensborn in der „Ostmark“: ein Forschungsdesiderat?

Anmerkung:
[1] URL: https://bik.ac.at/lebensborn-heim-wienerwald-1938-1945-tabu-und-projektion-2/ (26.1.2022).

Zitation
Tagungsbericht: Lebensborn. Nationalsozialistische Geburtenpolitik, Entbindungsheime und die „Eindeutschung“ von Kindern aus den besetzten Gebieten, 19.01.2022 – 19.01.2022 digital (Graz), in: H-Soz-Kult, 29.03.2022, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-9367>